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Archiv "Belegärztliche Tätigkeit – ein teures „Hobby“" (04.02.1988)

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THEMEN DER ZEIT

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

F

ehlinformation und Un- kenntnis schaffen ein unbe- gründetes Mißtrauen gegen- über Belegkrankenhäusern.

Es ist daher dringend geboten, diese Informationslücke zu füllen.

Nach langjähriger Tätigkeit in Großkliniken habe ich meine ärzt- liche Tätigkeit in einem Belegkran- kenhaus fortgesetzt. Entgegen mei- nen Mutmaßungen wurde ich von der Effizienz, der Ausbaufähigkeit und dem günstigen Pflegesatz dieser Krankenhäuser überrascht. Unver- ständlich war deswegen die Diskus- sion über die Umwandlung der Be- legkrankenhäuser in Kliniken der Versorgungsstufe A. Dies um so mehr, als in den niedrigen Pflegesät- zen bereits ein Teil des Honorars des Belegarztes enthalten ist und dieser also etwa die Hälfte dessen vergütet bekommt, was ein niedergelassener Chirurg in seiner Praxis für die glei- chen Leistungen erlösen würde.

Hinzu kommt, daß der Belegarzt in der Regel darüber hinaus auch den nachgeordneten ärztlichen Dienst aus eigener Tasche finanziert. Des- halb wird die klinische Tätigkeit des Belegarztes von diesem oft als teures Hobby empfunden.

Im Gegensatz zum geregelten Arbeitsverhältnis und der abgesi- cherten Existenz des klinisch tätigen Chirurgen im öffentlichen Dienst befindet sich der Belegarzt in der Si- tuation, seine Praxis wirtschaftlich zu führen, andererseits für seine zeitraubende klinische Tätigkeit we- der angemessen honoriert zu werden noch bei den Verbänden und öffent- lichen Stellen Verständnis zu finden.

In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Belegärzte in der Bun- desrepublik um knapp zehn Prozent

Alexander Appel

Belegärztliche Tätigkeit

ein teures

„Hobby"

auf rund 5600 vermindert. In Frank- furt ist zur Zeit nur ein kleiner Teil der 30 niedergelassenen Chirurgen klinisch tätig. Nachfolger sind nicht in Sicht. Hochqualifizierte Chirur- gen für die belegärztliche Tätigkeit zu gewinnen, ist unter den derzeiti- gen Umständen eine Illusion.

I Leistungen und Aufgaben

Die in das Chefarztsystem ein- gebundenen Kliniken besitzen einen hohen internationalen Stellenwert.

Das in den angelsächsischen Län- dern weitverbreitete Krankenhaus- system der „consultants" (eine Gruppe gleichberechtigter Ärzte lei- tet die Klinik) besitzt einen gleich- hohen Standard. Dagegen hat sich in der Bundesrepublik Deutschland das im Führungsstil den „consul- tants" ähnliche Belegarztsystem sei- nen internationalen Stellenwert nicht im gleichen Maße ausbauen können und hat hierzulande eine un- tergeordnete Bedeutung.

Der 90. Deutsche Ärztetag hat mit der Entscheidung, das Beleg-

arztsystem auszubauen, eine gute Perspektive aufgezeigt, ohne jedoch den fundamentalen Faktor Beleg- arzt zu berücksichtigen. Bevor man mit diesem Ausbau beginnen kann, muß zuerst das Überleben des Beleg- arztes gesichert werden.

„In der heutigen Zeit ist es vor einem medizinischen Forum nicht ganz einfach, über Voraussetzungen in der Medizin zu sprechen, die gleichzeitig zu enormen Kostenbela- stungen des Bürgers führen, die aber die Effizienz des Gesundheitswesens erst ermöglichen. Gemeint ist damit die unabdingbare personelle und materielle Ausstattung der Klini- ken," schreibt Edgar Ungeheuer in einer Arbeit in „Langenbecks Ar- chiv für Chirurgie" 1986.

