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25.03.2009 Seite 1 von 5

Staatskanzlei Pressestelle 40190 Düsseldorf

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Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen

Presseinformation

Grußwort

von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers für die Gedenkfeier aus Anlass des 25. Todestages (6. März 1984)

von Martin Niemöller am 25. März 2009

- Es gilt das gesprochene Wort -

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Wie aufrecht kann ein Mensch gehen?

Als Martin Niemöller im Kreise weiterer Bischöfe 1934 in der Reichs- kanzlei empfangen wurde, da sagte Hitler: „Kümmern Sie sich um die Kirche. Ich kümmere mich um das Volk.“

Das war keine Begrüßung. Das war eine Drohung.

Niemöller hat das sofort verstanden. Das beweist seine Antwort.

„Die Sorge um die Kirche ist die Sorge um das Volk“ hat er sinngemäß darauf erwidert.

Wie aufrecht kann ein Mensch gehen?

Ich weiß um die Schwere dieser Frage. Vor allem mit Blick auf den Nationalsozialismus. Auf das Leben in der Diktatur. Da verbietet sich jedes schnelle Urteil. Aber zugleich darf da auch nie ein Zweifel sein an dem, was Recht und was Unrecht ist.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir heute hier sind.

Martin Niemöller hat gezeigt, dass der Mensch aufrecht gehen kann.

Dass Obrigkeit Widerstand erfordert, wenn sie das missachtet, was den Menschen ausmacht.

Dass Unrecht widersprochen wird, wenn es sich Raum zu schaffen versucht!

Was für eine unglaubliche Kraft erwächst uns heute daraus!

Was für eine Hoffnung! Dass da Menschen waren, die sich dem Unrecht entgegen gestellt haben, die sich dem nationalsozialistischen Regime widersetzt, die ihm widerstanden haben.

Was für ein Fundament hat Martin Niemöller unserem Land mit seinem Leben gegeben! Was für einen Boden hat er bereitet, auf dem das an- dere, das gewissenhafte, das gute Deutschland wieder wachsen konnte!

Unermüdlich war Niemöller unterwegs in England, in den USA, in Australien als Gesicht dieses anderen Deutschlands.

Und das war nie Symbolpolitik.

Niemöller hat sich für deutsche Kriegsgefangene eingesetzt.

Dass sie zurückkehren konnten. Zu ihren Frauen. Zu ihren Kindern, die groß geworden waren in den vielen Jahren und die mancher von ihnen noch nie gesehen hatte.

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Wenn wir in diesem Jahr 60 Jahre Bundesrepublik feiern, dann ist es auch Menschen wie Martin Niemöller zu verdanken, dass wir Grund zum Feiern haben; dass wir nicht nur auf ein historisches Datum blicken;

sondern dass da wahrhaft Größe war. Menschlichkeit! Gradlinigkeit!

Rückgrat! Darauf konnte unser Land aufbauen! Das hat uns Mut gegeben. Kraft und Richtung!

Lassen Sie mich noch einmal auf die Zeit damals blicken.

„Kampf gegen den Nationalsozialismus“ – das sagt sich ja so leicht.

Und wir bekommen nur eine vage Vorstellung von einem Leben im Schatten des Todes, wenn wir uns vorstellen, wie Martin Niemöller in den Akten der Nazis geführt wurde. Als „persönlicher Gefangener des Führers“.

Wir können nicht ermessen, was das heißt. Wir, die wir in der großen Mehrzahl uns nicht in dieser Zeit zu bewähren hatten.

Aber Gott sei Dank gibt es ja Zeugen, die diese Zeit erlebt und beobachtet haben. Und ich zitiere einen von ihnen, der durch sein mutiges Wort

das Überleben Martin Niemöllers mit erwirkt hat und der damals ge- schrieben hat: „Es ist schrecklich in die Hände der Menschen zu fallen, aber in die Hände der Nazis zu fallen, das ist denn doch noch etwas ganz anderes. Niemand weiß, ob Martin Niemöller heute noch lebt, ob das, was von ihm übrig ist, noch irgendwelche Ähnlichkeit hat mit seinem früheren Selbst. Vielleicht ist er nur noch eine menschliche Ruine, mit zitterndem Kopf, zitternden Händen, den Rücken voller Prügelnarben, ein von verblödenden Drogen, zum speichelnden Idioten gemachtes Gespenst seiner Selbst. Ich kann es nicht sagen; aber so lieben die Nazis ihre Feinde zu sehen, und darum ist es wahrscheinlich.“

Hier, in diesen Worten Thomas Manns, wird das Wesen der Tyrannei offenbar. Dass es nicht nur um einen Sieg geht. Nicht einmal aus- schließlich um Vernichtung. Es geht darum, dem Menschen auch das letzte noch zu nehmen. Die Freiheit, den Willen, die Würde.

Hitlers Schergen haben Niemöller nicht brechen können.

