Aus Bund und Ländern
Tag der Pflegeberufe:
Zwei-Klassen-Medizin bereits Realität
WERL. Die Ausgabenbe- grenzungen im Gesundheits- wesen führen in Krankenhäu- sern zu einer verdeckten Ra- tionierung von medizinischen und pflegerischen Leistun- gen. Diese Ansicht vertrat die Osnabrücker Pflegewis- senschaftlerin Prof. Dr. Vero- nika Koch beim 40. Tag der Pflegeberufe im Erzbistum Paderborn.
„Ökonomie bestimmt das Leistungsangebot“, sagte Koch vor den rund 600 Pflege- kräften. Betroffen seien be- sonders ältere und chronisch kranke Patienten, denen teil- weise eine andere medizini- sche Versorgung gewährt wer- de als jüngeren oder berufs- tätigen Patienten. Belegbar sei dies am Einsatz teurer Me- dikamente und hochwertiger Implantate. Selbst die Un- terbringung von Notfallpati- enten werde schwieriger. Im- mer häufiger meldeten Klini- ken ihre Intensivstationen in den zentralen Meldestellen als voll belegt, um keine schwer- verletzten, kostenintensiven Patienten aufnehmen zu müs- sen. Elsbeth Kosthorst von der Caritasgemeinschaft für Pflege- und Sozialberufe im Bistum Essen betonte, daß es Aufgabe der Pflegenden sei, sich „einzumischen“ und für Werte einzusetzen, die nicht
„abrechenbar“ seien. EB
Richtlinien für häus- liche Krankenpflege
KÖLN. Der Bundesaus- schuß der Ärzte und Kran- kenkassen hat erstmals „Richt- linien über die Verordnung von häuslicher Krankenpfle- ge“ beschlossen. Dem Be- schluß war ein Anhörungs- verfahren aller betroffenen Verbände und Pflegedienste vorausgegangen.
Die Richtlinien regeln die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, deren Dauer und deren Genehmigung
durch die Krankenkassen so- wie die Zusammenarbeit der Vertragsärzte mit den ambu- lanten Pflegediensten und den Krankenhäusern. Zur häus- lichen Krankenpflege zählen die Behandlungspflege, die Grundpflege und die haus- wirtschaftliche Versorgung.
Ein Leistungsverzeichnis führt die verschiedenen Einzelmaß- nahmen auf. Anspruch auf häusliche Krankenpflege ha- ben die Versicherten, die die erforderlichen Verrichtungen nicht selbst durchführen kön- nen, wenn auch keine im Haushalt lebende Person die Pflege übernehmen kann.
Wie der Bundesausschuß mitteilt, gehen zur Zeit Sach- verständige der Frage nach, ob die besonderen Bedürf- nisse von psychisch Kranken weitergehende Regelungen notwendig machen. Sollten die Sachverständigen zu die- ser Auffassung gelangen, wer- de der Bundesausschuß gege- benenfalls die Richtlinien er- gänzen. JM
Gesundheitsreform:
Alternativkonzept
BERLIN. Eine von der Bertelsmann-Stiftung, der Heinz-Nixdorf-Stiftung und der Ludwig-Erhard-Stiftung 1987 eingesetzte Reformkom- mission „Soziale Marktwirt- schaft“ hat jetzt in ei- nem Gutachten zur Gesund- heitsreform empfohlen, eine Pflichtversicherung für alle Bürger einzuführen, aber mit Wahlfreiheiten zu versehen und die Pflichtleistungen auf eine notwendige Basisversor- gung zu beschränken. Eine weitgehendere Absicherung müsse über Wahlleistungen oder Zusatzversicherungen organisiert werden. Um An- reize zur Effizienzsteigerung zu schaffen, sollte von der Sachleistung auf die Kosten- erstattung umgestellt wer- den, ohne daß der Patient in Vorleistung treten muß. In ei- ner Kombination mit Selbst- behalten soll so das Interesse der Patienten an einer pflegli- cheren Inanspruchnahme ge- stärkt werden.
Bei einer allgemeinen Ver- sicherungspflicht könne der Wettbewerb unter den Lei- stungserbringern durch den Abbau von Zulassungsbe- schränkungen, der Abkehr von zentralen Honorarver- einbarungen sowie die Ein- führung eines Optionsrechtes auf freie Arztwahl intensi- viert werden. Eine freiwilli- ge Beschränkung der freien Arztwahl und selektive Hono- rarvereinbarungen zwischen Anbietern und Krankenkas- sen (Einkaufsmodell) würden Anreize zur kostenbewuß- ten Nachfrage setzen. Die privaten Krankenversicherer sollten verpflichtet werden, ausreichende Alterungsrück- stellungen für ihre Versicher- ten zu bilden. Die Kranken- versicherungsbeiträge sollen nicht mehr an die Lohnbasis gekoppelt werden, sondern die Beitragserhebung soll an das steuerpflichtige Gesamt- einkommen geknüpft wer-
den. HC
KV Nord-Württemberg:
Erfolg vor Schiedsamt
STUTTGART. Die KV Nord-Württemberg hat im Streit mit den Ersatzkassen über die Gesamtvergütung der Jahre 1998 und 1999 vor
dem Schiedsamt einen Erfolg erzielt. Nach Darstellung der Kassenärztlichen Vereinigung hatten die Ersatzkassen ver- sucht, die Gesamtvergütung um rund 30 Millionen DM zu reduzieren. Das Schiedsamt folgte diesem Anliegen nicht, sondern setzte Honorarzu- wächse fest, die sich an den Vertragsabschlüssen mit an- deren Krankenkassen orien- tieren.
Der Vorsitzende der KV Nord-Württemberg, Dr. med.
Werner Baumgärtner, bewer- tete die Entscheidung des Schiedsamtes zwar als „er- freulichen Vertragsabschluß“.
Er kritisierte jedoch die Ver- zögerungstaktik der Ersatz- kassen, die zu einer verspäte- ten Auszahlung der Honorar- zuwächse geführt habe. Auf diese Weise seien den Er- satzkassen Zinsgewinne von rund 700 000 DM entstanden die eigentlich den nieder- gelassenen Ärzten zugestan- den hätten, monierte Baum- gärtner.
Die Ersatzkassenverbände sehen nach eigener Darstel- lung ihrerseits „wenig Grund zum Jubeln“ in dem Spruch des Schiedsamtes. Die jetzt festgesetzte Honorarverein- barung führe zu deutlichen fi- nanziellen Mehrbelastungen für die Ersatzkassen. JM A-3015 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 47, 26. November 1999 (15)
P O L I T I K NACHRICHTEN
Rund zwei Millionen Berufstätige sind in Deutschland direkt im Gesundheitsbe- reich beschäftigt, darunter 283 000 Ärztinnen und Ärzte. Auf mehr als vier Mil- lionen wird die Zahl der Arbeitsplätze in unmittelbarer Abhängigkeit vom Ge- sundheitsmarkt geschätzt. In den Heil- und Pflegeberufen – Apotheker und Zahnärzte nicht mitgezählt – sind 1,74 Millionen Menschen beschäftigt, davon
sind 87 Prozent Frauen. N