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Archiv "Letalität bei Gasödeminfektionen" (10.01.1980)

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Noch immer hohe letahtat.

Gasödeminfektion

Seee 53

Aktuelle Medizin

Heft 2 vom 10. Januar 1980

Letalität bei Gasödeminfektionen

Katamnestische Untersuchung von 110 eigenen Fällen

Dietmar Tirpitz und Fritz Krull

Aus dem Zentrum für Hyperbare Medizin (Leiter: Dr. med. Dietmar Tirpitz)

und der Chirurgischen Abteilung (Chefarzt: Dr. med. Fritz Krull) des St.-Joseph-Hospitals Laar

Ursache der Letalität bei Gasödeminfektionen ist das toxische Allge- meingeschehen. Die einzige Möglichkeit der Toxineliminierung und Unterbrechung der Toxinproduktion bietet die Hyperbare Sauerstoff- behandlung, Das Lokalgeschehen bleibt dabei weitgehend unbeein- flußt. Die chirurgische Behandlung ist hier angezeigt. Bei schweren Allgemeinerkrankungen ist eine zusätzlich auftretende Gasödemin- fektion weder durch Hyperbaren Sauerstoff noch durch chirurgische Maßnahmen zu beeinflussen. Erfolge in Einzelfällen berechtigen jedoch, die Hyperbare Sauerstoffbehandlung anzuwenden,

Das Gasödem zählt zu den gefürch- tetsten chirurgischen Infektionen.

Es wurde über Jahrzehnte als Trau- mafolge, insbesondere nach Kriegs- verletzungen, mit hoher Letalität an- gesehen. Die Behandlung bestand allein in der frühzeitigen großzügi- gen Amputation, sofern Extremitä- tenbefall vorlag, und in der Gabe polyvalenter Gasbrandseren. We- sentliche Erfolge konnten dabei nicht erzielt werden. Der Sinn der Kriegschirurgie lag deshalb in der Verhütung eines Gasödems durch primäre, radikale Ausräumung sämt- licher zerstörter Weichteile. Erst die Hyperbare Oxygenation (Oxygena- tion under High Pressure — OHP), durch Boerema 1960 inauguriert, ließ die Hoffnung auf eine bessere, mit weniger Verstümmelung des Menschen einhergehende Behand-

lung aufkeimen. Nach fast 20 Jahren OHP geben die fast identisch hohen Letalitätszahlen den Skeptikern die- ser Behandlung scheinbar recht (11"), Tabelle 1). Der Stellenwert der OHP in der Behandlung ist umstrit- ten. Viele Chirurgen geben dem allein operativen Vorgehen den Vorzug.

Im Zentrum für Hyperbare Medizin am St.-Joseph-Hospital Laar wurden von 1974 bis 1978 110 Patienten mit gaschromatograph isch positivem Clostridientoxinnachweis im Blut (9) behandelt. Nach anfangs guten Er- gebnissen kam es mit zunehmender Patienteneinweisung zu einem er- heblichen Anstieg der Letalität (Ta- belle 2). Die Gesamtletalität von 44,5

') Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

(2)

e* ,,,et-otwk uvz4s.44,

eX Prozent zwang uns, das Patienten- gut und die Todesursachen zu über- prüfen.

Die anfangs angenommenen Zu- sammenhänge zwischen Erregertyp und Sterblichkeit spielen danach nur noch eine untergeordnete Rolle.

Ein direkter Zusammenhang zwi- schen Toxinmenge und Ausgang der Gasödeminfektion ist jedoch als gesichert anzunehmen (13).

Wesentlich erscheint eine Unter- scheidung zwischen dem traumati- schen „primären Gasödem", bei dem die Entwicklung der toxischen Stoffwechsellage allein vom Ort der Verletzung ausgeht, und dem „se- kundären Gasödem", bei dem eine die Toxinproduktion geradezu pro- vozierende Stoffwechselsituation zum Zeitpunkt der Clostridienkonta- mination bereits bestand und das Gasödem sich quasi auf die Grund- krankheit aufpfropfte (Tabelle 3).

