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Grünbuch der Kommission „Angemessene, nachhal tige und sichere europäische Pensions und Renten systeme“ (KOM (2010) 365)

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Bundesvorstand

ID: 07595112423-87

Stellungnahme Stellungnahme Stellungnahme Stellungnahme des

des des

des Deutschen Gewerkschaftsbundes Deutschen Gewerkschaftsbundes Deutschen Gewerkschaftsbundes Deutschen Gewerkschaftsbundes zum zum zum

zum

Grünbuch der Kommission „Angemessene, nachhal tige und sichere europäische Pensions und Renten systeme“ (KOM (2010) 365)

08.11.2010

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1. Allgemeine Einschätzung

Mit dem Grünbuch nimmt die Kommission die aktuelle Wirtschafts- und Finanz- krise zum Anlass, die Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Sicherheit der euro- päischen Rentensysteme und die Frage des Renteneintrittsalters zu diskutieren.

Der DGB begrüßt, wenn Konsequenzen der Finanzkrise auch für die Altersvor- sorge diskutiert werden. Er kritisiert aber die im Grünbuch oft festzustellende Einseitigkeit, mit der diese Diskussion geführt wird.

Unabhängig davon unterstreicht der DGB insbesondere die Aussage, dass soli- de und angemessene Vorsorgesysteme den Lebensstandard im Alter sichern müssen und wesentlich zum sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft beitra- gen. Ferner begrüßt der DGB die eindeutige Feststellung, dass die Verantwor- tung für Pensionen und Renten bei den Mitgliedsstaaten liege und insbesondere, dass die Rolle der Sozialpartner in diesem Bereich nicht in Frage gestellt werde.

In Deutschland erfolgten seit 2000 Rentenrechtsänderungen, mit denen

Deutschland einen Übergang von der Ein-Säulen- zur Mehrsäulen-Strategie vor- genommen hat. Diese haben – wie das Grünbuch als allgemeinen Trend fest- stellt – „für eine beträchtliche Zahl der Beschäftigten das Risiko unzureichender Altersversorgung“ ansteigen lassen. An diesen Rentenrechtsänderungen äußert der DGB weiterhin Kritik und fordert Veränderungen, weil sie zu einer einseitigen Belastung für die Rentner/innen sowie die Versicherten führen und für viele Bür- ger keine angemessene Versorgung im Alter mehr sicherstellen. Zu sehr wurde auf die Entlastung der Arbeitgeber und des Bundeshaushalts sowie die Einhal- tung eines Beitragssatzziels fokussiert. Alternative Gestaltungsmöglichkeiten des demografischen Wandels wurden unzureichend berücksichtigt. In Deutsch- land wie in den anderen EU-Mitgliedstaaten wären Reformen notwendig, die wirklich den auf europäischer Ebene vereinbarten Zielen der Angemessenheit, Nachhaltigkeit und Sicherheit Rechnung tragen und diese Ziele gleichermaßen verfolgen. Dazu haben der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften Vorschläge vorgelegt (vgl. Beschluss des Bundeskongresses).

Gerade die umlagefinanzierten staatlichen Rentensysteme haben in der Krise ihre Funktion als automatischer Stabilisator unter Beweis gestellt, worauf im Grünbuch aber nur am Rande hingewiesen wird. Sie haben sich zudem als rela- tiv zuverlässiges System herausgestellt, vor allem im Vergleich mit Systemen, die auf das Kapitaldeckungsverfahren mit gewinnorientierten Anbietern aufbau- en.

