• Keine Ergebnisse gefunden

Anzeige von Barrierefreiheit zur Routine machen – Praxisfall: Digitale Bibliothek

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Anzeige von Barrierefreiheit zur Routine machen – Praxisfall: Digitale Bibliothek"

Copied!
43
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DOI: http://dx.doi.org/10.11588/ip.2015.1.16888

Susanne BAUDISCH, Elke DITTMER, Thomas KAHLISCH

Barriefreiheit zur Routine machen – Praxisfall Digitale Bibliothek

Zusammenfassung

Sechs Jahre sind vergangen seit Deutschland am 24. Februar 2009 die

Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (BRK), die die volle Teilhabe aller

Menschen an der Gesellschaft als Menschenrecht festschreibt, ratifizierte. Bereits seit 2002 gibt es in Deutschland ein Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), den barrierefreien Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien regelt die Barrierefreie Informationstechnik- Verordnung (BITV). Aus Sicht des Gesetzgebers sind die Rahmenbedingungen gegeben, Barrierefreiheit gehört inzwischen zum gängigen Vokabular im öffentlichen und teils auch privatwirtschaftlichen Bereich. Längst möchte man meinen, es sei ein alter Hut, Barrierefreiheit als Kernanliegen zu thematisieren oder gar einzufordern.

Dies betrifft auch den rasant wachsenden Bereich digitaler Medien, der Wissen und Bildung für jedermann verfügbar macht – oder machen sollte. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Autoren der Frage, inwieweit Barrierefreiheit in den digitalen Angeboten wissenschaftlicher und öffentlicher Bibliotheken in Deutschland angekommen ist; ob diese Angebote tatsächlich von allen genutzt werden können. Ausgehend von rechtlichen Grundlagen und Normen werden Formate und Standards für barrierefreie Netzpublikationen an Beispielen diskutiert. Im Fokus stehen einerseits Werkzeuge zum Suchen und Finden digitaler Information (Kataloge und Rechercheoberflächen), andererseits Ausgabeformate digitaler Dokumente (wie XML, PDF, EPUB oder TEI). Den Abschluss bilden Empfehlungen für (Digitale) Bibliotheken und deren Verbände, um Barrierefreiheit künftig zur Routine zu machen.

Das Fazit: Barrierefreiheit muss gewollt, geplant und sinnvoll umgesetzt werden.

Technische Komponenten sind ein wichtiger, doch meist erst der zweite Schritt.

Schlüsselwörter

Digitale Bibliothek, Barrierefreiheit, Open Access, Elektronisches Publizieren, E-Book, Design für alle

Accessibility to make routine - Practice Case: Digital Library

Abstract

Six years have passed since Germany ratified the United Nations Convention on the Rights of Persons with Disabilities on 24th February, 2009. This convention sets the outright participation of all people within society as a human right. Already since 2002, there has been a

Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, Equal Opportunities for People with Disabilities Act) and the barrier-free access to information and communication technology is regulated through the Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV, Federal Ordinance on Barrier-free Information Technology). From the legislative point of view, the regulatory framework is in existence and accessibility has become a part of everyday vocabulary of the public and partly also of the commercial sector. One might actually be of the opinion that it is yesterday’s news to make accessibility a central subject of discussion or even demand it.

This also holds true for the rapidly growing area of digital media which makes – or should make – knowledge and education available to everyone. In view of this context, the authors consider

(2)

the question of how far the accessibility of digital offers has actually arrived within academic and public libraries in Germany and if these offers can really be used by everyone. Based on

legislative foundations and norms, formats and standards for accessible online publications are discussed with the help of examples. The focus is set, on the one hand, on tools for searching and finding digital information (catalogues and research interfaces) and, on the other hand, on output formats of digital documents (such as XML, PDF, EPUB or TEI). The conclusion consists of recommendations for (digital) libraries and their organisations, in order for accessibility to become a matter of course.

Conclusion: Accessibility has to be implemented in a volitional, planned and sensible way.

Technical components are a crucial step, but, for the most part, only of secondary importance.

Keywords

Digital library, Accessability, Open Access, Electronic publishing, E-Book, Design for all

Inhaltsverzeichnis

1 Ausgangslage 3

2 Barrierefreiheit bedeutet „Wissen für Alle“ ... 5

3 Digitale Bibliotheken und das Thema ‚Barrierefreiheit‘ ... 9

4 Barrierefreie Werkzeuge zum Suchen und Finden im Web ... 12

4.1 Testpaket 1: Rechercheoberflächen ... 14

4.2 Testergebnisse ... 15

4.3 Testsieger und -verlierer: ... 16

4.4 Welche Basiskriterien der Barrierefreiheit werden mehrheitlich erfüllt? ... 16

4.5 Was sind häufige Barrieren? ... 17

4.6 Testpaket 2: Online-Kataloge (OPACs) ... 19

4.7 Testpaket 3: Die Onleihe ... 21

5 Barrierefreie Dokumente ... 25

5.1 „XML first“ unterstützt ‚Königsweg‘ beim Elektronischen Publizieren (OA Gold) ... 25

5.2 PDF als „Standard“ in Repositorien (OA Grün) ... 28

5.3 EPUB für das barrierefreie E-Book ... 31

5.4 XML-TEI für Volltexte aus Retrodigitalisaten ... 35

6 Das Fazit: Was ist zu tun? ... 36

6.1 10 Punkte auf dem Weg zu barrierefreiem Webdesign in Digitalen Bibliotheken ... 36

Dank ... 37

Quellen ... 38

AutorInnen ... 43 Dieser Beitrag wurde im Open Peer Review begutachtet. Die Preprint-Version sowie die dazu eingegangenen Kommentare finden sich unter:

http://informationspraxis.de/2015/02/04/open-peer-review-baudischdittmerkahlisch- barrierefreiheit-zur-routine-machen/

(3)

1 Ausgangslage

Digitale Medien erreichen deutlich mehr Menschen als es Printmedien vermögen. Hierbei erweisen sich Digitale Bibliotheken als Tore zur Welt des Wissens, als elementare wie

unverzichtbare Quelle für Information und Kommunikation beim Wissenstransfer. Und sie bieten die einzigartige Chance, das Wissen der Welt allen Menschen verfügbar und zugänglich zu machen, unabhängig von Ort und Zeit und abgestimmt auf individuelle Fähigkeiten, Wünsche und Bedürfnisse.

Für Menschen mit Einschränkungen der Lesefähigkeit bedeutet dies, dass für sie nicht primär und ausschließlich spezielle Produkte, in diesem Falle digitale Medien, erzeugt werden,

sondern dass die für alle verfügbaren Medien von ihnen genutzt werden können – auch, indem assistive, sprich: unterstützende Technologien ohne Barrieren aufsetzen. Der zugrundeliegende Gedanke entspringt dem Gestaltungskonzept des Universellen Design oder Design für Alle, als dessen Basiskomponente Accessibility bzw. Barrierefreiheit verstanden wird.

Die Dringlichkeit eines universellen Herangehens in puncto Barrierefreiheit offenbart sich in Zahlen: 10 Prozent der Menschen in den Industrieländern und 15 Prozent der Menschen in den Entwicklungsländern leben mit einer partiellen oder totalen Einschränkung ihrer Lesefähigkeit (EDItEUR et al. 2011/13, 6). Hierzu gehören Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen, mit motorischen Einschränkungen, mit kognitiven Störungen oder Dyslexie (Leseschwierigkeiten).

Beispielsweise wird der Anteil von Menschen mit einer Legasthenie (Lese-Rechtschreib- Störung) an der Gesamtbevölkerung heute weltweit auf rund 5 Prozent geschätzt, in Deutschland beläuft sich ihre Zahl auf etwa 4 Millionen Betroffene (BVL 2012), wobei diese Störung hierzulande, anders als etwa in Schweden, (noch) nicht als Behinderung erfasst wird.

Hinzu kommt, dass die Bevölkerung in den Industriestaaten immer älter wird:

Augenerkrankungen wie die altersbedingte Makuladegeneration als häufigste Ursache für schwere Sehbehinderungen bei Menschen über 50 Jahren sind im Ansteigen begriffen, in Deutschland leiden circa 2 Millionen Menschen daran (DBSV 2014). Was es tatsächlich bedeutet, von Einschränkungen der Lesefähigkeit durch Behinderung oder Alter betroffen zu sein, demonstriert ein interaktives Studienmaterial für Verleger (EDItEUR; JISC TechDisc 2012).

Weitere Beispiele aus dem Alltag des Anwenders bietet der Projektblog.

Geht es darüber hinaus um die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der

Informationsgesellschaft, werden oftmals jene Personengruppen übersehen, die aufgrund sozialer, kultureller oder technischer Einschränkungen keinen Zugang zum Internet haben. Nur ein Beispiel: Laut der Studie D21–Digital–Index nutzen derzeit etwa 16,5 Millionen Deutsche das Internet nicht. Damit ist fast jeder vierte ab 14 Jahren „in der digitalen Welt noch nicht angekommen“, was zu Benachteiligungen in vielen Lebensbereichen führt; nachhaltig spürbar ist dies beim Erwerb von Wissen, aber auch von Informations- und Medienkompetenz (Initiative D21 [2013], u.a. 8, 12, 19). Und diese digitale Spaltung der Gesellschaft betrifft bei weitem nicht nur Senioren, ihre Überwindung beschäftigt mehr und mehr Wirtschaft, Politik und den

Bildungssektor; hierfür sprechen etwa die Initiative D21 oder die Digitale Agenda 2014-2017 (BMWi et al. 2014).

Dabei zeigt das grob skizzierte Spektrum der Zielgruppen mit Einschränkungen der (digitalen) Lesefähigkeit (vgl. Abb. 1, nach Janschitz 2012, 75) auf, dass von Barrieren im umfassenden Sinne zwar in erster Instanz Menschen mit Behinderungen, des Weiteren aber auch solche betroffen sind, die als nichtbehindert gelten, was den kulturellen bzw. inklusiven Ansatz1 eines 1 Einen Forschungsüberblick zum Perspektivenwechsel vom sozialen zum kulturellen Modell von Behinderung im Kontext der Etablierung von Disability Studies als wissenschaftlicher Disziplin bietet Janschitz 2012, 32–36. Während das soziale Modell, das zur Ausgrenzung Behinderter im Sinne von

(4)

barrierefreien Zugangs für alle unterstreicht. In diesem Sinne sollte Barrierefreiheit

„zukunftsbezogen wohl mehrperspektivisch gedacht werden und unser aller Denken flexibler machen.“ (Seitz 2014, 6).

