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Produktives Schreiben anhand von Brechts Der gute Mensch von Sezuan trainieren

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Academic year: 2022

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„[G]ut sein zu andern [u]nd zu mir konnte ich nicht zugleich“ – Produktives Schreiben anhand von Brechts

„Der gute Mensch von Sezuan“ trainieren

Nach einer Idee von Dr. Roland Schmenner, Berlin

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ie Frage nach Gerechtigkeit und deren Verwirklichung ist eine der wesent- lichen Fragen, die Jugendliche bewegt:

Wer oder was bestimmt Gerechtigkeit, wer oder was bestimmt über einen „guten“

Menschen? Kein anderes Drama Brechts geht dieser Fragestellung so exemplarisch nach und wendet dabei die Formen des epischen Theaters so in Reinform an wie

„Der gute Mensch von Sezuan“. In einer Verknüpfung von analytischen und hand- lungsorientierten Zugängen lernen Ihre Schüler nicht nur das Drama, sondern auch die revolutionäre Theaterkonzeption Brechts kennen. Dabei stehen vor allem Aspekte des produktiven Schreibens in unterschiedlichen Varianten im Vorder- grund.

Das Wichtigste auf einen Blick Dauer: 11 Stunden + LEK

Kompetenzen:

– einen Dramentext erfassen – Dialoge analysieren

– Dialoge, innere Monologe und Rollen- biografien verfassen

– Briefe schreiben

– epische Verfremdungseffekte gestalten Kann man überhaupt „gut“ sein?

© Trinity Western University, SAMC Theatre

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Die Wahl des Themas

Die medialen Erfahrungen der meisten Schülerinnen und Schüler* beruhen auf dem Prinzip der Identifikation und Authentizität. Seien es die Protagonisten aus Fernsehserien oder die aktuellen Stars diverser YouTube-Kanäle, gesucht werden Vorbilder, mit denen man verschmelzen kann.

Äußerst befremdlich und nur sehr schwer vermittelbar wirkt dagegen Brechts Konzeption des epischen Theaters, das gerade nicht auf Einfühlung und Identifikation, sondern auf Verfremdung und Reflexion setzt. Gleichzeitig aber treffen Brechts Themenkomplexewie Gerechtig- keit, die Frage nach „Gut“ und „Böse“, Moral und Verantwortung existenzielle Fragestellungen Jugendlicher. Hier ist der Ansatzpunkt, mit dem das scheinbar so weit entfernte Theater Brechts nicht nur aktualisiert, sondern als möglicher Lösungsweg für unbeant- wortete Fragen des Lebens herangezogen werden kann.

* Im weiteren Verlauf wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur „Schüler“ verwendet.

Fachwissenschaftliche Orientierung

Zum Inhalt

Brechts Theaterstück erscheint als eine Vorwegnahme des berühmten Adorno’schen Bonmots:

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Drei Götter begeben sich auf die Erde und erkunden den Zustand der Welt. Sie können nicht glauben, dass die Menschen unter den herrschenden Verhältnissen sich entgegen der göttlichen Gebote verhalten und sich als grundsätzlich „böse“

erweisen. Sie sind deshalb auf der Suche nach einem Gegenbeweis und stoßen dabei in Sezuan auf die Prostituierte Shen Te, die sie selbstlos aufnimmt. Zur Belohnung ermöglichen ihr die Götter den Kauf eines Tabakladens, der sie in die Lage versetzen soll, wirtschaftlich „Gutes“

für ihre Mitmenschen zu leisten. Da Shen Te aber nur ausgenutzt wird, kann sie dem Bankrott ihres Ladens nur entgehen, indem sie selbst in der Maske des skrupellosen Kapitalisten Shui Ta andere Leute schindet und ausbeutet. Eine Doppelrolle, an der sie zu zerbrechen droht. Als Shen Te unter Mordverdacht festgenommen wird, treten erneut die drei Götter auf, diesmal als Richter über Shen Te. Sie müssen sich von ihr vorwerfen lassen, dass die göttlichen Gebote unter den herrschenden wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zu realisieren seien und diese deshalb geän- dert werden müssten. Die Götter vergeben Shen Te, zeigen sich aber uneinsichtig gegenüber der Situation und verschwinden auf einer rosa Wolke wieder im Himmel.