Der DGB kommt nach einer sorgfältigen Prüfung aller relevanten Aspekte zu dem Ergebnis, dass die entscheidende Antwort auf diese Herausforderungen ei- ne Überprüfung der rentenpolitischen Strategie der letzten Jahre sein muss. Da- gegen zielen die im Grünbuch diskutierten Ansätze nicht auf eine ergebnisoffene Prüfung. So wird im Hinblick auf notwendige Reformen staatlicher Systeme z.B.

einseitig die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in den Vordergrund ge- stellt. Zudem werden als Ausgleich für sinkende Erwerbseinkommensersatzquo- ten in der staatlichen Alterssicherung ganz überwiegend ausreichende Optionen für den Erwerb von Zusatzrentenansprüchen diskutiert. Zwar wird keine pau- schale Kürzungsdebatte geführt und kapitalgedeckte Vorsorgesysteme werden

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nicht explizit favorisiert Es wird indirekt von einem Bedeutungszuwachs zusätzli- cher Versorgungssysteme ausgegangen und bzgl. kapitalgedeckter Systeme die Frage der besseren Regulierung aufgeworfen.

Ein weiterer Argumentationsstrang ist die Notwendigkeit des längeren Verbleibs im Erwerbsleben. Ohne dies explizit zu empfehlen, wird dabei die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf das 70. Lebensjahr zumin- dest nahegelegt. Der DGB lehnt dies ab und betont, dass es stattdessen darauf ankommt, die in vielen Mitgliedsstaaten stark angestiegene Arbeitslosigkeit wirk- sam zu bekämpfen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch Älte- re auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben. Dies gilt insbesondere auch für Ar- beitnehmer, die in körperlich oder psychisch belastenden Berufen tätig sind und/oder die keinen regulären Kündigungsschutz haben. Insbesondere für sie bedeutet eine Anhebung des Renteneintrittsalters eine Vergrößerung des Risi- kos, schon lange vor dem möglichen Renteneintritt wegen verschleißbedingter Gesundheitsprobleme aus dem Arbeitsleben und in die Langzeitarbeitslosigkeit gedrängt zu werden und danach – wenn überhaupt – nur noch wenige Jahre ei- ne Niedrigstrente beziehen zu können.

Empfehlungen der Kommission nach einer Anhebung der Regelaltersgrenze lehnt der DGB auch deswegen ab, weil andere Möglichkeiten existieren, die Herausforderungen der prognostizierten demografischen Entwicklung für die Al- tersvorsorgesysteme zu bewältigen, um die Angemessenheit und nachhaltige Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der Rentensysteme zu gewährleisten.

In diesem Zusammenhang kritisiert der DGB, dass eine mögliche Verbreiterung der Einnahmebasis der staatlichen Systeme sowie die Zurückdrängung bisher nicht sozial versicherter Beschäftigungsverhältnisse (z.B. Bekämpfung von Scheinselbständigkeit und nicht angemeldeter Arbeit), nicht einmal andiskutiert wird, obwohl sie angesichts der Zunahme prekärer Beschäftigungsformen und nicht sozial versicherter Einkommensarten eine Schlüsselfrage für die nachhalti- ge Finanzierung der staatlichen Systeme ist.

Der DGB kritisiert grundsätzlich, dass im Grünbuch die Renten für den Erwer- besminderungsfall (Invaliditätsrenten) nicht systematisch berücksichtigt werden und fordert die EU-Kommission auf, darauf ein besonderes Augenmerk zu rich- ten.

2. Herausforderungen für die Alterssicherungssysteme

Als Herausforderungen für die Alterssicherung werden im Grünbuch folgende Aspekte benannt: die erwartete demografische Alterung der europäischen Ge- sellschaften, die Änderung in den Vorsorgesystemen (d. h. Insbesondere auch die Folgen der bisherigen Reformstrategien) sowie die Auswirkungen der Fi- nanz- und Wirtschaftskrise. Zweifelsohne haben die demografische Veränderun- gen und die veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen Auswirkungen auf die Gesellschaften und die Alterssicherungssysteme in den Mitgliedsländern. Al- lerdings werden im Grünbuch die Auswirkungen in mancher Hinsicht überzeich- net, und oft werden auch die falschen Folgerungen gezogen.

