Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3819. September 2008 655
M E D I Z I N
Gemcitabine sinnvoller
Aus Sicht der „DKG-S3-Leitlinienkommission Exo- krines Pankreaskarzinom“ sind folgende Punkte zu diskutieren, die auch im Reviewprozess des Artikels von Beger et al. unbeachtet geblieben sind:
Die Autoren suggerieren im Absatz zur adjuvanten Chemotherapie (Cx), dass das in der ESPAC-I-Studie (1) verwendete 5-Fluoruracil-Bolus-Protokoll der ad- juvante Chemotherapiestandard nach R0-Resektion sei. Die S3-Leitlinie (3) empfiehlt aber, das 5-Fluor- uracil-Bolusprotokoll nicht zu verwenden. Stattdes- sen wurde eine eindeutige Empfehlung für die adju- vante Cx mit Gemcitabine gegeben, weil krankheits- freies und Gesamtüberleben durch Gemcitabine in der CONK0-001-Studi verbessert wurden (2). Auch bei einer antizipierten Äquipotenz von Bolus 5-Fluorura- cil und Gemcitabine in der ESPAC-III-Studie wäre aus onkologischer Sicht aufgrund besserer Verträg- lichkeit und einfacheren Handlings Gemcitabine als sinnvollere Cx anzusehen.
Der Satz der Autoren „Es gibt jedoch Daten, die be- legen, dass durch eine zusätzliche palliative Radio- chemotherapie die Prognose der R1-/R2-resezierten Patienten verbessert werden kann“ entspricht eben- falls nicht der S3-Leitlinie.
Diese sieht nach einer R1-Resektion aufgrund der Subgruppenanalyse der CONK0-001-Studie eine ad- ditive, palliative Cx mit Gemcitabine vor. In einer Me- taanalyse (4) zeigt sich zwar ein Trend zu einem Vor- teil einer adjuvanten Radiochemotherapie gegenüber Resektion alleine, Daten im Vergleich zu einer alleini- gen Chemotherapie fehlen aber. Die Leitlinie sieht dieses Therapieverfahren deshalb aufgrund der ge- genüber Gemcitabine deutlich höheren Toxizität und Belastung des Patienten in einer im Regelfall palliati- ven Situation nur als Option im Einzelfall vor. Die Leitlinie empfiehlt eine Radiochemotherapie nach R1-Resektion möglichst in Form von randomisierten kontrollierten Studienprotokollen durchzuführen. Wir warten weiter dringend auf Ergebnisse aus prospek- tiv-randomisierten Studien zur Klärung dieser wichti- gen Frage.
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0655
LITERATUR
1. Neoptolemos JP, Stocken DD, Firess H et al.: A randomized trial of chemoradiotherapy and chemotherapy after resection of pancrea- tic cancer. N Engl J Med 2004; 350: 1200–10.
2. Oettle H, Post S, Neuhaus P, Gelldorf K et al.: Adjuvant chemo- therapy with Gemzitabine vs observation in patients undergoing curative-intent resection of pancreatic cancer. JAMA 2007; 297:
267–77. Update ASCO 2008.
3. Adler G, Seufferlein T, Bischoff SC et al.: S3-Leitlinien „Exokrines Pankreaskarzinom“ 2007. Ergebnis einer evidenzbasierten Kon- sensuskonferenz. Gastroenterologie 2007; 6: 487–523.
4. Stocken DD, Büchler MW, Dervenis C et al.: Pancreatic cancer Meta-analysis Group. Meta-analysis of randomized adjuvant therapy trials for pancreatic cancer. BJC 2005; 92: 1372–81.
Prof. Dr. Michael Geißler
Klinik für Onkologie, Gastroenterologie und Allgemeine Innere Medizin Klinikum Esslingen
Postfach 10 07 53, 73707 Esslingen E-Mail: m.geissler@klinikum-esslingen.de
Interessenkonflikt
Der Autor übt für die Firma Lilly eine Beratertätigkeit aus und bezieht Ho- norare für Vorträge.
Schlusswort
Ein zentrales Anliegen des Artikels „Bauchspei- cheldrüsenkrebs – Heilungschancen minimal“ war, die Disseminationsebenen des Karzinoms und die Leistungsfähigkeit der resezierenden Chirurgie dar- zustellen. Das fortgeschrittene duktale Pankreaskar- zinom – ein Pankreasfrühkarzinom ist bisher konsens- fähig nicht definiert worden – zeigt histologisch in 30 bis 40 % der Fälle Infiltration der Lymphknoten der aorto-kavalen Kompartimente (1) und in 35 bis 60 % Ausbreitung in extrapankreatische Nervenplexus.
Das UICC-Protokoll zur R-Klassifikation des Pankreaskarzinoms beschreibt bei 4 Schnittrandbeur- teilungen nur unzureichend den tatsächlichen residua- len Tumorstatus.
Bei systematischer Beurteilung der Resektions- grenzen steigt die Häufigkeit einer R1-Resektion von 15 bis 30 % auf deutlich über 50 % (2).