Das kommt einem Wunder gleich!

Und es gibt noch etwas, das mich stolz macht.

Wir alle wissen, dass Niemöller auch nach 1945 ein Mensch der klaren Worte war. Gewiss auch der verletzenden Worte. Wir müssen da nichts verschweigen!

Aber das sage ich nicht anklagend. Ich sage das dankbar!

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Es ist Menschen wie Martin Niemöller zu verdanken, dass auf deutschem Boden politische Kultur, politische Streitkultur wachsen konnte.

Eine Kultur, die nicht nur das Wort stehen ließ – sondern vor allem den, der es aussprach!

Das zeugt von Reife! Das zeugt von Respekt! Das ist demokratisch! Das ist Demokratie!

2009 ist ja nicht nur der 25. Todestag Martin Niemöllers.

2009 ist auch nicht nur der 60. Geburtstag unseres Landes.

2009 erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland noch an etwas anderes.

Vor 75 Jahren – auch daran war Martin Niemöller beteiligt – gab es in Wuppertal eine Konferenz, die historisch geworden ist. Ich spreche von der „Barmer Synode“ und der „Barmer Theologischen Erklärung“.

Ich möchte die Erinnerung daran nicht vorwegnehmen.

Es wird ja noch von offizieller kirchlicher Seite daran erinnert werden.

Aber wer 2009 an Niemöller erinnert, der muss auch von Barmen sprechen.

Gerade angesichts unserer Zeit, angesichts der Fragen, vor die wir gestellt sind und in und mit denen wir uns zu bewähren haben.

Gerade angesichts einer solchen Zeit, brauchen wir auch die Erinnerung an dieses Bekenntnis. Nicht rückwärts gewandt, nicht selbstsicher, sondern zukunftsweisend.

Sehen Sie, ich frage mich beispielsweise, wie ein Wort aus Barmen ausgesehen hätte, wenn es zum wirtschaftlichen Handeln,

zum globalen, verantwortlichen wirtschaftlichen Handeln formuliert worden wäre.

Und ich frage mich weiter, ob wir da stünden, wo wir jetzt zum Stehen, hoffentlich endlich zum Stehen gekommen sind, ob wir hier stünden, wenn wir uns, wenn sich noch mehr in Wirtschaft und Unternehmen auch an ein solches Wort gehalten und daran orientiert, wenn sie es sich zu Herzen genommen hätten.

Martin Niemöller und die Barmer Erklärung verweisen darauf:

Dass die Krise heute auch einem Mangel an Haltung geschuldet ist.

Dass es immer wieder an aufrechtem Gang fehlte.

Und dass vielfach nicht eingestanden wurde, wann aufzuhören war, wann unternehmerischer und politischer Ehrgeiz sich nicht mehr vertragen - mit der Vernunft nicht und mit dem Humanum nicht.

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Martin Niemöller hatte deshalb in seiner Zeit, in der Zeit der Weimarer Republik schon versucht, ein sichtbares Zeichen des Vertrauens

gegen die wachsende Inflation und wirtschaftliche Destabilität zu setzen:

Er ist einer der Mitbegründer der Evangelischen Darlehns-Genossen- schaft in Münster, einer Vorläuferin der KD-Bank,

die sicherstellen wollte, dass den Kirchengemeinden und Hilfswerken genügend Geld für Investitionen zur Verfügung stand.

Es gäbe noch viel zu sagen heute Nachmittag.

Nicht nur zu Barmen, zu Niemöller und Deutschland.

Auch zu Westfalen und dem Tecklenburger Land.

Als ich mir auf diesen Tag vorbereitet habe, musste ich häufig inne- halten. Etwa als ich von Pfarrer Thiemann las, den die Nazis nach Buchenwald deportiert haben; und der Gott sei Dank überlebt hat.

Oder beim „Tecklenburger Bekenntnis“. Auch das war damals ein mutiges Wort der Kirche.

Die Bedeutung des heutigen Tages speist sich aber nicht allein aus dem Blick zurück.

Gewiss, wir haben den dunklen Teil unserer Geschichte zu tragen.

Aber wir dürfen und sollen gerade auch die hellen Teile tragen.

Sie geben uns Kraft und Orientierung.

Uns soll und muss nicht bange sein. Nicht vor der Zukunft.

Und nicht vor der Wirklichkeit, in die wir gestellt sind.

Einer Wirklichkeit, in die wir bei aller Trennung der Aufgaben gemein- sam gestellt sind. Gemeinsam nicht nur als Kirche und Staat.

Sondern gemeinsam vor allem als Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

Einer Wirklichkeit, in der wir auch achthaben wollen auf das Erbe derjenigen, die zu ihrer Zeit ebenfalls nicht resigniert haben. Die Hoffnung bezeugt haben – trotz allem.

Für sie bin ich dankbar.

Ich verneige mich vor Martin Niemöller.

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