Extrazellulärraum
ui •
Plasma- membran
0
zytotoxische Wirkung
0 Zytoplasma
Al■
endogene Substrate
Abbildung 2: Modell der „Flippase", die Substrate direkt aus der Plasmamembran „heraussaugt". Unge- ladene Substrate (A) diffundieren innerhalb der Membran, während positiv geladene Substrate (8) ent- lang der inneren Phospholipid-Grenzschicht ‚gleiten". Beide werden von P-Glykoprotein „eingefangen"
und aus der Zelle hinausbefördert. Modifiziert nach Chin et al., Adv. Cancer Res. 60 (1993) 157 MEDIZIN KURZBERICHT / FÜR SIE REFERIERT
duktion durch 2-Acetylaminofluoren wird von einem reaktiven Metaboli- ten verursacht, der die DNA schä- digt und auch für die mutagene und karzinogene Wirkung des 2-Acetyl- aminofluorens verantwortlich ge- macht wird. Die bekannten Indukto- ren führen damit zu einer Schädi- gung der DNA, einem sogenannten
„genotoxic stress", der vermutlich zu einer konzertierten Antwort der Zel- le führt.
Ein Bestandteil dieses Program- mes ist vermutlich die erhöhte Ex- pression von P-Glykoprotein, die auch vor und während der DNA- Synthese und Zellteilung vermutlich als Teil eines Schutz- und Abwehr- mechanismus erfolgt. Als Modulato- ren dieses Programmes kommen vor allem Protoonkogen- und Tumor- suppressorgen-Produkte in Frage, die in Tumorzellen häufig mutiert vorliegen und sich der normalen Re- gulation entziehen. So konnte durch Transfektion sowohl des Protoonko- gens H-ras beziehungsweise K-ras als auch eines mutierten Tumorsuppres- sorgens p53 eine mdr-Überexpres- sion in Zellinien erzielt werden. Auch das Vorliegen von entsprechenden Bindungssequenzen für Protoonko- gen-Produkte wie c-jun und c-fos in der 5'-flankierenden Promotorregion im (nichtkodierenden) 1. Exon der mdr 1-Gene von Mensch und Maus be- legen diese Annahme
Schlußfolgerungen
Zukünftig wird sich die experi- mentelle Krebsforschung vor allem mit Fragen der Regulation der mdr- Genexpression als Bestandteil zellu- lärer Schutz- und Abwehrprogramme befassen. Insbesondere wird nach den Mechanismen gefahndet wer- den, die die Überexpression von P- Glykoprotein in Tumorzellen verur- sachen. Ferner wird die Suche nach den physiologischen Substraten und nach geeigneten Inhibitoren von P- Glykoprotein von besonderer Bedeu- tung sein, um die Chemotherapie maligner Tumoren zu verbessern.
Hierbei könnte auch die Schutzfunk- tion von P-Glykoprotein in normalem Gewebe während der Chemothera- pie von Interesse sein.
Deutsches Arzteblatt
91 (1994) A-2330-2333 [Heft 36]
Das Literaturverzeichnis befindet sich im Sonderdruck, anzufordern über den Verfas- ser.
Anschrift des Verfassers:
Privatdozent Dr. rer. nat.
Dr. med. Dieter Schrenk Institut für Toxikologie Universität Tübingen Wilhelmstraße 56 72074 Tübingen
Orale Rehydrierungs- lösungen zur
Diarrhoe-Therapie von Diabetikern
Orale Rehydrierungslösungen, die in der Regel 20 bis 40 g Zucker pro Liter enthalten, haben sich welt- weit bei der Behandlung akuter Durchfallerkrankungen durchgesetzt und gelten, zumindest was die von der WHO empfohlene Lösung an- langt, als eine der größten medizini- schen Errungenschaften.
Die Autoren gingen der Frage nach, ob diese Lösungen auch bei Diabetikern eingesetzt werden kön- nen. Im Rahmen einer Studie in Bangladesh erhielten 45 diabetische Patienten mit akuten Durchfallattak- ken orale Rehydrierungslösungen, die Glukose, Reis oder Glyzin ent- hielten. Bei der ersten Lösung han- delte es sich um die WHO-Rehydra- tation mit 20 W1 Glukose, 2,5 g/1 Na- triumchlorid, 1,5 g/1 Kaliumchlorid und 2,9 g/1 Trinatriumcitratdihydrat.
