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Risiko-Nutzen-Verhältnis bei natürlicher Geburt und elektiver Sectio

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Gynäkologe 2013 · 46:709–714 DOI 10.1007/s00129-013-3179-x Online publiziert: 8. Oktober 2013

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

H. Schneider

Kehrsatz, Schweiz

Risiko-Nutzen-Verhältnis  bei natürlicher Geburt  und elektiver Sectio

Als Alternative zur Geburt des Kindes auf natürlichem Wege hat die Sectio caesarea einen festen Platz in der mo- dernen Geburtshilfe und kommt vor allem zur Anwendung, wenn die va- ginale Geburt mit einem erhöhten Ri- siko für das Kind oder die Mutter ver- bunden ist. Als operativer Eingriff ist auch die Sectio nicht frei von Risiken, sodass die Entscheidung zwischen den beiden Entbindungsarten grund- sätzlich eine sorgfältige Risikoabwä- gung erfordert. Bei absoluten Indika- tionen, wie Nabelschnurvorfall, Quer- lage, Placenta praevia, Verdacht auf eine vorzeitige Lösung oder Uterus- ruptur, ist der Wert einer Sectio als le- bensrettende Maßnahme für Mutter und/oder Kind unbestritten, sodass der Risikovergleich von untergeord- neter Bedeutung ist.

In Notfallsituationen ist der Eingriff mög- lichst rasch nach Diagnosestellung vorzu- nehmen. Mit der Verfeinerung der Ope- rationstechnik, den Entwicklungen im Bereich der Anästhesie und der periope- rativen Versorgung hat die Anzahl der mit dem Eingriff verbundenen Kompli- kationen deutlich abgenommen. Damit ist auch der Risikounterschied zwischen einer primären bzw. elektiven Sectio am Termin, d. h. einer Sectio, die vor dem Einsetzen von Geburtswehen bei intakter Fruchtblase durchgeführt wird, und einer Geburt auf natürlichem Wege nach einer unkomplizierten Schwangerschaft sehr viel kleiner geworden ist. Als Folge dieser

Entwicklung hat die Indikationsstellung eine beträchtliche Ausweitung erfahren.

Entwicklung der Sectiorate

Eine 1997 publizierte Umfrage bei erfah- renen Londoner Geburtshelfern hatte er- geben, dass 17% der Befragten für die Ge- burt ihres ersten Kindes einer primären Sectio den Vorzug vor einer vaginalen Ge- burt geben würden [2]. Spätestens seit die- sem Zeitpunkt gilt die Sectio als echte Al- ternative zu einer vaginalen Geburt. Das Spektrum der Indikationen reicht von den bereits erwähnten absoluten Indikationen über relative Indikationen, wie Geburts- stillstand, Beckenendlage, Zustand nach Sectio und einer drohenden fetalen Hyp- oxie, bis hin zum Fehlen jeglicher medizi- nischen Indikation.

»   Die Zunahme der Sectiones  ist vor allem durch relative  Indikationen bedingt

Vor diesem Hintergrund ist der kontinu- ierliche Anstieg der Sectiorate als beson- deres Merkmal der modernen Geburts- hilfe eine durchaus nachvollziehbare Ent- wicklung. Anfang der 1970er-Jahre des vo- rigen Jahrhunderts lag die Rate der Kai- serschnittgeburten unter 5%, und eine möglichst niedrige Sectiorate galt als we- sentliches Qualitätsmerkmal der Geburts- hilfe. In 11 von 21 Industriestaaten betrug die Sectiorate im Jahr 2007 mehr als 25%

[7]. In Italien, Portugal, den USA und der

Schweiz lag die Zahl bereits über 30%. In 14 der untersuchten Länder erfolgte die Zunahme im Zeitabschnitt 1998–2002 deutlich rascher als zwischen 1993 und 1997. Andererseits konnte in 18 Ländern für die Jahre 2003–2007 im Vergleich zu den Jahren 1998–2002 eine Verlangsa- mung der Zuwachsrate festgestellt wer- den. In Deutschland wurden nach Anga- ben der Bundesgeschäftsstelle für Quali- tätssicherung im Jahr 2008 30,1% der Ein- linge durch einen Kaiserschnitt geboren;

damit wurde die 30%-Schwelle für Ent- bindungen durch eine Sectio erstmals überschritten [5].