Die demografische Entwicklung ist nämlich – anders als im Grünbuch suggeriert – nur einer von vielen Faktoren, die den zukünftigen Wohlstand von Arbeitneh- mern und Rentnern bzw. die Situation der Rentenkasse beeinflussen. Andere

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Faktoren können die Folgen der demografischen Entwicklungen abmildern. Fo- gende Tatsachen dürfen nicht übersehen werden: Die Produktivität steigt. Ent- scheidend ist zudem, wie der mit der Produktivitätssteigerung verbundene höhe- re Wohlstand verteilt wird. Zuletzt ist für die Rentenkasse nicht allein von Bedeu- tung, wie viele Menschen im arbeitsfähigen Alter sind, sondern wie hoch die Er- werbsbeteiligung ist und wie die Sozialversicherungspflicht gestaltet ist. Arbeits- losigkeit, sozialversicherungsfreie Beschäftigung oder sinkende Reallöhne füh- ren dazu, dass weniger Geld in die Rentenkasse fließt. Die erwartete Alterung der Gesellschaften wird daher nicht zu unhaltbaren oder untragbaren Zuständen und Kosten führen, wie im Grünbuch behauptet, wenn der demografische Wan- del solidarisch gestaltet wird.

Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit über das 65. Lebensjahr hinaus ist eine sozialpolitisch gefährliche Lösungsstrategie und beileibe nicht die einzig mögli- che politische Reaktion. Eine sozial verantwortbare Alternative zur Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters ist - neben einnahmeseitigen Maßnahmen bei den staatlichen Vorsorgesystemen – die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung etlicher Bevölkerungsgruppen. Dabei geht es nicht nur um die Integration Älterer, deren längerer Verbleib im Arbeitsleben gute, alternsgerechte Arbeitsbedingungen voraussetzt. Auch die Erwerbschancen junger Menschen, alleinerziehender Frauen und anderer benachteiligter Gruppen (z. B. MigrantInnen) müssen ver- bessert werden. Anstrengungen in die Weiterqualifizierung müssen intensiviert werden.

Die Aussage im Grünbuch, wonach die „einzige“ Wachstumsquelle ab 2020 die

„Arbeitsproduktivität“ ist, muss hinsichtlich ihrer Bedeutung und der Schlussfol- gerungen näher ausgeleuchtet werden. In Deutschland und auf europäischer Ebene gibt es eine Debatte um ein neues, qualitatives Wachstumsmodell, wie etwa „green jobs“, mehr Investitionen in Bildung und Forschung (EU 2020 Stra- tegie). Der DGB fordert auch deshalb mehr öffentliche Investitionen zur Ankurbe- lung der Wirtschaft: Die Steigerung der Arbeitsproduktivität wird nur dann zu mehr Wohlstand beitragen können, wenn die Arbeitnehmer/Innen gut qualifiziert sind, unter gesundheitsförderlichen Bedingungen und in beteiligungsorientierten Formen der Arbeitsorganisation im Sinne des gewerkschaftlichen Leitbildes „Gu- te Arbeit“ arbeiten können.

Nicht akzeptabel für DGB und Gewerkschaften ist, aus der Finanz- und Wirt- schaftskrise und deren Folgen für die öffentlichen Haushalte einen verstärkten Kürzungsdruck – auch im Hinblick auf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit – zu konstruieren. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht noch stärker zu Opfern der Finanz- und Wirtschaftskrise gemacht werden, indem die- se als Legitimation für ein höheres gesetzliches Renteneintrittsalter missbraucht wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn das gesetzliche Rentenalter von den Realitäten auf dem Arbeitsmarkt wesentlich abweicht, d. h. von den tatsächli- chen Erwerbschancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Eine aus Sicht des DGB wichtige Herausforderung, die nicht ausreichend vom Grünbuch thematisiert wird, ist die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse. In diesen Arbeitsverhältnissen werden oft keine Ansprüche auf angemessene Al- tersversorgung erworben. Ihre Zunahme ist auch Folge der Deregulierung der Arbeitsmärkte. Vor diesem Hintergrund müssen dringend auch Konsequenzen

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im Bereich der Arbeitsmarktpolitik gezogen werden, die den sozialen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer verbessern.

