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Gefährden die neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Ländern die Regionalintegration in Afrika?

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Gefährden die neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Ländern die Regionalintegration in Afrika?

Formation und Mandat der Regionalorganisationen sind zu Verhandlungsbeginn offen

Regine Qualmann/ Anke Rojahn

Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

Am 27. September 2002 haben die formellen Verhandlungen zwischen den AKP-Staaten und der EU über die Neugestaltung ihrer Handelsbeziehungen begonnen. Die bislang einseitig von der EU gewährten Handelspräferenzen sollen künftig durch sogenannte Wirtschaftspartner- schaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, kurz EPAs) ersetzt werden. Im Zent- rum der neuen Partnerschaft stehen WTO-kompatible Freihandelszonen zwischen der EU und regionalen Gruppierungen in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum. Grundlage für die EPAs bildet das im Jahr 2000 geschlossene Abkommen von Cotonou. Dort wurde festge- legt, dass die Verhandlungen über die EPAs bis Ende 2007 abgeschlossen sein sollen und ab 2008 die Implementierungsphase beginnt. Die Übergangsfrist bis zum Freihandel soll rund 10 Jahre betragen.

Das neue Abkommen erkennt erstmalig die handelspolitische Rolle regionaler Integrations- prozesse an und will die laufenden Vorhaben unterstützen. Doch die EPAs können die Integ- rationsprozesse wirtschaftlich und auch politisch stark belasten. So hätte allein die freie Ein- fuhr von europäischen Agrarprodukten unter den derzeitigen Bedingungen wohl fatale Aus- wirkungen für die afrikanischen Märkte. Die bestehenden Regionalorganisationen (RO) sind für die anstehenden Verhandlungen technisch und institutionell kaum gerüstet, und ihnen fehlt mehrheitlich das erforderliche Mandat ihrer Mitgliedsländer. Wenn die EU-Kommission jetzt den Druck auf die AKP-Seite überzieht, läuft sie Gefahr, die Integrationsprozesse in den be- stehenden RO zu unterlaufen. Der vorliegende Artikel zeigt, wo die Verhandlungspositionen zwischen Kommission und AKP bei Verhandlungsbeginn divergieren und welche Risiken insbesondere für die regionalen Integrationsprozesse bestehen.

Uneinheitliche Vorstellungen zum zeitlichen Ablauf

Vom zeitlichen Ablauf der Verhandlungen haben beide Seiten unterschiedliche Vorstellun- gen. Das erste Treffen am 27. September hat insbesondere keine Einigung darüber erbracht, welche Themen in welcher Phase und Verhandlungsstruktur geklärt werden sollen. Zwar konnte man sich kurz vor Beginn grundsätzlich auf einen zwei-Phasen-Verlauf verständigen.

Doch während die EU-Kommission Phase I mit generellen Diskussionen auf all-ACP level spätestens im Januar 2003 beenden und dann in den regionalen Gruppierungen weiter verhan- deln will, strebt die AKP-Gruppe eine wesentlich längere erste Phase an, an deren Ende au- ßerdem ein gemeinsames Rahmenabkommen stehen soll. Insgesamt sechs Themen will die AKP-Seite laut der von ihr vorgelegten Verhandlungsleitlinien als Gruppe mit der EU- Kommission verhandeln, darunter auch Marktzugangsregeln sowie ein Abkommen zum Han- del mit Dienstleistungen.1 Erst dann will die AKP-Seite auf die nationale oder regionale Ebe- ne wechseln, um dort den Zollabbau für die einzelnen EPAs zu definieren. Darüber hinaus

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2 will die AKP-Seite eine Reihe anderer Prozesse im Blick behalten und ihre Verpflichtungen im Rahmen der EPAs auch von deren Ergebnissen abhängig machen, von den laufenden WTO-Verhandlungen etwa, der EU-Osterweiterung und der Reform der EU-Agrarpolitik.