Diese beiden Hauptgruppen wurden im Hinblick auf die Sterblichkeit wei- ter unterteilt.

Die auf den ersten Blick signifikant niedrigere Letalität von 13,6 Prozent beim primären Gasödem gegenüber 30,9 Prozent beim sekundären Gas- ödem, sinkt bei fehlenden Begleit- verletzungen bis auf 1,8 Prozent Ge- samtletalität.

Beim sekundären Gasödem steigt die Letalität mit der Schwere der Grunderkrankung; der Diabetes mellitus stellt hier mit 14,6 Prozent Gesamtsterblichkeit die größte Gruppe.

Behandlung

Behandelt wurde in einer begehba- ren großen Druckkammer mit reiner Sauerstoffatmung im geschlosse- nen Kreislaufsystem über Maske oder Endotrachealtubus. Der Kam-

merinnendruck wurde mit Preßluft auf 3 bar aufgebaut. Je nach Allge- meinzustand der Patienten wurde spontan, assistiert oder kontrolliert beatmet. Das Monitoring wurde au- ßerhalb der Kammer durchgeführt.

Unser Behandlungsschema ent- spricht dem Boeremas, 0 2-Pausen wurden jedoch nur bei drohender 02-Intoxikation eingelegt. Prinzipiell wurde eine durchgehende Sauer- stoffatmung angestrebt. Im letzten Jahr haben wir bei entsprechender Sauerstofftoleranz der Patienten (Ausnahme Kinder und Jugendliche) die erste Behandlung als Langzeit- behandlung über 180 Minuten durchgeführt. Eine Häufung der In- toxikationen konnten wir dabei nicht beobachten.

Medikamentös wurden neben Kreis- laufstabilisierung und Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts 5 g Gamma- globul ine und initial 20-30 Mega Pe- nicillin G infundiert.

Abbildung 1 (oben): 49jährige Frau mit Gasödem vom rechten Oberschenkel ausgehend nach Selbstinjektion eines Bronchospamolytikums. 48 Stunden nach ersten Beschwerden Behandlungsbeginn, bereits bestehende toxische Hämolyse. Letaler Ausgang innerhalb von sechs Stunden. Als Erreger wurde Clostridium perfrin- gens Typ E isoliert. — 2 (rechts oben): 17jähriger mit Gasödem vom Unterschenkel bis über das Knie rechts reichend. Zustand nach operativ versorgtem drittgradig offenem Unterschenkelstückbruch. Behandelt wurde primär mit Hyperbarer Oxygenation ohne weitere radika- le chirurgische Eingriffe. — 3 (rechts): Nach raschem Abklingen des septischen Zustandsbildes, Demarkie- rung der Nekrosen. Absetzen im Unterschenkel und Bil- dung eines prothesengerechten Stumpfes

(3)

Tabelle 1: Vergleich der Letalitätsraten an den einzelnen Behand- lungszentren. Die Diagnosefindung und der Zustand der Patienten bei Behandlungsbeginn wurden nicht spezifiziert

Behandlungs- zentrum

Behandlungs- zeitraum

Gasödem- fälle

davon verstorben

Letalität in %

USAF-School of Aerospace Medicine Brooks, Tx, USA

23 5 21,7

Chir. Univ.-Klinik

Würzburg 67 33 49,3

Chir. Univ.-Klinik u.

Schiff. Med. Inst. M.

Kiel

52 21 40,4

Inst. f. Anästh. Univ.

Mainz 61 28 45,9

St.-Joseph-Hosp.

Laar Duisburg 110 47 44,5

1962-1973

1967-1978

1968-1978

1970-1975

1974-1978 Die chirurgische Erstbehandlung

bestand lediglich im Öffnen aller Nähte sowie breiter Spaltung bis durch die Faszie bei Drosselung der arteriellen Strömung in den Extre- mitäten.