Die zweite Gruppe erhielt eine Lö- sung, die 50 g Reispuder und die oben genannten Elektrolyte enthielt.
Die dritte Gruppe erhielt eine Lö- sung, die 15 g/1 Glyzin und Elektroly- te beinhaltete.
Dreimal am Tag wurden Blutzuk- kermessungen vorgenommen Dabei ergaben sich keine signifikanten Un- terschiede in den Blutzuckerkonzen- trationen, der Stuhlfrequenz und der Krankheitsdauer, so daß die Autoren zu dem Schluß kommen, daß alle drei oralen Rehydrierungslösungen bei Diabetikern mit akuter Diarrhoe und Zeichen der Dehydratation problem- los verabreicht werden können. W
Haider, R., A. K. Azad Khan, S. K. Roy, N. Dewan, A. N. Alam, D. Mahalanabis:
Management of acute diarrhoea in dia- betic patients using oral rehydration so- lutions containing glucose, rice, or gly- cine. Brit. Med. J. 308 (1994) 624-626 International Centre for Diarrhoeal Dis- ease Research, Bangladesh, Box 128, Dhaka 1000, Bangladesh
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994 (55) A-2333
Job Harenberg
E
ine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse der "Antiplate- let Trialists' Collaboration"kommt zu dem Ergebnis, daß Thrombozytenfunktionshemmer zur Prophylaxe der tiefen Venenthrom- bose und der Lungenembolie wirk- sam eingesetzt werden können (1).
Weiterhin wird betont, daß eine Kombination der Thrombozyten- funktionshemmung mit subkutanem Heparin zur Thromboseprophylaxe wirkungsvoller sei als Low-dose-He- parin alleine. Diese Empfehlungen können nach Meinung einer Exper- tenkommission nicht akzeptiert wer- den. Die Kritikpunkte im einzelnen sind:
Keine Level-I-Studien In der Übersichtsarbeit werden klinische Studien unterschiedlicher Qualität zur Prophylaxe der venösen Thrombose und der Lungenembolie in der postoperativen Medizin und in der inneren Medizin zusammenge- faßt. In den letzten Jahren wurden Richtlinien zur Beurteilung klini- scher Studien erarbeitet, die sich für Vergleiche solcher Studien bewährt haben. Entsprechend wurden zur Be- urteilung der Aussagefähigkeit klini- scher Therapiestudien fünf Beweis- stufen festgelegt, aufgrund derer sich drei Grade der Empfehlung für eine Therapie herleiten (level of eviden- ces and grade of recommendation, 5). In Anlehnung an diese Publikati- on gibt die Tabelle 1 eine Zusammen- fassung.
Auf der Basis der fünf Beweis- stufen liegen nach unserer Meinung keine Level-I-Studien zur Prophylaxe der venösen Thromboembolie mit Aspirin in der Metaanalyse vor. Als Vergleichstherapien wurden unein- heitliche Dosierungen der Acetylsali-
E D I Z I KURZBERICHT
Prophylaxe der Thrombose und ~ungenembolie
Wirksamkeit
von Aspirin nicht belegt
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Tobelie 1: Beweisstufen für die'Beurteilimg dllr Aussogefähigkilit
u~ters(hiedlicherklini-scher Therapiestudieri, " ' , ' ,
. ' . . " ' . .