Rückendeckung hat die AKP-Gruppe jüngst von einer Entschließung des Europäischen Par- lamentes erhalten. Die Abgeordneten fordern darin die Kommission u.a. dazu auf, im Verlauf der ersten Phase auf Basis eingehender Untersuchungen sicher zu stellen, dass kein AKP- Land durch die EPAs schlechter gestellt und in seiner sozialen, wirtschaftlichen und ökologi- schen Entwicklung beeinträchtigt wird.2 Den Schutzbedürfnissen müsse angemessen Rech- nung getragen werden.

Zum Auftakt der Verhandlungen zeigte sich die EU-Kommission weiter an einem zügigen Abschluss der ersten Phase interessiert. Die Kommission ist insbesondere nicht bereit, Fragen des Marktzugangs auf der all-ACP Ebene zu verhandeln. In einem anderen Punkt jedoch sig- nalisierte sie gegenüber den Anliegen der AKP-Seite Entgegenkommen. Handelskommissar Lamy zeigte sich bereit, der Entwicklung und Vertiefung der regionalen Märkte im Rahmend der EPAs mehr Gewicht beizumessen als der Liberalisierung gegenüber der EU. Als ein Er- gebnis der Gespräche vom 27. September wollen sich beide Seiten nunmehr in der ersten Pha- se auf eine "tool box" zur Förderung der Regionalintegration verständigen. Bislang hatte die Kommission die Regionalintegration zwar immer als Ziel der EPAs bezeichnet, jedoch nicht näher definiert, in welcher Weise dies umgesetzt werden solle. Die AKP-Seite hatte dagegen in ihren Leitlinien Fortschritte bei den regionalen Integrationsprozessen zur Voraussetzung von EPAs gemacht.

Unklare regionale Gruppierungen für die EPAs

Bei den Auftaktverhandlungen zeigte sich, dass die AKP-Seite sich noch nicht auf eine inter- ne Organisationsstruktur für die Verhandlungen geeinigt und entsprechende Mandate verteilt hatte. Unklar war insbesondere, wer die Gruppe auf welcher Ebene repräsentiert, das Sekreta- riat, der zuständige Ministerrat oder die Botschafter. Inzwischen hat sich die AKP-Seite per Ministerratsbeschluss darauf verständigt, dass die Verhandlungsführung und sämtliche politi- sche Entscheidungen beim AKP-Ministerrat liegen, während vorbereitende Verhandlungen auf der Botschafterebene durchgeführt werden. Das AKP-Sekretariat soll hingegen nur noch eine koordinierende Rolle übernehmen. Den Repräsentanten der Regionalorganisationen wird vom AKP-Ministerrat Beobachterstatus auf der Ebene der ministeriellen Treffen zugebilligt.

Die AKP-Seite behält sich vor, über die regionalen Gruppierungen für die EPAs zu beschlie- ßen. Bis November hatte die Gruppe allerdings noch nicht einmal Sprecher für die jeweiligen Subregionen benannt.

Die EU-Kommission hielt sich in der Frage der regionalen Formation und Definition eines formalen Status der bestehenden RO bisher bedeckt. Im ihrem Verhandlungsmandat zu den EPAs vom Frühjahr d.J. erwähnt die EU-Kommission keine der bestehenden RO namentlich.3 Allein im Anhang findet sich der Hinweis, dass unter den Vertragsparteien im Zusammen- hang mit EPAs "die regionale Gruppierung oder ihre Mitgliedstaaten oder die regionale Gruppierung und ihre Mitgliedstaaten, entsprechend ihren jeweiligen Zuständigkeitsberei-

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3 chen" zu verstehen seien. Worauf die Kommission hinsichtlich der regionalen Gruppierungen hinaus will, hatte sie allerdings in einem bereits im Jahr 2001 an die AKP-Seite gerichteten Papier mit dem Titel "Orientations on the Qualification of ACP Regions for the Negotiation of Economic Partnership Agreements" deutlich gemacht. Dort hat sie Kriterien dafür benannt, welche Gruppierungen sich aus Sicht der Kommission für ein EPA eignen und welche nicht.