Die Zunahme der Sectiofrequenz ist vor allem durch Eingriffe aus relativer In- dikation bedingt.

Geburt auf natürlichem Wege vs primäre bzw.

elektive Sectio am Termin

Die Entscheidung zwischen einer Geburt auf natürlichem Wege und einer primä- ren oder elektiven Sectio am Termin stellt sich vor allem bei relativen Indikationen.

Als operativer Eingriff erfordert die Sec- tio eine schriftliche Einverständniserklä- rung der Schwangeren, die eine umfas- sende Aufklärung voraussetzt. Dabei steht der ärztliche Berater vor der schwierigen Aufgabe, durch eine Gegenüberstellung einer Geburt auf natürlichem Wege und einer primären bzw. elektiven Sectio am Termin die Geburtsvariante zu empfeh- len, die im Einzelfall zu einem optima- len Ergebnis für Mutter und Kind führt.

Leitthema

Redaktion P. Husslein, Wien

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Bei der primären bzw. elektiven Sectio können Komplikationen vor allem im Zu- sammenhang mit dem chirurgischen Ein- griff oder der Anästhesie auftreten. Das entsprechende Risiko ist in verschiede- nen Studien quantitativ gut belegt, sodass unter Berücksichtigung des Phänotyps der Schwangeren die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der häufigsten Komplika- tionen mit einiger Verbindlichkeit prog- nostiziert werden kann.

Auch für Geburten auf natürlichem Wege kann nach einer problemlosen Schwangerschaft der Verlauf sowie der Ausgang der Geburt vorhergesagt wer- den. Vor allem die präzise Ultraschall- diagnostik mit der Erkennung von pa- thologischen Kindslagen, Störungen im kindlichen Wachstum sowie einer atypi- schen Plazentalokalisation liefert wert- volle Daten für die Vorhersage mögli- cher Komplikationen bei der Geburt. Bei Mehrgebärenden können aus anamnesti- schen Angaben zu vorausgegangenen Ge- burten wichtige Zusatzinformationen ge- wonnen werden. Auf jeden Fall setzt auch der Versuch einer natürlichen Geburt das Einverständnis der Schwangeren voraus, und bei nicht vorhergesehenen Schwierig- keiten sollte großzügig auf eine sekundäre Sectio umgestellt werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die sekundäre Sec- tio mit einem deutlich höheren Risiko be- lastet ist als der primäre Eingriff.

»   Eine sekundäre Sectio  birgt ein deutlich höheres  Risiko als eine primäre 

Auch wenn es keine prospektiven Unter- suchungen an vergleichbaren Kollektiven zur Frage der Verlässlichkeit der Vorher- sage bei beiden Geburtsmodalitäten gibt, darf dennoch vermutet werden, dass die prospektive Beurteilung einer Geburt auf natürlichem Wege mit größerer Un- gewissheit behaftet ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass die Ent- scheidung für eine elektive Sectio in der Regel vor Geburtsbeginn getroffen wird, während die Abwägung für oder gegen die Beendigung einer auf natürlichem Weg begonnenen Geburt durch eine se- kundäre Sectio – etwa bei einer protra-

hierten Eröffnung des Muttermundes – als ein Prozess zu betrachten ist. Dabei stellt der Risikovergleich keine Konstante dar, sondern er muss unter Berücksichti- gung verschiedener Variablen wiederholt angestellt werden. Im Zentrum der Be- urteilung steht die Frage, ob die Geburt auf vaginalem Weg stattfinden kann.

