A 66 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 3|
17. Januar 2014TELEMEDIZIN
Bald ein Routinewerkzeug
In nahezu allen Fachgebieten werden telemedizinische Methoden inzwischen angewandt. Nachholbedarf besteht allerdings noch bei der Integration in die medizinische Aus-, Weiter- und Fortbildung.
T
elemedizin ist nach Meinung der Bundesärztekammer (BÄK) kein eigenes Fachgebiet. Der Begriff sei vielmehr eine Art Sammelbecken für innovative Versorgungsmetho- den, bei denen räumliche Distanzen zwischen Arzt und Patient mittels Informations- und Kommunikati- onstechnik überbrückt würden. Dar- auf verwies Dr. med. Johannes Schenkel vom Telematik-Dezernat der BÄK beim 38. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer am 9. Januar in Berlin. Inzwischen wer- den telemedizinische Methoden in nahezu allen medizinischen Fachge- bieten eingesetzt, auch wenn die Ver- breitung teilweise stark variiert. Vor- reiter sind vor allem die Radiologie, die Neurologie und die Kardiologie.Telemedizin biete eine Reihe von Chancen und Herausforderungen, meinte Schenkel. Durch telemedizi- nische Verfahren könne eine quali- tativ hochwertige Versorgung unab- hängig vom Aufenthaltsort der Pa- tienten angeboten werden. „Das ist ein Beitrag zur Versorgungsgerech- tigkeit in unterversorgten Gebie- ten.“ Allerdings dürften telemedizi- nische Ansätze nicht als universale Lösungsstrategie für demografische Probleme überbewertet werden.
Insbesondere sei es ein Irrglaube, dass Ärzte durch telemedizinische Methoden ersetzt werden könnten, erklärte Schenkel.
Hürden, die einer schnelleren Verbreitung entgegenstehen, sind die mangelnde Interoperabilität der Systeme, offene Rechtsfragen und fehlende Abrechnungsmöglichkei- ten. In puncto Abrechnung scheint es aber Bewegung zu geben: „Der- zeit sieht es so aus, als könnte die telemedizinische Überwachung von Herzschrittmacherpatienten dem- nächst als erste Position im Einheit- lichen Bewertungsmaßstab aufge- führt werden“, sagte Schenkel.
In der Schlaganfallbehandlung in Bayern sind Telekonsildienste schon seit zehn Jahren Teil der Re- gelversorgung, berichtete Dr. med.
Peter Müller-Barna, Oberarzt im Klinikum München-Harlaching. So trägt das Netzwerk TEMPiS erheb- lich zur Verbesserung der Schlagan- fallversorgung im ländlichen Süd- ostbayern bei, indem die Ärzte in der Region rund um die Uhr durch Spezialisten aus den Schlaganfall- zentren des Klinikums Harlaching und der Universitätsklinik in Re- gensburg unterstützt werden.
Mittlerweile werden jährlich mehr als 7 000 Patienten in den teilnehmenden Satelli- tenkliniken behandelt und 4 500 Telekon- sile durchgeführt.
„Das TEMPiS- Konzept bein- haltet dabei nicht nur die teleme-
dizinische Beratung, die im wö- chentlichen Wechsel durch erfahre- ne Neurologen in Harlaching bezie- hungsweise Regensburg erfolgt. Es wurden darüber hinaus in allen an- geschlossenen Kliniken spezialisier- te Schlaganfallstationen aufgebaut und eine kontinuierliche Fortbildung für alle Teilnehmer eingerichtet“, er- läuterte Müller-Barna.
Welche Qualifikationen sind not- wendig, um telemedizinische Me- thoden anwenden zu können? Dr.
med. Max Kaplan, Vizepräsident und Vorsitzender des Deutschen Se- nats für ärztliche Fortbildung der BÄK, wies darauf hin, dass Tele- medizin in der universitären Ausbil- dung bislang nur vereinzelt im Rah- men von Vorlesungen in den jewei- ligen Fächern unterrichtet wird. Ein Beispiel sei das Thema „Remote Patient Management“ bei Herzin- suffizienzpatienten in Kardiologie- Vorlesungen an der Charité.
In der Diskussion um die Re- form der Weiterbildung ist Kaplan
zufolge das Thema Teleme- dizin ebenfalls aktuell. Der- zeit sei es nur in der Zusatzweiter- bildung Medizinische Informatik abgebildet. „Aber damit ist das Thema nicht abgetan. Es ist not- wendig, dass in den einzelnen Fachgebieten und Schwerpunkten telemedizinische Methoden ver- mittelt werden. Das findet momen- tan noch nicht statt“, meinte Ka- plan. Ein eigenständiger „Facharzt für Telemedizin“ sei jedoch nicht erforderlich.
Durch das heterogene Anwen- dungsspektrum telemedizinischer Methoden erscheint auch in der Fortbildung grundsätzlich ein fach- spezifischer Ansatz sinnvoll. Eine fachgebietsübergreifende Fortbil- dung bietet sich dagegen laut Ka- plan an bei rechtlichen Fragen, et- wa zu Datenschutz, Haftung und Berufsrecht, bei der Vermittlung von informationstechnischem Ba- siswissen sowie im Hinblick auf spezifische Anforderungen der Kommunikation, etwa bei Telekon- sultationen oder Videokonferenzen.
Zu den rechtlichen Aspekten und für den Bereich des IT-Grundwis- sens werde die BÄK Informations- materialien erstellen und über ihre Homepage zugänglich machen, kün- digte Kaplan an. Darüber hin aus ha- be man – zunächst für die Dauer von zwei Jahren – eine Arbeitsgruppe Telemedizin etabliert, die die Ent- wicklung aktiv begleiten soll.
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Heike E. Krüger-Brand
Foto: Fotolia/Franck Boston