Die Definition von Eignungskriterien orientierte sich dabei bemerkenswerter Weise aus- schließlich an ökonomischen Integrationsfortschritten. Demnach würden sich für ein EPA am besten große Wirtschaftsräume, vorzugsweise Zollunionen mit einheitlichem Außenzoll und harmonisiertem Wirtschaftsrecht nach innen eignen. Die regionale Formierung obliege, so dieses Papier, nicht allein der Entscheidung der AKP: Wer einer regionalen Gruppierung an- gehöre, der müsse auch ein regionales EPA verhandeln, und für diese gelte in jedem Falle – also einschließlich der beteiligten LDCs – Reziprozität des Freihandels am Ende der Über- gangsfristen.

Gefährdung der Regionalintegration durch die EPAs?

Die EU-Kommission setzt also bei den EPA-Verhandlungen auf regionale Gruppierungen, die in wirtschaftlicher Hinsicht mit der Integration relativ weit fortgeschritten sind. Verhandlun- gen mit einzelnen Ländern will die Kommission nach Möglichkeit vermeiden. Damit schafft sie jedoch Fakten, die den begonnenen Integrationsprozessen möglicherweise zuwider laufen und einige Länder unter erheblichen Handlungsdruck setzen. Problematisch erscheint aus entwicklungspolitischer Sicht insbesondere, dass weiter verstandene Integrations- und Ent- wicklungsziele wie politische Stabilität und friedliche Konfliktbearbeitung in den Regionen angesichts der Prioritäten, die die EPA-Verhandlungen setzen, hinter rein handels- und wirt- schaftspolitische Ziele zurücktreten. LDCs müssen nach dem derzeitigen Stand damit rech- nen, durch die Mitgliedschaft in den bestehenden RO und damit in EPAs ihre einseitigen Prä- ferenzen einzubüßen. Die von der Kommission angekündigten Maßnahmen zur verstärkten technischen Unterstützung der Integrationsprozesse sind zwar begrüßenswert, können jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass sie die politischen und institutionellen Defizite in den verschiedenen Regionen auch nicht über Nacht werden beheben können.

Die AKP-Staaten müssen sich ihrerseits darüber im Klaren sein, dass sie den Diskussionspro- zess nicht auf die lange Bank schieben können. Derzeit gibt es allein im subsaharischen Afri- ka mehr als zehn regionale Kooperationgemeinschaften, aber die Vertiefung der Integration und die politisch-institutionelle Konsolidierung dieser Prozesse kommt nur schleppend voran.

Zwar sind die fiskalische Abhängigkeit von Zolleinnahmen und die generelle wirtschaftliche Schwäche der meisten Staaten gewichtige Integrationshemmnisse. Aber in erster Linie behin- dern politische Rivalitäten zwischen den Regierungen, Mehrfachmitgliedschaften, geringe Ressourcenausstattung und fehlende Mandate die Wahrnehmung gemeinschaftlicher Aufga- ben durch die bestehenden Regionalorganisationen – einschließlich der Verhandlung regiona- ler Abkommen mit Drittländern. Die RO können nur dann eine aktive Rolle bei den EPA- Verhandlungen wahrnehmen, wenn ihre Mitglieder ihnen das Mandat hierfür übertragen. Die- se Voraussetzungen müssen in der ersten Phase erbracht werden. Andernfalls werden die E- PAs zu einer Zerreißprobe für die Regionalorganisationen.

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1 ACP-Secretariat (2002): ACP-guidelines for the negotiations of Economic Partnership Agreements, Brüssel, http://www.acpsec.org

2 Europäisches Parlament (2002): Wirtschaftspartnerschaften mit AKP-Regionen und –Staaten. Entschließung des Europäischen Parlaments mit seinen Empfehlungen an die Kommission, Nr. 2002/2097 (INI),

http://www.europarl.eu.int.

3 EU-Kommission (2002): Empfehlung für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Kommission, Wirt- schaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten und AKP-Regionen auszuhandeln, Brüssel

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