Prospektiv randomisierte Vergleichs- studien existieren nur für Risikokollektive , etwa für Frauen mit Feten in Becken- endlage oder mit einem Kaiserschnitt in einer früheren Schwangerschaft [14, 29].

Wegen der relativ hohen Rate sekundärer Sectiones, die mit einem deutlich schlech- teren Ergebnis für Mutter und Kind be- lastet sind, kann eine saubere Analyse der Ergebnisse in diesen Studien nur nach dem Intention-to-treat-Prinzip erfolgen.

Da nicht sicher ist, wieweit dies bei den bisherigen Studien konsequent erfolgt ist, haben die Ergebnisse nur bedingt Gültig- keit für Entbindungen bei Kopflage ohne Belastung durch eine vorausgegangene Sectio. Dazu kommt bei diesen Studien, wenn sie multizentrisch konzipiert sind, dass für verschiedene Variablen die Ver- gleichbarkeit der Daten aus den einzelnen Zentren begrenzt ist.

Nutzen-Risiko-Abwägungen

Neuere retrospektive Untersuchungen [20, 24, 40] haben an großen Kollektiven gezeigt, dass nach einer primären Sectio die Inzidenz schwerer mütterlicher Kom- plikationen wie eine postpartale Hyster- ektomie, eine schwere Wochenbettinfek- tion oder von Thromboembolien deutlich höher ist als nach Spontangeburten. Die untersuchten Kollektive waren sehr um- fangreich, sodass die vergleichende Quan- tifizierung auch für seltene, schwere Kom- plikationen als zuverlässig gelten kann.

Berücksichtigt wurden auch gravierende Komplikationen bei Folgeschwanger- schaften.

In die gleiche Richtung weisen auch die Ergebnisse einer groß angelegten Stu- die der WHO, in der an 120 zufällig aus- gewählten Institutionen in Lateinamerika alle Geburten im Hinblick auf mütter- liches und kindliches Outcome analy- siert wurden [39]. Bei einer Sectiorate von 33% (68% von ihnen Erstgebärende ) zeigte sich für die verschiedenen Abtei-

lungen ein positiver Zusammenhang zwi- schen der Sectiorate sowie schwerer müt- terlicher wie kindlicher Morbidität und Mortalität. Diese Assoziation war auch nach Korrektur für soziodemographische Unterschiede, Frühgeburtenrate u. a. si- gnifikant. Da andere Faktoren, wie ein Kompetenzverlust bei der vaginalen Ge- burt oder eine Verlagerung von Ressour- cen zugunsten der Entbindungen durch Sectio, bei dem Outcome-Vergleich eher die Sectiogeburten favorisieren sollten, muss die tatsächlich beobachtete Zu- nahme der Fälle mit schwerer mütterli- cher wie kindlicher Morbidität und Mor- talität dem Eingriff Sectio angelastet wer- den. Daraus kann ferner geschlossen wer- den, dass in Lateinamerika die Sectiorate die Schwelle zu dem Bereich, in dem die Risiken des Eingriffs höher als der Nutzen sind, klar überschritten wurde.

Geburtsstress − physiologische Bedeutung

Zahlreiche Untersuchungen haben erge- ben, dass Neugeborene nach einer vagina- len Geburt höhere Konzentrationen von Stresshormonen aufweisen als nach einer elektiven Sectio [41]. Bei der Nutzen-Ri- siko-Abwägung einer Geburt auf natürli- chem Wege liegt bei der Beurteilung des Geburtsstress die Betonung in der Regel auf den damit verbundenen Risiken.

D Es scheint jedoch durchaus  plausibel, dass der von der Natur  vorgesehene Geburtsstress für den  Feten grundsätzlich vorteilhaft ist.

Darauf haben schon vor annähernd 30 Jahren Lagercrantz u. Slotkin [22] in ihrer bemerkenswerten Publikation mit dem Titel „The ‚stress‘ of being born“ hinge- wiesen [22].

