A 198 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 6|
7. Februar 2014AORTENKLAPPEN-IMPLANTATION
Boom der Transkathetereingriffe
Während die Zahl der kathetergestützten Aortenklappenimplantationen steigt, streiten Kardiologen und Herzchirurgen darüber, bei welchen Patienten und unter welchen Qualitätskriterien die Eingriffe durchgeführt werden sollten.
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ie Zahlen sprechen für sich:Mittlerweile werden in Deutschland nahezu ebenso viele Aortenklappen per Katheter im- plantiert wie offen operiert. Nach den Daten des AQUA-Instituts gab es im Jahr 2012 9 341 minimalin- vasive Aortenklappeneingriffe per Katheter (TAVI) und 9 929 Eingrif- fe am offenen Herzen. Drei Jahre zuvor standen 10 285 konventio- nelle herzchirurgische Eingriffe noch lediglich 2 565 TAVI-Inter- ventionen gegenüber.
Eine therapeutische Option ist die TAVI vor allem für Patienten mit schwerer Aortenstenose, die früher aufgrund ihres Alters oder ihrer Begleiterkrankungen als in- operabel galten. Valide Daten gibt es bislang auch nur für diese Grup- pe der Hochrisikopatienten: In der PARTNER-Studie zeigte sich die TAVI gegenüber der konventionel- len Klappenchirurgie als gleich- wertig bezüglich der Zweijahres- mortalität. Zu einem ähnlichen Er- gebnis kommt auch das von der Deutschen Gesellschaft für Kardio- logie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) ge- meinsam geführte Aortenklappen- register.
Europäische Leitlinie wird unterschiedlich interpretiert
Diskutiert wird aber auch der Ein- satz von TAVI bei jüngeren Patien- ten mit intermediärem Risiko.Während die PARTNER-II-Studie dies noch untersucht, wird ange- sichts der deutlichen Zunahme der TAVI-Eingriffe der Ruf nach kon- kreten Indikations- und vor allem Qualitätskriterien immer lauter. Da- bei zeichneten sich jedoch in den vergangenen Monaten differenzie- rende Ansichten von Kardiologen
und Herzchirurgen ab, die sich auf eine unterschiedliche Interpretation der europäischen Leitlinie bezüg- lich der Anforderungen an die Ver- sorgungsstrukturen beziehen.
Die Differenzen mündeten nun in einen Vorstoß der DGK: Noch im ersten Halbjahr 2014 will sie ei- nen Qualitätskatalog und Zertifizie- rungskriterien für Krankenhäuser erstellen, an denen TAVI vorge- nommen werden. „Dabei streben wir eine Kooperation mit den Herz- chirurgen an“, beschwichtigte Prof.
Dr. med. Christian Hamm, Präsi- dent der DGK, bei der Vorstellung der DGK-Empfehlungen am 22. Ja- nuar in Berlin.
Die Qualitätsmerkmale sollen in den kommenden Monaten detail- liert ausgearbeitet werden, so dass eine Zertifizierung sowohl der durchführenden Ärzte als auch von Zentren möglich wird. Die Eck- punkte stehen für die DGK bereits:
Im Mittelpunkt soll eine routinemä- ßige Durchführung des TAVI-Ein- griffs durch „ein eingespieltes Team aus Kardiologen und Herzchirur- gen“ stehen. Nötig seien ferner ein Hybrid-Operationssaal, in dem so- wohl Kathetereingriffe als auch herzchirurgische Operationen durch- geführt werden können, sowie an- giologische Expertise und eine In- tensivstation am Standort. „Unsere Qualitätsoffensive soll zur best- möglichen Prozess- und Ergebnis- qualität beitragen, um den Einsatz von TAVI für Patienten weiter zu optimieren“, betonte Hamm.
Die Herzchirurgen kritisieren, dass derartige Eingriffe nach An- sicht der Kardiologen teilweise in Kliniken ohne vorhandene herz - chirurgische Abteilung durchge- führt werden sollen. „Für die DGK stehen hier Fragen der Prozess- und Ergebnisqualität im Mittelpunkt,
und nicht Formalkriterien eines Standortes“, begründete Prof. Dr.
med. Karl-Heinz Kuck, Präsident- Elect der DGK, den Kardiologen- Standpunkt.
DGTHG hält herzchirurgische Fachabteilung für nötig
Für den DGTHG-Vorsitzenden, Prof. Dr. med. Jochen Cremer vom Universitätsklinikum Schleswig- Holstein, Campus Kiel, ist jedoch das Vorhandensein einer Fachabtei- lung für Herzchirurgie notwendig, weil es bei der TAVI in etwa vier Prozent der Fälle zu Akutkomplika- tionen komme. Ein Herzchirurg le- diglich vor Ort sei nur eine „Papier- lösung“, die für die Patientensicher- heit nicht ausreichend sei und ei- ne kontinuierliche herzchirurgische stationäre Mitversorgung unmög- lich mache, sagte er dem Deut- schen Ärzteblatt. Nach Ansicht der DGTHG sollten eine herzchirurgi- sche Abteilung vor Ort sein und Fallzahlen von 50 TAVI-Eingriffen neben einem ausreichend großen Operationsvolumen mit regelmäßi- ger Notfallversorgung nicht unter- schritten werden. Cremer betonte allerdings den Kooperationswillen seiner Gesellschaft. „Wir sind mit der Deutschen Gesellschaft für Kar- diologie in Kontakt und haben selbst die Zertifizierung von Heart- Team-Strukturen vorgeschlagen“, sagte er. Umso bedauerlicher sei es, dass die Kardiologen die Qualitäts- kriterien zunächst allein vorgestellt hätten. Die Zukunft sieht Cremer je- doch in einer gemeinsamen Zertifi- zierung. „Uns als Herzchirurgen ist wichtig, dass die Indikation TAVI für Hochrisikopatienten exakt ge- stellt wird und dass der Eingriff in- nerhalb optimaler Strukturen vorge- nommen wird“, betonte er.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann