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Der Patient mit täglichen Kopfschmerzen

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Academic year: 2022

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AM E R I C A N FA M I LY PH Y S I C I A N

Chronischer täglicher Kopf- schmerz kann Ausprägung verschiedener Kopfschmerz- formen sein, wobei die chro- nische Migräne am häufigsten ist. Die betroffenen Patienten sind sehr stark in Mitleiden- schaft gezogen, die Therapie stellt eine grosse Herausfor- derung dar. Eine Übersicht liefert Morris Maizels in

«American Family Physician».

Immer mehr Menschen werden angeblich von Kopfschmerzen geplagt. Das jeden- falls haben epidemiologische Untersu- chungen ergeben. In den USA etwa wei- sen die Zahlen eine Verdoppelung in den letzten Jahren aus. Für die Zukunft wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet.

Die allermeisten Patienten haben episodi- schen Kopfschmerz, doch etwa 4 bis 5 Prozent leiden unter täglichen Kopf- schmerzen, und das über lange Zeit. Die Auswirkungen sind gravierend und in Stu- dien gut dokumentiert: Die Lebensqua- lität der Betroffenen ist erheblich einge- schränkt, oft besteht Arbeitsunfähigkeit.

Der chronische tägliche Kopfschmerz ist der häufigste Grund für eine Überwei- sung an einen Kopfschmerzspezialisten.

Oft entwickelt sich der tägliche Kopf- schmerz aus einer episodischen Migräne heraus. Unabhängig vom ursprünglich zu- grunde liegenden Kopfschmerzsyndrom ist Medikamentenmissbrauch bei einem Drittel der eigentliche Auslöser. Bei die- sem Schmerzmittel-Rebound-Kopfschmerz handelt es sich, wie manche Experten meinen, inzwischen um eine schleichende Epidemie. In Kopfschmerzkliniken beträgt der Anteil dieser Patienten bis zu 80 Pro- zent.

Worauf man bei der Untersu- chung achten muss

Alle Patienten mit täglichem Kopfschmerz müssen genau untersucht werden. Ob- wohl es nicht immer offen ausgesprochen wird, so gilt doch als sicher, dass viele Be- troffene sich mit der Sorge quälen, dahin- ter könnte eine bedrohliche organische Erkrankung stecken (Tabelle 1). Genau dies gilt es auch abzuklären. Hinweise dar- auf liefern ein plötzlicher Beginn mit Schmerzen in der Okzipitalgegend bei gleichzeitigem Auftreten neurologischer Symptome. Besorgnis erregend sind nicht- akute Kopfschmerzen, wenn diese pro- gredient sind und neurologische Ausfälle wie etwa Koordinationsschwierigkeiten, auftreten, oder wenn der Kopfschmerz die Patienten aus dem Schlaf reisst, ohne dass Anhaltspunkte für einen Cluster- Kopfschmerz vorliegen.

Bei fehlenden neurologischen Auffällig- keiten braucht man bei episodischem Kopfschmerz bekanntlich keine bild- gebenden Verfahren, bei chronischer Migräne ist die Situation nicht immer so eindeutig. Die American Academy of Neu-

rology (AAN) kam vor wenigen Jahren zu folgender Schlussfolgerung: «Derzeit gibt es keine Evidenz für den Einsatz von CT und MRI bei Migränekopfschmerz».

Gemäss neueren Guidelines kann man bildgebende Verfahren dann in Betracht ziehen, wenn unklare neurologische Be- funde vorhanden sind, allerdings nie als diagnostische Erstmassnahme.

Patienten, die stabile Kopfschmerzen über sechs Monate haben, haben selten eine intrakranielle Krankheit. Bei ihnen sind bildgebende Verfahren in der Regel also nicht angezeigt. Der isolierte Kopfschmerz

Der Patient mit täglichen Kopfschmerzen

Abklärung und Therapie

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R E F E R A T E X P O S É

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Täglicher chronischer Kopf- schmerz kann sich neu oder aber aus einem episodischen (Migräne-) Kopfschmerz ent- wickeln.

●Medikamentenmissbrauch ist die häufigste (behandelbare) Ursa- che von täglichem Kopfschmerz.

●Immer sollte auch an sekundäre Ursachen gedacht und entspre- chend abgeklärt werden. Als grobe Regel gilt: Hinter einem Kopfschmerz ohne weitere (neu- rologische) Symptome steckt meistens keine schwere Grund- erkrankung.

●Die Therapie ist aufwändig und in der Regel dem Spezialisten vorbehalten, wobei eine Koope- ration mit dem Hausarzt wünschenswert ist.

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ohne weitere neurologische Symptome ist eine sehr unübliche Manifestationsform eines Hirntumors. Die lehrbuchgemässe Symptomkombination aus schwerem Kopfweh, das sich am Morgen verstärkt und mit gleichzeitiger Übelkeit und Erbre- chen einhergeht, ist allerdings oft auch nicht vorhanden.

Bei Erwachsenen ist Kopfschmerz nur sehr selten Ausdruck einer zugrunde liegenden Systemerkrankung, wenn keine weiteren Symptome vorhanden sind. Bei klinischem Verdacht können im Einzelfall aber Tests auf Anämie, Schilddrüsenerkrankung, Le- bererkrankung, Infektionen (HIV, Lyme- Borelliose) angezeigt sein. Nicht zu ver- gessen ist die Blutdruckmessung. Hoher Blutdruck kann bekanntlich zu Kopf- schmerzen führen.

Zu bedenken ist auch, dass täglicher Kopfschmerz durch fieberhafte Erkran- kungen, Lebenskrisen und Operationen ausgelöst werden kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob bereits zuvor ein episodi- scher Kopfschmerz bestand oder nicht.

Arzneimittelkopfschmerz Arzneimittelkopfschmerz ist eine häufige Ursache von täglichem Kopschmerz. Die betroffenen Patienten sind gegen eine prophylaktische und eine akute Therapie resistent. Patienten, die oft eine Notfall- ambulanz aufsuchen und dann Narkotika zur Schmerzlinderung wünschen, haben zumeist einen Rebound-Kopfschmerz.

Die meisten von ihnen nehmen täglich oder fast täglich Schmerzmittel ein, wobei alle symptomatisch wirksamen Präparate, einschliesslich der Triptane, bei einer sol- chen Überdosierung Kopfschmerzen her- vorrufen können. Am häufigsten sind aber Narkotika und koffeinhaltige Kombi- nationsprodukte im Spiel.

Die Experten raten dazu, auch bei fest- gestellter oder mutmasslicher Überdosie- rung gegenüber sekundären Kopfschmerz- ursachen wachsam zu bleiben. Erst nach sorgfältiger Untersuchung sollte man bei Patienten mit Medikamentenmissbrauch einen Rebound-Kopfschmerz annehmen.

Psychiatrische Komorbidität Angst und Depression sind sehr häufig bei Patienten mit täglichem Kopfschmerz, und diese Begleiterkrankungen können einen ungünstigen Enfluss auf den Krank- heitsverlauf haben. Der Arzt sollte deshalb seinen Patienten auf psychiatrische Ko- morbidität hin untersuchen. Dabei kann man durchaus die direkte Frage stellen:

«Fühlen sie sich depressiv?» Umfangrei- cher, aber für diese Patienten auch beson- ders geeignet, ist die Primary Care Evalua- tion of Mental Disorders (Prime-MD), die auch andere somatische Beschwerden mit erfasst. Inzwischen existiert hiervon eine modernere Form der Prime-MD Today. Er kann bei Pfizer AG, Schärenmoosstr. 99, 8052 Zürich bezogen werden.

Behandlung

Die angemessene Behandlung von Patien- ten mit täglichem Kopfschmerz fusst auf der Ausschaltung der Kopfwehtrigger und

Der Patient mit täglichen Kopfschmerzen

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R E F E R A T E X P O S É

Tabelle 1:

D i f f e r e n z i a l d i a g n o s e b e i c h r o n i s c h e m t ä g l i c h e m K o p f w e h

Primärer Kopfschmerz Sekundärer Kopfschmerz

Kopfschmerzdauer > 4 Stunden Kopfschmerz assoziiert mit vaskulärer Krankheit

(mit/ohne Medikamentenabusus) – arteriovenöse Missbildung

– chronische (transformierte) Migräne – Riesenzellarteriitis

– chronisches Spannungskopfweh – Karotisdissektion

– neu diagnostizierter persistierender Kopfschmerz – Vaskulitis – Hemicrania continua

Kopfschmerzdauer < 4 Stunden Kopfschmerz assoziiert mit nichtvaskulärer inrakranieller Erkrankung

Strikt einseitig – vegetative Störungen – Tumor

– Cluster-Kopfweh – Pseudotumor cerebri

– Paroxysmale Hemikranie – Infektion

– posttraumatischer Kopfschmerz Ein- oder beidseitig – keine vegetativen Störungen – subdurales Hämatom

– Trigeminusneuralgie

– benigner Anstrengungskopfschmerz Myofaszialer Schmerz – benigner exertioneller Kopfschmerz – Halsmarkserkrankungen

– Kopfschmerz bei sexueller Aktivität – Dysfunktion des Temporomandibulargelenks Kopfschmerz durch Schafstörungen

– obstruktive Schlafapnoe

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der Etablierung einer wirksamen Präven- tionstherapie. Die Ziele der Behandlung sind folgende:

●Reduktion der Häufigkeit, Schwere und Dauer der Anfälle

●Verbessertes Ansprechen der Akutthe- rapie

●Verbesserung von Lebensqualität und Funktionsfähigkeit der Patienten.