Abbildung 1: Anforderungen an Barrierefreiheit im Web nach Zielgruppen(nach Janschitz 2012, 75: Ausschnitt aus Tab. 3.8, dort mit weiteren Quellenangaben)

Digitale Bibliotheken übernehmen eine Mittlerfunktion bei Wissensbereitstellung und -erwerb im digitalen Zeitalter. Dabei gibt es sie nicht: die Digitale Bibliothek. Der Terminus vereint eine unüberschaubare und stetig wachsende, in den Weiten des Web verteilte Anzahl digitaler Medienangebote und Dienste, die mehr oder minder vernetzt wiederum nur einen Bruchteil des sehr komplexen globalen Informations- und Kommunikationsangebotes für Wissen und Bildung im Netz ausmachen.

Wenn im Folgenden der Begriff Digitale Bibliothek(en) gebraucht wird, so stehen jene digitalen Ressourcen bzw. Publikationen im Blickpunkt, die von öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland, oft auch in Verbindung mit Wissenschaftseinrichtungen bereitgestellt werden. Als Orte des Sammelns, Erschließens, Verfügbarmachens und Bewahrens publizierter Informationen aller Art, unabhängig von ihrer medialen Erscheinung

„behindert werden“ von Seiten der Gesellschaft führt (ebd. 32), „heute noch immer die Basis der Interpretation von Behinderung“ ist (ebd. 35), setzt sich das kulturelle Modell erst langsam durch. Nach Snyder und Mitchell verkörpert es eine „Möglichkeit, zu erkennen und zu verstehen, wie Behinderung in einer Kultur entsteht bzw. wie es zu Ausgrenzungen kommt“. Nach Dannenbeck fordert dieses Modell eher eine Inklusionsstrategie. Dabei bedeutet Inklusion, „das Wertesystem einer Gesellschaft

dahingehend zu verändern, dass ihre Vielfalt zur Normalität, zum Standard erhoben wird.“ (ebd.).

(5)

(Gantert/Hacker 82008, 14), besitzen sie den Anspruch, jenseits kommerzieller Interessen Wissen für alle bereitzustellen.

Hiervon ausgehend sind die Autoren dieses Beitrages mit ihren Teams im Projekt „Design für Alle in Digitalen Bibliotheken“ (vgl. auch Projektblog) der Frage nachgegangen, inwieweit Barrierefreiheit in den digitalen Angeboten bzw. Systemen der Information und Kommunikation (IuK) der Bibliotheken in Deutschland tatsächlich angekommen ist. Gefördert wurde das Vorhaben 2011/2012 vom Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit e.V., erste Ergebnisse wurden auf dem 5. Kongress Bibliothek & Information Deutschland 2013 vorgestellt

(Präsentationsfolien). Unter der Prämisse „Barrierefreiheit ist machbar und bietet Synergien für alle“ bestand das Projektziel in der Formulierung von Handlungsempfehlungen – erstellt auf der Grundlage von Praxistests und im Austausch mit den Anbietern digitaler Angebote sowie mit bibliothekarischen Fachgremien und Verbänden. Die Ergebnisse dieses Vorhabens bilden die konzeptionelle Basis dieses Beitrages, untersetzt durch die langjährigen Erfahrungen der Blindenbibliotheken in Hamburg und Leipzig bei Herstellung, Vertrieb und Ausleihe barrierefreier digitaler Medien sowie als Kompetenzpartner beim Erstellen barrierefreier IuK-Angebote.

In Abschnitt 2 werden zunächst Grundlagen der Barrierefreiheit in IuK-Systemen im Kontext des Gestaltungskonzeptes eines Design für Alle aufgezeigt. Es folgen in Abschnitt 3 einführende Aussagen zur Barrierefreiheit in den digitalen Angeboten von Bibliotheken, die anschließend exemplarisch für Werkzeuge zum Suchen und Finden digitaler Information im Netz (Abschnitt 4) sowie für digitale Dokumente (Abschnitt 5) besprochen werden. Den zentralen Gegenstand dieses Beitrags bildet dabei der Umgang mit Formaten und Standards bei Netzpublikationen unterschiedlicher Art, die für alle Menschen ohne Barrieren nutzbar sein sollen. Dass dieses Ziel durchaus realistisch ist, zeigen Beispiele und Lösungsansätze. Den Abschluss bilden

elementare Empfehlungen für (Digitale) Bibliotheken und deren Verbände in Abschnitt 6.

2 Barrierefreiheit bedeutet „Wissen für Alle“

In Deutschland ist Barrierefreiheit seit 2002 im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) festgeschrieben und „in einem deutschen Gesetz grundsätzlich einheitlich nach der Definition des BGG zu verstehen“ (Weltli 2013a, 23). Für das Thema dieses Beitrages ist herauszustellen, dass nach § 4 BGG IuK-Systeme genauso wie bauliche oder sonstige Anlagen dann barrierefrei sind, „wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Der

Rechtsbegriff und zumeist auch das allgemeine Verständnis von Barrierefreiheit erfassen damit ausschließlich Menschen mit Behinderungen, so dass dieser Ansatz mitunter als Barrierefreiheit im engeren Sinne bezeichnet wird.

Darüber hinaus bietet ein barrierefreies Gestalten der Umwelt vielfach Synergien für alle Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen, von Kindern bis zu Senioren, für Behinderte und Nichtbehinderte, für Fremd- und Muttersprachler, für Wissenschaftler und Studierende ebenso wie für jedermann.

Dieser kulturelle Ansatz spiegelt sich im Gestaltungskonzept des Universellen Design oder Design für alle, wonach grundlegend für alle geplant wird, „nicht nur, sondern auch für behinderte Menschen“ (Janschitz 2012, 63). Oliver Herwig, der sich in diesem Kontext umfassend den Prinzipien des universellen Gestaltens widmet, bringt es auf den Punkt: „Es geht nicht um Speziallösungen, es geht um uns alle, um Universal Design.“ (Herwig 2008, 9) Ihm zufolge liegt Universal Design2 "gleichsam als Dachmarke über verschiedenen

2 Hinsichtlich der Terminologie „herrscht ein munteres Begriffschaos mit subtilen Abgrenzungs- und Differenzierungsbemühungen, wie sie für ein relativ junges Fach üblich sind.“ (Herwig 2008, 17). Im Grunde jedoch stehen die Begriffe Universelles Design, Design für Alle, Inklusives Design und ihre

(6)

Gestaltungsstrategien". Unter Bezug auf Forschungen des Generation Research Program (GRP) an der LMU München führt Herwig (ebd. 18) er vier Grade von Gestaltung auf dem Weg zum Ziel ‘Lebensqualität’ in aufsteigender Folge zusammen: Accessibility – Barrierefreiheit als Basis; Usability – Gebrauchstauglichkeit; Acceptibility – Stigmafreiheit wie Marktakzeptanz; Joy of Use – Ästhetik und Emotionalität als krönenden Abschluss (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Leitlinien zur Gestaltung von Produkten auf dem Weg zum Ziel „Lebensqualität“ (Quelle: GRP).

Rechtlich verankert ist das Konzept des Universellen Design seit 2006 in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, auch: Behindertenrechtskonvention (BRK), Artikel 2.5:

„Im Sinne dieses Übereinkommens [...] bedeutet “universelles Design” ein Design von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder ein spezielles Design genutzt werden können. “Universelles Design” schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus.“

Mit Blick auf den rechtlichen Status dieses Gestaltungskonzepts ist zu beachten, dass

„Barrierefreiheit in der Gesetzgebung […] verankert ist und ihre praktische Umsetzung durch Normen [und Rechtsverordnungen – Verf.] in den einzelnen Anwendungsfeldern geregelt wird“, während „das Design für alle auf Empfehlungen im Sinne von […] Richtlinien beschränkt“ bleibt (Janschitz 2012, 63).

Die BRK markiert einen Paradigmenwechsel in der Sichtweise auf behinderte Menschen, indem an die Stelle eines defizitär, von Fürsorge geprägten Bildes die Anerkennung von Behinderung als „Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit“ tritt (Artikel 3.d, BRK). Mit der

Grundforderung nach „volle[r] und wirksame[r] Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung englischen Entsprechungen für ein und dieselbe Gestaltungsrichtung, sie werden in diesem Beitrag synonym verstanden.

(7)

in die Gesellschaft“ (Artikel 3.c, BRK) wird das Anliegen von Inklusion (= Einbeziehung,

Einschluss) mit dem Blick auf behinderte wie nichtbehinderte Menschen eindeutig benannt – ein Wesenszug, der sich gleichermaßen im Konzept des Universellen Design oder der

Barrierefreiheit im weiteren, eigentlichen Sinn wiederfindet.

Seit ihrem Inkrafttreten wurde die BRK von 159 Staaten unterzeichnet und von 152 ratifiziert, darunter von der Europäischen Union und ihren sämtlichen Mitgliedsstaaten (Deutschland ratifizierte die BRK am 24. Februar 2009). Auf Basis der BRK sollen in der EU bis 2020 mit der Zehnjahresstrategie für ein barrierefreies Europa (Europäische Kommission IP/10/1505) und ihrer Umsetzung in der Digitalen Agenda für Europa Zugangserleichterungen für 80 Millionen behinderte Menschen geschaffen werden. Eines der erklärten Ziele besteht in der

Sicherstellung der vollständigen Barrierefreiheit von Websites des öffentlichen Sektors bis spätestens 2015 (Aktion 64).