Zum Werk

„Der gute Mensch von Sezuan“ entstand von 1938 bis 1940unter der Mitarbeit von Ruth Berlau und Margarete Steffin und wurde am 4. Februar 1943 am Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Leonard Steckel uraufgeführt. Brecht führt in diesem Stück exemplarisch sämtli- che Ideen seines epischen Theaterszusammen, sodass hier ein Brecht’sches Lehrstück in Reinform vorzufinden ist. Nicht zuletzt das offene Ende und das immerwährende Ansprechen des Zuschauerswährend des Stücks, das Einbinden von Liedern und das Unterbrechendes dramatischen Ablaufs sind dafür verantwortlich. Zudem wird ersichtlich, dass die Wahl Sezuans als Ort des Dramas kein bloßes Lokalkolorit darstellt, sondern dass wesentliche Aspekte des klassischen chinesischen Theaters Pate für die Brecht’sche Theaterkon- zeption standen. Exemplarisch können hier das Anhalten der Handlung und das Tragen weißer

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Didaktisch-methodische Überlegungen

Die Organisation des Leseprozesses

Die Schüler lesendas Drama vor Reihenbeginn als Hausaufgabe. Während des Lesens fül- len die Schüler sukzessivedas Arbeitsblatt M 1zum Szenenaufbauaus. Schwächeren Schülern können bereits einige schwieriger zu verstehende Inhaltsebenen vorstrukturiert und ausgefüllt ausgehändigt werden, damit ihnen der Leseprozess leichter fällt. Das Erstellen eines Lesetagebuchs wäre ebenfalls eine passende Ergänzung. Das Arbeitsblatt (M 1) zum inhaltlichenund formalen Aufbauwird dann in der ersten Unterrichtsstunde gesichert und ausgewertet. Insofern setztdie Unterrichtsreihe Grunderfahrungender Schüler beim Lesen und Behandeln einer Ganzschrift voraus.

Literaturgrundlage dieser Unterrichtseinheit

Brecht, Bertolt: Der gute Mensch von Sezuan (Suhrkamp Basisbibliothek). 11. Auflage.

Frankfurt/M.: Suhrkamp, 2016. ISBN: 978-3-518-18825-5, 224 Seiten, 6,50 EUR.

Was ist das Besondere an dieser Reihe?

Die Reihe berücksichtig die Kompetenzbereiche ‚Lesen‘, ‚Schreiben‘ und ‚Sprechen/Präsentie- ren‘. Im Vordergrund stehen dabei Verfahren des produktiven Schreibens, die in so unter- schiedlichen Varianten wie dem Verfassen von Monologen (M 4) und Tagebucheinträgen (M 5) und dem Weiterentwickeln einzelner Dialogszenen (M 3) den Schülern die Möglichkeit geben, einen handlungsorientierten Zugang zum Werkzu finden. Durch diese hohe Metho- denvielfalt, die u. a. auch aktives szenisches Arbeiten beinhaltet, werden unterschiedliche Zugangskanäleder Schüler berücksichtigt, wodurch eine durchgängige Motivationange- strebt wird. Brechts Drama wird dabei nicht als historisches Werk aufgefasst, sondern als ein Beitrag zur aktuellen gesellschaftlichen Situation.

Je nach Aufgabenstellung werden dabei unterschiedliche Differenzierungsmethoden angeboten, die sich an den Kriterien Textmenge und Textschwierigkeit, Geschwindigkeit und methodische Zugangsweise orientieren.

Ziele der Reihe

Die Schülerinnen und Schüler

– analysieren und deuten Dramendialoge;

– erarbeiten einen inneren Monolog und eine Rollenbiografie;

– schreiben Dialoge fort;

– verfassen einen Brief;

– verfassen eine kommentierende Rezension;

– ergänzen Regieanweisungen und wenden Verfremdungsverfahren an.