Die positive Beeinflussung der ab- schließenden Reifung der Lungen wurde in verschiedenen Vergleichsstudien ge- zeigt, und es darf als gesichert gelten, dass die respiratorische Adaptation des Neu- geborenen nach einer Geburt auf natür- lichem Wege besser ist als nach einer Ent- bindung durch eine elektive Sectio [3, 16, 27, 30]. Dies wurde durch eine neuere Untersuchung aus dem deutschsprachi- gen Raum bestätigt [33]. Die durch den

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abrupten Übertritt aus dem vertrauten intrauterinen Milieu in die extrauterine Umgebung erforderlich werdenden Um- stellungen betreffen auch die Mechanis- men zur Regulation der Körpertempera- tur und den Weg der Nahrungszufuhr.

Die Anpassung an die bakterienhaltige Umgebung außerhalb der Gebärmutter und die damit verbundene Stimulation des fetalen Immunsystems ist in den ver- gangenen Jahren zunehmend Gegenstand der Forschung geworden [6]. In der Lite- ratur finden sich Hinweise dafür, dass bei einer Geburt durch eine elektive Sectio das Risiko für eine spätere Entwicklung von Diabetes, Asthma, Allergien und Stö- rungen des Gastrointestinaltraktes deut- lich höher ist als nach einer Geburt auf natürlichem Weg [34]. Bereits 1981 wurde beschrieben, dass die Wehentätigkeit sti- mulierend auf das Immunsystem des Fe- ten wirkt [8]. Spätere Arbeiten haben ge- zeigt, dass Leukozyten aus Nabelschnur- blut nach Vaginalgeburten mehr inflam- matorische Zytokine produzieren als nach Entbindung durch elektive Sectiones [4, 38, 43]. Allerdings ist Vorsicht dabei ge- boten, von Faktoren, die während der Schwangerschaft oder bei der Geburt auf den Feten einwirken, kausal auf die Ent- wicklung von Störungen im Leben nach der Geburt zu schließen. Eine vollständige Korrektur für die Vielzahl von Variablen, die nach Schwangerschaft und Geburt wirksam werden, dürfte kaum zu realisie- ren sein [25]. Doch angesichts des konti- nuierlichen Anstiegs der Anzahl von Kai- serschnittentbindungen müssen alle Hin- weise für mögliche negative Auswirkun- gen auf die spätere Gesundheit des Kindes sehr ernst genommen werden.

Stellenwert der Wunschsectio

Für Beratung und Aufklärung gilt der Grundsatz: Je mehr medizinische Überle- gungen bei der Wahl zwischen einer na- türlichen Geburt oder einer Entbindung durch eine primäre Sectio in den Hinter- grund treten und je mehr der Wunsch der Schwangeren zum bestimmenden Motiv wird, desto wichtiger wird eine ausgewo- gene Abwägung von Risiko gegenüber Nutzen. Eine sorgfältige Aufklärung der Schwangeren und ihres Partners stellen eine wichtige Entscheidungshilfe dar und

sind die Basis für einen „informed con- sent“.

Im Frühjahr des Jahres 2006 fand in den USA eine von den National Institu- tes of Health (NIH) organisierte „State of the Science Conference“ zum Thema

„Cesarean Section on Maternal Request“

statt. In einer umfangreichen Literatur- recherche fand sich für die Mehrzahl der

mütterlichen und kindlichen Out come- Parameter keine überzeugende Evidenz für die Überlegenheit einer Entbindung durch eine primäre Sectio oder eine na- türliche Geburt. Als Schlussfolgerung wird empfohlen, weiterhin bei risikoar- men Schwangerschaften grundsätzlich der Geburt auf natürlichem Wege den Vorzug zu geben [31].