Wenn Lymphknotendissektion nur die lokalen Lymphknoten aber nicht die extrapankreatischen Ner- venplexus einbezieht, verbleibt trotz R0-Resektion nach UICC-Protokoll, bei vielen Patienten außerdem Residu- altumor entfernt von den Resektionsgrenzen. Dies er- klärt, dass 5 Jahre nach R0-Resektion nur etwa 10 % der Patienten noch leben (beobachtetes Überleben).
Die „European Study Group of Pancreatic Cancer“
hat mit der ESPAC-I-Studie erstmals mit hohem Evi- denzgrad und großer Fallzahl den Überlebensvorteil der adjuvanten Chemotherapie gegenüber der Resek- tion belegt. Das 5-FU-Bolusprotokoll der ESPAC- Studie ist ausdrücklich nicht angesprochen und auch nicht zum Standard erhoben worden. Gemcitabine ist derzeit das firstline „Chemotherapeutikum beim fort- geschrittenen“ Pankreaskarzinom. Allerdings ist der Überlebensprofit von im Median 5 bis 6 Monaten nach Gemcitabine-Monotherapie unbefriedigend ge- ring und die Responseraten („partial response“) sind mit 5,4 bis 14,3 % sehr niedrig (3) .
zu dem Beitrag
Bauchspeicheldrüsenkrebs – Heilungschancen minimal
von Prof. Dr. med. Dr. h. c. Hans G. Beger, PD Dr. med. Bettina Rau,
PD Dr. med. Frank Gansauge, Dr. med. Gerd Leder, PD Dr. med. Michael Schwarz, PD Dr. med. Bertram Poch in Heft 14/2008
DISKUSSION
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Zur Effizienz der palliativen Radiochemotherapie nach R1/R2-Resektion liegen prospektive Studiener- gebnisse und Metaanalysen vor. Die Metaanalyse von Stocken schlussfolgert, dass nach R1-Resektion die adjuvante Radiochemotherapie effizienter als alleini- ge Chemotherapie ist (4). Die Metaanalyse von Khan- na belegt für die adjuvante, additive Radiochemothe- rapie einen Überlebensgewinn nach zwei Jahren von 12 % (5). In den USA ist die palliative „Chemoradia- tion“ nach R1/R2-Resektion zur Standardtherapie ge- worden.
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0656
LITERATUR
1. Beger HG, Gansauge F, Birk D: Pancreatic cancer: Lymph node dissection. In: Cameron JL (ed): Atlas of Clinical Oncology: Pan- creatic Cancer. B. C. Decker, Inc. Ontario 2001, 123–32.
2. Esposito I, Kleeff J, Bergmann F et al.: Most pancreatic cancer resections are R1 resections. Ann Surg Oncol 2008;15: 1651–60.
3. Heinemann V: Present and Future Treatment of Pancreatic Can- cer. Semin Oncol 2002; 29: 23–31.
4. Stocken DD, Büchler MW, Dervenis C et al: Meta-analysis of ran- domized adjuvant therapy trials for pancreatic cancer. Br J Cancer 2005; 92: 1372–81.
5. Khanna A, Walker GR, Livingstone AS, Arheart KL, Rocha-Lima C, Koniaris LG: Is adjuvant 5-FU-based chemoradiotherapy for re- sectable pancreatic adenocarcinoma beneficial? A meta-analysis of an unanswered question. J Gastrointest Surg 2006; 10:
689–97.
Prof. em. Dr. med. Dr. h. c. Hans G. Beger Zentrum für Onkologische, Endokrinologische und Minimalinvasive Chirurgie
Silcherstraße 36 89231 Neu-Ulm
E-Mail: hans.beger@uniklinik-ulm.de
Interessenkonflikt
Professor Beger ist Gründer und Vorsitzender der Deutschen Stiftung Pank- reaskarzinom, c/o Universitätsklinikum Ulm; als Gründer der ESPAC hat er an der ESPAC-I-Studie teilgenommen.
Berichtigung
In dem Beitrag „Die Papille als Screening-Parameter für die Früherkennung des Glaukoms“
von Michelson et al. in Heft 34–35 vom 25. August 2008 sind zwei Fehler aufgetreten:
Bei den medikamentös topi- schen Behandlungsmöglichkeiten müssen noch die „Prostaglandin- analoga“ erwähnt werden.
In der Abbildung 2 waren die beiden unteren Bilder („Hellig- keitskorrektur“ und „Gefäßex- klusion“) vertauscht. Die korrek- te Abbildung ist dargestellt.
Abbildung 2:
Bildverarbei- tungsschritte einer gesunden und einer glau- komatös verän- derten Papille:
Farbbild, norma- lisiertes Farbbild mit automati- scher Gefäßer- kennung (nur Grünkanal), auf die Papille fo- kussiertes Grün- kanalbild mit Gefäßsegmen- tierung und auf die Papille fokussiertes Grünkanalbild mit exkludierten Gefäßen