Hierauf folgten im Dezember 2012 der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den barrierefreien Zugang zu Websites öffentlicher Stellen (Europäische Kommission IP/12/1305) sowie die Erarbeitung einer europäischen Norm (Normungsauftrag M 376), die sich gegenwärtig in Phase 2 befindet und bis 31. Oktober 2014 als European Standard (ETSI) EN 301 549 V.1.1.1 (2014-02) von den Mitgliedsstaaten als deren nationaler Standard anerkannt werden soll. Gemäß der Richtlinie soll der Europäische Standard ab Ende 2015 für 12 Arten von Websites gelten, darunter für „Öffentliche Bibliotheken, z.B. Kataloge und Suchwerkzeuge“ (Europäische Kommission IP/12/1305, PDF, Anhang 1).

Bezüglich der Gestaltung barrierefreier Webinhalte basiert der Standard auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0, die als Webstandard des World Wide Web Consortium (W3C) in der Version 2.0 am 11.12.2008 veröffentlicht wurden und seit 14.10.2012 als internationaler Standard (ISO/IEC 40500:2012) anerkannt sind. Programmatisch stehen für diesen Standard die vier Prinzipien Wahrnehmbar – Bedienbar – Verständlich – Robust. Für die europäische Norm, ebenso wie für einen geplanten Europäischen Rechtsakt über die

Barrierefreiheit (Europäische Kommission IP/12/1296), sind die WCAG 2.0 in der Konformitätsstufe AA verbindlich.

Als nationale Richtlinie gilt in Deutschland nach § 11 BGG die Barrierefreie Informationstechnik- Verordnung vom 12. September 2011 (BGBl. I S. 1843) (BITV). In dieser Version 2.0 beziehen sich die Bedingungen der BITV auf die Erfolgskriterien der WCAG 2.0 als technischen

Standard, die in Anlage 1 der BITV in deutscher Übersetzung wiedergegeben werden, allerdings mit einigen Abweichungen (vgl. BITV-Lotse; Fischer 2011; Hellbusch 2011). Dabei entspricht die Konformitätsstufe AA der WCAG 2.0 der Priorität I und die Stufe AAA der Priorität II der BITV 2.0. – Ein grundsätzliches Problem bei der praktischen Umsetzung der BITV ist ihr Geltungsbereich, der sich nach §1 auf Behörden der Bundesverwaltung bezieht. In den Bundesländern hingegen regeln die Gleichstellungsgesetze der Länder bzw. in vielen Fällen länderspezifische IT-Verordnungen den Umgang mit der BITV für den öffentlichen Sektor. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die BITV 2.0 in kaum einem Bundesland als verbindliche Richtlinie übernommen worden, in der Gesamtsicht zeichnet sich eine Fragmentierung der Regelwerke aufgrund abweichender Standards der Länder-Verordnungen ab (Hellbusch 2011), der private Sektor wird vom Geltungsbereich der BITV nicht erfasst.3

Ausgehend von den Bedingungen der BITV wurde im BIK Projekt mit dem sog. BITV-Test ein 3 Rechtliche Grundlagen sowie Instrumente zur Durchsetzung von Barrierefreiheit in Deutschland, darunter den Umgang mit Zielvereinbarungen (insbes. für die Privatwirtschaft) und Verbandsklagen in Theorie und Praxis thematisiert ein Tagungsband (Weltli 2013b). Einen Vergleich der Gesetzgebung in Deutschland, Österreich und der Schweiz bietet Susanne Janschitz (2012, insbes. 44–51), dem Verhältnis von deutscher und US-amerikanischer Gesetzgebung widmet sich Irene Bowen (2013).

(8)

technisches Prüfverfahren mit 50 Prüfschritten entwickelt, das in drei Varianten für

unterschiedliche Zwecke ausgeführt werden kann. Dieses Testverfahren ist zurzeit als das für öffentliche Stellen in Deutschland maßgebliche Werkzeug zur Prüfung von Webseiten zu betrachten. In Version 2.0 weisen die einzelnen Prüfschritte des BITV-Tests zudem

Konkordanzen zu den Erfolgskriterien der WCAG 2.0 aus; diese dienen informativen Zwecken und bestätigen nicht die Konformität des betreffenden Prüfschrittes mit den Erfolgskriterien der WCAG bzw. sie sind vielfach de facto auch nicht standardkonform mit diesen.

Mit Blick auf die WCAG 2.0 gibt es weltweit inzwischen zahllose Testverfahren mit recht unterschiedlichen Bewertungsansätzen, doch ähnlich wie der BITV-Test sind sie meist nur teilweise WCAG-konform, am ehesten entspricht wohl das Zertifizierungsverfahren Access for all der Schweizer Stiftung Zugang für alle diesen Anforderungen. Aus diesem Grunde hat das W3C die Initiative für ein Regelwerk zur Konformitätsbewertung auf Basis der WCAG 2.0 auf den Weg gebracht: Mit den Website Accessibility Conformance Evaluation Methodology (WCAG-EM 1.0) wurde 2014 ein Entwurf für einen künftigen Webstandard veröffentlicht, der nicht nur wie bisher die Prüfung einzelner Webseiten, sondern kompletter Webauftritte zum Gegenstand erhebt (Hellbusch 2014b). Bis allerdings diese und weitere Anpassungen im Kontext künftig zu erwartender EU-Richtlinien zur Barrierefreiheit in Deutschland als

verbindliche Regelungen gelten, bleibt hier vorerst der BITV-Test das priorisierte Prüfverfahren.

Um barrierefrei zugängliche Webseiten auf Grundlage der Webstandards zu erzeugen, gibt es zahlreiche analoge und digitale Publikationen bzw. Handreichungen. Als Standardwerk sei hier das Handbuch Barrierefreiheit verstehen und umsetzen (Hellbusch/Probiesch 2011) empfohlen, das als Printexemplar und E-Book erhältlich ist. Einen kurzgefassten, gut verständlichen

Überblick zu den Grundlagen barrierefreien Webdesigns mit Bezug auf die WCAG 2.0 bietet zudem Hellbusch (2012). Unter zahlreichen Websites unterschiedlichster Betreiber zu diesem Thema sind die des Projektes BIK – barrierefrei informieren und kommunizieren sowie BITV- Lotse und Di-Ji – Digital informiert – im Job integriert, beides Projekte des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, zu nennen; hervorzuheben ist außerdem die Website der Schweizer Stiftung Zugang für alle, die mit Prüftools und Zertifizierungsverfahren einen erheblichen Mehrwert bietet.

Neben dieser technisch messbaren Barrierefreiheit als Komponente des Webdesigns hat sich in der Praxis Digitaler Bibliotheken mit dem Open Access -Prinzip längst eine spezifische,

erweiterte Sicht auf Barrierefreiheit resp. den freien Zugang zu publizierter wissenschaftlicher Information etabliert. Ausgehend von der Budapest Open Access Initiative (BOAI 2002) besagt Open Access, dass wissenschaftliche Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise

benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind.

Hierauf basiert die von der Max-Planck-Gesellschaft maßgeblich initiierte Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen (Berlin Declaration 2003), die bis dato von 478 Organisationen weltweit unterzeichnet wurde. In Deutschland wird das Publizieren im Open Access von den großen Wissenschafts- und Förderorganisationen, von Fachgesellschaften sowie zahlreichen Universitäten und Forschungseinrichtungen unterstützt, die vielfach eigene Open Access-Policies besitzen und bei technischer Infrastruktur und Publikationsmanagement häufig mit wissenschaftlichen Bibliotheken kooperieren. In ihrer Resolution Open Access – Chancen für den Zugang zum Wissen für alle formulierte die Deutsche UNESCO-Kommission auf der 67. Hauptversammlung 2007 ihr Bekenntnis zu Open Access als „eine neue Chance, allen Menschen einen umfassenden und ungehinderten Zugriff auf das mit öffentlichen Mitteln produzierte Wissen zu ermöglichen.“

(9)

Mit diesen klaren Statements, die hier nur einen kleinen Ausschnitt der deutschen bzw.

weltweiten Open Access-Bewegung zeigen, wird die Forderung nach einem freien Zugriff auf Information für alle – ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren – nachhaltig untersetzt; und dies schließt ausdrücklich die Barrierefreiheit von Webseiten und zugehörigen Dokumenten ein. Dass jedoch gegenwärtig bei der praktischen Umsetzung, d.h. beim

Elektronischen Publizieren, aufgrund weiterreichender Prioritäten im Gesamtkonzept Open Access den technischen Barrieren vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, zeigt etwa die Studie Barrierefreie Wissenschaft?! (Probiesch 2012) an Beispielen aus der deutschen Forschungslandschaft.

3 Digitale Bibliotheken und das Thema ‚Barrierefreiheit‘

Die Nutzerin und der Nutzer4 von heute erleben Digitale Bibliotheken, hier fokussiert auf das Angebot von Bibliotheken, in ganz unterschiedlichen Facetten: So ist es inzwischen

selbstverständlich, dass wissenschaftliche und öffentliche Bibliotheken in Deutschland mit ihren analogen und digitalen Beständen via Homepage und Online-Katalog (Online Public Catalogue, OPAC) in der Regel im Internet verfügbar sind. – Die Deutsche Digitale Bibliothek, kleine

Schwester der Europeana und seit 31. März 2014 in ihrer Vollversion im Netz, bietet bereits jetzt mit einigen Millionen verfügbarer digitaler Medien, von Büchern und Zeitungen, über

Handschriften, Karten und Bilder bis zu Tondokumenten oder Filmen, das virtuelle Schaufenster zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Deutschlands für jedermann. – Für Forscher, Lehrende und Studierende ist es zur Alltäglichkeit geworden, nicht nur im Web allgemein, sondern in Fachportalen, Repositorien und Volltext-Datenbanken zu recherchieren, Wissen aus elektronischen Büchern und Zeitschriften zu generieren und online zu publizieren.

Wissenschaftliche Bibliotheken schaffen hierfür den Zugang oder bieten Infrastrukturen zum Elektronischen Publizieren im Open Access. – Und Öffentliche Bibliotheken eröffnen allen Nutzern, von Kindern bis zu Senioren, die Welt der Medien digital: von E-Books und Hörbüchern über Periodika bis zu Musik, Film, Spielen und vielem mehr.