Zusammenfassung · Abstract

Gynäkologe 2013 · 46:709–714   DOI 10.1007/s00129-013-3179-x

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 H. Schneider

Risiko-Nutzen-Verhältnis bei natürlicher Geburt und elektiver Sectio

Zusammenfassung

Der Nutzen einer Sectio bei absoluter Indi- kation ist für Mutter und Kind so eindeu- tig, dass eine natürliche Geburt in der Regel  nicht in Betracht kommt. Nachdem die elek- tive Sektio als Eingriff sehr sicher geworden  ist, hat die Indikationsstellung eine beträcht- liche Ausweitung erfahren, und der Hauptan- teil des Anstiegs der Sektiorate der vergange- nen Jahre entfällt auf den elektiven Eingriff. 

Damit kommt einer vergleichenden Nutzen- Risiko-Abwägung besondere Bedeutung zu. 

Gemessen an seltenen, aber schweren müt- terlichen Komplikationen sollte der natürli- chen Geburt weiterhin der Vorzug gegeben  werden. Andere Kriterien, wie Schutz des Be- ckenbodens, sind nicht ausreichend belegt,  als dass sie als Rechtfertigung für eine elek- tive Sektio gelten können. Die positiven Ef- fekte des Geburtsstresses der vaginalen Ge- burt, von denen vor allem das Neugeborene 

profitiert, finden in der Diskussion des opti- malen Entbindungsmodus am Termin zuneh- mend Beachtung. Während die Bedeutung  für die primäre Adaptation weitgehend gesi- chert ist, sind Langzeiteffekte wie der Schutz  vor Allergien und Asthma nicht gesichert. Die  Komplexität der Entscheidung für eine der  beiden Varianten erfordert eine Expertenbe- ratung, um eine Einverständniserklärung im  Sinne eines „informed consent“ zu ermög- lichen. Können keine klaren medizinischen  Gründe als Indikation für eine Sectio ange- führt werden, müssen ethische Konflikte so- wie mögliche forensische Konsequenzen be- dacht werden.

Schlüsselwörter

Entbindung · Beckenendlage · Geburtsstress ·  Beckenboden · Informierte Zustimmung

Risk benefit ratio for natural birth and elective cesarean section

Abstract

The benefit of a cesarean section with abso- lute indications for mother and child is un- disputed so that a natural birth is usually not  even considered. Since an elective section  as an intervention has become very safe the  list of indications has considerably increased  and the majority of the rise in cesarean sec- tions is due to the elective category. This re- quires a careful evaluation of the risk benefit  ratio of a natural birth compared to delivery  by an elective cesarean section. Based on the  incidence of rare but severe maternal compli- cations preference should be given to natural  birth. Criteria such as protection of the pelvic  floor are not evidence-based to justify a pro- phylactic birth by cesarean section. The posi- tive effect of the stress of vaginal birth, which  are predominantly to the benefit of the child,  are increasingly taken into consideration in 

debates about the optimal mode of deliv- ery at term. The importance for adaptation  of the newborn is undisputed whereas long- term effects, such as protection against aller- gies and asthma in postnatal life are not evi- dence-based. The complexity of the decision  between the two modes of delivery requires  objective and expert counselling to allow the  couple to give informed consent. The basic  attitude of the couple towards the event of  birth must be taken into account. When no  medical reasons can be given as indications  for the cesarean section, ethical conflicts be- tween mother and child and potential foren- sic consequences must be considered. 