Zur Diagnostik wurde Gewebe aus der Tiefe der Nekrose zur Bakterio- skopie entnommen, gleichzeitig Ent- nahme von Vollblut zum direkten Clostridientoxin-Nachweis.

Weitere Behandlungsmaßnahmen, medikamentös und chirurgisch, wurden in der Kammer durchge- führt. Eine primäre Ablatio haben wir in keinem Falle durchgeführt.

Wir sind nicht der Meinung, daß bei unserem Patientengut hierdurch ei- ne Senkung der Sterblichkeit hätte erreicht werden können (11).

Methodik

Erfaßt wurden in dieser Arbeit alle Patienten, bei denen die Diagnose Gasödem bakteriologisch und toxi- kologisch gesichert war.

In unserer Statistik erscheinen die Patienten, die, moribund eingelie- fert, nicht mehr einer Behandlung zugeführt werden konnten (Tabel- le 4), ebenso wie die Patienten, die nach behandelter Gasödeminfektion an den Spätfolgen ihrer Erkrankung (zum Teil nach drei Wochen) ver- starben.

Ergebnisse

A) Primäres Gasödem Gruppe 1:

Ohne Begleitverletzungen

Von 29 Patienten verstarben nur 2 (6,9 Prozent), die in der Gesamtleta- lität nur 1,8 Prozent ausmachen. In beiden Fällen kamen die Patienten erst nach fünf beziehungsweise sechs Tagen zur Behandlung. Einer dieser Patienten hätte eine echte Überlebenschance gehabt; von der einweisenden Klinik wurde jedoch trotz gesicherter Diagnose auf einer Angiographie bestanden. 36 Stun-

den später bei der Einlieferung war der Patient präfinal, eine Behand- lung war erfolglos.

Gruppe II:

Mit Begleitverletzungen

Dieses Kollektiv stellt mit 27 Patien- ten fast die Hälfte aller primären Gasödemfälle. 13 von ihnen verstar- ben (48,1 Prozent), sie sind in der Gesamtsterblichkeit mit 11,8 Pro- zent vertreten. Die Aufschlüsselung zeigt, daß bei Begleitverletzungen nur an Extremitäten (Gruppe II a) oder des Thorax (Gruppe II c) die Sterblichkeit bei etwa 20 Prozent liegt. Die signifikant höhere Letalität findet sich in der Gruppe II d, den Polytraumatisierten. 10 von 15 Pa- tienten verstarben hier. Bei allen 10 Todesfällen zeigte die OHP, wenn sie noch zur Anwendung kam, nur eine flüchtige Remission des Krank- heitsbildes. Die Todesursache lag primär im toxischen Herz-Kreislauf- Stillstand mit entsprechenden Ver- änderungen an Niere und Myokard.

Durch das Polytrauma hatten sich

radikale Eingriffe sowohl in der ein- weisenden Klinik als auch bei uns wegen Narkoseunfähigkeit verboten (7). Das Gasödem hatte sich unter dem Polytrauma entwickelt, der ko- matöse Zustand wurde der in fast allen Fällen vorliegenden Schädel- Hirn-Verletzung zugeschrieben. Er- kannt wurde das Krankheitsbild erst bei fortgeschrittenem Lokalbefund, der eine erfolgversprechende Be- handlung nicht mehr zuließ.