Die folgenden im Grünbuch angesprochenen allgemeinen Ziele einer Reform- agenda werden vom DGB unterstützt: Angemessenheit der Rentenhöhe, nach- haltig gesicherte öffentliche Finanzen, Schaffung von mehr Arbeitsmarktchancen für ältere Arbeitnehmer/innen, effiziente und krisenfeste Rechtsvorschriften für kapitalgedeckte Vorsorgesysteme, Regulierung der Finanzmärkte.

Der Begriff der Angemessenheit – der auch für Erwerbsminderungsrenten gelten muss – bedeutet aus gewerkschaftlicher Sicht Lebensstandardsicherung und nicht nur Armutsbekämpfung. Dabei kann ein Spannungsverhältnis zwischen beiden Zielen auftreten, was auszubalancieren ist. DGB und Gewerkschaften treten für ein lohn- und beitragsorientiertes gesetzliches Rentensystem ein, das möglichst alle Erwerbstätige umfasst und das den wesentlichen Beitrag zur Le- bensstandardsicherung erbringt. Gleichzeitig hält der DGB die Ergänzung des äquivalenzbasierten Systems um eine stärkere Komponente des sozialen Aus- gleichs für notwendig, dass diejenigen Versicherten im Rentensystem vor Armut und bedürftigkeitsgeprüften Leistungen schützt, die lange ins Rentensystem ein- gezahlt haben, aber längere Zeiten des Niedrigverdienstes und der Arbeitslosig- keit zurückgelegt haben. Bedürftigkeitsgeprüfte Leistungen müssen so weit wie möglich zurückgedrängt werden. Kritisch muss überprüft werden, ob im deut- schen Mehrsäulen-System – bestehend aus obligatorischer umlagefinanzierter Säule und freiwilligen kapitalgedeckten Säulen – von den Bürgerinnen und Bür- gern regelmäßig und verlässlich die Lebensstandardsicherung und der Schutz vor Altersarmut erreicht werden kann, in welchem Umfang Sicherungslücken entstanden sind bzw. weiter entstehen und welche Folgerungen für die Weiter- entwicklung des Alterssicherungssystems gezogen werden müssen.

3. Prioritäten für Reformen

3.1. Angemessenheit und Nachhaltigkeit

1. Wie kann die EU die Mitgliedsstaaten bei ihren Bemühungen unterstützen, die Angemessenheit der Vorsorgesysteme zu stärken? Soll die EU versu- chen, klarer zu definieren, was unter einem angemessenen Ruhe-

standseinkommen zu verstehen ist?

Die Alterssicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten sind nur schwer vergleich- bar. Sie verfolgen unterschiedliche Leistungsziele und sind dementsprechend unterschiedlich strukturiert. Die Leistungsziele und die Strukturfestlegungen aus- zuhandeln ist Aufgabe der Nationalstaaten. Dennoch bestehen Möglichkeiten, wie die EU die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen unterstützen könnte, die Angemessenheit ihrer Vorsorgesysteme zu stärken.

Es ist notwendig, dass die EU Lohndumping im Rahmen der innereuropäischen Mobilität effektiv auf europäischer Ebene ausschließt und so dazu beiträgt, dass Arbeitseinkommen erzielt werden, die eine angemessene Altersvorsorge erlau- ben. Daher sollte auf europäischer Ebene Sorge dafür getragen werden, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im Rahmen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nicht nur zwingende Mindestarbeitsbedingungen Beach- tung finden, sondern außerdem den Tarifpartnern in den einzelnen Branchen der

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Mitgliedsstaaten darüber hinaus gehende Regelungen für angemessene Lohn- regelungen nach dem Arbeitsortprinzip möglich sind.

