Was sollen die Schüler, die Physik studieren wollen, mitbringen, wenn sie auf die Universität kommen?
Zusammenfassung der Gedanken, die in einer Gesprächsrunde einiger Kollegen unserer Fakultät am 30.4.04 vorgebracht worden sind.
1. Mathematik. Hier lässt sich aus der Sicht der Physik ein klarer Kanon aufstellen. In der Analysis sollte das Handwerk des Differenzierens und Integrierens gekonnt sein. Ebenso sollten die Studierenden mit den Rationalen Funktionen, Sinus-, Cosinus-, Exponential- und Logarithmus Funktionen vertraut sein. Bei der Vektorrechnung waren wir uns über die Notwendigkeit nicht so sicher. Wahrscheinlichkeitsrechnung mag für die Allgemeinbildung notwendig sein, aber für den Physiker ist sie als Voraussetzung nicht nötig, sie kann ohne Problem später erlernt werden.
Das Üben von Textaufgaben, d.h. das Übersetzen von sprachlich formulierten Problemen in mathematische Gleichungen ist sicherlich sehr hilfreich für die Physik. Hier ist man ja immer wieder gefordert, hinter irgendwelchen Sachverhalten eine mathematische Struktur zu erkennen und sie zur Lösung einzusetzen.
Sollte man MAPLE oder MATHEMATICA in der Schule lernen? Vermutlich ist es ganz hilfreich, insbesondere, da ja Jugendliche großen Spaß am Computer haben. Allerdings sollte man versuchen, beim Lehren klar machen, dass es sich um Hilfsmittel handelt und sie nicht die Mathematik ersetzen. Es gilt immer noch, dass man die Lösung „versteht“ und ihre Richtigkeit wenigstens qualitativ nachprüft.(Das ist auch an der Universität noch ein Problem).
2. Physik. Über einen Kanon konnte sich die Diskussionsrunde nicht einigen.
Einige sagten, die Schüler müssten gar keine Vorkenntnisse mitbringen, da ja in den ersten drei Semestern, in Physik I-III, alles noch einmal gebracht würde.
Dagegen wurde gehalten, dass Lernen ein iterativer Prozess ist und dass ein Verständnis erst mit der Zeit und in der Wiederholung vertieft wird.
Bei dem Vorwissen aus der Schule geht nicht um Vollständigkeit. Gewisse Grundkonzepte, wie z.B. die Vielfachheit der Energieformen und der übergreifende Erhaltungssatz sollten vermittelt werden. Es wäre wünschenswert, wenn aus allen Gebieten etwas dabei wäre.
Der Unterricht in der Schule, da waren sich alle einig, solle eine gewisse Begeisterung für die Physik vermitteln. Diese lässt sich sicherlich am besten vermitteln, wenn man moderne Themen aufgreift. Kosmologie und Astrophysik sind wohl immer sehr beliebt. Dann vielleicht gewisse Aspekte der Quantenphysik (ob dazu Quanten-Computing gehören sollte, war umstritten) und komplexe Systeme, wie das Klima.
Es wäre aber wünschenswert, da waren sich wieder alle einig, dass die Schüler möglichst viel selbst experimentieren, damit Physik nicht den Beigeschmack einer Buchwissenschaft erhält.
Heidelberg, 15.5.04 Jörg Hüfner