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Rechtsfragen der Nutzung von Archivgut

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Vorträge der Frühjahrstagung der Fachgruppe 1 – Staatliche Archive – im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e. V.

am 29. April 2010 in Stuttgart

Herausgegeben von Clemens Rehm und Nicole Bickhoff

Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2010

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Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 by Landesarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart Lektorat: Luise Pfeifle

Gestaltung:DOPPELPUNKT, Suttgart

Druck: NINO Druck GmbH, Neustadt an der Weinstraße Kommissionsverlag: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-021797-3

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4 Vorwort

Clemens Rehm, Nicole Bickhoff 6 Einleitung

Margit Ksoll-Marcon

10 Zugangsregelungen in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder

Ist Änderungsbedarf angesagt?

Bettina Martin-Weber

17 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) und Bundesarchivgesetz

Kai Naumann

32 Über die Nutzung digitaler Unterlagen in Archiven

Bettina Joergens

43 Das neue Personenstandsgesetz – das Glück der Forschung?

Die Umsetzung des Personenstandsrechts in den Archiven

Udo Schäfer

52 Der Zugang zu als Archivgut übernommenen Grundbüchern und Grundakten

Secundum legem ferendam

Jost Hausmann

58 Sollte in der Archivbenutzung die Selbst- anfertigung von Reproduktionen zugelassen werden?

Kontra Digitalkamera im Lesesaal Hermann Wichers

62 Selbstanfertigung von Reproduktionen Der Einsatz von Digitalkameras im Lesesaal des Staatsarchivs des Kantons Basel-Stadt 67 Autorinnen und Autoren

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Vorwort

Die Archivgesetze des Bundes und der Länder sind derzeit in einer Phase der Novellierung. In einigen Archivverwaltungen ist die Neufassung bereits er- folgt, in anderen vollzieht sie sich gerade, in wieder- um anderen wird sie derzeit zumindest vorbereitet.

Dabei wird deutlich, dass die mit der Novellierung eingetretene zweite Phase der deutschen Archivge- setzgebung noch keineswegs alle Fragen gelöst hat, die sich vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung aller Gesellschaftsbereiche, verän- derter Nutzererwartungen im digitalen Zeitalter, spezieller Ansprüche einer zunehmend vernetzten, mit Digitalisaten arbeitenden Forschungslandschaft und nicht zuletzt der Informationsfreiheitsgesetze ergeben, dass vielmehr noch erheblicher Diskussi- onsbedarf besteht. Diese Diskussion sollte in den archivarischen Fachkreisen möglichst breit geführt werden, betrifft sie doch alle Archivarinnen und Archivare ganz elementar.

Ich begrüße es daher sehr, dass die Fachgruppe Staatliche Archive im VdA – Verband deutscher Ar- chivarinnen und Archivare e.V. archivrechtliche Fragen, die sich bei der Archivgutnutzung ergeben,

in den Mittelpunkt einer Frühjahrstagung gestellt hat, die am 30. April 2010 in Stuttgart stattfand und deren Ergebnisse hier im Druck vorgelegt werden.

Die Archivgutnutzung vollzieht sich an der ent- scheidenden Schnittstelle zwischen der historischen Überlieferung, die in Archiven verwahrt wird, und ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Als Gedächtnis der Gesellschaft und als Ort, an dem das Handeln von Politik und Verwaltung nachvollziehbar bleibt, kann das Archiv seiner Funktion nur dann gerecht werden, wenn der Zugang zu Archivgut im Span- nungsfeld zwischen Informationsrechten und For- schungsfreiheit auf der einen Seite und einschrän- kenden, konkurrierenden Rechtsnormen auf der anderen Seite klaren Regelungen folgt, die für die Nutzer transparent sind. Bestimmend für den Zu- gang zu und den Umgang mit Archivgut sind da- bei nicht nur die unterschiedlichen Zugangsrege- lungen in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder, sondern in stärkerem Maß als auf anderen archivischen Arbeitsfeldern auch außerarchivische Rechtsnormen. Dazu kommt, dass sich im digi- talen Zeitalter die technischen Entwicklungen zu-

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nehmend auf die Nutzung auswirken. Neben her- kömmliche Nutzungsformen sind neue getreten;

die Erwartungen der Nutzer haben sich grundle- gend verändert. Archivarinnen und Archivare kön- nen die technischen Entwicklungen nur bedingt mitgestalten; in vielfacher Hinsicht ist ihre Rolle die des Reagierens. Ziel muss jedoch sein, die Mög- lichkeiten, die sich im digitalen Zeitalter bieten, positiv aufzugreifen und die Nutzungsmodalitäten unter Berücksichtigung aller berechtigten Belange zeitgemäß weiterzuentwickeln. An den Beiträgen der Stuttgarter Tagung wird die Notwendigkeit deutlich, sich regelmäßig mit den Veränderungen zu befassen, die Folgen für die Nutzung von Archiv- gut haben, und kreativ nach Lösungen zu suchen – zum Nutzen aller, die davon betroffen sind.

Um die aktuellen und gleichzeitig weitreichenden Fragestellungen auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat das Landesarchiv Baden- Württemberg gerne die Drucklegung der Tagungs- beiträge übernommen. Dass das Hauptstaatsarchiv Stuttgart, in dem 2001 die erste Frühjahrstagung der Fachgruppe Staatliche Archive im VdA stattfand,

erneut als Tagungsort gewählt wurde, mag für die enge und fruchtbare Verbundenheit des Landesar- chivs Baden-Württemberg mit dem Berufsverband der Archivarinnen und Archivare stehen, die wir auch mit dieser Veröffentlichung fortsetzen.

Mein Dank gilt den Autorinnen und Autoren der vorliegenden Broschüre für ihre anregenden Bei- träge und allen, die an der Planung und Durchfüh- rung sowohl der Tagung als auch der Publikation beteiligt waren. Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Clemens Rehm, dem Vorsitzenden der Fachgrup- pe Staatliche Archive im VdA, und Frau Dr. Nicole Bickhoff, der Leiterin des Hauptstaatsarchivs, als Hauptverantwortliche wie auch Frau Luise Pfeifle, in deren bewährten Händen im Landesarchiv die Redaktion und Drucklegung des Bandes lagen.

Der Publikation wünsche ich, dass sie viele An- stöße zur weiteren Diskussion gibt.

Stuttgart, im November 2010 Prof. Dr. Robert Kretzschmar

Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg

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Clemens Rehm, Nicole Bickhoff

Einleitung

Das Archivwesen in Deutschland steht nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 mehr denn je unter Beobachtung. Die Archiva- rinnen und Archivare haben schon in den letzten Jahren mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit und zentralen Aktivitäten wie dem Tag der Archive ver- sucht, Interesse für die gesellschaftsrelevanten Aufgaben der Archive zu wecken. Mit der Kölner Katastrophe sind die Archive in den Medien und der Öffentlichkeit zwar erst einmal als sympathi- sche Bewahrer des Vergangenen wahrgenommen worden, aber zugleich wurden auch bohrende Fra- gen aufgeworfen, die auf den Kern archivischer Funktion zielten. Wenn in Köln die Restaurierungs- kosten auf 350–500 Millionen Euro geschätzt wer- den, ist die Frage nach der Bedeutung der beschä- digten Stücke legitim. Ist jeder gefundene Schnipsel wirklich unverzichtbarer Teil des Gedächtnisses der Stadt? Für wen und für welche Zwecke werden diese Unterlagen überhaupt benötigt? Antworten auf Fragen dieser Art erwarten Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die Vertreter der Archivträger, seien es nun Politiker oder Rechnungshöfe.

Wichtig ist, dass die Archive solchen kritischen Äußerungen nicht nur schlüssige Antworten, son- dern vor allem auch Kompetenz und Professio- nalität entgegensetzen, die der Öffentlichkeit nach- vollziehbar und verständlich vermittelt werden.

Gerade die zentrale Aufgabe der Nutzung von Ar- chivgut – und das war in Köln gleich nach den Res- taurierungsfragen das zweite öffentlich diskutierte Thema – ist in dieser Hinsicht allerdings problema- tisch. Gute Standards im Lesesaal und hohe Rege- lungsdichte im Bereich der Nutzung dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Professionalität ge- genüber Nutzern und Archivträgern kaum glaub- würdig zu vermitteln ist, wenn von Bundesland zu Bundesland ungleiche Nutzungsbedingungen und Zugangsmöglichkeiten zu Archivgut existieren.

Ohne einer mechanischen, unhistorischen und antiföderal-zentralistischen Vereinheitlichung das Wort reden zu wollen, muss uns bewusst sein, dass eine in 16 Ländern unterschiedliche Nutzungs- praxis kritisches Nachfragen geradezu provoziert.

Die Frühjahrstagung der Fachgruppe Staatliche Ar- chive im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. als eine länderübergreifende Ein- richtung bot sich daher in besonderem Maß an, ein Forum zu bieten, um aktuelle Themen im Bereich der Nutzung aufzugreifen; neben vielfältigen recht- lichen Fragen sind dies vor allem die veränderten Nutzungsmodalitäten und -gewohnheiten im digi- talen Zeitalter. Angesprochen werden Problemfel- der, für die derzeit nicht immer eine Patentlösung präsentiert werden kann. Die Beiträge der Tagung, die im vorliegenden Heft zusammengestellt sind,

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sollen zur Verständigung über Nutzungsstandards beitragen, Diskussionen über Weiterentwicklungen in der Praxis anstoßen und Impulse für zukünftige Lösungsansätze auch für die Archivgesetzgebung vermitteln.