Die in Großkliniken stattgefun- dene Konzentration von maximaler Diagnostik, Therapie (Organtrans- plantationen, Mikrochirurgie u. a.), Forschung und Lehre mit entspre- chendem Kostenaufwand läßt ver- mutlich kleine und mittlere chirurgi- sche Eingriffe in diesen Einrichtun- gen zukünftig nicht mehr in größe- rem Umfang wirtschaftlich erschei- nen. Hier kann das Belegkranken- haus in angemessenen Grenzen bis hin zu auch großen Eingriffen eine kostensparende Entlastung der Großkliniken sein, wenn es gelingt, jüngere, hochqualifizierte Chirurgen für die belegärztliche Tätigkeit zu gewinnen. So werden beispielsweise in unserem voll ausgelasteten Beleg- krankenhaus jährlich 5000 Operatio- nen verschiedener Fachgebiete, da- von 70 Eingriffe an Kolon und Rek- tum, 275 Herniotomien, 220 Hy- sterektomien und 524 Prostata- Operationen durchgeführt. Darüber hinaus wird in großem Umfang klinische Ausbildung (zehn Assi- stenzarztstellen, Famulaturen) be- trieben, es werden Publikationen veröffentlicht und Promotionen er- möglicht.

Verweildauer, Komplikations- rate und Arbeitsunfähigkeits-Zeiten in Folge der behandelten Erkran- kungen liegen im Vergleich mit dem allgemeinen Durchschnitt sehr gün- stig. Die Kooperation mit den Uni- versitätskliniken ist unbürokratisch und geprägt von gegenseitigem Ein- vernehmen aller Beteiligten.

Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen hat das Belegarztsystem als kostendämpfend apostrophiert. Die Organe der ärztlichen Selbstverwaltung haben die in einem Satz formulierte Instruktion als Arbeitsthe- se übernommen, allerdings ohne sachliche Diskussion und Erörterung des Themas. Eine Analyse über die Situation und die Funktion des Belegarztsystems wurde bis heute nicht vor- gelegt. Es liegt die Vermutung nahe, daß viele „Experten"

und Entscheidungsträger die Situation der Belegärzte und der Belegkrankenhäuser in der Bundesrepublik nicht kennen.

A-212 (24) Dt. Ärztebl. 85, Heft 5, 4. Februar 1988

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I Fehlmeinungen weit verbreitet

Immer wieder begegnen wir der Vorstellung von Patienten und von niedergelassenen Ärzten, daß ein Belegkrankenhaus nur die Grund- versorgung — gemeint sind „kleine"

Operationen — leisten könne und nicht den Luxus und die erforder- liche Ausstattung und Versorgung wie eine große Klinik biete. Beides ist so nicht mehr zutreffend, da einerseits auch im Belegkranken- haus allen Erfordernissen moderner Ausstattung und Versorgung Rech- nung getragen wird und auf der an- deren Seite durch die Fortschritte der Chirurgie und das immer größe- re Krankengut sich die Kriterien der

„Grundversorgung" geändert ha- ben. So werden heute auch im Rah- men der Grundversorgung die gro- ßen Operationen von gut ausgebil- deten und erfahrenen Chirurgen be- herrscht.

Die Amerikaner haben im SGO in einer Studie festgestellt, daß ein Oberarzt einer größeren Klinik heu- te mehr Brustamputationen durch- führt als damals Hallstead jemals selbst ausgeführt hat. Das gleiche trifft offensichtlich auch zu im Ver- gleich mit Billroth, Mikulicz, Miles und anderen „Koryphäen" der klas- sischen Chirurgie.

Selbstverständlich wird nicht der Geist dieser großen Ärzte zur Diskussion gestellt. Vielmehr soll nur auf die qualifizierte Ausbildung und Leistung heutiger Ärzte verwie- sen werden.

Das Prinzip eines hohen medizi- nischen Niveaus muß kompromißlos erhalten werden. „Je besser der Chirurg, desto öfter werden Sie die- se einfache Klarheit seiner Maßnah- men beobachten," schreibt Stelzner in seiner Arbeit „Die Chirurgie in der Vorstellung und in der Wahr- heit". Dieses Zitat ist besonders ak- tuell für den Belegarzt, der im freien Wettbewerb seinen Erfolg nachwei- sen muß.