Bibliotheken bedienen dabei mit Erschließung, Bereitstellung und Ausleihe ebenso ureigene Funktionen wie neue Aktionsfelder, indem sie Angebote und Räume zu digitaler Information und Kommunikation verfügbar machen und so Umgebungsbedingungen für neues Wissen

bereitstellen. Ihr Potential im Kreislauf des Wissens schöpfen sie daraus, dass sie analoge und digitale Information kompetent, zuverlässig und auf lange Zeit verfügbar bereitstellen. Für den Nutzer im digitalen Zeitalter rücken jedoch weitere Aspekte in den Vordergrund: der freie Zugang zu Information für alle und die zeitnahe Bereitstellung bzw. der Zugriff in Echtzeit.

Aus bibliothekspolitischer Perspektive gibt es international klare Bekenntnisse zur Barrierefreiheit. Der Weltbibliotheksverband IFLA (International Federation of Library Associations and Institutions ) hat sich mehrfach zu diesem Thema geäußert. Im Jahr 2005 erschien eine Prüfliste für den Zugang zu Bibliotheken für Menschen mit Behinderungen (IFLA 2005). Kurz und prägnant werden darin die wesentlichen Anforderungen an barrierefreie

Internetauftritte benannt; dem voran geht eine Auflistung der Medien und Formate für Menschen mit Behinderungen (ebd. 11–17). Einen Meilenstein verkörpert das im Jahr 2013 verabschiedete UNESCO/IFLA Manifest für Bibliotheken für Menschen mit Lesebehinderungen (UNESCO/IFLA 2013). Ausgehend von der Anerkennung, dass der Zugang zu Information ein grundlegendes Menschenrecht ist, werden darin Auftrag und Schlüsselfunktionen von Regierungen,

Bibliotheken und Informationsvermittlern aufgezeigt, „damit sie ihre Informationen und Dienste für alle barrierefrei zugänglich machen“. Wie dringend diese Forderung ist, unterstreicht die 4 Wenn im Folgenden „der Nutzer“ bzw. „die Nutzer“ – im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Textes dann nur in der maskulinen Form – angesprochen werden, sind jedoch stets auch „die Nutzerin“ bzw. „die Nutzerinnen“ gemeint.

(10)

IFLA im Manifest mit der Feststellung, dass gegenwärtig weltweit nur 5 bis 10 Prozent aller Informationen in barrierefreien Formaten zugänglich und weniger als 20 Prozent der Webseiten als barrierefrei einzuschätzen sind (ebd. 2). Des Weiteren veröffentlichte die IFLA erst jüngst einen Entwurf von Richtlinien für bibliothekarische Angebote, die sich gezielt an Menschen mit Dyslexie richten (IFLA 2014a)

Den Weg des Zugangs zu Information für alle verfolgt die IFLA weiter, indem sie im August 2014 mit der Lyon Declaration on Access to Information and Development (IFLA 2014c) eine

Erklärung zur Fortsetzung der Millenniumsentwicklungsziele für die Zeit 2016 bis 2030 verabschiedet hat. Demnach sind alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen aufgefordert, sich international zur Umsetzung dieser Ziele nach 2015 zu verpflichten, „um für alle den

Zugang, die Erfassbarkeit, die Nutzung und den Austausch von Informationen zu gewährleisten, die zur Förderung nachhaltiger Entwicklung und demokratischer Gesellschaften notwendig sind.“ Ein Recht auf Information für alle Menschen erscheint dabei von grundlegender Bedeutung (ebd. 1).

Inwieweit die Forderung nach IuK-Angeboten für alle tatsächlich auch in nationale Bibliotheksgesetze Eingang findet, zeigt der New Library Act in Schweden (Govt Bill

2012/13:147). Als besonders zu berücksichtigende Personengruppen benennt dieses neue Bibliotheksgesetz explizit Menschen mit Behinderungen, Menschen mit einer anderen als der schwedischen Muttersprache sowie nationale Minderheiten – und gibt dem Grundsatz des Zugangs für alle einen Namen, indem es konkret jene Personengruppen ausweist, denen öffentliche Bibliotheken ihre besondere Aufmerksamkeit widmen sollen bis hin zur Bereitstellung und Finanzierung der jeweils erforderlichen Literatur und technischen Hilfsmittel.

Vergleichbare gesetzliche Regelungen, etwa auch in einem länderübergreifenden

Bibliotheksgesetz, gibt es in Deutschland nicht in dieser Art und Deutlichkeit. Aufgrund der föderalen Struktur ist die Gesetzgebung für Bibliotheken eine Angelegenheit der Bundesländer, sieht man von Einrichtungen des Bundes wie der Deutschen Nationalbibliothek einmal ab.

Landesbibliotheksgesetze wurden bisher jedoch nur in Thüringen (ThürBibRG 2008), Sachsen- Anhalt (BiblG LSA 2010), Hessen (HessBiblG 2010) und Rheinland-Pfalz (LBiblG 2014) verabschiedet, weitere Informationen bietet dazu das Bibliotheksportal. Ein Blick auf die vorliegenden Gesetzestexte lässt erkennen, dass wissenschaftliche, öffentliche und Schulbibliotheken den freien und ungehinderten Zugang zu Wissen für jedermann per se gewährleisten, ein darüber hinausführendes, deutliches Bekenntnis zu Barrierefreiheit bzw. zu einem inklusiven Zugang zu digitalen Medien und Diensten für alle gibt es nicht. Allein der Musterentwurf des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. zu einem Bibliotheksgesetz für die Länder sieht vor, Bibliotheken als „barrierefreie Orte der Begegnung und der Kommunikation für alle zu gestalten.“ (BibG 2008, § 6, Abs. 2).

Dabei ist das Thema Barrierefreiheit für die Bibliotheken hierzulande keinesfalls ein neues, allein im vergangenen Jahrzehnt wurden vielfältige Schritte, theoretische wie praktische, unternommen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht nach wie vor der Bibliotheksbau, erst danach folgen zunehmend IuK-Technologien. Unter den maßgeblichen Veröffentlichungen von und für Bibliotheken aus jüngerer Zeit zu diesem Thema ist ein Aufsatz mit dem Fokus

Bibliotheksbau von Jürgen Weber hervorzuheben, der den Begriff Universal Design für die Bibliothekswelt einbringt und eine Zielvereinbarung zur Umsetzung von Barrierefreiheit fordert, denn „Barrierefreiheit gehört noch nicht zu den Standards in Bibliotheken.“ (Weber 2009, 319).

Ebenso notwendig erachtet er den „Zugang zu barrierefrei gestalteten Bibliothekskatalogen und Informationssystemen via Internet“ und benennt damit ein grundsätzlich bestehendes Problem.

Im Jahr 2011 widmet sich schließlich ein ganzes Themenheft der Zeitschrift BuB – Forum Bibliothek und Information dem Schwerpunkt Barrierefreiheit (BuB 63/1). Einer der sechs Beiträge erläutert Grundsätze für ein barrierefreies Webdesign in ihrer Relevanz für

(11)

Bibliotheken (Viehweger 2011). Verwiesen sei an dieser Stelle außerdem auf einen Leitfaden für die barrierefreie Gestaltung von Web-Angeboten in Bibliotheken, noch basierend auf BITV 1.0 (Schwartz/Rößner 2010).

Über die Bibliotheken hinaus bietet der wesensverwandte Museumsbereich mit zwei Sammelbänden breitgefächerte Einblicke in Theorie und Praxis barrierefreier Gestaltung öffentlicher Kultur- und Wissenseinrichtungen und ihrer Angebote: Das barrierefreie Museum (Föhl et al. 2007) sowie Wege zur Kultur (Tervooren/Weber 2012). Im Vorwort zum

letztgenannten Band (ebd. 11) stellen Anja Tervooren und Jürgen Weber deutlich heraus, dass Kultur- und Bildungseinrichtungen eine besondere Verantwortung tragen, um materielle und kulturelle Barrieren abzubauen und somit vielfältige Wege zur Kultur zu eröffnen, denn „[a]ktuell stehen wir vor einer Situation, in welcher die deutschen Institutionen gegenüber dem Ausland durch einen erheblichen Nachholbedarf charakterisiert sind.“

Hinsichtlich der Umsetzung eines barrierefreien Webdesigns sind in den digitalen Angeboten der Bibliotheken recht unterschiedliche Grade der Ausprägung zu beobachten. Generell macht sich die in Abschnitt 2 erwähnte Fragmentierung der technischen Standards für Webseiten von Bund, Ländern und weiteren Anbietern vonseiten des Gesetzgebers in Deutschland bemerkbar.

Eindrücklich lässt sich dies am Beispiel der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) zeigen. Als nationale Plattform ist die DDB nach § 1 BITV 2.0 zur Barrierefreiheit verpflichtet. Mit

Unterstützung der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig (DZB) wurde 2012 dieses Angebot auf Barreirefreiheit (Abschließender Test BITV 2.0, mit über 90 von 100 Punkten erfüllt) und auf Gebrauchstauglichkeit (Usability-Tests mit blinden und sehbehinderten Nutzern)

getestet und kann im Ergebnis als gut zugänglich, zudem mit dem besonderen Fokus auf blinde und sehbehinderte Nutzer eingestuft werden.

Das ist zweifellos eine wichtige Ausgangsbasis mit breiter Wirkung, doch handelt es sich hierbei nur um den Erstkontakt des Nutzers mit dem digitalen kulturellen Erbe. Denn die DDB ist

lediglich das Portal, sprich: Zugang und gemeinsame Rechercheoberfläche, für verteilte digitale Bestände der Kultureinrichtungen in Deutschland. Sobald der Nutzer ein ausgewähltes digitales Dokument lesen, hören oder näher betrachten möchte, wechselt er auf die Weboberfläche der anbietenden Einrichtung, die häufig nicht barrierefrei ist bzw. sich mitunter selbst als

„barrierearm“ bezeichnet und damit ein bestehendes Defizit einräumt. Und gelangt der Nutzer schließlich zum digitalen Medium als dem Ziel seiner Recherche, erweist sich dieses in der Regel als größte Barriere in puncto Accessibility.