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Bezug zu den KMK-Bildungsstandards

Kompetenzbereich „Sich mit literarischen Texten auseinandersetzen“

– literarische Texte auf der Basis von nachvollziehbaren, sachlich fundierten Kriterien bewerten und dabei auch textexterne Bezüge wie Produktions-, Rezeptions- und Wirkungsbedingun- gen berücksichtigen

Kompetenzbereich „Schreiben“

– nach literarischen Vorlagen Texte neu, um- oder weiterschreiben, die Korrespondenz von Vorlage und eigenem Text beachten und dabei ein ästhetisches Ausdrucksvermögen entfal- ten

– in Anlehnung an journalistische, populärwissenschaftliche oder medienspezifische Textfor- men eigene Texte schreiben

Kompetenzbereich „Lesen“

– im Leseprozess ihre auf unterschiedlichen Interpretations- und Analyseverfahren beruhenden Verstehensentwürfe überprüfen

– den komplexen Zusammenhang zwischen Teilaspekten und dem Textganzen erschließen

Kompetenzbereich „Sprache und Sprachgebrauch reflektieren“

– sprachliche Handlungen kriterienorientiert in authentischen und fiktiven Kommunikationssitu- ationen bewerten

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Materialübersicht

M 1 (Ab) Was passiert wann? – Inhalt und Struktur des Dramas erarbeiten M 2 (Ab/Fo) Von Göttern und Menschen − Handlungsmotive erkennen M 3 (Ab) Drei Götter − eine Meinung? − Ein Streitgespräch verfassen M 4 (Ab/Bd) Arm bliebt arm – Lebenssituationen produktiv erarbeiten

M 5 (Ab) Gut und Böse – zwei Seiten einer Medaille? Shen Te und Shui Ta in Briefen verstehen

M 6 (Ab) Der Flieger Sun – ein schlechter Mensch?

M 7 (Ab) Wer sind Sie, Herr Yang? – Ein Interview führen

M 8 (Ab) Kommentare, Lieder, Masken – episches Theater verstehen M 9 (Ab) „Glotzt nicht so romantisch“ – Kommentare als

Verfremdungseffekte selbst entwickeln

M 10 (Ab) Ich bin Shen Te – eine Rollenbiografie verfassen

M 11 (Ab) „Los, such dir selbst den Schluss!“ – Produktiv das Drama beenden

Lernerfolgskontrolle

LEK (Ab) Was will Shu Fu von Shen Te? – Einen inneren Monolog schreiben

Abkürzungen:Ab = Arbeitsblatt; Bd = Bild, Foto; Fo = Folie

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Kommentare, Lieder, Masken – episches Theater verstehen

Brechts Stück ist immer wieder von Zwischenspielen unterbrochen, einzelne Szenen wirken zum Teil unzusammenhängend und der Wechsel von Shen Te zu Shui Ta wird vor den Zuschauern gezeigt. Hier erfahren Sie, welche Idee Brecht mit dieser Form von Theater verfolgt.

Das epische Theater

Bertolt Brecht geht von der grundsätzlichen Veränderbarkeit der Gesellschaft aus. Diese Überzeugung spiegelt sich nicht nur inhaltlich und thematisch in all seinen Theaterstücken wider, das Theater selbst, die Art zu schauspielern und ein Stück zu inszenieren, soll zu einer gesellschaftlichen Veränderung beitragen. Dafür muss das Theater die Menschen zum Denken anregen, der Zuschauer darf nicht mitfühlen, sondern soll mitdenken, soll sich Fragen stel- len, um anschließend das Gesehene kritisch auf seine eigene Realität übertra- gen zu können. Zu diesem Zweck entwickelt Brecht die Form des epischen Theaters und den damit verbundenen ‚Verfremdungseffekt‘. Das Theater-

stück soll nicht als Wirklichkeit wahrgenommen werden, sondern immer als künstliches Theater.