Über abdominelle Komplikationen kann nur von einem Fall berichtet werden, der allerdings tödlich ver- lief: Ein Arbeiter war mit dem linken Bein in eine Tonpresse (20 t) geraten und bis zum Oberschenkel durch die Presse gezogen worden. Schwerste Weichteilzertrümmerungen des lin- ken Beines, Decollement vom Unter- schenkel bis zur Hüfte, Stückbrüche des Oberschenkels und beider Un- terschenkelknochen. Nach auswärti- ger Erstversorgung (Ruhigstellung der Frakturen und Aufnähen der Haut) entwickelte sich ein septi- sches Krankheitsbild, vom linken

(4)

1978 1977

Gasödem gesichert davon verstorben

—10

1974 1975

—40

—30

—20

Bein ausgehend, gleichzeitig eine Darmatonie, die als paralytischer Ileus bei Sepsis gedeutet wurde. Am fünften Tage zur OHP überwiesen, der Befund im Bereich der linken unteren Extremität bildete sich prompt zurück, das Allgemeinbefin- den besserte sich, Stuhlgang wurde abgesetzt. Am achten Tage erneut Auftreibung des Abdomens mit De- markierung einer Hautnekrose im Bereich der rechten Flanke mit dar- unterliegender Fluktuation. Die Inzi- sion zeigte gangränöse, lappige Ver- änderungen in der Tiefe, es entleerte sich stinkende Flüssigkeit. Die wei- tere Inspektion zeigte nekrotische Darmteile. Die sofort durchgeführte Laparotomie ergab eine traumati- sche Bauchwandhernie rechts mit Inkarzeration von Jejunum. Es wur- de eine Jejunostomie angelegt. Der Patient verstarb unter den Zeichen der allgemeinen Peritonitis.

B) Sekundäres Gasödem

Während beim primären Gasödem die zu spät gestellte Diagnose, der belastende Transport und den Kreis- lauf belastendes, zu radikales Vor-

gehen als Haupttodesursache anzu- sehen sind, ändert sich das Bild in der Gruppe B.

Hier tritt zu einer schweren Grunder- krankung eine Gasödeminfektion, die allein für sich durch OHP erfolg- reich behandelt werden könnte, in ihrem Gesamtbild durch den Hyper- baren Sauerstoff jedoch unbeein- flußt bleibt und zum Tode führt.

Die fortlaufende gaschromatogra- phische Toxinbestimmung im Blut zeigt eine Eliminierung der Toxine nach durchschnittlich sieben Be- handlungen (9, 13), trotzdem kam es zu Todesfällen selbst noch nach drei Wochen.

Gruppe B 1:

Gasödem bei chronisch-peripheren Durchblutungsstörungen

Diese Gruppe stellt die höchste Le- talität des Gesamtkrankengutes mit 19,1 Prozent. In der Hauptsache handelte es sich um diabetische Ge- fäßveränderungen mit Gangrän.

Fast zwei Drittel aller diabetischen Patienten verstarben.

Das Krankheitsbild des Diabetes mellitus stellt die „besten Vorausset- zungen" für eine Anaerobierinfek- tion dar: Azidose, Durchblutungs- störung, aerobe Superinfektion.

Schon Werner, Gött, Rintelen (1971) und Ney, Podlesch (1970) haben dar- auf hingewiesen. Selbst Bagatellge- schehen wie i. m. Injektionen führ- ten zum Tode durch Gasödeminfek- tion.

Gruppe B II:

Gasödeminfektion

vom Gastrointestinaltrakt ausgehend

Bei entzündlicher Ursache, wie per- forierter Appendix oder perforiertem Sigmadivertikel konnte bei rechtzei- tiger chirurgischer Intervention und gleichzeitiger OHP die Sterblichkeit mit zwei Todesfällen bei fünf Er- krankten in Grenzen gehalten wer- den. In der Gruppe B II sieht es schlechter aus. Hier stand ein mali- gnes Krankheitsbild mit entspre- chend reduziertem Allgemeinzu- stand im Vordergrund. Von sieben eingelieferten Patienten verstarben sechs. Eine Behandlung dieser Krebskranken, die fast ausschließ-

Tabelle 2: Zunahme der Letalität bei Gasödeminfektion in Prozent von 1974 bis 1978 am Zentrum für Hyperbare Medizin im St.-Joseph-Hospital Laar in Duisburg

(5)

verstorben

I vor cler1.0HP II nach 1.

99

2.