Da die DDB bereits jetzt eine große und weiterhin steigende Zahl verteilter digitaler Ressourcen mit verschiedensten Weboberflächen zusammenführt, erscheint ihr Gesamteindruck bezüglich des barrierefreien Zugangs sehr heterogen. Eine Ursache besteht darin, dass barrierefreies Webdesign für die meisten teilnehmenden Bibliotheken keine gesetzliche Pflicht ist. Und dennoch werden in der Praxis einige Bibliotheken unterschiedlichster Träger selbst aktiv und lassen barrierefreies Webdesign zielgerichtet umsetzen. Zwar gibt es hierzu in Deutschland keine statistischen Erhebungen mit Vergleichswert,5 doch bestätigt ein Blick auf die Liste 90Plus des BIK Projekts, dass unter den als gut und sehr gut zugänglich bewerteten Webangeboten auch eine Reihe meist größerer bzw. überregionaler Bibliotheken zu finden ist. Die dort

gelisteten Webangebote haben in einem abschließenden BITV-Test 90 oder mehr Punkte (von max. 100) erreicht, wobei die Prüfberichte einsehbar sind: ab 90 Punkte gilt ein Webauftritt als

„gut zugänglich“ bewertet, ab 95 Punkte als „sehr gut zugänglich“ (vgl. Bewertung BITV-Test).

Einschränkend ist hierbei zu berücksichtigen, dass BITV-Tests (abgesehen von der BITV- 5 Hingegen wurden mit der Schweizer Accessibility-Studie 2011 (Stiftung „Zugang für alle“ 2011) dort bereits zum dritten Mal 100 bedeutende Websites in einem nationalen Rahmen, von Webauftritten des Bundes und der Kantone bis hin Internet-TV-Angeboten und Online Shops, auf Barrierefreiheit geprüft.

(12)

Selbstbewertung) kostenpflichtig sind und die Aufnahme in die erwähnte Liste freiwillig, auf Initiative des Anbieters erfolgt. Gleichzeitig ist zu beachten, dass ein BITV-Test im Schnitt nur drei relevante Webseiten eines Webauftrittes erfasst, so dass sich das Testergebnis nicht automatisch auf das gesamte Angebot ausweiten lässt.

Nur selten getestet werden Online-Kataloge und verwandte Rechercheoberflächen – nicht zuletzt deshalb, weil hier häufig komplette Softwareprodukte von Drittanbietern zum Einsatz kommen – sowie Webinhalte, die oft in spezifischen Dokument-Formaten wie etwa PDF, EPUB etc. abgelegt sind. Doch gerade Kataloge und Recherchetools sind die eigentlichen Werkzeuge zum Suchen und Finden von Information im Web und die Dokumente das Ergebnis einer jeden Recherche. In beiden Fällen begegnen Nutzer sehr häufig unterschiedlichsten Barrieren und sind somit oft vom Wissenserwerb in dieser Form ausgeschlossen. Aus diesem Grunde galt das Interesse des hier beschriebenen Vorhabens gerade diesen Schlüssel-Angeboten beim

Wissenstransfer, die summarisch als Werkzeuge (Abschnitt 4) und Dokumente (Abschnitt 5) in der Betrachtung zusammengeführt werden.

Anhand von Testergebnissen und Praxisbeispielen sollen der aktuelle Stand der Barrierefreiheit in Verbindung mit verwendeten Formaten und Standards analysiert und häufige Barrieren und Wege zum Erkennen und Vermeiden aufgezeigt werden. Die Ergebnisse führen zu

Handlungsempfehlungen zur Barrierefreiheit in Digitalen Bibliotheken. Als Testobjekte wurden digitale Ressourcen und Dienste von Bibliotheken und Wissenschaftseinrichtungen in

Deutschland gewählt, bei denen diese die Rechte und Möglichkeiten besitzen, die Darstellung von Benutzeroberflächen und digitalen Angeboten im Web weitgehend mitzubestimmen oder zumindest darauf Einfluss nehmen zu können. Dies sollten mehrheitlich überregionale, frei zugängliche Angebote von hoher Nutzerrelevanz sein.

Generell blieben bei diesem Vorhaben zwei Gruppen von Behinderten als potentielle

Zielgruppen außerhalb der Betrachtung, und zwar Menschen, die auf die Nutzung von Leichter Sprache oder (Deutscher) Gebärdensprache angewiesen sind. Während Leichte Sprache eine spezielle sprachliche Ausdrucksweise (des Deutschen) ist, um Menschen mit

Leseschwierigkeiten die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen (Kellermann 2014, S. 7;

BPB 2014), handelt es sich bei der Deutschen Gebärdensprache (DGS) um eine natürliche, manuell-visuelle Sprache, die von schwer oder nicht hörenden Menschen zur Kommunikation genutzt wird. Beide Systeme besitzen jeweils eigene sprachliche Regeln und erfordern eine grundlegend eigenständige Behandlung bei der Umsetzung, was die gesonderte

Berücksichtigung beider Sprachen in Anlage 2 der BITV 2.0 unterstreicht. Mit Blick auf digitale Informationsangebote im Sinne eines Design für Alle profitieren insbesondere Übertragende bzw. Dolmetscher in diese Sprachen, aber auch deren Nutzer erheblich von barrierefreiem Webdesign.

4 Barrierefreie Werkzeuge zum Suchen und Finden im Web

Als Werkzeuge Digitaler Bibliotheken werden im Folgenden jene Weboberflächen

zusammengefasst, die unter dem Aspekt des Suchens und Findens den direkten Zugang zu publizierter Information im Web eröffnen. Für die Untersuchung wurden drei Testpakete gewählt:

Erstens ein Spektrum von Rechercheoberflächen, die vorwiegend von wissenschaftlichen Bibliotheken angeboten werden: 10 Fachportale, 10 Repositorien, 5 überregionale

Metakataloge sowie 3 Portale für Retrodigitalisate (darunter die Europeana); weiterhin 10 Elektronische Zeitschriften, die als Volltexte im HTML-Format einerseits zu den in Abschnitt 5 behandelten Dokumenten zählen, andererseits als HTML-Seiten strukturell und formattechnisch wie Webseiten zu betrachten und daher hier einbezogen sind. Dies sind in Summe 38 digitale Angebote, die mit 127 getesteten, einzelnen Webseiten als systematische

(13)

Stichprobe für Weboberflächen Digitaler Bibliotheken gelten dürfen;

Zweitens 5 Online-Kataloge (OPACs) wissenschaftlicher Bibliotheken mit dem Ziel, spezifische Anforderungen an elektronische Katalogsysteme herauszustellen;

Drittens mit der Onleihe eine weitverbreitete Plattform für Öffentliche Bibliotheken, die den Zugriff auf digitale Medien (E-Book, E-Audio etc.) bereitstellt.

Bei den untersuchten Webangeboten erweist sich das Verhältnis von Eigen- und

Fremdentwicklung der zugrundeliegenden Software sowie der Nutzeroberfläche als zentrales Problem, das bei Testverfahren und Auswertung zu berücksichtigen ist; die drei Testpakete weisen diesbezüglich unterschiedliche Szenarien auf. Zu den Werkzeugen im weiteren Sinne gehört ebenso die Vielzahl der Social-Media-Tools und Bookmarking-Dienste, die die interaktive Kommunikation in Wissenssystemen vermitteln. Sie spielen für dieses Vorhaben insofern keine Rolle, als dass es sich um Dienste von Drittanbietern handelt, deren Bereitstellung gänzlich außerhalb des Einflussbereichs der Bibliotheken liegt. Die Aktion Mensch hat hierzu im Jahr 2010 eine Studie erstellt, aus der u.a. hervorgeht, dass die Mehrzahl der sog. Web 2.0- Anwendungen zumeist auf bekannten Webtechniken aufsetzt (Aktion Mensch 2010, 147).

Daher sind diese Tools stets im Kontext der Prüfung aktueller Webtechnologien auf Barrierefreiheit zu bewerten.

Ein wesentliches Format zur Gestaltung von (barrierefreien) Webseiten ist HTML (Hypertext Markup Language) in verschiedenen Versionen (HTML 4.0, HTML 5; XHTML 1.0 und 1.1) als textbasierte Auszeichnungssprache zur Strukturierung von Inhalten. Im Oktober 2014 wurde HTML5 als Webstandard des W3C (Recommendation) veröffentlicht. Als weitere relevante Formate sind zu nennen: CSS (Cascading Style Sheets) als Gestaltungsvorlage für Webseiten sowie SVG (Scalable Vector Graphics), etwa für Karten und Multimedia-Objekte, oder SMIL (Synchronized Multimedia Integration Language) für die Synchronisation von Video, Untertiteln oder Audio-Deskription (vgl. umfassend hierzu Hellbusch/Probiesch 2011, 117–195, hier 154–

155). Dabei führt nicht der Einsatz dieser Formate an sich zu barrierefreien Webseiten, sondern diese müssen als solche bewusst konzipiert und umgesetzt werden. Als entsprechende

Richtlinie des W3C zur Gestaltung barrierefreier Webinhalte gelten die WCAG 2.0. In

Deutschland werden diese mit der BITV 2.0 umgesetzt, als maßgebliches Prüfverfahren für den öffentlichen Sektor ist der BITV-Test anerkannt (zur Problematik WCAG versus BITV vgl.

Abschnitt 2). Weitere Richtlinien des W3C zur Barrierefreiheit wie die ATAG (Authoring Tool Accessible Guidelines), die auf Werkzeuge zum Erstellen von Webseiten gerichtet sind, und die UAAG (User Agent Accessibility Guidelines), die sich etwa an Hersteller von Browsern und assistiven Technologien wenden, spielen bei diesem Vorhaben keine Rolle.

Die vollumfängliche Prüfung von Webseiten auf Konformität nach WCAG 2.0 oder BITV 2.0 ist in der Regel erfahrenen Prüfern zu übertragen. Anders als beispielsweise in der Schweiz, wo die Stiftung Zugang für alle als unabhängige Institution eine Zertifizierung barrierefreier Webauftritte durchführt, gibt es in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine zentrale Kompetenzstelle für ein einheitliches Evaluierungsverfahren; vielmehr übernehmen darauf spezialisierte öffentliche Einrichtungen, privatwirtschaftliche Agenturen oder freie Berater diese Tests.