Zu den Beiträgen dieses Hefts

Unter dem Titel Zugangsregelungen zu Archivgut in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder. Ist Änderungsbedarf angesagt? lenkt Margit Ksoll-Mar- con, Generaldirektion der Staatlichen Archive Bay- erns, den Blick auf die rechtliche Sphäre, die den Zugang zu Archivgut normativ regelt. Wenn heute in diesem Bereich Änderungswünsche geäußert werden, resultieren diese aus den Erfahrungen im archivischen Alltag mit den Bestimmungen des Ar- chivrechts, mit Einflüssen wie den neuen Informa- tionsfreiheitsgesetzen und veränderten Forschungs- bedürfnissen. Margit Ksoll-Marcon konstatiert, dass bei den Novellierungen der Archivgesetze in den letzten Jahren zwar in der Regel eine Erleichte- rung des Zugangs erreicht werden konnte, gleich- zeitig aber bei den Schutz- und Sperrfristen eine größere Vielfalt entstanden ist, die den Nutzern nur schwer zu vermitteln ist. So unterscheiden sich die Fristen bei Unterlagen unterschiedlicher Provenienz (Bund und Länder), bei den allgemeinen Schutz- fristen sowie bei allen Arten von Persönlichkeits- schutzrechten. Die Möglichkeit, diese Vielfalt schnell zu beenden, beurteilt Margit Ksoll-Marcon skeptisch.

Bettina Martin-Weber, Bundesarchiv, themati- siert in ihrem Beitrag Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) und Bundesarchivgesetz die Spannung zwischen beiden Gesetzen. Während das Informa- tionsfreiheitsgesetz den Zugang zu Informationen eröffnet, regelt das Archivgesetz den Zugang zu Ar-

chivgut (BArchG). Grundsätzlich sollten Unterla- gen, die nach dem Informationsfreiheitsgesetz ge- nutzt werden konnten, auch im Archiv weiterhin offen sein; auf der anderen Seite sollte aber auch die archivische Bewertung nicht durch eine Nut- zung nach Informationsfreiheitsgesetz präjudiziert werden.

Auch wenn im Bundesarchiv aktuell noch keine Nutzung nach §5 Abs. 4 Bundesarchivgesetz – Ar- chivnutzung unter Berufung auf Nutzung nachIFG – erfolgt ist, stellt sich die Rechtslage bei der Nut- zung derzeit äußerst komplex und für den Nutzer unübersichtlich dar. Um die Situation zu vereinfa- chen, strebt das Bundesarchiv mit der in Vorbe- reitung befindlichen Neufassung des Bundesarchiv- gesetzes an, dass für Unterlagen, die nach dem Informationsfreiheitsgesetz bereits hätten eingese- hen werden können, zukünftig keine Fristen mehr zur Anwendung kommen.

Die Nutzung digitaler Unterlagen ist nach deren Langzeitsicherung die zweite große Herausforde- rung, der sich die Archive im digitalen Zeitalter stel- len müssen. Sie ist noch mit zahlreichen Problemen und manchen ungelösten Fragen verbunden. Über die Nutzung digitaler Unterlagen in Archiven referiert Kai Naumann, Landesarchiv Baden-Württemberg Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg. Nach einer kurzen Darstellung der Erwartungen von Nutzerseite ent- wirft er anhand dreier Fallbeispiele ein Szenario für die Nutzung dieser neuartigen Unterlagenformen.

Bei Datenbanken und Webseiten findet diese Nut- zung bereits statt. Im Fall sogenannter Hybridobjek- te steht die Nutzung bevor. Geeignete Nutzungs- umgebungen sind bislang noch nicht für alle Arten von digitalem Archivgut auf dem Markt, gleichwohl sind die Erwartungen der Nutzer groß. Sie werden sich allerdings auch auf veränderte Nutzungsverfah- ren einstellen müssen.

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Im zweiten Teil der Tagung rückten zwei Gruppen von Unterlagen in den Fokus, mit deren Nutzung aktuelle archivfachliche Diskussionen verbunden sind. Die eine sind die Personenstandsregister, de- nen sich Bettina Joergens, Landesarchiv Nordrhein- Westfalen Abt. Ostwestfalen-Lippe, widmet. Mit dem zum 1.Januar 2009 in vollem Umfang in Kraft getretenen Personenstandsgesetz sind die bis da- hin geltenden Hemmnisse für die Nutzung der Re- gister grundsätzlich weggefallen. Ob damit aber wirklich Das neue Personenstandsgesetz – das Glück der Forschung? eingetreten ist, ist offen. Noch be- steht große Unsicherheit, wie die Umsetzung des Personenstandsrechts in den Archiven erfolgen soll. Bettina Joergens beschreibt Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung der Personenstandsre- gister und zeigt anhand der Praxis in Nordrhein- Westfalen die Lösungswege auf, die nicht nur den Genealogen, sondern auf Dauer auch der wissen- schaftlichen Forschung zugutekommen werden.

Letztgenannte Gruppe muss diese Quellen aller- dings erst noch für sich entdecken.

Ebenfalls komplex und nicht unproblematisch ist der Zugang zu den Grundbüchern und Grund- akten, wenn sie als Archivgut in die Archive über- nommen worden sind. Mit der Einführung der elektronischen Grundbücher, mit welcher sich die zukünftige Abgabe der geschlossenen Grundbücher verbindet, ist die Frage des Zugangs auch für die- jenigen Archive aktuell und akut, die bislang noch keine Grundbücher und -akten archiviert haben.

Die Konkurrenz von Grundbuchordnung und Ar- chivgesetzen und die Frage des Zugangs zu den als Archivgut übernommenen Grundbüchern und Grundakten greift Udo Schäfer, Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, in seinem Beitrag Der Zugang zu als Archivgut übernommenen Grund- büchern und Grundakten. Secundum legem ferendam

auf. Die Nutzung von Grundbuchunterlagen stellt sich in den einzelnen Ländern sehr heterogen dar.

Manche Archivverwaltungen haben entweder syste- matisch oder sporadisch bereits Grundbuchunter- lagen übernommen; andere planen derzeit große Grundbuch- und Grundaktenarchive. Udo Schäfer zeigt auf, dass die Nutzung dieser Unterlagen mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zum 1.September 2009 nur über einen Weg außer- halb des Archivrechts ermöglicht werden kann.

Was das für die Nutzung der schon in den Archiven liegenden Unterlagen bedeutet und wie auf dem gesetzgebenden Weg weiter vorangeschritten wer- den kann, wird sicher eine zentrale Frage in den nächsten Jahren bleiben.

Sehr aktuell und dem Personal in jedem Lesesaal vertraut ist das Thema Sollte in der Archivbenutzung die Selbstanfertigung von Reproduktionen im Lese- saal zugelassen werden. Pro und kontra Digitalkame- ras im Lesesaal. Hier schlagen die Archive schon jetzt unterschiedliche Wege ein, ohne dass dabei ei- ne generelle Systematik zum Beispiel nach Archiv- sparten erkennbar wäre. In vielen Nachbarländern – so auch in den meisten Kantonen der Schweiz – sind Digitalkameras in den Lesesälen bereits Usus, wäh- rend in deutschen – und hier insbesondere in den staatlichen – Archiven überwiegend Zurückhaltung und Skepsis herrscht. Auch bei der Frage der Her- stellung von Reproduktionen durch die Nutzer be- finden wir uns in einer Phase des rechtlichen Wan- dels1und des technischen Experimentierens.

Zu den rechtlichen, konservatorischen und prak- tischen Aspekten dieser Diskussion beziehen Jost Hausmann, Landeshauptarchiv Koblenz, und Her- mann Wichers, Staatsarchiv Basel-Stadt, die Kontra- beziehungsweise Pro-Position. Neben offenen – und kontrovers diskutierten – Fragen beim Urhe- berrecht spielen vor allem auch Aspekte der Be-

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standserhaltung und wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Entscheidungsfindung eine Rolle. Die Aus- wirkungen für den Alltag im Lesesaal scheinen eher positiv zu sein, ebenso natürlich die Rückmeldun- gen der Nutzer. Die Auffassung, dass das Risiko des Vagabundierens von Archivmaterial im Netz durch eine restriktive Praxis vermindert werden kann, scheint überholt zu sein, denn auch heute schon fin- den gescannte Kopien und die von den Archiven bereitgestellten Digitalisate mühelos ihren Weg ins Internet.

Ausblick

Die Beiträge verdeutlichen, dass bei der archivischen Nutzung vieles im Fluss ist, aber auch konkreter und aktueller Handlungsbedarf besteht. Zum einen sind es innerarchivische Handlungsfelder wie bei den Sperr- und Schutzfristen, die Abstimmungen über Ländergrenzen und Archivsparten hinweg er- fordern, um den Nutzern zukünftig einheitliche und nachvollziehbare Wege für den Zugang zum Archivgut bieten zu können. Gleichzeitig entwi- ckeln sich neue Bereiche der Archivgutnutzung, sei es, dass durch rechtliche Änderungen bisher ver- schlossene Quellen zugänglich werden wie beim Personenstandswesen oder dass durch die digitale Entwicklung neue Archivgutformen entstehen, für die auch neue Zugangsformen geschaffen wer- den müssen. Wichtig sind in diesen Fällen ressort- übergreifende Gespräche, um – wie das Beispiel der Grundbuchunterlagen offenkundig macht – zukünftig archivische Nutzung zu ermöglichen.

Auch die Praxis der Nutzung vor Ort muss ständig überprüft und gegebenenfalls an neue Standards angepasst werden, wie die Diskussion um den Ein- satz von Digitalkameras in den Lesesälen zeigt.