Beweisstufe Design Grad der
Empfehlung I prospektiv, doppelblind, verum- Grad A
kontrolliert, randomisiert;
Auswertung verblindet
11 prospektiv, randomisiert; Grad B
Auswertung nicht verblindet
III nicht randomisiert, Grad C
zeitgleiche Kontrollen
IV nicht randomisiert, Grad C
historische Vergleiche
V Fallberichte Grad C
Grad A = Wirksamkeit durch verumkontrollierte, doppelblinde Studien; verblindete Auswertung der Endpunkte zweifelsfrei belegt
Grad B = Wirksamkeit durch mehrere prospektive, randönUsierte Studien belegt Grad C = Wirksamkeit nicht ausreichend, das heißt mit Studien ohne die genannten
Kriterien belegt
cylsäure und verschiedene Kontrol- len, die von Plazebo bis zu Kombina- tionstherapien reichen, herangezo- gen. Vollkommen unberücksichtigt blieben die Studien zur wirksamen Thromboembolieprophylaxe mit He- parinen und oralen Antikoagulan- zien. Level-lI-Studien wurden von bekannten Forschergruppen, unter denen sich W. J. H. Butterfield, J. R.
O'Brien, D. Quick (2) und viele an- dere befanden, durchgeführt. Alle haben eine Unwirksamkeit der Ace- tylsalicylsäure in der postoperativen Thromboseprophylaxe gezeigt (2).
Auch neue Untersuchungen, die den heutigen wissenschaftlichen Richtli-
1, Medizinische Klinik (Direktor: Prof. Dr, med, Dieter l. Heene), Klinikum Mann- heim, Fakultät für Klinische Medizin Mann- heim der Universität Heidelberg
nien entsprechen, kommen zu dem Ergebnis der Unwirksamkeit von Acetylsalicylsäure bei dieser Indika- tion (4, 7). Diese relevanten Studien wurden in der Metaanalyse nicht be- rücksichtigt, da sie nicht den Aufnah- mekriterien entsprachen. Auch eine europäische Konsensus-Konferenz hat sich kürzlich für physikalische Maßnahmen, Heparine und orale An tikoagulanzien zur effektiven Thromboembolieprophylaxe ausge- sprochen (8).
Keine neuen Studien In die Metaanalyse wurden Stu- dien der 60er und 70er Jahre aufge- nommen, die heute den Richtlinien zur Durchführung klinischer Studien nicht mehr entsprechen. So wird von
A-2334 (56) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994
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10' c, S"klinischen Studien gefordert, daß ei- ne verblindete, randomisierte und prospektive Anordnung vorhanden ist. Die Erfassung der primären End- punkte muß durch objektive Metho- den erfolgen und möglichst "verblin- det" ausgewertet werden. Die bio- metrische Planung ist Voraussetzung und beruht auf Schätzungen der Inzi- denzen und Festlegung der Fehler erster und zweiter Art. Diese Anfor- derungen an klinische Studien er- möglichen ein Optimum an Aussage- fähigkeit.
Die Validität solcher Ergebnisse kann nicht durch eine Summierung kleiner klinischer Studien in einer Metaanalyse ersetzt werden. Hinge- gen führt die Summierung kleiner Studien in einer Metaanalyse zu ei- ner Bias, die das Ergebnis von Level- 1- oder Level-II-Studien verfälschen können.
Aspirindosis zu hoch In allen in die Metaanalysen ein- geflossenen Studien wurden Throm- bozytenfunktionshemmer in hohen Dosen eingesetzt, wie sie heute nicht mehr zum Einsatz kommen. Die ur- sprünglichen Daten stammen aus Studien zur Prophylaxe aus dem arte- riellen Stromgebiet, so daß sich diese Ergebnisse nicht auf den venösen Sektor übertragen lassen. Auch auf- grund der heute als zu hoch erachte- ten Dosierung der Acetylsalicylsäure in den Studien dieser Metaanalyse kann die Empfehlung einer Prophy- laxe thromboembolischer Ereignisse mit dieser Substanzklasse nicht be- gründet werden.
Nur Antikoagulanzien wirksam
Im Rahmen der vorliegenden Metaanalyse wurden Vergleiche zu der wirksamen Thromboemboliepro- phylaxe mit Low-dose-Heparin, nie- dermolekularem Heparin oder einer Low-dose- Markumarisierung nicht berücksichtigt. Auf diese Weise ent- geht dem Leser die Information, daß mit diesen Substanzen eine effektive- re primäre und sekundäre Thrombo- embolieprophylaxe erreicht wird.