Keywords

Obstetric delivery · Breech presentation ·  Birth stress · Pelvic floor · Informed consent 

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»   Ein Konnex zwischen  Geburtsmodus und  Beckenbodenfunktion  ist nicht gesichert

Auch gemäß dem aktuellen Stand der Untersuchungen über Risiken und Nut- zen einer elektiven Sectio im Vergleich mit einer natürlichen Geburt können die für eine objektive Beratung erforderlichen Daten kaum als wissenschaftlich gesichert bezeichnet werden. Bei der bereits ange- sprochenen Befragung der Geburtshel- fer in London wurden Angst vor Verlet- zungen des Beckenbodens mit funktionel- len Spätfolgen und einer Beeinträchtigung der Sexualität, die Vermeidung von Schä- digungen des Kindes sowie die Planbar- keit der Geburt am häufigsten als Gründe für eine Entscheidung für eine elektive Sectio genannt. Ein Zusammenhang zwi- schen Geburtsmodus und Beckenbo- denfunktion ist nach der gegenwärtigen Datenlage [10] keineswegs gesichert. In den meisten retrospektiven Studien wird zwar der elektiven Sectio eine schonende Wirkung auf den Beckenboden zuge- schrieben. Dennoch kann in Anbetracht zahlreicher Kofaktoren, wie Genetik, Al- ter, Body-Mass-Index, beruflicher Belas- tung u. a., die bei der Entstehung dieser Pathologie von Bedeutung sind, der Ein- fluss auf die Beckenbodenfunktion kein Entscheidungskriterium bei der Wahl des Geburtsmodus sein. Inwieweit durch neuere bildgebende Verfahren mit Erfas- sung von morphologischen Veränderun- gen der Strukturen des Beckenbodens die Auswirkung des Entbindungsmodus auf die Funktion besser erfasst werden kann, muss durch weitere Studien erst noch be- legt werden [18]. Die einzige prospektiv randomisierte Vergleichsstudie stammt von Entbindungen bei Beckenendlage und zeigt, dass 3 Monate nach einer elek- tiven Sectio deutlich weniger Frauen über eine Harninkontinenz als nach vaginaler Geburt klagten [14]. Bei erneuter Befra- gung 2 Jahre später konnte allerdings kein Unterschied mehr festgestellt werden [15].

Angesichts der wenig gesicherten Daten zu medizinischen Kriterien sollte bei der Entscheidung für oder gegen eine natürliche Geburt bei risikoarmen Si-

tuationen den Vorstellungen und Wün- schen des Paares besondere Beachtung ge- schenkt werden. Die Geburt eines Kindes ist in dem Leben einer Frau sowie eines Paares ein Ereignis von besonderer Emo- tionalität, und das Bedürfnis, bei der Ge- staltung dieses einzigartigen Erlebnisses eine aktive Rolle zu spielen, ist nur allzu verständlich. Die Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen der Betroffe- nen bei der Wahl des Geburtsmodus, vari- iert in unterschiedlichen Kulturen erheb- lich. Am ehesten korreliert sie mit der Be- achtung demokratischer Grundwerte in- nerhalb der Gesellschaft.

Im deutschsprachigen Raum wurde die Einstellung von Schwangeren wiederholt untersucht. So zeigte eine erst 2011 publi- zierte Befragung [12] von 534 Schwange- ren, dass eine vaginale Geburt allgemein bevorzugt wird. Neben der Natürlichkeit des Geschehens wurden die Anwesenheit einer Begleitperson und das aktive Ge- burtserlebnis besonders gewichtet. Da- gegen kommt anderen Faktoren wie Life- style-Aspekten, dem Vorbild von „pro- minenten“ Geburten oder einer beson- deren Sicherheit der elektiven Sectio für Mutter und Kind, nicht die vielfach ver- mutete Bedeutung bei der Zunahme bei den elektiven Sectiones zu [11, 17]. Diese Erkenntnisse sollten bei der Beratung be- sondere Beachtung finden und die Vor- züge der natürlichen Geburt sollten dem Paar bewusst gemacht werden bzw. ver- stärkt werden. Gleichzeitig sollen die we- nig gesicherten Vorteile einer elektiven Sectio relativiert werden. Der Abbau von Ängsten vor der vaginalen Geburt kann aktiv angegangen werden [13]. Bei der Be- ratung sollte die Meinung des Geburtshel- fers wie auch einer Hebamme einfließen, und je nach Situation sollten auch Zweit- meinungen eingeholt werden.