Sehr deutlich wird in der Gesamtschau, dass die weiteren rechtlichen Entwicklungen auf vielen Fel- dern im Blick zu behalten und wenn möglich zu beeinflussen sind. Die Archivgutnutzung ist die ent- scheidende Schnittstelle zur Öffentlichkeit, zu den Kunden und damit ein wesentlicher Legitimations- faktor der Archive. Stillstand können wir uns in diesem Bereich bei den sich verändernden Rahmen- bedingungen rechtlicher und technischer Art nicht erlauben.

Anmerkung

1 Vgl. Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom Dezember 2009, das Auswirkungen auf viele Gebühren- ordnungen haben wird, Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 17. Dezember 2009, AZ: 9 A 2984/07.

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Die Benutzungsbestimmungen von Archivgut in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder wa- ren bereits mehrfach Gegenstand der Betrachtung.1 Die Archivgesetze des Bundes und der Länder der 1980er- und beginnenden 1990er-Jahre boten gera- de in Bezug auf die Zugänglichmachung und Be- nutzung von Archivgut kein einheitliches Bild, wes- halb die 84. Konferenz der Archivreferenten und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (ARK) 1997 die Einsetzung einer Arbeits- gruppe beschloss, die unter anderem eine Übersicht über die harmonisierungsbedürftigen Bestimmungen der Archivgesetze des Bundes und der Länder erarbei- ten sollte. Ein wesentlicher Punkt waren die Schutz- fristen, die im Hinblick auf die Archivbenutzung und die Außenwirkung der Archive harmonisiert werden sollten.2Weiterreichende Ergebnisse wur- den dabei nicht erzielt.

Wie sieht es nun rund 20 Jahre später aus, zu ei- nem Zeitpunkt, zu dem die meisten Gesetze bereits mehrfach geändert wurden? Präsentieren sich die Archive als Dienstleistungseinrichtungen für Bürge-

rinnen und Bürger professionell mit einheitlichen Rechtsbestimmungen für die Nutzung oder besteht nach wie vor ein Harmonisierungsbedarf? Im Fol- genden soll die Benutzung und Zugänglichmachung von Archivgut, wie sie derzeit in den Archivgesetzen anzutreffen ist, dargestellt werden. Die in den Archiv- gesetzen des Bundes und der Länder im Wesentli- chen gleich oder ähnlich lautenden Versagensgrün- de werden nicht thematisiert.3Vorangeschickt wird, dass alle Archivgesetze den abgebenden Stellen ei- nen bevorzugten Zugriff auf Archivgut auf ihre ei- genen Unterlagen einräumen, jedoch nicht, wenn diese aufgrund von Rechtsvorschriften hätten ge- sperrt oder gelöscht werden müssen.

Nach den Archivgesetzen des Bundes und der Länder hat jedermann ein Recht auf Zugang zu Ar- chivgut. Voraussetzung dafür war und ist in den meisten Archivgesetzen nach wie vor die Glaubhaft- machung eines berechtigten Interesses. Wenngleich dieses berechtigte Interesse sehr weit gefasst wird und die Benützung zu amtlichen, wissenschaftli- chen, heimatkundlichen, familiengeschichtlichen,

Margit Ksoll-Marcon

Zugangsregelungen zu Archivgut in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder

Ist Änderungsbedarf angesagt?

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rechtlichen, unterrichtlichen oder publizistischen Zwecken oder zur Wahrnehmung von berechtigten persönlichen Belangen darunter fällt, ist das Archiv- benutzungsrecht dem Grundsatz der beschränkten Öffentlichkeit treu geblieben.4Nicht zuletzt auf- grund der Informationsfreiheitsgesetze ist die For- derung nach einer Glaubhaftmachung eines berech- tigten Interesses in die Diskussion geraten. Sie wird als Einschränkung für die Archivbenutzung gedeu- tet und ein voraussetzungsloser Zugang zu Archiv- gut gefordert.

Das Bundesarchivgesetz verlangt seit seinem In- krafttreten 1988 kein rechtliches oder sonstiges be- rechtigtes Interesse.5Der Entwurf für seine Neufas- sung sieht vor, dass sich das Bundesarchivgesetz mit dem in §1 vorangestellten Grundsatz – Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Zugang zu Archivgut des Bundes – als Teil des Informationsrechts aus- weist.6Im Archivgesetz von Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2010 wird auf das berechtigte Interesse verzichtet; es heißt: Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes und der hierzu ergangenen Benutzungsord- nung das Recht, Archivgut auf Antrag zu nutzen, soweit aufgrund anderer Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt wird.7Im Saarländischen Archiv- gesetz entfällt ebenfalls die Darlegung eines be- rechtigten Interesses: Jedermann ist berechtigt, Ar- chivgut (…) zu amtlichen, wissenschaftlichen oder publizistischen Zwecken zu nutzen (…).8Im Archiv- gesetz des Landes Berlin wird bestimmt: Alle haben das Recht, das übernommene Archivgut (…) zu nut- zen. Die Nutzung bedarf der Einwilligung des Lan- desarchivs Berlin.9Die Entwurfsfassung zur Novel- lierung des Archivgesetzes von Rheinland-Pfalz hält zwar grundsätzlich an dem berechtigten Inter- esse fest, soweit aber für Unterlagen vor Übergabe an das öffentliche Archiv bereits ein Zugang nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz gewährt

worden ist, wird auf die Darlegung eines berechtig- ten Interesses verzichtet.10

Die konkrete Benutzung von Archivgut ist erst nach Ablauf von Schutz- oder Sperrfristen möglich.

Die Archivgesetze sehen vier verschiedene Schutz- fristen vor: eine allgemeine Schutzfrist, eine Schutz- frist für personenbezogenes Archivgut, Schutzfristen für Unterlagen, die besonderen Geheimhaltungsvor- schriften11unterliegen sowie Schutzfristen für Archiv- gut, das Rechtsvorschriften über Geheimhaltung des Bundes unterliegt.

Die allgemeine Schutzfrist, die für jedes Archiv- gut als Mindestschutzfrist zu beachten ist, beträgt in der Regel 30 Jahre. In Mecklenburg-Vorpommern betrug sie von Anfang an nur zehn Jahre, in Schles- wig-Holstein und Brandenburg wurde sie auf zehn Jahre herabgesetzt. Infolge der Informationsfrei- heitsgesetze geriet die allgemeine Schutzfrist in die Diskussion. Forderten die einen eine generelle Ab- schaffung, die anderen eine deutliche Reduzierung, so sprach sich eine dritte Gruppe für die Beibehal- tung der 30-jährigen Schutzfrist aus. Nach Oldenha- ge würde ein Wegfall oder eine deutliche Verkürzung der 30-Jahre-Frist zu einer erheblichen Belastung der Archive und der Verwaltung führen und damit deren Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigen.12Dage- gen kommt Schoch in seinem Professorenentwurf zu dem Ergebnis, dass eine Anpassung der archiv- rechtlichen Vorschriften an das allgemeine Informa- tionsfreiheitsrecht unausweichlich sein wird und damit archivrechtliche Regelfristen bei Sachakten ihre Berechtigung verlieren.13

Das Bundesarchivgesetz kennt zwar die allge- meine Schutzfrist von 30 Jahren, jedoch kommen für Akten, die nach dem Informationsfreiheitsge- setz des Bundes bereits eingesehen wurden, keine Fristen mehr zum Tragen. Dieses Archivgut wird mit Unterlagen gleichgesetzt, die bereits bei ihrer

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Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren.14 Bei Anträgen auf Benutzung von Archivgut, das noch der allgemeinen Schutzfrist unterliegt, wird derzeit beim Bundesarchiv die Vorgehensweise praktiziert, dass die Behörde um Mitteilung gebeten wird, ob der Zugang auf der Grundlage von §5 Abs.4 Satz 2 BArchG (einem Informationszugang nachIFG ,offen gestanden‘) gewährt werden kann und für den Fall, dass dies nicht zutrifft, um eine Einwilligung in die Benutzung auf der Grundlage des Bundesarchiv- gesetzes verbunden mit dem Hinweis, dass Ausschluss- gründe gemäß Bundesarchivgesetz nicht vorliegen.15

Archivgesetze als bereichsspezifische Datenschutz- gesetze kennen spezielle Schutzfristen für Unterla- gen, die sich auf natürliche Personen beziehen.