Daneben existiert eine Vielzahl an Prüftools oder Werkzeugen sowie Schnelltests zur Barrierefreiheit, mittels derer auch webtechnisch weniger Versierte, wie etwa Entscheider, Redakteure oder Nutzer, einen ersten, meist unkomplizierten Überblick über die Zugänglichkeit einer Webseite bzw. über einzelne Kriterien der Barrierefreiheit erlangen können. Als messbare Kriterien der Barrierefreiheit benennt die BITV Bedingungen und die WCAG Erfolgskriterien. In diesem Vorhaben werden die herausgestellten Mindestanforderungen an Barrierefreiheit als

(14)

Basiskriterien (im Folgenden auch: Kriterien) zusammengeführt.

Bezüglich der Prüfwerkzeuge ist zu beachten, dass keines dieser Tools alle relevanten Prüfschritte erfasst. Sie sind jedoch zum Beispiel dafür geeignet, bereits während der Entwicklung von Webseiten diese auf bestimmte Barrieren zu prüfen, die so von Anbeginn vermieden werden können. Des Weiteren kann anhand dieser Prüftools ein Schnelltest einzelner Webseiten zum ersten Abschätzen von Handlungsbedarf und möglicherweise zu erwartendem Aufwand bei der Beseitigung von Barrieren herangezogen werden. Für eine solche Bewertung sollten die Prüfer über solide Grundkenntnisse zu Webtechniken und Barrierefreiheit verfügen. Schnelltests können beispielsweise folgende Fragen beantworten:

 Wie zugänglich ist eine Webseite in Bezug auf bestimmte Kriterien der Barrierefreiheit?

 Welche dieser Barrieren sind zeitnah bzw. ohne größeren Aufwand zu beheben?

 Welche Kriterien der Barrierefreiheit erfordern einen höheren Aufwand, so dass sie mittelfristig in erneute Planungen und Relaunchs von Webauftritten einzubinden sind?

Schnelltests bescheinigen jedoch nicht die Konformität einer Webseite nach WCAG 2.0 bzw.

BITV 2.0. oder das Maß an Gebrauchstauglichkeit. Sofern dies das Ziel eines Testverfahrens sein soll, sind hierfür Spezialisten heranzuziehen.

Im Projekt wurden in Testpaket 1 und 2 mit jeweils verschiedenen Prüfern spezielle Schnelltests nach BITV 2.0 durchgeführt, in Testpaket 3 kam ein vollständiger Test nach WCAG 2.0 zum Einsatz. Eine wertvolle Ergänzung aller drei Testpakete boten Nutzertests mit blinden und sehbehinderten Menschen, die wichtige Hinweise zur Gebrauchstauglichkeit aus Anwendersicht brachten.

4.1 Testpaket 1: Rechercheoberflächen

Im ersten Testpaket wurden 38 Webangebote mit 127 einzelnen Webseiten nach BITV 2.0 in einem Schnelltest auf Barrierefreiheit geprüft. Das Prüfziel je Angebot erstreckte sich auf drei Webseiten (Recherchetool und Trefferlisten) sowie eine weitere mit einem Webformular; sofern vergleichbare Webseiten bei einem Angebot nicht vorhanden waren, wurden entsprechend weniger Seiten getestet; im Ergebnis waren dies zwei bis vier Webseiten pro Angebot. Die Testobjekte wurden bereits einleitend zu Abschnitt 4 vorgestellt; es sind Fachportale,

Repositorien, Metakataloge, E-Journals etc. Bezüglich der geprüften Rechercheoberflächen lässt sich sagen, dass die Betreiber des jeweiligen Webangebotes in der Regel die Entwicklung der Nutzeroberflächen verantworten und damit ihren Einfluss auf barrierefreies Webdesign wahrnehmen können.

Der hier durchgeführte Schnelltest umfasste 12 Prüfschritte der BITV 2.0 (Abb. 3), die sämtlich der Priorität I (hohe Relevanz) zugeordnet sind. Je Test konnten für die 12 Prüfschritte

insgesamt 29 Punkte (= 100 Prozent) erreicht werden, wobei maximale Punktzahlen von 1 bis 3 entsprechend der Gewichtung im BITV-Test vergeben wurden. Die Bewertung zum Erfüllen des jeweiligen Prüfschrittes folgte dem Bewertungsschema der BITV. Als Orientierung für die

Auswahl dieser Prüfschritte dienten sog. Basiskriterien der Barrierefreiheit. Diese werden etwa von Hellbusch/Probiesch (2011, 21–24, 63) als „Die sieben Säulen der Barrierefreiheit“

bezeichnet und umfassen:

 Textorientierung

 Kontraste und Farben

(15)

 Skalierbarkeit

 Linearisierbarkeit

 Gerätunabhängigkeit und Dynamik

 Verständlichkeit, Navigation und Orientierung

 Strukturierte Inhalte

Auch wenn mit den angezeigten Prüfschritten im Schnelltest nicht jedes dieser Kriterien vollständig geprüft wird, vermittelt der Test einen Überblick über den Zustand erreichter Zugänglichkeit anhand von Mindestanforderungen an barrierefreie Webangebote; letztere werden im Folgenden als Basiskriterien für barrierefreies Webdesign bezeichnet, denen im Schnelltest spezifische Prüfschritte zugeordnet wurden.

Für den Test ist daraus zu schlussfolgern: Sind bereits diese mit den Prüfschritten angezeigten Basiskriterien nicht erfüllt, ist die Seite zweifelsfrei als nicht barrierefrei einzustufen – es ist Handlungsbedarf angesagt. Im Umkehrschluss ließe sich formulieren: Werden diese

Basiskriterien erfüllt, erweist sich die Durchführung eines vollständigen, weil kostenpflichtigen Tests des Webangebotes auf Barrierefreiheit als sinnvoll.

4.2 Testergebnisse

Für die Auswertung wurde der Durchschnittswert für alle getesteten Webseiten, bezogen auf jeden Prüfschritt, gebildet. Dieser Prozent-Wert soll aufzeigen, welche Basiskriterien größere Probleme bei der Umsetzung bereiten bzw. häufiger noch vernachlässigt werden und welche Kriterien offenbar bereits routinemäßig Anwendung finden. Das Gesamtergebnis dieses Testpakets brachte unerwartete Einsichten (Abb. 3).

Abbildung 3: BITV 2.0-Schnelltest: Durchschnittswerte von 127 Webseiten aus 38 Angeboten.Darstellung der Prüfschritte, erfüllt in Prozent.(Die Farben der Balken zeigen den Grad der Erfüllung eines Prüfschrittes an:

dunkelgrau: bis 50% – mittelgrau: bis 75% – hellgrau: über 75 bis 100%)

(16)

Der Blick auf die Zahlen gestattet folgende Aussagen: Bei 9 von 10 getesteten Webseiten sind die Inhalte bei benutzerdefinierten Farben erkennbar (Prüfschritt 1.4.3c), das Basiskriterium ausreichender Kontraste und Farben genügt in diesem Falle weitgehend den Anforderungen an Barrierefreiheit. Weiterhin sind 8 von 10 Webseiten ohne Bezug auf sensorische Merkmale (1.3.3a) und auch ohne Maus (2.1.1a) nutzbar, womit das Kriterium der Tastaturbedienbarkeit angesprochen ist, das 80 Prozent der getesteten Webseiten erfüllen. Und 8 bis 9 von 10 Webseiten sind skalierbar, sprich: bei einem Zoom auf 200 Prozent benutzbar (1.4.4b). Im Gegensatz dazu werden HTML-Strukturelemente für Überschriften nur bei jeder dritten

Webseite korrekt verwendet (1.3.1a); nur vier von zehn Webseiten machen die aktuelle Position des Tastaturfokus deutlich (2.4.7a) und bei mindestens jeder zweiten Webseite fehlen

Alternativtexte für Grafiken und Objekte (1.1.1b); Textalternativen für Bedienelemente weisen etwa zwei von drei Webseiten auf (1.1.1a). Somit zeigen sich Defizite etwa bei den

Basiskriterien Verständlichkeit, Navigation und Orientierung, Textorientierung sowie

Strukturierte Inhalte. Elementare Kriterien für Suchmasken, die wie Webformulare zu betrachten sind, werden unterschiedlich erfüllt: Während Formularfelder bei etwa 2 von 3 Seiten richtig beschriftet (65 Prozent) werden und Inhalte bei fast 4 von 5 Seiten (78 Prozent) gegliedert sind, erweist sich auch hier die mit Abstand häufigste Barriere des gesamten Testpakets als

entscheidendes Hindernis, indem HTML-Strukturelemente für Überschriften nur bei etwa 1 von 3 Seiten (34 Prozent) korrekt ausgezeichnet sind. Wenngleich sich die dargestellten

Zahlenwerte zunächst allein auf dieses Projekt beziehen, zeigen Erfahrungswerte aus anderen Tests, dass auf dieser Basis durchaus gehäufte Fehlerquellen aufgezeigt und differenzierte Lösungsansätze formuliert werden können.

4.3 Testsieger und -verlierer:

Hinsichtlich der Barrierefreiheit der einzelnen 38 Webangebote ist festzustellen, dass kein einziges Angebot aufgrund seiner getesteten Webseiten 90 oder mehr Prozentpunkte erhalten konnte und damit im Sinne des BITV-Tests als gut oder sehr gut zugänglich einzuschätzen ist;

lediglich vier einzelne Webseiten unterschiedlicher Angebote erzielten diese Bewertung. 10 der 38 Angebote und damit etwa jedes dritte erreichte einen Punktwert über 80 Prozent; 19

Angebote und damit 50 Prozent lagen über 70 Prozent und nur 10 Angebote darunter. Das Gesamtergebnis der BITV 2.0-Schnelltests lässt somit unter den einzelnen Angeboten weder klare ‚Sieger‘ noch ‚Verlierer‘ erkennen. Es zeigt sich ein breites Mittelfeld mit Abstufungen oder anders gesagt: Die Barrieren verteilen sich eher gleichmäßig auf die getesteten digitalen

Angebote. Hervorzuheben ist die Beobachtung, dass festgestellte Barrieren mitunter nicht alle getesteten Seiten ein und desselben Angebotes betreffen. Hier zeigt sich einmal mehr die Notwendigkeit einer zielgerichteten und konsequenten Umsetzung von Kriterien der Barrierefreiheit auf allen Seiten eines Webangebotes auf, die Grundkompetenzen in barrierefreiem Webdesign und den Willen zur Realisierung voraussetzen.