D Kann die Entscheidung einer  Schwangeren für eine elektive  Sectio nicht beeinflusst werden,  sollte dies akzeptiert werden.

Für die Zusicherung, dass die Zufrieden- heit mit dem Geburtserlebnis nach einer elektiven Sectio gleich hoch sein kann wie nach einer vaginalen Spontangeburt und deutlich höher als nach einer Entbindung durch eine sekundäre Sectio oder durch

eine operative Vaginalgeburt, sind diese Frauen besonders dankbar [35].

Ausführliche Hinweise für eine zeitge- mäße Aufklärung mit Daten zum Risiko- vergleich zwischen der primären Sectio und der vaginalen Entbindung auf natür- lichem Weg finden sich bei Leslie 2004, Childbirth Connection 2013, McFarlin 2004, Kolip u. Bücher 2009 sowie Schnei- der 2008 [21, 23, 26, 28, 37].

„Wunschsectiones“ machen etwa 10%

aller Schnittentbindungen aus [9]. Dabei kann es sich nur um Schätzungen han- deln, da auf den statistischen Erhebungs- bögen der Wunsch der Patientin als In- dikation für eine Sectio aus forensischen Gründen nicht vorgesehen ist.

D Die rechtliche Situation einer Sectio  ohne medizinische Indikation ist  nach wie vor nicht geklärt [42].

Diverse von deutschen Gerichten zu Fra- gen der Wunschsectio getroffene Ent- scheidungen basieren auf dem Rechts- grundsatz, dass eine medizinische Hand- lung bei Fehlen einer ärztlich-medizini- schen Rechtfertigung auch auf nachhal- tigen Patientenwunsch nicht vorgenom- men werden darf. Der Arzt, der einem Pa- tientenwunsch Folge leistet, kann zu Scha- denersatz verpflichtet werden. Wenn da- gegen eine auch „noch soweit hergeholte “ medizinisch vertretbare Indikation für den Kaiserschnitt im Interesse von Mut- ter und/oder Kind dokumentiert ist, etwa eine besondere Angst vor der Geburt, be- stehen keine juristischen Bedenken [36].

Neben den Rechtsunsicherheiten er- gibt sich beim Fehlen einer medizinischen Indikation auch ethisch eine schwierige Konfliktsituation aus der mangelnden Vereinbarkeit von dem Recht der Schwan- geren auf Autonomie bzw. Selbstbestim- mung und dem Anspruch des Feten auf eine möglichst risikoarme Form der Ge- burt [1, 19].

Fazit für die Praxis

F Die Entscheidung für eine Entbin- dung per Sectio setzt eine Abwägung  von Risiko gegen Nutzen voraus.

F Bei einer absoluten Indikation ist das  Überwiegen des Nutzens unbestrit- ten, und in einer Notsituation ist der 

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Eingriff möglichst rasch vorzuneh- men.

F Bei relativen Indikationen ist das  Recht auf Mitsprache der Schwange- ren bzw. des Paares zu beachten; das  auf Information basierende Einver- ständnis setzt eine umfassende Auf- klärung voraus.

F Auch wenn die elektive Sectio ein  kleines Risiko mit sich bringt, zeigt  die Risiko-Nutzen-Abwägung, dass  bei Fehlen einer medizinisch relevan- ten Indikation der Geburt auf natürli- chem Weg der Vorzug gegeben wer- den sollte.

F Bei einer reinen Wunschsectio sind  die durch den Interessenkonflikt von  Mutter und Kind gegebenen ethi- schen Fragen sowie mögliche foren- sische Probleme besonders zu beach- ten.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. H. Schneider Ahornweg 4, 3122 Kehrsatz Schweiz

henning.schneider@hispeed.ch

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  H. Schneider gibt an, dass kein  Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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Der Gynäkologe 10 · 2013

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