Bei Untersuchungen zum 20. und 21.Jahrhundert kollidiert die Forschungsfreiheit immer wieder mit archivgesetzlichen Schutzfristen sowie sonstigen Rechtsvorschriften wie zum Beispiel dem Urheber- recht. Die definitorische Reichweite von personen- bezogenem Archivgut ist unterschiedlich. Einige Ar- chivgesetze verstehen darunter Archivgut, das sich nach seiner Zweckbestimmung oder nach seinem wesentlichen Inhalt auf eine oder mehrere natür- liche Personen bezieht, wie zum Beispiel in Baden- Württemberg, Sachsen-Anhalt und Nordrhein- Westfalen.16Nicht so im Bayerischen Archivgesetz;

in der Gesetzesbegründung für das Bayerische Ar- chivgesetz wird personenbezogenes Archivgut folgen- dermaßen definiert: Archivgut ist personenbezogen im Sinne dieses Gesetzes, wenn es sich auf eine be- stimmte oder bestimmbare natürliche Person bezieht und Einzelangaben über deren persönliche und sach- liche Verhältnisse enthält. Allein die Nennung von Personen macht Archivgut noch nicht zu personenbe- zogenem Archivgut.17Klaus Oldenhage führt in sei- nem Kommentar zum Bundesarchivgesetz aus, dass die Vorschrift, selbst wenn der Zusatz nach seiner

Zweckbestimmung bei personenbezogenem Archiv- gut fehlt, auch ohne diese Ergänzung in diesem Sinn ausgelegt werden müsse, weil sonst der logisch zwingend vorhandene Unterschied zwischen allge- meinen und den personenbezogenen Schutzfristen nicht definierbar wäre.18Udo Schäfer hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es nicht Aufgabe der Ar- chivare sein kann, Sachakten auf Personenbezug zu überprüfen.19

Galten über viele Jahre für personenbezogene Unterlagen die Fristen 30 Jahre nach dem Tod be- ziehungsweise 110 Jahre nach der Geburt, wie sie das Bundesarchivgesetz enthält, oder zehn Jahre nach dem Tod und 90 Jahre nach der Geburt, wie einige Landesarchivgesetze wie beispielsweise Ba- den-Württemberg und Bayern es vorsehen, so ist hier in den letzten Jahren eine größere Vielfalt eingetreten. Eine Schutzfrist von zehn Jahren nach dem Tod der betroffenen Person kennen weiter- hin die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Hessen und Berlin, 30 Jahre nach dem Tod das Bundesarchiv sowie das Land Sachsen-Anhalt.

Ist das Todesdatum nicht feststellbar, so bestimmen die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Berlin weiterhin eine 90-jährige Schutzfrist nach der Geburt, das Bundesarchiv und Sachsen- Anhalt 110 Jahre nach der Geburt. Das Archivgesetz von Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2010 sieht als Frist 100 Jahre nach der Geburt der betroffenen Person oder der Geburt der letztgeborenen von mehre- ren Personen, deren Todesjahr dem Landesarchiv nicht bekannt ist vor. Auch die Archivgesetze von Niedersachsen, Hessen und Sachsen kennen neuer- dings eine Frist von 100 Jahren nach der Geburt.

Gemäß hessischem Archivgesetz gilt bei personen- bezogenem Archivgut, das besonderen Geheim- haltungs- und Schutzvorschriften unterliegt, eine

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Schutzfrist von 30 Jahren nach dem Tod und 120 Jahren nach der Geburt.20Der Gesetzesentwurf von Rheinland-Pfalz sieht 20 Jahre nach dem Tod und 90 Jahre nach der Geburt vor.

Zur Arbeitserleichterung der Archivarinnen und Archivare tragen Regelungen im Hinblick auf den Umgang mit personenbezogenen Akten, die keine Geburts- und Sterbedaten enthalten, bei, wie sie bei- spielsweise das Hamburgische Archivgesetz oder das Archivgesetz von Nordrhein-Westfalen enthal- ten, die eine 60-jährige Schutzfrist nach Abschluss der Akten vorsehen.21Entsprechend dem Referen- tenentwurf von Schoch und Kollegen soll in diesen Fällen der Schutz 110 Jahre nach Entstehung der Unterlagen enden,22um der längeren Lebenserwar- tung Rechnung zu tragen.

Einen Sonderstatus in Bezug auf Schutzfristen kennen einige Archivgesetze für Amtsträger in Ausübung ihres Amts oder Personen der Zeitge- schichte. Teils gelten für sie die personenbezogenen Schutzfristen nicht, teils nicht einmal die allgemei- ne Schutzfrist, es sei denn, es handelt sich um de- ren schützenswerte Privatsphäre.23Laut Hessischem Archivgesetz sind Amtsträger in Ausübung ihrer Ämter keine betroffenen Personen im Sinne des Ar- chivgesetzes.24

Für Unterlagen, die Geheimhaltungsvorschrif- ten unterliegen, gilt eine längere Schutzfrist von in der Regel 60 Jahren, abgesehen von Bremen, das keine besondere Frist für diese Unterlagen vorsieht.

Ausnahmen bilden Niedersachsen mit 50 Jahren, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Mecklen- burg-Vorpommern mit 30 Jahren und Rheinland- Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt mit 80 Jahren.

In allen Landesarchivgesetzen kommt für Un- terlagen von nachgeordneten Stellen des Bundes das Bundesarchivgesetz zur Anwendung. Einige Landesarchivgesetze, wie beispielsweise das baden-

württembergische Archivgesetz (§6a), kennen eine anknüpfende Norm, was generell zu empfehlen wä- re. Für Archivgut, das Rechtsvorschriften des Bun- des über Geheimhaltung im Sinne der §§8,10 und 11 des Bundesarchivgesetzes unterliegt, gelten die nicht verkürzbaren Schutzfristen des Bundesarchiv- gesetzes, die 2002 von 80 auf 60 Jahre reduziert wur- den. Gleichzeitig erfolgte mit dieser Novellierung des Bundesarchivgesetzes eine Freigabe von Unter- lagen aus der Zeit vor dem 23. Mai 1949,25eine wich- tige Entscheidung, die für zahlreiche Forschungen zur NS-Zeit eine wesentliche Erleichterung mit sich brachte.

Das Archivbenutzungsrecht kennt die im Ermes- sen des Archivs liegende Möglichkeit, Schutzfris- ten zu verkürzen, um eine sofortige Benutzung zu ermöglichen. Die hier bestehenden, zum Teil gra- vierenden Unterschiede in den Archivgesetzen des Bundes und der Länder haben Rainer Polley und andere 2003 herausgearbeitet. Generell gilt, dass der Ausnahmecharakter der Schutzfristverkürzung dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie im Er- messen des Archivs liegt, sie nur für den Einzelfall ausgesprochen wird und jeder weitere Antrag auf Verkürzung der Schutzfristen einer neuen, auf den Einzelfall bezogenen Interessens- und Güter- abwägung bedarf.

Eine Verkürzung der Schutzfrist kann nach Baye- rischem Archivgesetz durch die Generaldirektion mit Zustimmung der abgebenden Behörde gewährt werden, wenn durch Rechtsvorschriften nichts ande- res bestimmt ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenstehen.26Auch beim Bund und im Saarland dürfen die Schutzfristen nur mit Einwilli- gung der abgebenden Stelle verkürzt werden. Nach Rainer Polley besteht die Gefahr, dass durch die Einbeziehung der Behörden in ein Schutzfristver-

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fahren das Prinzip der funktionalen Trennung von Archiv und Verwaltung verletzt und eine benutzer- freundliche Praxis durch das Zwischenverfahren be- einträchtigt wird. In Bayern wurde die Zustimmung der abgebenden Behörde bewusst in das Archiv- gesetz aufgenommen, um ein Vertrauensverhältnis zwischen den abgebenden Behörden und den Ar- chiven zu fördern. Durch die Übertragung der Schutzfristverkürzung von den jeweiligen Archiven auf die Generaldirektion wird eine Gleichbehand- lung der Fälle gewährleistet.

Einige Bundesländer binden die Verkürzung der allgemeinen Schutzfrist an das Vorliegen eines öf- fentlichen Interesses, Berlin sogar an ein überwie- gend öffentliches Interesse.

Bei der Verkürzung der Schutzfristen für perso- nenbezogenes Archivgut ist es notwendig, ein er- höhtes Maß an Betroffenenschutz zu wahren. So ist in Bayern eine Verkürzung nur zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat oder wenn die Benützung zur Erreichung des beabsichtigten wissenschaftlichen Zwecks, zur Behebung einer bestehenden Beweisnot oder aus sonstigen im überwiegenden Interesse der ab- gebenden Stelle oder eines Dritten liegenden Gründen unerlässlich ist und sichergestellt ist, dass schutzwür- dige Belange des Betroffenen oder Dritter nicht be- einträchtigt werden. Auf eine Zustimmung Betroffe- ner zur Einsichtnahme in die Unterlagen kann nur dann verzichtet werden, wenn das Ausfindigmachen und die Information der betreffenden Person ent- weder unmöglich ist oder einen unverhältnismäßi- gen Aufwand erfordert.27Da die Zustimmung der Betroffenen in der Praxis nur selten beigebracht werden kann, kommt der Auflage der Anonymisie- rung eine besondere Bedeutung zu.28Zusatzerklärun- gen zum Benutzerantrag, die zusätzliche Auflagen enthalten, sind für die Zeitgeschichtsforschung un- erlässlich.29

Eine Schutzfristverkürzung für personenbezogenes Schriftgut ist in den meisten Archivgesetzen für wissenschaftliche Forschungen zulässig, in Bayern beispielsweise zur Erreichung eines beabsichtigten wissenschaftlichen Zwecks, wobei der Begriff wissen- schaftlich sehr weit ausgelegt wird. In Hessen ist personenbezogenes Archivgut nur verkürzbar, wenn die Benutzung für ein bestimmtes Forschungsvor- haben erfolgt und schutzwürdige Belange der be- troffenen Personen oder Dritter nicht beeinträch- tigt werden oder das öffentliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens die schutz- würdigen Belange erheblich überwiegt.