99

99

3,

93

Tabelle 4: Sterblichkeit Gasödemerkrankter in den ersten 24 Stunden

15—

10—

5

lich in desolatem Zustand eingelie-

fert wurden, war erwartungsgemäß Tabelle 3: Gesamtletalität bei Differenzierung zwischen primärem infaust. und sekundärem Gasödem. Gesamtletalität bezogen auf die Fall-

zahl 110

Gasödem- davon Gesamt- fälle verstorben Letalität Gruppe B III:

Gasödem bei Systemerkrankung

A) Primäres Gasödem am Ort der Verletzung In dieser Gruppe fand sich eine ähn-

lich frustrierende Sterblichkeit, fünf von sieben Patienten starben. Einen Behandlungserfolg konnte man in dieser Gruppe nicht erwarten, wie das folgende Beispiel zeigt:

17jähriger Ausländer mit aplasti- schem Syndrom als Grunderkran- kung wird in gutem Allgemeinzu- stand bei sekundärem Gasödem im Oberschenkel (Infektionsursache ungeklärt) eingeliefert. Trotz sofort eingeleiteter OHP, Gammaglobulin- und Penicillingaben kommt es in- nerhalb von 16 Stunden zum Exitus.

Die Obduktion ergab trockenes Kno- chenmark, toxische Veränderungen an Niere und Myokard; die Myone- krose war lokal auf den Oberschen- kel begrenzt. Eine sofort durchge- führte Ablatio hätte hier ebenfalls keine Rettung gebracht, die Toxin- menge im Blut konnte nicht redu- ziert werden.

Diskussion

Die hier aufgeführten Fälle sollen die Gefährlichkeit des Gasödems unterstreichen. Gleichzeitig wollen wir darauf hinweisen, daß die Be- handlung mit Hyperbarem Sauer- stoff weiterhin ihren Stellenwert im Behandlungsschema hat.

Die Aufschlüsselung zeigt die niedri- ge Sterblichkeit beim primären Gas- ödem unter OHR Weichteildefekte und Gliedmaßenverlust lassen sich natürlich nicht verhindern.

Unsere Erfahrung, die Amputation oder Nekrektomie erst nach den er- sten Hyperbaren Behandlungen durchzuführen, zeigte eine wesent- lich bessere Operations- bezie- hungsweise Narkosefähigkeit des Patienten als bei der Einlieferung (7) und zweitens eine deutlich nach di-

56 15 13,6%

B) Sekundäres Gasödem

auf Grundkrankheit aufgepfropft 1. ohne Begleitverletzung

11. mit Begleitverletzung a) nur Extremitäten b) Abdomen c) Thorax d) Polytrauma

54 34 30,9%

29 2 1,8%

27 13 11,8%

5 1 0,9%

1 1 0,9%

4 1 0,9%

15 10 9,1%

1. Periphere Durchblutungsstörung 35 21 19,1%

a) Endangiitis obliterans 7 5 4,5%

b) Diabetes mellitus 28 16 14,6%

II. Gastro-intestinale Erkrankung 12 8 7,3%

a) entzündliche Erkrankung 5 2 1,8%

b) maligne Erkrankung 7 6 5,6%

III. Systemerkrankung 7 5 4,5%

(ablastisches Syndrom, Leukose, u. ä.)

(6)

stal verlagerte Demarkierung, die den Weichteilverlust geringer wer- den ließ als nach primärer Ablatio (Abbildungen 1 bis 3). Die hohe Sterblichkeit beim sekundären Gas- ödem kann nicht der Insuffizienz der OHP angelastet werden. Die in die- ser Gruppe beschriebenen Gas- ödeminfektionen sind kaum einer Therapie zugänglich. Die wenn auch geringe Zahl an Überlebenden ver- pflichtet jedoch, wenigstens den Versuch der Hyperbaren Sauerstoff- behandlung durchzuführen.