Mit den Schauspielern und ihren Figuren darf keine Identifikation stattfinden, sondern der Zuschauer muss sich immer distanziert fragen, ob er auch so gehandelt hätte und ob es für die Figur auch eine andere Entwicklungsmöglichkeit gegeben hätte. Brecht hat sich in seinen Theaterstücken daher immer wieder direkt an sein Publikum gewandt. Eine seiner bekanntesten „Publikumsbe- schimpfungen“ lautet: „Glotzt nicht so romantisch“. Mit diesem Satz wollte Brecht sein Publikum wachrütteln, damit sich die Zuschauer nicht passiv berieseln lassen, sondern zum Nachdenken ange- regt werden. Brecht entwickelte noch weitere dramaturgische Kunstgriffe, die sein Ziel eines distan- zierten Theaters ermöglichen sollen:

• Die Figuren des Stücks wenden sich an das Publikum

• Die Schauspieler schlüpfen erkennbar vor dem Publikum in unterschiedliche Rollen

• Die dramatische Handlung wird von den Schauspielern oder den Figuren kommentiert oder erläutert

• Pantomime oder Masken machen die Figuren zum Teil unkenntlich

• Die fortlaufende Handlung wird von Liedern oder Gedichten unterbrochen

• Einzelne „Kapitel“ und Zwischenspiele verhindern einen emotional vereinnahmenden Spielfluss

• Plakate, Schilder, Texte im Bühnenbild kommentieren das Geschehen und führen somit eine zweite Ebene in das Stück ein

• Die Handlung wird an exotische Orte oder in vergangene Epochen verlegt

Aufgaben

1. Lesen Sie den Informationstext zu Brechts Theaterkonzeption und diskutieren Sie im Ple- num, welche der oben genannten Verfremdungseffekte in „Der gute Mensch von Sezuan“ zu finden sind. Sammeln Sie diese an der Tafel.

2. Untersuchen Sie in Gruppen, welche Verfremdungseffekte in den folgenden Textstellen eingesetzt werden, und überlegen Sie, welche Wirkung sich aus diesen ergibt.

Gruppe A: S. 19, Z. 5–15 und S. 54, Z. 8–32 Gruppe B: S. 23, Z. 22–29 und S. 84, Z. 25–32

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Ich bin Shen Te – eine Rollenbiografie verfassen

Shen Te steht vor Gericht und muss sich für ihr Verhalten rechtfertigen. Um zu verstehen, in welcher Position sie sich am Ende des Dramas befindet, ist es hilfreich, sich ihren bisherigen Weg nochmals zu vergegenwärtigen.

Aufgaben

1. Sammeln Sie zunächst in Partner- oder Gruppenarbeit Informationen zu obigen Stich- punkten zu Shen Tes „Steckbrief“. In den Fällen, bei denen es Ihnen möglich bzw. not- wendig erscheint, formulieren Sie auch eine Antwort für Shui Ta.

2. Schreiben Sie in Einzelarbeit eine Rollenbiografie Shen Tes, in der auch die Doppelrolle Shui Tas berücksichtigt wird.

• Name:

• Alter:

• Wohnort:

• Beruf :

• Familienstand:

• Vergangenheit: Herkunft, bisheriger Lebensweg, vergangene Begebenheiten für die aktuelle Situation

• Gegenwart: aktuelle Lebensweise, Beziehungen (Freundschaft und Liebe), Beruf, Konflikte

• Zukunft: Wünsche und Hoffnungen für das zukünftige Leben

• Innere Werte:

– Lebenseinstellung

– Verhalten gegenüber anderen Personen – Ängste, Sorgen, Befürchtungen

– Stärken und Schwächen

• Beziehungen:

– Integration in die Gesellschaft – Freunde und/oder Neider – Liebesbeziehungen

• Besonderheiten, Auffälligkeiten

• Sprache der Figur:

– Allgemeine Sprechweise

– Sprechverhalten anderen gegenüber

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Referenzen

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