Innere Sicherheit weiterdenken: Ausgrenzung, Hass und
Gewalt – Herausforderungen für den Rechtsstaat und die
Sicherheitsbehörden
BKA Herbsttagung , 27. – 28. November 2019
Hasskriminalität konsequent bekämpfen
Kurzfassung
Markus Hartmann
Oberstaatsanwalt als Hauptabteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft Köln, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW)
BKA Herbsttagung 2019
Hasskriminalität konsequent bekämpfen
Markus Hartmann, Oberstaatsanwalt als Hauptabteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft Köln,
Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) 1
HASSKRIMINALITÄT KONSEQUENT BEKÄMPFEN
Die konsequente Bekämpfung der digitalen Hasskriminalität steht spätestens seit dem Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Fokus der
rechtspolitischen Diskussion. Hier treffen klassische Delikte aus der Gruppe der politisch motivierten Straftaten mit den Besonderheiten der Strafverfolgung im Internet zusammen. Eine wirkungsvolle Bekämpfungsstrategie muss daher beide strafrechtlichen Bereiche hinreichend berücksichtigen.
Die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) arbeitet seit Februar 2017 mit der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen und großen
Medienhäusern zusammen, um koordiniert und effizient gegen strafrechtlich relevante Hassrede im Netz vorzugehen. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass kein Akteur allein hinreichende Handlungsmacht hat. Vielmehr bedarf es eines integrierten Ansatzes.
Zunächst müssen die Strafverfolgungsbehörden Hürden in Kommunikation und Umgang mit den Medienunternehmen abbauen. Dies beginnt bei Form und Inhalt der Strafanzeige und reicht bis zur durchgehenden Digitalisierung aller Kommunikationswege. Die
Medienunternehmen müssen die besonderen Anforderungen an eine sachgerechte
Anzeigenerstattung annehmen und gleichzeitig die Bereitschaft entwickeln, über die bloße Moderationstätigkeit hinaus strafrechtlich relevante Sachverhalte auf ihren Präsenzen in sozialen Medien initiativ den Strafverfolgungsbehörden zu melden. Eine wesentliche Rolle kommt schließlich der Medienaufsicht zu, die neben der Projektkoordination auch die Anbindung der wissenschaftlichen Begleitung gewährleistet.
Dieses Projekt „Verfolgen statt nur Löschen“ versteht sich als Beitrag zu Schutz und Erhaltung der Meinungsfreiheit durch eine effizientere Verfolgung von strafbaren Hasskommentaren im Internet.
Seit Juli 2019 ist die ZAC NRW über die aus der Zusammenarbeit mit den Projektpartnern stammenden Fälle hinaus auch zuständig für herausgehobene Taten politisch motivierter Hasskriminalität im Internet unter Einsatz sozialer Medien, wobei eine Tat in der Regel dann als herausgehoben zu bewerten ist, wenn sie sich gegen Mandats- oder Amtsträger bzw. -trägerinnen oder in anderer Weise durch besonderes gesellschaftliches Engagement profilierte Personen richtet. Durch diese Zuständigkeitserweiterung kann die Zentralstelle wirksam auch diejenigen Fälle bearbeiten, in denen die Hasskriminalität durch das
demokratische Engagement der Opfer motiviert wurde.
Durch ihre umfassende Zuständigkeit für den Bereich der digitalen Hasskriminalität hat die ZAC NRW einen Kanon an best practices entwickelt, die die effektive Bekämpfung
strafbarer digitaler Hassrede weiter befördern soll.
Die bisherigen Erfahrungen der Zentralstelle geben jedoch auch Anlass zu rechtspolitischen Anmerkungen. Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen
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der Verantwortung der Betreiber sozialer Medien geliefert. Seine Auswirkungen auf die konkrete Strafverfolgung sind indes gering geblieben. § 5 Abs. 2 NetzDG, der eine
Auskunftsverpflichtung der Plattformbetreiber gegenüber den Strafverfolgungsbehörden vorsieht, ist in seiner bisherigen Ausgestaltung ungeeignet. Dies belegen die umfassende statistische Auswertung der bisher bei der ZAC NRW geführten Ermittlungsverfahren und die rechtspraktischen Beobachtungen bei der Anwendung der Norm.
Auskunfts- respektive Mitwirkungsverpflichtungen der sozialen Medien sind wesentlich auch durch Fragen der internationalen Rechtshilfe und des transnationalen Zugriffs auf elektronische Beweismittel berührt. Die Vorschläge der europäischen Kommission aus April letzten Jahres sind vielfach und kritisch diskutiert worden. Ihr inhaltlicher Kerngedanke der Vereinfachung des Zugriffs auf digitale Beweismittel auch in
staatenübergreifenden Sachverhalten wird sich auch für die Bekämpfung der digitalen Hasskriminalität als wesentlich erweisen