Für Unterlagen, die besonderen Geheimhaltungs- vorschriften unterliegen, ist die 60-jährige Schutz- frist verkürzbar, im Gegensatz zur Schutzfrist für Archivgut, das Rechtsvorschriften des Bundes über Geheimhaltung unterliegt.30Laut Gesetzesbegrün- dung enthält das Bundesarchivgesetz insoweit bin- dende Vorgaben (vgl. insbesondere §8 Satz 2, §10 Nr.1 Buchstabe b BArchG), denen mit dem Vorbehalt zugunsten abweichender Rechtsvorschriften Rechnung getragen wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Novellie- rungen der Archivgesetze der letzten Jahre brachten in einigen Ländern durch den Verzicht der Darle- gung eines berechtigten Interesses zwar eine Erleich- terung des Zugangs zu Archivgut, andererseits ha- ben wir nun die personenbezogenen Schutzfristen von zehn, 20 oder 30 Jahren nach dem Tod bezie- hungsweise 90, 100 oder 110 Jahren nach der Ge- burt. Die Uneinheitlichkeit dieser Fristen lässt sich bei länderübergreifenden Untersuchungen nur schwer der Forscherin oder dem Forscher vermit- teln; ist es doch bisher bereits nicht einfach gewe- sen, transparent zu machen, weshalb in ein und demselben Archiv für Unterlagen von Landes- und Bundesbehörden unterschiedliche Fristen zur An-

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wendung kommen, zumal verfassungsrechtlich von einer Gleichheit der Lebensverhältnisse aus- gegangen werden muss. Eine Vereinheitlichung sämtlicher Schutzfristen sollte vordringlich ange- strebt werden – jedoch erscheint dieses Ziel der- zeit in noch weitere Ferne gerückt zu sein als vor einigen Jahren.

Anmerkungen

1 So zum Beispiel Rainer Polley: Die archivrechtlichen Rahmenbedingungen für den Zugang zu archivischen Informationen. Das deutsche Modell. In: Archivpflege in Westfalen und Lippe 58 (2003) S.15 ff.

2 Verwaltungsakt GDA, AZ: 500-0.

3 So ist nach BayArchivG (Bayerisches Archivgesetz – BayArchivG – vom 22. Dezember 1989, BayRS 2241-1-WFK, GVBl. S.710, geändert durch Gesetz vom 16. Dezember 1999, GVBl. S.521) eine Archivbenutzung zu versagen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet werden, dass schutzwürdige Belange Betroffener oder Dritter entgegenste- hen, des Weiteren wenn Gründe des Geheimnisschutzes es er- fordern, der Erhaltungszustand des Archivguts gefährdet wird und/oder durch die Benützung ein nicht vertretbarer Verwal- tungsaufwand entsteht. Diese archivgesetzlichen Versagungs- gründe können gemäß Archivbenützungsordnung erweitert werden, beispielsweise wenn der Zweck der Benützung auf andere Art und Weise erreicht werden kann, insbesondere durch Einsicht in Druckwerke oder Reproduktionen, und eine Benützung des Originals aus wissenschaftlichen oder rechtlichen Gründen nicht zwingend erforderlich ist.

4Rainer Polley, wie Anm.1, S.17.

5 Siegfried Becker und Klaus Oldenhage: Bundesarchiv- gesetz. Handkommentar. Baden-Baden 2006. S.61.

6Bettina Martin-Weber: Zur Novellierung des Bundesar- chivgesetzes. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv 18/1 (2010) S.11.

7 ArchivG NRW vom 16.März 2010, §8 Abs.1.

8SArchG in der Fassung vom 1. Juli 2009, §11 Abs.1.

9ArchGB in der Fassung vom 15. Oktober 2001, §8 Abs.1.

10LArchG Rheinland-Pfalz, Entwurfsfassung vom 14. Januar 2010, §3 Abs.1.

11Der Begriff der Geheimhaltungsvorschrift erfordert kein materielles, dem Veröffentlichungsgebot unterliegendes Ge- setz. Vgl. Bartholomäus Manegold: Archivrecht. Die Archivie- rungspflicht öffentlicher Stellen und das Archivzugangsrecht des historischen Forschers im Licht der Forschungsfreiheits- verbürgung des Art. 5 Abs. 3 GG (Schriften zum Öffentlichen Recht 874). Berlin 2002. S. 338.

12Klaus Oldenhage, wie Anm. 5, S. 61.

13 Friedrich Schoch, Michael Kloepfer und Hans-Jürgen Garstka: Archivgesetz (ArchG-ProfE). Entwurf eines Archivgesetzes des Bundes (Beiträge zum Informationsrecht 21). Berlin 2007. S.182–185.

(16)

14BArchG §5 Abs.4; vgl. Klaus Oldenhage, wie Anm.5, S.67–68.

15Bettina Martin-Weber, wie Anm. 6, S.13.

16LArchG §6 Abs.2 Satz 3; ArchG-LSA §10 Abs.3 Satz 2;

ArchivG NRW §7 Abs.1 Satz 3.

17 Vgl. Gesetzesbegründung, Bayerischer Landtag Druck- sache 11/8185 vom 18. Oktober 1988.

18Klaus Oldenhage, wie Anm.5, S.67.

19Udo Schäfer: Rechtsvorschriften über Geheimhaltung sowie Berufs- und andere Amtsgeheimnisse im Sinne der Archivgesetze des Bundes und der Länder. Grundzüge einer Dogmatik. In: Archivgesetzgebung in Deutschland. Unge- klärte Rechtsfragen und neue Herausforderungen. Beiträge des 7. Archivwissenschaftlichen Kolloquiums der Archivschu- le Marburg. Herausgegeben von Rainer Polley (Veröffentli- chungen der Archivschule Marburg 38). Marburg 2003. S. 64.

20HArchivG §15 Abs.1 Satz 5.

21Vgl. ArchivG NRW § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3; HmbArchG § 5 Abs. 2 Nr. 2.

22Schoch/Kloepfert/Garstka, wie Anm. 13, S. 204.

23ArchivG NRW §7 Abs.1; BArchG §5 Abs.5 Satz 4;

vgl. dazu Klaus Oldenhage, wie Anm.5, S.72–73.

24HArchivG §15 Abs.2 Satz 2.

25Klaus Oldenhage, wie Anm.5, S.66.

26BayArchivG Art.10 Abs. 4 in Verbindung mit §6 Abs.2 ArchivBO.

27BayArchivG Art.10 Abs.4.

28Vgl. Gesetzesbegründung, Bayerischer Landtag Druck- sache 11/8185 vom 18. Oktober 1988.

29Vgl. zum Beispiel Benützungsordnung für die staatlichen Archive Bayerns (Archivbenützungsordnung – ArchivBO) vom 16. Januar 1990, GVBl. S.6, zuletzt geändert durch Ver- ordnung vom 6.Juli 2001, GVBl. S.371.

30BArchG §5 Abs.3 in Verbindung mit §5 Abs.5.

(17)

Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) trat am 1. Januar 2006 in Kraft.2Bereits seit den spä- ten 1990er Jahren regelten in Brandenburg (1998) und Berlin (1999), etwas später auch in Schleswig- Holstein (2000) und Nordrhein-Westfalen (2001) Gesetze den Informations- und Aktenzugang der Bürger gegenüber der öffentlichen Verwaltung. Auf Bundesebene garantierte zu diesem Zeitpunkt nur das Umweltinformationsgesetz (1994/2005) be- reichsspezifisch den Informationszugang zu amtli- chen Unterlagen.3Dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes folgten dann weitere Landesinformati- onszugangsgesetze, die, mit Ausnahme von Rhein- land-Pfalz, keine dem Bund vergleichbare Anpas- sung der jeweiligen Archivgesetze nach sich zogen.4 Inzwischen liegen in elf Bundesländern Informati- onszugangsgesetze vor.

Die Informationszugangsgesetze erweiterten zwei- felsfrei die Rechte der Bürger auf die Bereitstellung amtlicher Informationen. Das Prinzip der beschränk- ten Aktenöffentlichkeit, das den Zugang zu amtli- chen Informationen von der Beteiligung an einem Verfahren, der Betroffenheit des Antragstellers oder einem berechtigten Belang abhängig machte, wur- de durch einen dem Transparenzgedanken verpflich- teten voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen abgelöst, der freilich seine Grenzen in einer Reihe von Ausnahmetatbeständen findet.5 Mit dem IFG fand die Bundesrepublik Anschluss an die supranationale, internationale und ausländi- sche Rechtsentwicklung auf dem Gebiet der Informa- tionszugangsfreiheit.6Dabei gab die EU-Gesetzge- bung für das deutsche Informationszugangsrecht wichtige Impulse.7

Bettina Martin-Weber

Informationsfreiheitsgesetz des

Bundes ( IFG ) und Bundesarchivgesetz

1

AnträgeIFG- Informations-

zugang gewährt Informationszugang

teilweise gewährt Informations-

zugang abgelehnt Widerspruchs- verfahren Klage

2006 2278 1193 186 410 142 27

2007 1265 681 128 247 101 29

2008 1548 618 193 536 85 27

2009 1358 595 182 226 118 37

Entwicklung der IFG-Anträge bei Bundesbehörden. Zusammenstellung aus den veröffentlichten Jahrestatistiken des BMI.8

(18)

Regelungsgehalt des IFG Verhältnis zum Archivgesetz

§1 desIFGsichert den voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Informationen: Jeder hat nach Maß- gabe dieses Gesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informatio- nen. Auch das Bundesarchivgesetz begründet das voraussetzungslose Recht von jedermann auf Zu- gang zu Archivgut des Bundes. Für die Benutzung von Archivgut wird zwar ein Benutzungsantrag, aber darin keine Begründung verlangt.9Während das Archivgesetz den Zugang zu Archivgut und da- mit zu den Unterlagen selbst sichert,10eröffnet das IFGden Zugang zu Informationen. Akteneinsicht ist nur eine der Möglichkeiten, die gewünschte In- formation bereitzustellen. NachIFGkann die Be- hörde Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stel- len.11Dies ist eine wesentliche Diskrepanz von Ar- chiv- und Informationsfreiheitsgesetz, die auch den Möglichkeiten der Harmonisierung beider Gesetze Grenzen setzt.