Ein weiterer Punkt in der Ursachen- findung der Gasödemsterblichkeit ist der Zeitfaktor. Wenn die soge- nannten sicheren klassischen Zei- chen für ein Gasödem vorliegen, muß bereits mit einer erheblichen Toxikämie gerechnet werden; die toxischen Organschäden sind oft schon manifest, Narkose- und Ope- rationsfähigkeit sind eingeschränkt.

Radikale operative Eingriffe in die- sem Zustand erhöhen nach unserer Erfahrung die Sterblichkeit insbe- sondere, wenn ein belastender Transport voranging. Die OHP bes- sert zumindest das Zustandsbild in dem Maße, daß nach der ersten Be- handlung operative Eingriffe durch- geführt werden können.

Subtile Diagnostik ist zeitraubend und bisher noch nicht endgültig be- weisend, läßt jedoch das Gasödem der Diagnostik davongaloppieren.

Im Zeitfaktor inbegriffen ist der Transportweg. Ein Luft- oder Land- transport über sechs Stunden führt bei den schon septischen Kreislauf- verhältnissen oft zu einer deletären Verschlechterung. In solchen Fällen wäre es unseres Erachtens wirklich besser, bei Gasödem im Extremitä- tenbereich primär zu amputieren, um die Toxinproduktion zu unter- brechen.

Eine Senkung der Letalität bei Gas- ödeminfektion kann nur erreicht werden, wenn

4)

an die Möglichkeit eines Gas- ödems gedacht wird; der Erreger ist ubiquitär, eine Infektion ist mit Si- cherheit nie auszuschließen;

I)

schon bei Verdacht auf Gasödem sofort gehandelt wird; wir befürwor- ten den primären Einsatz der OHP;

(;)

lange Transportwege vermieden werden; das ideale Transportmittel ist hier der RTH;

• daran gedacht wird, daß die OHP (Oxygenation under High Pressure) keine Monotherapie am Ende der Behandlung ist, sondern neben den chirurgischen und intensivmedizini- schen Maßnahmen zur ersten Wahl in der Therapie des Gasödems gehört.

Zusammenfassung

110 Fälle toxikologisch-gesicherter Gasödeme wurden im Zeitraum von 1974 bis 1978 auf unserer Sonder- station behandelt. Anhand dieser Fälle wird zum Problem Sterblich- keit bei Gasödeminfektionen Stel- lung genommen. Dabei wird ver- sucht, zwischen primärem und se- kundärem Gasödem zu unterschei- den.

Das primäre Gasödem, bei dem die toxischen Stoffwechselschädigun- gen vom Ort einer kontaminierten Verletzung ausgehen, weist eine si- gnifikant geringere Sterblichkeit auf als der Verlauf des sekundären Gas- ödems, bei dem sich die Clostridien- infektion auf einen bereits stoff- wechselgeschädigten Boden aufge- pfropft hat.

Am wichtigsten ist frühzeitige Dia- gnostik. Schon beim allerersten Ver- dacht sind therapeutische Konse- quenzen erforderlich, da nachge- wiesenermaßen das Gasödem sehr schnell irreversible Stoffwechsel- schäden setzt.

Nur so kann eine Senkung der Sterblichkeit erreicht werden und die radikale Intervention im Sinne einer Ablatio, wenn schon nicht ver- hindert, dann doch weitestmöglich nach peripher verlagert werden.

Die Hyperbare Sauerstoffbehand- lung — Oxygenation under High Pressure (OHP) — wird weiterhin als

wichtigste Behandlungsmaßnah- men angesehen. Der OHR sollte bei Transportzeit bis etwa sechs Stun- den zusammen mit intensivmedizini- schen Maßnahmen der Vorzug vor allen anderen Behandlungen, auch der primären radikalen chirurgi- schen Intervention, gegeben wer- den.

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Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Dietmar Tirpitz Facharzt für Chirurgie

Zentrum für Hyperbare Medizin und Chirurgische Abteilung Laar des St.-Josef-Hospitals Laar 4100 Duisburg 12

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