Viele trizyklische Antidepressiva und be- stimmte Antikonvulsiva eignen sich dafür.

Amitriptylin ist dabei am besten doku- mentiert. Bei starker Mikgränekompo- nente werden oft Betablocker eingesetzt.

Patienten mit refraktärem Kopfschmerz benötigen aber oft mehrere Medika- mente. SSRI kommen am ehesten in Betracht, wenn gleichzeitig eine Depres- sion vorhanden ist.

Nimmt der Patient Medikamente im Über- mass ein, muss immer erst dieser Miss- stand behoben werden – das heisst, alle symptomatisch wirksamen Migränemedi- kamente sollten abgesetzt werden (Ta- belle 2). Eine Übergangstherapie während der Entgiftung und die anschliessende Installation der Kopfschmerzprophylaxe gehören zum Programm dazu. Bis heute gibt es keine genauen medikamentösen Empfehlungen, weil die Literatur keine hinreichenden Daten für exakte Empfeh- lungen bereithält. Wichtig ist zu wissen und zu vermitteln, dass Patienten oft un- ter Exazerbationen in den folgenden zwei Wochen nach dem Entzug leiden, und es oft vier bis zwölf Wochen dauert, ehe die Therapie anschlägt.

Wenn ein Patient den Entzug geschafft hat, ist der Einsatz von symptomatischen Medikamenten wieder erlaubt, aber in begrenztem Masse, nicht häufiger als

zweimal in der Woche. NSAR und Triptane werden am häufigsten eingesetzt, wenn es zum episodischen Aufflammen der Kopfschmerzen kommt. Die Anwendung von Medikamenten mit hohem Rebound- Risiko, wie etwa Narkotika, sollte unter- bleiben. Die Autoren empfehhlen auch Dihydroergotamine über einen längeren Zeitraum, eine Therapie, die hierzulande nicht mehr so sehr favorisiert wird.

Der Hausarzt kann wichtige Unterstüt- zung leisten, indem er dem Patienten hilft, die schmerzauslösenden Trigger und Stressoren herauszufinden und ihn zu Ver- haltensänderungen zu motivieren: regel- mässige Einnahme der Mahlzeiten, sport- liche Betätigung, Schlafhygiene gehören dazu. Viele Patienten können von Stress- bewältigungsprogrammen profitieren, wie Yoga oder Meditation. Es gibt ausserdem sehr gute Ergebnisse für Biofeedback, Entspannungstechniken und Verhaltens-

therapie. Sind die psychischen Störungen oder Belastungen sehr prägend, ist ein Psychologe gefragt.

Grundsätzlich sollten alle Patienten, bei denen die Kopfwehprophylaxe fehlschlägt, zum Spezialisten überwiesen werden.

Kopfschmerzzentren sind gefragt, wenn auch ambulante Betreuung durch einen Kopfschmerzspezialisten nicht weiterge-

holfen hat. ●

Morris Maizels: The patient with daily headaches. Am Fam Physicians 2004; 70:

2299–2306.

Uwe Beise

Interessenkonflikte: Der Autor deklariert, keine relevanten Interessenkonflikte zu haben.

Der Patient mit täglichen Kopfschmerzen

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R E F E R A T E X P O S É

Ta b e l l e 2 :

B e h a n d l u n g b e i M e d i k a m e n t e n m i s s b r a u c h

1. Medikamentenentzug

– ausschleichende Dosisreduktion, wo abrupter Entzug nachteilig sein könnte (z.B. Narkotika)

– abrupter Entzug bei allen anderen Patienten 2. Präventive Therapie (siehe Text)

3. Übergangstherapie

– tägliche migränespezifische Therapie

– lang wirksame Triptane (Naratriptan oder Fovatriptan) – Dihydroergotamin intranasal, intramuskulär, intravenös – antiinflammatorische Medikamente

– kurzer Zyklus mit Steroiden – lang wirksame NSAR 4. Notfallmedikamente bei Bedarf

– nichtnarkotische Analgetika: parenterales Ketorolac – Antiemetika

– sedierende Antihistaminika

Referenzen

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