E D I Z I KURZBERICHT
Tabelle 2: Stufenschema zur Thromboembolieprophylaxe
I Grad der Empfehlung !
Maßnahmen'
operative interne Rezidiv- Medizin Medizin prophylaxe
Low-dose- Grad A* Grad A Grad A
Heparin (4)
niedermolekulares Grad A Grad B** Grad C Heparin (6)
Dextrane Grad A nicht geprüft nicht geprüft
orale Anti- Grad A Grad A Grad A
koagulanzien (7) (low dose)
Hirudine derzeit nicht bekannt nicht bekannt in Prüfung
Acetylsalizylsäure Grad C Grad C Grad C (5, 10)
• zu Grad A, Bund C siehe Tabelle 1
.*
eine Level-I-Studie befindet sich in Publikation- - - - - - - - - --- - - - - - - - - - - - - - -
Dies impliziert, daß Patienten auf der Basis der Metaanalyse die Ver- ordnung der weit effektiveren Anti- koagulanzien vorenthalten werden könnte.
Cave: Kombination ASS mit Antikoagulanzien Eine Kombination von Substan- zen mit Hemmung der Thrombozy- tenfunktion und Antikoagulanzien führt zu einem erhöhten Blutungsri- siko. Dies ist im Rahmen mehrerer Studien gut belegt (3, 9). Insbesonde- re zeigen auch einzelne Studien, daß eine Kombination von Thrombozy- tenfunktionshemmern (Sulfinpyrazo- ne) mit Low-dose-Heparin im Ver- gleich zu der alleinigen Gabe von Low-dose-Heparin keine Verbesse- rung der postoperativen Thrombo- seprophylaxe ergibt (10). Eine Kom- bination von Thrombozytenfunkti- onshemmern mit Antikoagulanzien führt nach diesen Studien nicht zu ei- ner Verbesserung des Thrombose- schutzes, sondern zu einer Erhöhung des Blutungsrisikos. Da inzwischen
andere Substanzen mit höherem an- ti thrombotischen Schutz als Low- dose-Heparin zur Verfügung stehen und gleichzeitig Blutungskomplika- tionen und andere Nebenwirkungen seltener auftreten (6), kann die Emp- fehlung der Antiplatelet Trialists' Collaboration nicht nachvollzogen und unterstützt werden, Low-dose- Heparin mit Thrombozytenfunkti- onshemmern zu kombinieren.
Schlußfolgerungen
Physikalische Maßnahmen, An- tikoagulanzien (Low-dose-Heparin, niedermolekulares Heparin, Marku- mar, Low-dose-Markumar) und Dex- trane sind die einzig wirksamen Ver- fahren für eine primäre und sekun- däre Thromboembolieprophylaxe in der perioperativen und internen Me- d izin. Thrombozytenfunktionshem- mer sind als nicht wirksam belegt und führen in den geprüften Dosierungen (600 und 1500 mg/die) schon kurzfri- stig zu leichten oder schweren gastro- intestinalen Nebenwirkungen. Es wird daher das in Tabelle 2 zu sam- A-2336 (58) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994
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MEDIZIN
mengestellte Stufenschema zur Thromboemboliepropylaxe in den einzelnen Bereichen der Medizin empfohlen.