Der Informationsanspruch nachIFGwird durch zahlreiche Ausnahmetatbestände beschränkt. Sie be- ziehen sich auf den Schutz besonderer öffentlicher Belange (§3), des behördlichen Entscheidungspro- zesses (§4), personenbezogener Daten (§5) sowie auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheim- nissen und geistigem Eigentum (§6). So ist ein In- formationszugang nachIFGnicht möglich, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Aus- wirkungen auf internationale Beziehungen, militäri- sche oder sonstige sicherheitsrelevante Belange der Bundeswehr, auf Belange der inneren, äußeren oder öffentlichen Sicherheit haben kann oder wenn lau- fende Gerichtsverfahren, internationale Verhandlun- gen oder Beratungen von Behörden betroffen sein

können. Ein Recht auf Informationszugang besteht ebenso nicht bei zu erwartenden nachteiligen Aus- wirkungen bei Kontroll- und Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden oder bei fiskalischen Interessen des Bundes oder wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherun- gen. Es besteht explizit kein Informationsanspruch gegenüber den Nachrichtendiensten.

Der Schutz öffentlicher Interessen wird im Bun- desarchivgesetz als zugangsverhinderndes Motiv hingegen nur in einem Satz erwähnt: Die Benutzung ist nicht zulässig, soweit 1.Grund zu der Annahme besteht, dass das Wohl der Bundesrepublik Deutsch- land oder eines ihrer Länder gefährdet würde (…).

DemIFGvergleichbar verbieten Rechtsvorschriften über Geheimhaltung oder schutzwürdige Belange Dritter den Zugang zu Archivgut. Eine archivische und behördliche Perspektive kommt in den Aus- schlussgründen Erhaltungszustand des Archivguts und dem nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand zum Tragen. Letzterer ist auch nachIFGein Aus- nahmetatbestand.

Eine Angleichung der zugangsverhindernden Regelungen im Bundesarchivgesetz und imIFG als den beiden Informations- beziehungsweise Ak- tenzugangsgesetzen des Bundes dürfte schwierig sein: Für dasIFGwird die Beschränkung auf eine sich dem Archivgesetz annähernde abstrakte Schutz- klausel (Wohl der Bundesrepublik …) ebenso wenig in Betracht kommen wie die Aufnahme detaillier- terIFG-Ausnahmetatbestände in das Archivgesetz wünschenswert und angesichts des höheren Alters der Unterlagen noch erforderlich ist.

Spezialgesetze gehen demIFGmit Ausnahme der die Akteneinsicht durch Beteiligte regelnden

§25 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch und §29 Ver- waltungsverfahrensgesetz vor.

(19)

Archivische Anliegen bei der Entstehung des IFG Die archivischen Bedenken und Anregungen bei der Entstehung eines Informationszugangsgesetzes des Bundes12richteten sich vor allem auf folgende Aspekte:

1. Unterlagen, die in der Behörde einem Informa- tionszugang offengestanden haben, sollten im Ar- chiv nicht strengeren Schutzfristen unterliegen.

Sie sollten offen, das heißt weiterhin zugänglich bleiben. Eine entsprechende Anpassung des Bun- desarchivgesetzes an dasIFGwurde für erforder- lich gehalten.13

2. Eine Kennzeichnung der Unterlagen, zu denen ein Zugang nach einem Informationszugangsge- setz in den Behörden erfolgt sein würde, wurde erwogen.

3. Die Benutzung von Unterlagen nach dem Infor- mationszugangsrecht sollte die Bewertungskom- petenz des Bundesarchivs nicht beeinträchtigen.

Bewertungsentscheidungen sollten weiterhin un- abhängig erfolgen können und damit auch die Kassation von Unterlagen, die zuvor eingesehen worden waren, möglich sein.

4. Die Entscheidung über den Zugang zu Informa- tionen auf der Grundlage des Informationszu- gangsgesetzes sollte durch die Behörden erfolgen, bei denen die Unterlagen entstanden sind, auch wenn sie schon im Bundesarchiv-Zwischenarchiv verwahrt würden.14

Änderung des Bundesarchivgesetzes durch das IFG Die Anpassung des Bundesarchivgesetzes erfolgte 2006 durch §13 Abs.2 IFG.15§ 5 Abs.4 BArchG wurde folgender zweiter Satz angefügt:16Gleiches

[Anmerkung: die Nichtgeltung der zuvor dargestell- ten Schutzfristen] gilt für Archivgut, soweit es vor der Übergabe an das Bundesarchiv oder die Archive der gesetzgebenden Körperschaften17bereits einem Infor- mationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz offen gestanden hat. Damit finden die Schutzfristen des Bundesarchivgesetzes – die 30-jährige allgemei- ne Schutzfrist, die 60-jährige Schutzfrist für Unter- lagen unter Geheimnisvorbehalt sowie die personen- bezogenen Schutzfristen von 30 Jahren nach Tod und 110 Jahren nach Geburt des Betroffenen – auf jene Unterlagen keine Anwendung mehr, die nach IFGoffengestanden haben.18Es handelt sich hier- bei um eine Stichtagsregelung, die sich nicht auf Ar- chivgut auswirkt, das vor dem 1. Januar 2006 ent- standen ist.19

§5 Abs.4 Satz 2 BArchG wird für Zugangsprü- fungen zu Archivgut innerhalb der Schutzfristen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bislang aber wurde auf der Grundlage dieses Paragrafen noch kein Antrag an das Bundesarchiv gerichtet.

Die Kommentatoren desIFGsind sich in der Beurteilung einig, dass die Fassung des §5 Abs.4 Satz 2 BArchG nicht glücklich gewählt sei und eine Reihe von Auslegungsfragen offenlasse.20Wie ist zum Beispiel die Formulierung offen gestanden hat zu interpretieren? Müssen die Unterlagen tatsäch- lich genutzt worden sein21oder reicht es, dass sie abstrakt offengestanden haben, also Ausschluss- gründe nach IFG einem Informationszugang nicht entgegengestanden hätten? Wie erkennt das Ar- chiv, welche Unterlagen einem Informationszugang unterlegen haben oder einem Informationszu- gang grundsätzlich offengestanden hätten? Kann vor der Abgabe an das Archiv eine Kennzeichnung der dem Informationszugang offengestandenen Unterlagen erfolgen?22Ist eine Kennzeichnung über- haupt praktikabel, wenn mehrheitlich die Rechts-

(20)

auffassung vertreten wird, dass eine abstrakte Zu- gänglichkeit nachIFGden Wegfall der archivischen Schutzfristen nach sich zieht? Ist eine in die Ver- gangenheit gerichtete hypothetische Prüfung der Zugänglichkeit nachIFGdurch das Bundesarchiv überhaupt denkbar? Muss diese Prüfung und Fest- stellung nicht zwangsläufig durch die Behörde er- folgen, bei der die Unterlagen entstanden sind?

Was ist mit Übergabe gemeint? Das Bundesarchiv unterhält Zwischenarchive, in denen Unterlagen, die von den Behörden nicht mehr ständig benötigt werden, verwahrt werden. Die Verwahrung im Bun- desarchiv hat keine Auswirkung auf die Verfügungs- berechtigung über diese Unterlagen, sie liegt bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist bei der Stelle, bei der sie entstanden sind.23Ist die Übergabe als der Zeitpunkt zu interpretieren, zu dem die Verfü- gungsberechtigung durch den Ablauf der Aufbe- wahrungsfrist an das Bundesarchiv übergeht, oder sollte der Zeitpunkt der physischen Abgabe gemeint sein? Welche Bedeutung hat dies für die Rechts- grundlage der Zugänglichkeit dieser Unterlagen?

Eine Regelungslücke springt ins Auge: Häufig sind Unterlagen in den Zwischenarchiven, deren Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist und über die das Bundesarchiv nun verfügungsberechtigt ist, noch nicht bewertet. Nach allgemeinem fachlichem Ver- ständnis handelt es sich demnach noch nicht um Archivgut. Ausschließlich darauf aber bezieht sich

§5 Abs.4 BArchG; insofern besteht bei der gegen- wärtigen gesetzlichen Regelung eine Lücke für po- tenziell archivwürdige, aber noch unbewertete Unterlagen mit abgelaufener Aufbewahrungsfrist.24 Sie unterliegen nicht mehr demIFG, aber auch noch nicht dem Archivgesetz.

Eine weitere Regelungslücke ist offenkundig: Der vormalige Zugang zu Unterlagen auf der Grundlage anderer Informationszugangsgesetze bleibt nach

dem Wortlaut des Gesetzes ohne Folgen; es be- zieht sich ausdrücklich nur auf das Informations- freiheitsgesetz. Unklar ist auch, wie Unterlagen der Bundesverwaltung zu handhaben sind, die in den Landesarchiven verwahrt werden und zu Archivgut in Verwaltung eines Landes geworden sind.25Sind sie von der Regelung des §13 Abs.2 IFGausgenommen?