Aus jeder Untergruppe der Testobjekte (Fachportale, Repositorien, Metakataloge, Portale für Retrodigitalisate, E-Journals) wurden die drei Erstplatzierten des Schnelltests ermittelt und für diese Angebote zusätzlich Nutzertests mit blinden Testpersonen durchgeführt. Obgleich der Schwerpunkt dabei auf Usability, d.h. Gebrauchstauglichkeit, lag, zeigte sich, dass bestehende technische Barrieren oftmals auch Hindernisse für einen effizienten Nutzerzugriff sind.

4.4 Welche Basiskriterien der Barrierefreiheit werden mehrheitlich erfüllt?

Das überraschende Ergebnis bei Testpaket 1 gipfelte in der Feststellung, dass Kriterien, die primär technisch umzusetzen sind, überdurchschnittlich gut erfüllt werden (in Abb. 3 als hellgraue Balken ausgezeichnet): Inhalte bei benutzerdefinierten Farben erkennbar; bei Zoom auf 200 Prozent benutzbar; ohne Maus und ohne Bezug auf sensorische Merkmale nutzbar.

(17)

Diese Kriterien, jeweils mit einem Erfüllungsgrad über 80 Prozent, wurden demzufolge bei 8 bis 9 von 10 Webseiten erfolgreich umgesetzt. Hierbei sind vor allem Webdesigner und -entwickler gefragt, die mehr oder weniger (un-)bewusst diese Komponenten der Barrierefreiheit

realisieren. Dieses Ergebnis lässt zumindest keinen Zweifel daran, dass Barrierefreiheit in seinen Basiskomponenten gut machbar und zumindest anteilig in der Praxis angekommen ist.

Zunehmend kommen technische Entwicklungen der Umsetzung von barrierefreiem Webdesign entgegen: So etwa unterstützen aktuelle Browser inzwischen zahlreiche Features von HTML 5, um nur ein Beispiel zu nennen.

Eine elementare, mitunter vernachlässigte Komponente für barrierefreies Webdesign ist jedoch valides (= gültiges) HTML. Die Validität eines Dokumentes ist dann erreicht, wenn ein gültiger HTML-Code nach Webstandards korrekt umgesetzt und durch HTML-Validierung bestätigt wurde (Hellbusch/Probiesch 2011, 521). Zur Validierung von HTML empfiehlt sich der

browserunabhängige Validator des W3C, der Webdokumente in HTML, XHTML, SMIL, MathML prüft; er erlaubt einen Blick auf den Code der angezeigten Webseite, Fehler werden im

Ergebnisfenster gelistet und in der Regel mit einem Vorschlag zur Lösung versehen. Die

Validität eines Dokumentes gilt als Qualitätsmerkmal für Standardkonformität und verkörpert die Basis für barrierefreies Webdesign, doch erzeugt im Umkehrschluss valides HTML allein noch keine barrierefreie Webseite. Neben validem HTML sind darüber hinaus sog. Allgemeine Sorgfaltspflichten in den Webtechniken wie die korrekte Angabe der Zeichenkodierung

(empfohlen UTF 8), der Dokumentsprache oder der Schriftrichtung zu beachten (zu Validierung und Sorgfaltspflichten: Hellbusch/Probiesch 2011, 519–534, hier 519, 521, 534).

4.5 Was sind häufige Barrieren?

An dieser Stelle sollen die drei häufigsten Barrieren im Test exemplarisch besprochen werden.

Sie stehen jeweils für unterschiedliche Akteure im Prozess der Umsetzung von barrierefreiem Webdesign und zeigen Unterschiede in Aufwand und Lösungen, um Barrieren zu beseitigen.

Der eindeutig bessere Weg ist es jedoch stets, potentielle Barrieren im Vorfeld zu erkennen und bewusst zu vermeiden, vgl. im Projektblog Häufige Barrieren – erkennen und vermeiden.

Barriere 1:

Bemerkenswerterweise schneidet ein Kriterium bzw. Prüfschritt am schlechtesten ab, der bereits bei der Konzeption einer Website zu berücksichtigen ist: HTML-Strukturelemente für Überschriften werden nur bei etwa 3 von 10 Webseiten korrekt ausgezeichnet (Abb. 3); nach BITV 2.0 müssen diese korrekt mit den HTML-Strukturelementen h1 bis h6 ausgezeichnet sein und die Inhalte der Seite erschließen (BITV-Prüfschritt 1.3.1a – WCAG 1.3.1 und 2.4.6). Als Prüftools für den Schnelltest sind HeadingsMap (Mozilla) oder Web Accessibility Toolbar (WAT for IE) zu empfehlen. Wurde dieser Prüfschritt nicht bestanden, sind Basiskriterien wie

Verständlichkeit, Navigation und Orientierung sowie Strukturierte Inhalte nicht erfüllt.

Doch die schlüssige und stringente Umsetzung dieses Kriteriums ist nicht – wie aufgrund seiner technischen Überprüfbarkeit häufig vermutet – ein allein webtechnisches Problem. Es setzt inhaltlich-konzeptionelle Planungsarbeit bereits beim Erstellen des gesamten Webauftrittes sowie jeder einzelnen Webseite voraus, denn vermittelt über die Struktur der Überschriften werden Nutzerführung bzw. Navigation gesteuert. Dieses logische Konzept ist dann in einem Folgeschritt mit den entsprechenden HTML-Strukturelementen korrekt auszuzeichnen. Wird dieses Kriterium nicht berücksichtigt, ist der intellektuelle Zugang zu den Inhalten einer Webseite erschwert, was nicht nur eine Barriere für Nutzer assistiver Technologien wie etwa des Screenreaders, d.h. Bildschirmlesers, sondern für alle werden kann. Bei einer bestehenden Website lässt sich diese Barriere meist nur mit hohem Aufwand oder eher gar nicht aufheben.

Ist die rasche Nachbesserung einer Website für die Nutzung mit assistiven Technologien

(18)

dringend angeraten, so gibt es kurzfristige Lösungen, mit denen ein gewisses Maß an Barrierefreiheit erzielt werden kann. Eine Empfehlung ist der Einsatz sog. versteckter

Inhaltsverzeichnisse (d.h. Überschriftenelemente). Diese verbessern die Nutzbarkeit der Seite erheblich, „zerstören“ jedoch nicht ein bereits vorhandenes oder etabliertes Layout bzw.

Webdesign. Sie werden an den benötigten Stellen im HTML-Quelltext positioniert und mittels kaskadierender Stylesheets (CSS) aus dem sichtbaren Bereich des Fensters verschoben.

Assistive Technologien, die sich auf den HTML-Quelltext stützen, wie der Screenreader, verwenden die nun vorhandenen Überschriftenelemente und geben sie an den Nutzer weiter.

Für sehende Nutzer ändert sich nichts, ihr gewohntes Erscheinungsbild bleibt im Normalfall unverändert. Für Programmierer mit erweiterten Kenntnissen ist zudem die Verwendung von WAI-ARIA (Web Accessibility Initiative – Accessible Rich Internet Applications) zu empfehlen (Hellbusch/Probiesch 2011, 633-637; Hellbusch 2014a), vgl. auch den folgenden Abschnitt zu OPACs.

Abschließend ist herauszustellen, dass das Kriterium korrekter Auszeichnung von HTML- Strukturelementen bereits eine Herausforderung an Entscheider und Planer von Webauftritten darstellt, die ihrerseits diese Anforderung an Webdesigner und Entwickler weitervermitteln bzw.

das inhaltlich-strukturelle Konzept als Grundlage liefern.

Barriere 2:

Eine Barriere, die vorrangig sehbehinderte und Tastatur-Nutzer betrifft, ist die, dass der aktuelle Tastaturfokus nicht deutlich zu sehen ist. Die Nutzer dieser Funktion navigieren bzw. orientieren sich anhand der Strukturmerkmale einer Webseite. Neben einer guten Sichtbarkeit des

Mausfokus ist hierfür ebenso ein logisch-strukturiertes Navigationskonzept mit korrekter HTML- Auszeichnung von Überschriften und weiteren Strukturmerkmalen erforderlich (zu

Nutzerführung: Hellbusch 2012, 263-264), was auf eine Schnittmenge mit Barriere 1 verweist.

Im Test wurde dieser Prüfschritt mit nur 41 Prozent erfüllt (Abb. 3). Nach BITV 2.0 soll jedoch der Tastaturfokus mindestens genauso deutlich hervorgehoben werden wie der Mausfokus (BITV-Prüfschritt 2.4.7a – WCAG 2.4.7). Um dieses Kriterium zu prüfen, empfiehlt sich das Umschalten in den Kontrastmodus [Shift+Alt+Druck], um dann mit der Tabulator-Taste von Link zu Link zu springen. Anders als bei Barriere 1 ist dies ein Kriterium, dass mit geringem Aufwand von Webentwicklern zu erfüllen bzw. kurzfristig nachzubessern ist. Entscheidend sind hier die Kenntnis und Beachtung dieses Kriteriums, das für einige Nutzergruppen elementar ist; das Fehlen dieser Bedingung kann zum Ausschluss ganzer Nutzergruppen führen (siehe auch Testpaket 2: OPACs).

Barriere 3:

Eine dritte Barriere, die sich im Schnelltest herauskristallisierte, ist das Fehlen von

Alternativtexten für informative Grafiken und Objekte (mit 47 Prozent erfüllt) sowie für grafische Bedienelemente (mit 61 Prozent erfüllt, vgl. Abb. 3). Unerlässlich ist dieses Kriterium für alle Nutzergruppen, die auf die Sprachausgabe von Webseiten angewiesen sind. Bei der

Umsetzung dieses Kriteriums sind vor allem Webredakteure gefragt, die via Redaktionssystem des CMS die Textalternativen einrichten bzw. sinnvoll formulieren. Neben Grafiken sind ebenso Objekte wie Video- und Audio-Dateien sowie Applets zumindest mit kurzen beschreibenden Alternativtexten zu versehen (BITV-Prüfschritt 1.1.1b und 1.1.1a – WCAG 1.1.1). Geeignete Prüftools für den Schnelltest sind Wave Toolbar (Mozilla) oder Web Accessibility Toolbar (WAT for IE).