Ad-hoc-Arbeitsgruppe der Gesellschaft für
Thrombose- und Hämostaseforschung:
Prof. Dr. med. Klaus Breddin, Frankfurt/Main
Prof. Dr. med. Sylvia Haas, München Prof. Dr. med. Job Harenberg, Mannheim
Prof. Dr. med. Fritz Heinrich, Bruchsal
PD Dr. med. Joachim Kienast, Münster
Prof. Dr. med. Rieger, Engelskirchen Prof. Dr. med. Hanno Riess, Berlin Prof. Dr. rer. nat. Peter Roebruck, Mannheim
Prof. Dr. med. Ernst Wenzel, Homburg/Saar
Prof. Dr. med. Rainer Zimmermann, Heidelberg
Deutsches Ärzteblatt
91 (1994) A-2334-2337 [Heft 36]
KURZBERICHT / FÜR SIE REFERIERT
Literatur:
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441-444
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7. Powers PJ, Gent M, Jay RM et al: A ran- domized trial of less intense postoperative
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8. Turpie AGG: Oral anticoagulants and antiplateles. In: Prevention of venous thromboembolism. Med.-Orion Publish- ing. Bergqvist D, Comerota AJ, Nicolaides AN, Scurr J eds. Comp. 1994; 199-202 9. Turpie AGG, Gent CBM, Laupacis A et
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10. Veth G, Meuwissen OJAT, van Houwelin- gen HC, Sixma JJ: Prevention of postoper- ative deep vein thrombosis by a combina- tion of subcutaneous heparin with subcu- taneous dihydroergotamine or oral sul- phinpyrazone. Thrombos Haemostas 1985; 54: 570-573
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Job Harenberg I. Medizinische Klinik
Klinikum Mannheim
Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg
Theodor-Kutzer-Ufer 68167 Mannheim
Magenspülung bei Tablettenintoxikation?
In den letzten Jahren sind wie- derholt kritische Stellungnahmen zur Magenspülung oder der Gabe von aktivierter Teerkohle publiziert wor- den, die in dem vorliegenden Beitrag einer kritischen Analyse unterzogen wurden.
In der Tat zeigen alle Studien mehr oder weniger übereinstim- mend, daß nur bei einem bewußtlo- sen Patienten, der innerhalb einer Stunde nach Tabletteneinnahme sta- tionär aufgenommen wird, eine De- kontamination des Magens sinnvoll ist. Die Wirksamkeit von Sirup Ipe- cac und das damit induzierte Erbre- chen ist nicht gesichert, das gleiche gilt für die Gabe von aktivierter Teerkohle. Hier liegen keine pro- spektiven Studien vor, die irgendei- nen positiven Effekt gezeigt hätten.
Während bis in die siebziger Jahre die Einnahme von Barbitura- ten im Vordergrund stand, sind diese zwischenzeitlich durch trizyklische
Antidepressiva, Benzodiazepine und Paracetamol abgelöst worden.
Bei den meisten Patienten sind mindestens zwei Stunden seit der Ein- nahme der Substanzen vergangen, so daß eine Dekontamination des Ma- gens nicht sinnvoll erscheint.
J. P. Seatta: Gastric decontaminating procedures: is it time to call a stop? J.
Roy. Soc. Med. 1993; 86: 396-399 Accident & Emergency Department Kingston Hospital NHS Trust Galsworthy Road
GB — Surrey KT2 7QB
Müssen
Forschungsergebnisse publiziert werden?
In einer kritischen Abhandlung setzt sich ein englischer Allgemein- arzt mit dem Problem der Publikati- on und Nicht-Publikation von For- schungsergebnissen auseinander. Er weist als Beispiel auf den erst jüngst aufgetretenen Fall hin, daß beim Me- dikament Triazolam die dem Her-
steller durch eigene Studien bekann- ten Nebenwirkungen zunächst zu- rückgehalten und erst nach Bekannt- werden bei der Zulassungsbehörde verspätet publiziert wurden. Dies sieht der Autor als ein prinzipielles Problem bei den durch die Phar- maindustrie gesponsorten oder durchgeführten Studien an, bei de- nen nicht die erhofften Ergebnisse resultieren. Da die an einer Studie teilnehmenden Patienten dies aber unter der Voraussetzung tun, daß die Ergebnisse der Allgemeinheit zugute kommen, müssen die Ergebnisse die- ser Studien öffentlich zugänglich sein, auch wenn sie keine Publikation rechtfertigen oder nicht im Interesse der Sponsoren sind.
Der Autor sieht in Zukunft hier eine wichtige Aufgabe für klinische Forscher und Ethikkommissionen, dies zu gewährleisten. acc
A. J. Munro: Publishing the findings of clinical research. BMJ 1993; 307:
1340-1341
Dr. A. J. Munro, Margaret Axhorn Me- dical Centre, Cranford, Middlesex, TW5 9TN, England
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 36, 9. September 1994 (59) A-2337