Wie ist schließlich damit umzugehen, dass das IFGden Zugang zu Informationen in amtlichen Aufzeichnungen, das Bundesarchivgesetz aber den Zugang zu Archivgut, also den Unterlagen selbst regelt? Möglicherweise ist der Zugang nur zu einem Teil der in einer Akte enthaltenen Informationen erfolgt.26In welchem Umfang wirkt er sich auf den Wegfall der Schutzfrist aus?27

Rechtsauffassung des Bundesarchivs

Das Bundesarchiv teilt die auch in den Kommenta- ren einhellig vertretene Auffassung, dass offen ge- standen nach dem Willen des Gesetzgebers nur die grundsätzliche, abstrakte Offenheit der Unterlagen bei Nichtanwendung aller Ausschlusskriterien, nicht den zufällig erfolgten Einzelzugang zu Unterlagen meinen kann.28Zielte aber §5 Abs.4 Satz 2 BArchG auf die abstrakte Offenheit und Zugänglichkeit der amtlichen Informationen, wäre für eine Kennzeich- nung offen gestanden nachIFGeine entsprechende Prüfung aller (!) Unterlagen durch die abgebenden Stellen im Zuge der Abgabe erforderlich. Dies aber ist angesichts der Quantitäten und des damit ver- bundenen Aufwands nicht praktikabel. Wenn keine Kennzeichnung erfolgen kann, bleibt die Frage, wer die hypothetische Prüfung vornimmt und die Ent- scheidung trifft, welche Unterlagen vor einer Über- gabe an das Bundesarchiv einem Informationszu-

(21)

gang abstrakt offengestanden haben. §5 Abs.4 Satz 2 BArchG trifft hierzu keine Regelung.

Nach dem Informationsfreiheitsgesetz hat die Behörde über den Antrag auf Informationszugang zu entscheiden, die zur Verfügung über die begehr- ten Informationen berechtigt ist.29Die Verfügungsbe- rechtigung über die Unterlagen ist damit maßgeb- liches Kriterium bei der Beantwortung der Frage, wer bei bereits an das Bundesarchiv abgegebenen Unterlagen die Entscheidung über den Informati- onszugang nach IFG zu treffen hat:

1. Bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist sind amtliche Unterlagen, sofern sie jünger als 30 Jahre sind, auch wenn sie im Bundesarchiv verwahrt werden, nur auf der Grundlage des IFGzu nutzen.30Die Entscheidung über den Aktenzugang erfolgt durch die Behörde, die zur Verfügung über die Informationen berechtigt ist.31

2. Mit dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist geht die Verfügungsberechtigung über die Unterlagen an das Bundesarchiv über. Ein Informationszugang nach IFG kommt damit nicht mehr in Betracht.

Sind diese Unterlagen noch nicht bewertet und damit zweifelsfrei Archivgut, werden sie bei An- tragstellung bewertet und unterliegen damit un- strittig §5 Abs.4 Satz 2 BArchG.

3. Aufgrund der Stichtagsregelung ist §5 Abs.4 Satz 2 BArchG nicht rückwirkend anzuwenden.

Für die Prüfung, ob aufgrund einer Zugänglich- keit nachIFGvor Abgabe an das Bundesarchiv die archivischen Schutzfristen aufgehoben sind, kommen nur Unterlagen in Betracht, die seit 1.Januar 2006 Archivgut wurden. Wie oben be- reits erwähnt, hat sich auf solche Unterlagen bislang kein Antrag gerichtet, künftig werden diese Anträge aber anfallen.

4. Hierzu vertritt das Bundesarchiv die Auffassung, dass die hypothetische Prüfung und retrospekti- ve Entscheidung über einen Informationszugang nachIFGnur durch die Behörde wird erfolgen können, bei der die Unterlagen entstanden sind.

Die erforderliche Prüfung der differenzierten Ausnahmetatbestände unter Berücksichtigung der politischen Implikationen und Rahmenbe- dingungen lässt dies auch sinnvoll erscheinen.32 Insofern werden alle Anträge auf Informations- zugang nachIFG, unabhängig davon, ob es sich um eine Entscheidung auf der Grundlage des IFG(für Unterlagen unter Aufbewahrungsfristen) oder künftig auf der Grundlage desIFG-Passus

§5 Abs.4 Satz 2 BArchG (für Archivgut) handelt, zur Entscheidung an die aktenführende Behörde gerichtet.

5. Mit dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist erfolgt der Zugang zu Unterlagen, sofern sie dem IFG unterlegen haben könnten, auf der Grundlage von §5 Abs.4 Satz 2 BArchG (IFG-Regelung), an- sonsten nach der Regelung des § 5 Abs. 5 Satz 6 BArchG (Schutzfristverkürzung).

6. Auf Archivgut, das vor dem Stichtag 1.Januar 2006 entstanden ist und Schutzfristen unterliegt, ist §5 Abs. 4 Satz 2 BArchG nicht anzuwenden.

Dieses Archivgut kann, wenn es jünger als 30 Jah- re ist, nur über eine Schutzfristverkürzung nach

§5 Abs. 5 Satz 6 BArchG zugänglich gemacht werden.

7. Für eine Schutzfristverkürzung nach § 5Abs.5 Satz 6 BArchG ist die Einwilligung der abgeben- den Stelle einzuholen. Angesichts dieser Rege- lung schließt das Bundesarchiv eine alleinige Prü- fungs- und Entscheidungskompetenz auch für die Anwendung des § 5 Abs. 4 Satz 2 BArchG aus und wird auch bezüglich desIFG-Passus eine Entscheidung der Stellen herbeiführen, bei denen

(22)

die Unterlagen entstanden sind.33Insofern wird – unabhängig von der Begründung – in alle Schutz- fristverkürzungen nach Bundesarchivgesetz die abgebende Stelle einbezogen.

Rechtsauffassung der Bundesressorts

Für das Bundesarchiv überraschend zeichnete sich nach Inkrafttreten desIFGbei den Bundesressorts mehrheitlich der Standpunkt ab, dass von einer ab- strakten Offenheit von Unterlagen nachIFGgrund- sätzlich nicht ausgegangen werden könne. Auch nach einer Einsichtnahme nachIFGseien die Unter- lagen nicht zwangsläufig offen und künftig ohne Schutzfristen einsehbar. Jeder Antrag auf Informa- tionszugang nachIFGsei vielmehr auf aktuelle Ausnahmetatbestände hin zu prüfen.34Argumen- tiert wird, dass der Antrag nachIFGauf den Zu- gang zu Informationen ziele und daher auch nach einem positiven Entscheid keineswegs zwangsläu- fig mit der Bereitstellung von Unterlagen verbun- den sei. Würden Auskünfte zu einem spezifischen Informationsbegehren aus Unterlagen erteilt, be- deute dies nicht, dass diese Unterlagen selbst vollständig offengestanden hätten und weiterhin offenstehen würden. Diese Problematik trete ins- besondere in den Fällen deutlich zutage, in denen Dritte ihr Einverständnis zum Informationszu- gang erteilten. Dieses Einverständnis im Einzelfall sei bei einem späteren Antrag nicht zwangsläufig wieder zu unterstellen.35

Diese Rechtsauffassung ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Praxis desIFG, betrifft das Bun- desarchiv aber nur mittelbar, weil der Behörde die Beurteilung überlassen wird, ob Unterlagen offen- stehen, weil ein Informationszugang nachIFGin der Vergangenheit möglich war oder weil sie aktuell

nachIFGnutzbar wären. Die Benutzung des Ar- chivguts findet dann auf der Grundlage des §5 Abs.2 Satz 2 BArchG statt.

Urteile zum Geltungsbereich desIFG und ihre Konsequenzen

Gestritten wird aktuell hinsichtlich der zentralen Frage, welche Informationen dem Geltungsbereich des IFG überhaupt unterliegen. In einem rechts- kräftigen Urteil hat das Verwaltungsgericht Berlin am 10.Oktober 200736die Ablehnung des Informa- tionszugangs zum Projekt Ostseepipeline im Bun- deskanzleramt als rechtens erklärt und ausgeführt, dasIFGbegründe keinen Informationszugang zur Regierungstätigkeit, sondern zu Informationen von Behörden, die Aufgaben der öffentlichen Verwal- tung wahrnähmen. Regierungstätigkeit sei der öf- fentlichen Verwaltung nicht zuzurechnen und falle insofern nicht in den Anwendungsbereich des §1 Abs.1 Sätze 1 und 2IFG. Zur Regierungstätigkeit zählen die von der Regierung in Erfüllung ihrer po- litischen Funktion vorgenommenen Entscheidungen, die der Regierung von der Verfassung aufgegeben sind und die, ohne sich an den Staatsbürger unmit- telbar zu wenden, für Bestand und Leben des Staa- tes sorgen.37

Das gleiche Gericht hat am 16.Januar 200838mit ähnlicher Begründung den Informationszugang in anderer Angelegenheit39abgelehnt: Behörde im Sinne des §1 Abs.1 Satz 1IFGist in Anlehnung an

§1 Abs.4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffent- lichen Verwaltung wahrnimmt. (…) Nur wenn und soweit die Stelle materielles Verwaltungsrecht ausübt, ist sie Behörde im Sinne des Gesetzes. (…) Der öf- fentlichen Verwaltung, die gekennzeichnet wird durch die laufende Tätigkeit, die Ausführung der rechtlich

(23)

festgelegten Aufträge und Maßstäbe des staatlichen Handelns (…) sachlich nicht zuzurechnen ist Regie- rungstätigkeit. Das angeleitete, ausgerichtete, geführte

‚Verwalten‘ unterscheidet sich schon begrifflich von dem leitenden, richtungsgebenden, führenden ,Regie- ren‘ (…).40Gegen dieses Urteil wurde Revision ein- gelegt, das Verfahren ist beim Oberverwaltungsge- richt Berlin anhängig.41Wird diese

Rechtsauffassung bestätigt, unterliegt der überwie- gende Teil der Ressortüberlieferung nicht dem Gel- tungsbereich desIFGund führt dazu, dass dasIFG jedenfalls in der Bundesministerialverwaltung in wei- ten Teilen leer läuft.42

Für den Zugang zu Unterlagen unter Aufbe- wahrungsfrist wurde die schon für obsolet gehal- tene alte Regelung der Anlage 4 zu §39 Abs.2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundes- ministerien (GGO) zur Benutzung von weniger als 30 Jahre altem Schriftgut der Bundesministerien durch Dritte wieder relevant. Bei der Neufassung derGGO200943wurde sie in leicht veränderter und gekürzter Form aufgegriffen.44Sie eröffnet die Möglichkeit zur Freigabe von Schriftgut für amt- liche Benutzungsvorhaben und wissenschaftliche Vorhaben in einem nicht weiter geregelten Verfah- ren. Hierin vor allem unterscheidet sich der Akten- zugang auf der Grundlage derGGOdeutlich vom detailliert geregelten Verfahren (Rechtsförmlichkeit, Fristen, Kosten) nach dem Informationsfreiheits- gesetz.