Die Effizienz der technischen Ausstattung und Versorgung darf man auf die Tatsache zurückführen, daß die Verantwortung für die Ope- rationsindikation, für die Durchfüh- rung des Eingriffes und die postope-

rative Behandlung uneingeschränkt, mit allen moralischen und juristi- schen Konsequenzen bei dem Chir- urgen selbst liegt. Ohne ausreichen- de Einrichtungen, Überwachung, vor- und nachoperative Behandlung und diagnostische Möglichkeiten, selbstkritische Stellungnahme über eigenes Wissen und Können wird auf keinen Fall eine Operation vor- genommen

Den Krankenhausträger und seine Verwaltung darf man aus der Herausforderung nicht entlassen.

Die Administration der Kliniken ist weiter hinter der medizinischen Ent- wicklung zurückgeblieben. Die mo- dern ausgebildeten Fachkräfte, wie Intendanten, medizinische Sekretä- rinnen, Mitarbeiter der PR-Abtei- lung und Patientenbetreuung sowie Archivspezialisten mit dreijähriger Ausbildung oder Universitätsab- schluß und Promotion sind bei uns wenig bekannt. Der Wettbewerb zwischen den Kliniken erfordert vom gesamten Team gleichermaßen große Leistung, Fortbildung und Up-to-date-Standard.

Belegkrankenhäuser, die nicht durch öffentliche Bürokratie einge- schränkt sind, können dies mögli- cherweise besser leisten. So wurde vor fünf Jahren in unserer Klinik ein auf dem Krankenhauswesen spezia- lisierter Diplom-Kaufmann und Verfasser mehrerer Veröffentli- chungen als Verwaltungsdirektor eingestellt. Der entsprechende Füh- rungsstil, Organisation, Wirtschaft- lichkeit und Ideen waren bald be- merkenswert.

In diesem Zusammenhang bleibt die Frage, wie lange noch das mit großer Mühe, oft nur pro publi- co bono, aus reiner ärztlicher Über- zeugung getragene Belegarztsystem lebensfähig sein wird. Der langsame Exodus aus der klinisch-belegärzt- lichen Tätigkeit ist nicht zu überse- hen. Tatsächlich scheint das Schiff zur Begleitmusik der Vordenker der Kostendämpfung zu sinken.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Alexander Appel Rotes-Kreuz-Krankenhaus am Zoo Königswarterstraße 16

6000 Frankfurt/Main 1

D

ie Tätigkeit der mehr als 5500 freiberuflich tätigen Belegärzte und die Ver- sorgungsfunktion der Be- legkliniken stehen hierzulande nach wie vor im Schatten der gesundheits- und sozialpolitischen Überlegungen.

Diese Entwicklung kontrastiert deutlich mit Entwicklungstendenzen im benachbarten Ausland, noch mehr aber mit dem US-amerikani- schen System. In den USA steht ein differenziertes Belegarztsystem hoch im Kurs. Die privaten (gewinn- orientierten) Krankenhäuser in den USA halten mit etwa neun Prozent mehr als doppelt so viele Bettenka- pazität wie die „Privaten" in der Bundesrepublik Deutschland (etwas über vier Prozent) vor — mithin eine

mar

Belegärzte als

„Kostendämpfer"

gute Basis für das belegärztliche und gut ausgebaute praxisklinische Sy- stem. Den Belegkliniken und den belegärztlich tätigen Ärzten kommt deshalb auch auf Grund des intensi- ven Wettbewerbs im Krankenhaus- sektor eine besondere Rolle als Vor- reiter neuer Entwicklungen zu, wie deutsche Gesundheitsökonomen und Ärzte auf Grund von Ver- gleichsstudien uneingeschränkt be- stätigen.

Das bundesdeutsche kooperati- ve Belegarztsystem, bei dem ein Team freiberuflich tätiger Gebiets- ärzte einen Fullservice mit Bereit- schaftsdienst garantiert und eng mit dem Klinikträger kooperiert, braucht sich gegenüber ausländi- schen Versorgungsformen nicht zu verstecken.

Obwohl die Belegärzte im Zuge der Reform des Einheitlichen Be- wertungsmaßstabes (EBM) als Grundlage der Vergütung kassen- ärztlicher Leistungen einigen Boden gutgemacht haben (eine analoge GOA-Aufbesserung steht noch aus!), ist immer noch nicht alles im Dt. Ärztebl. 85, Heft 5, 4. Februar 1988 (27) A-213

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