Wenngleich hier nur einige Kernaussagen aus Testpaket 1 zusammengeführt werden können, bleibt festzuhalten, dass Kriterien, die ursächlich inhaltlich-konzeptionell und damit zunächst intellektuell zu bewältigen sind, im Durchschnitt deutlich schlechtere Bewertungen erhalten als primär technische Komponenten. Das Thema Barrierefreiheit – hier in der Sicht auf das Endprodukt gespiegelt – setzt in erster Instanz bei Planung und Konzeption digitaler Angebote

(19)

an. Die stringente Umsetzung bis zum fertigen Produkt im Web ist die logische Konsequenz.

Barrierefreies Webdesign muss hierbei die Sache aller am Zustandekommen einer Website Beteiligten sein und schließlich auch den Nutzer einbeziehen.

Ein besonderes Gewicht erlangt die Optimierung des inhaltlich-strukturellen Konzepts einer Website beim Responsive Webdesign, dem Erstellen von Webseiten für unterschiedliche Endgeräte, wie PC (Desktop PC, Laptop, Netbook), Tablet oder Smartphone – hierin zeigt sich Design für Alle in der Praxis.

4.6 Testpaket 2: Online-Kataloge (OPACs)

(Online-) Kataloge sind das „Herzstück“ einer jeden Bibliothek. Als solche verzeichnen sie zumeist auch jene digitalen Ressourcen, die Bibliotheken als mehr oder weniger eigene oder lizenzierte Angebote im Web und damit als ihre Digitale Bibliothek bereitstellen. Der OPAC ist somit elementares Werkzeug zum Suchen und Finden publizierter Information im Web und in der Regel zugleich „das am häufigsten genutzte Internetangebot der Bibliothek“

(Gantert/Hacker 82008, 202). Folgerichtig gehören barrierefreie Bibliothekskataloge zu den priorisierten Webangeboten, die im Rahmen der Erarbeitung einer Europäischen Richtlinie zur Barrierefreiheit öffentlicher Stellen ausgewiesen werden (Europäische Kommission IP/12/1305, PDF, Anhang 1).

In Bezug auf Formate und Standards sind Online-Kataloge generell wie Webseiten zu betrachten, wobei sich einige spezifische Anforderungen herauskristallisieren. Ihre Nicht- Beachtung kann zum Ausschluss ganzer Nutzergruppen führen. Nun werden elektronische Kataloge als Teil komplexer Bibliotheks(management)systeme heute in der Mehrzahl der Fälle von kommerziellen Anbietern entwickelt und den Bibliotheken zum Kauf bzw. als Nutzungslizenz angeboten. Seitens der Bibliotheken ist damit das Problem der Nutzung von Fremdsoftware als Bestandteil eigener Angebote zu lösen. In Bezug auf die Gestaltung der Nutzeroberflächen der OPACs wird diese Aufgabe im Wesentlichen auf zwei Arten gelöst: Zum einen werden

Nutzeroberflächen vom Anbieter erstellt bzw. mitgeliefert; Zum anderen können Bibliotheken die Nutzeroberflächen in ihr eigenes Corporate Design einbinden, was entweder eigenständig oder mit dem Anbieter realisiert wird. Hieraus ergeben sich unterschiedliche Einflussmöglichkeiten in Bezug auf barrierefreies Webdesign.

In Testpaket 2 wurden fünf OPACs von Universitätsbibliotheken auf Barrierefreiheit geprüft; vier der fünf Kataloge nutzen das gleiche, als innovativ geltende Bibliothekssystem, verfügen aber jeweils über angepasste Nutzeroberflächen mit eigenem Corporate Design. Mit dieser Auswahl sollten eine Vergleichbarkeit und der Fokus auf wichtige Gestaltungsmerkmale barrierefreier OPACs gewahrt bleiben. Als Prüfer fungierten Studierende im Fach „Barrierefreie Dokumente“

im Wintersemester 2011/12 an der TU Dresden, Institut für Angewandte Informatik, Professur Mensch-Computer Interaktion; bereits seit Jahrzehnten hat sich dieser Lehrstuhl dem Thema Barrierefreiheit, insbesondere mit Blick auf Blinde und Sehbehinderte, verschrieben und setzt dies in Forschung und Lehre um. Im Test wurden bestimmte Szenarien verfolgt (Aufruf Startseite; Suche nach einem bestimmten Buch und einer Zeitschrift; Anfrage via Kontaktformular) und diese nach BITV 2.0 auf Barrierefreiheit unter besonderer Berücksichtigung der Zielgruppe evaluiert. Die Ergebnisse wurden anschließend

zusammengefasst: Demzufolge konnte keiner der geprüften OPACs hinsichtlich der getesteten Bedingungen als barrierefrei bewertet werden. Es bestehen teils erhebliche Barrieren für blinde und sehbehinderte Nutzer, die vielfach auch für weitere Nutzergruppen hinderlich sind.

Probleme für blinde Nutzer entstehen, weil

 keine oder nicht-aussagekräftige Alternativbeschreibungen für Grafiken und Objekte

(20)

bereitgestellt werden (BITV2.0, Prüfschritt 1.1.1b).

 die Webseite nicht logisch und korrekt durch Überschriften gegliedert ist (1.3.1a).

 nicht-aussagekräftige Linktexte verwendet werden.

 Tabellen für die Gestaltung verwendet werden, diese jedoch mittels CSS umzusetzen sind.

 Formulare nicht korrekt umgesetzt bzw. beschriftet werden (3.3.2a).

 die Tabulator-Reihenfolge nicht korrekt ist (2.4.3a).

Barrieren für sehbehinderte Nutzer bestehen, weil

 das Kontrastverhältnis von Text und Schriftgrafik zu gering ist (1.4.3a).

 die Auszeichnung der Styles mittels Tags wie i für Kursiv und b für Fettdruck umgesetzt wird. Nach BITV sind Hervorhebungen in Texten jedoch mit strong oder em auszuzeichnen (1.3.1d).

 Probleme bei 200-Prozent-Vergrößerung auftreten (1.4.4b).

 die logische Reihenfolge für den Tastaturfokus nicht eingehalten wird (2.4.3a).

Die häufigsten Barrieren bei OPACs werden durch schlechte Kontrastverhältnisse, durch eine fehlende logische Struktur der Webseite oder eine fehlende Beschriftung von Formularfeldern verursacht; sie erschweren die Navigation und die Wahrnehmung des Inhaltes. Die bereits in Testpaket 1 (Rechercheoberflächen) als gehäuft ermittelten Barrieren – wie die nicht korrekte Auszeichnung von HTML-Strukturelementen für Überschriften (dort nur von 34 Prozent der Webseiten erfüllt); unzureichende Sichtbarkeit der aktuellen Position des Tastaturfokus (43 Prozent); fehlende Textalternativen für Grafiken und Objekte (47 Prozent); keine oder

fehlerhafte Beschriftung von Formularfeldern (65 Prozent) – treten in gleicher Weise auch bei den OPACs deutlich in Erscheinung.

Des Weiteren zeigte der Test, dass die Webseiten von OPACs häufig nicht valide sind, so dass eine wichtige Voraussetzung für barrierefreies Webdesign nicht erbracht wird (vgl. auch

Testpaket 1). Außerdem fiel bei der Evaluation der OPACs auf, dass WAI-ARIA nicht genutzt wird, welches insbesondere hier zielführend zum Einsatz kommen kann. Als ergänzende Spezifikation zu den Webtechniken ist ARIA in der Version 1.0 seit März 2014 empfohlener Webstandard des W3C. Dieser bietet eine Vielzahl von Attributen, die die Barrierefreiheit etwa für blinde und sehbehinderte Nutzer erhöhen, sofern HTML hierfür nicht ausreicht (vgl.

Hellbusch 2014a und 2012/2014). Nachfolgend sind einige Beispiele genannt:

 Landmarks verbessern die Navigation innerhalb der HTML-Seite.

 Mittels Live-Regions werden dynamische Inhalt wie Live-Ticker und Warnhinweise wahrnehmbar.

 Zusätzliche Attribute beschreiben Formularfelder genauer, zum Beispiel bei

‚Pflichtangaben‘.

Innerhalb des Gesamtauftritts einer Bibliothek stellt der barrierefreie OPAC eine besondere

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Inhalte fallen nicht in den Anwendungsbereich der anwendbaren Rechtsvorschriften Inhalte von Dritten, beispielsweise Studien oder Präsentationsmaterialien von externen

• Grundlagen in Adobe Acrobat bezüglich Barrierefreiheit, Kenntnisse über Werkzeuge in Acrobat und wie Sie in Acrobat Einstellungen für die Bearbeitung von barrierefreien

Lernen sie Adobe Acrobat Professional als ein zweites Werkzeug kennen, womit Sie PDF- Dokumente grundsätzlich taggen können und ebenso fehlerhafte PDF-Dokumente korrigieren

Für diese beiden Funktionen gibt es für das iPad auch eine komfortable Variante mit einer Software, die in den Basis-. Funktionen kostenlos ist und nur in der „Pro-“Version

Im Folgenden wird die Installation des Apple Color LW 12/660 unter Windows 2000 beschrieben.. Bei anderen Windows -Versionen verläuft die Einrichtung in

Online verfügbar unter https://helpx.adobe.com/de/acrobat/using/create-verify-pdf- accessibility.html?trackingid=KACNN%20-%20LogicalRO, zuletzt aktualisiert am 30.04.2021,

Internetangebote müssen auch dann nutzbar sein, wenn der verwendete Benutzeragent neuere Technologien nicht unterstützt oder diese deaktiviert

Sehr vorteilhaft ist es, gleich mit einer OCR- Schrifterkennungssoftware zu arbeiten, da ansonsten lediglich ein Bild vom Text erzeugt wird, das auch nach der Umwandlung in PDF