Die Entscheidung, ob Unterlagen im Verwal- tungsgebrauch oder im Zwischenarchiv vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist dem Geltungsbereich des IFGunterliegen oder nicht, liegt bei der Behörde, bei der die Akten geführt werden oder entstanden sind. Sie hat auch zu entscheiden, ob bei Nicht- geltung des IFG eine Freigabe von Schriftgut nach den Regelungen des §39GGOinfrage kommt.

Auch bei der gegenwärtigen, vielfach überwiegend restriktiv anmutenden Praxis zur Anwendung des IFG, die eher am Prinzip der beschränkten Akten- öffentlichkeit festzuhalten als dessen Ablösung durch eine grundsätzliche Öffentlichkeit amtlicher Unter- lagen zu bedeuten scheint,45bleibt der zentrale Re- gelungsgehalt des §5 Abs.4 Satz 2 BArchG unstrittig.

Nach Informationsfreiheitsgesetz zugängliche Un- terlagen unterliegen, nachdem sie Archivgut gewor- den sind, keinen strengeren Schutzfristen. Ob dabei nur die abstrakte vormalige Zugänglichkeit nach IFGgegeben sein muss oder die aktuelle Zugänglich- keit nachIFGin jedem Einzelfall erneut zu prüfen ist, ist für das Archiv eine eher theoretische Frage, wenn die Feststellung durch die Behörde selbst er- folgt. Sie hat auch zu entscheiden, ob trotz eines erfolgten Informationszugangs auf der Grundlage desIFGaktuell Ausschlussgründe entgegenstehen, was vor allem dann der Fall sein kann, wenn die Rechte Dritter berührt sind.

Konsequenzen für die Benutzung

Festzuhalten ist an dieser Stelle noch einmal, dass bislang keine Benutzung auf der Grundlage des

§5 Abs.4 Satz 2 BArchG beantragt wurde. Dies wird sich aber zwangsläufig ändern. Bei Anträgen nach IFG, die sich auf Unterlagen beziehen, die schon im Bundesarchiv-Zwischenarchiv verwahrt werden, wirkt das Bundesarchiv vorbereitend und unterstüt- zend mit. Es berät Benutzerinnen und Benutzer im Verfahren und stellt – soweit vorhanden – Erschlie- ßungsinformationen zur Verfügung. Die einschlä- gigen Unterlagen werden der Behörde zur Prüfung übergeben. In Einzelfällen haben Ressorts Benut- zern in der Vorbereitung der Bearbeitung einesIFG- Antrags einen Aktenzugang gewährt, ohne dass

(24)

eine Nutzungsermächtigung erteilt wurde. So lässt sich die für die Genehmigung des Antrags nötige Prüfung der Unterlagen auf tatsächlich relevante Akten beschränken.46

Gesetzgebung, aktuelle Rechtsprechung und Rechtsauffassung bedeuten für den am Informati- onszugang interessierten Benutzer, dass der Zugang zu Unterlagen gleicher Provenienz und Laufzeit in- nerhalb der 30-Jahre-Schutzfrist heute schon auf drei Wegen erfolgen kann, je nach Art der Aufgabe, bei der die Unterlagen entstanden sind, und in Ab- hängigkeit von im Allgemeinen flexibel zu bestim- menden Aufbewahrungsfristen:

Auf der Grundlage desIFGfür diejenigen Unter- lagen, die sich nicht auf Regierungshandeln bezie- hen und noch einer Aufbewahrungsfrist unterliegen, sofern sie nicht älter als 30 Jahre sind.

Auf der Grundlage derGGO, wenn die Unterla- gen Regierungshandeln dokumentieren und noch

im Behördengebrauch stehen, wobei diese Zugangs- option theoretisch auch für alle anderen Unterlagen gilt.

Auf der Grundlage des §5 Abs.5 Satz 6 BArchG (Schutzfristverkürzung), wenn die Aufbewahrungs- frist für die Unterlagen abgelaufen ist.

Künftig kommen die Fälle hinzu, in denen sich der Antrag auf der Grundlage des §5 Abs.4 Satz 2 BArchG auf Unterlagen bezieht, die nachIFGoffen waren oder wären. Diese Gemengelage ist keine Seltenheit.47Hiermit verbunden sind unterschied- liche Ansprechpartner im Bundesarchiv und bei den Behörden, unterschiedliche Gebührenordnun- gen mit gravierend voneinander abweichenden Gebührensätzen48und unterschiedlich lange Bear- beitungszeiten.49

Verfahren in der Anwendung IFG und Bundesarchivgesetz.

(25)

Neufassung des Bundesarchivgesetzes

Verschiedene Ziele damit verfolgend bereitet das Bundesarchiv seit einiger Zeit eine konstitutive Neufassung des Bundesarchivgesetzes vor.50Das Bundesarchivgesetz soll dabei ausdrücklich im Kon- text der neuen Gesetzgebung zum Informationszu- gang in der Verwaltung51gestaltet werden. Im Fokus steht dabei auch dieIFG-Anpassung im Archivgesetz.

Das jüngste Entwurfsstadium52sieht folgende Re- gelung vor:

(…) Archivgut, das nach dem Inkrafttreten des Informationsfreiheitsgesetzes am 1.Januar 2006 ent- standen ist, unterliegt dann nicht den Schutzfristen, wenn es nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu- gänglich wäre. Auf Archivgut, das vorher entstanden ist, finden während des Laufs der Schutzfristen die Zugangsregelungen des Informationsfreiheitsgesetzes entsprechende Anwendung. Zur Frage, ob Archivgut im Sinne des Satzes 2 nach dem Informationsfrei- heitsgesetz zugänglich wäre, entscheidet das Bundes- archiv aufgrund einer Stellungnahme durch die abgebende öffentliche Stelle des Bundes; das Bundes- archiv ist an die Stellungnahme gebunden.

Es wird klargestellt, dass nur abstrakt die Zugäng- lichkeit nachIFGgegeben sein muss. Ein tatsächli- cher Informationszugang muss nicht erfolgt sein, der Konjunktiv macht dies deutlich. Was nachIFG zugänglich wäre, unterliegt nicht den archivischen Schutzfristen. Nicht eindeutig geklärt ist mit diesem Formulierungsvorschlag, ob ein erfolgter Zugang in dem Sinne in die Zukunft hinein wirkt, dass eine erneute Prüfung bei einem weiteren Antrag obsolet ist.53

Auf die unklare Regelung zum Zeitpunkt der Übergabe der Unterlagen an das Bundesarchiv wird verzichtet.

Für die Gleichbehandlung des Archivguts ist es von besonderer Bedeutung, dass die Stichtagsregelung aufgegeben wird und die Zugänglichkeit nach IFG rückwirkend auch für Archivgut geprüft werden kann, das vor dem 1. Januar 2006 entstanden ist, wenn es noch der archivischen Schutzfrist unter- liegt.54

Eindeutig geregelt wird mit dem Vorschlag die Verantwortlichkeit im Verfahren. Es geht um den Zugang zu Archivgut; daher liegt die Entscheidungs- kompetenz beim Bundesarchiv, Grundlage des Ver- fahrens ist das Bundesarchivgesetz. Es bleibt aller- dings – wie auch bei der Schutzfristverkürzung – bei der Beteiligung der Behörde, bei der die Unterlagen entstanden sind. An deren Stellungnahme ist das Bundesarchiv gebunden.

Eine Klarstellung erfährt auch der Archivgutbe- griff. Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist abge- laufen ist, die aber noch nicht bewertet wurden, sol- len wie Archivgut behandelt werden.55Bekräftigt wird damit die Rechtsauffassung des Bundesarchivs, dass der mit dem Ablauf der Aufbewahrungsfrist erfolgende Übergang der Verfügungsgewalt an das Bundesarchiv maßgeblich für die Anwendung des Bundesarchivgesetzes ist, nicht die abschließende Bewertung.

Einige der oben dargestellten Auslegungs- und Anwendungsfragen der jetzigen Regelung dürften mit diesen Änderungen überwunden werden. Im Interesse klarer und nachvollziehbarer Zugangsre- gelungen zu öffentlichen Informationen in der Ver- waltung und in den Archiven ist allerdings eine wei- tere Vereinheitlichung und Zusammenführung der Informationszugangsgesetze und des Archivgesetzes unter Einbeziehung der Schutzfristen ebenso wün- schenswert wie eine stärkere Vereinheitlichung der bereichsspezifischen Bundes- und Landesgesetze.

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