Was unter einem „angemessenen“ Ruhestandseinkommen verstanden wird, ist mit Blick auf das Niveau in den Mitgliedstaaten zu definieren. Die EU könnte er- gänzend qualitative Kriterien formulieren: Was ist unter Lebensstandardsiche- rung zu verstehen, wie unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Ge- wichten können obligatorische und freiwillige Systeme zur Erreichung dieser Zie- le beitragen? Auch für die Armutsfestigkeit öffentlicher Alterssicherungssysteme könnten die international anerkannten Indikatoren herangezogen werden (z.B.

Armutsrisikoquoten). Der DGB weist allerdings darauf hin, dass „Armutsfestig- keit“ nicht das einzige – und auch nicht vorrangige – Kriterium für die Beurteilung der Angemessenheit sein kann, sondern dass dabei die Frage der verlässlichen Sicherung des (bisherigen) Lebensstandards eine herausragende Rolle spielt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist deshalb auch die Frage der Dynamisierung der Rentenleistungen– erfolgt sie über die verschiedenen Säulen einheitlich, ermög- lichen sie den Erhalt der Kaufkraft während der Leistungsbezugszeit?

Grundsätzlich sollte sich das „angemessene Ruhestandseinkommen“ nicht nur auf den Altersruhestand beziehen, sondern ebenso auf den Fall der Erwerbs- minderung (Invalidität).

2. Reicht der bestehende EU-Rahmen für Pensionen und Renten aus, um nachhaltige öffentliche Finanzen zu gewährleisten?

DGB und Gewerkschaften sehen es sehr kritisch, wenn die EU versucht, Ein- fluss auf die Finanzierung der öffentlichen Alterssicherungssysteme zu nehmen, um darüber „nachhaltige öffentliche Finanzen“ zu erreichen. Das gesetzliche Rentenversicherungssystem in Deutschland erzeugt keine (implizite) Verschul- dung, sondern sichert den Beitragszahlern Anwartschaften zu – so wie dies kapi- talgedeckte Systeme ebenfalls leisten müssen (dies aber zumeist mit deutlich geringerer Sicherheit tun). Der DGB weist ausdrücklich die Behauptung im Grünbuch zurück, dass der Budgetdruck, der aufgrund der Wirtschafts- und Fi- nanzkrise entstanden ist, Einschnitte bei Renten und Pensionen rechtfertigen würde. Haushaltskonsolidierung muss vor allem durch Verbesserung der Ein- nahmeseite des Staates erfolgen und darf nicht einseitig zu Lasten der Sozial- haushalte erfolgen. Bei der Bewältigung der Folgen der Finanzkrise muss ver- stärkt das Verursacherprinzip angewendet werden.

3.2. Ausgewogenes Verhältnis zwischen Dauer des Arbeitslebens und Ruhestand

3. Wie kann ein höheres effektives Pensionsantritts- bzw. Renteneintrittsalter am besten erreicht werden und wie könnte die Anhebung des Pensions- bzw. Rentenalters dazu beitragen? Sollen an demografische Veränderun- gen gebundene automatische Anpassungsmechanismen in die Vorsorge- systeme eingebaut werden, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Dauer des Arbeitslebens und der des Ruhestandes herzustellen? Wel- che Rolle könnte die EU-Ebene dabei spielen?

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Das effektive Pensionsantritts- bzw. Renteneintrittalter ist aus Sicht des DGB kein ausreichender Indikator für erfolgreiche Integration Älterer in den Arbeits- markt, weil es Verdrängungsprozesse aus dem Arbeitsmarkt vor Renteneintritt nicht berücksichtigt. Ein geeigneter Indikator könnte die Erwerbsbeteiligung Älte- rer sein, die differenziert, z. B. nach Berufsgruppen, Qualifikationsniveau, Ge- schlecht oder Herkunft, zu betrachten ist.

Sofern eine Erhöhung der Erwerbsbeteiligung Älterer gewünscht wird, gibt es hierfür verschiedene Maßnahmen. Eine große Rolle spielt zweifelsohne dabei die rechtzeitige, d.h. lebenslange Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und damit der Gesundheit, Qualifizierung und Fortbildung. Die Aktivitäten in der be- trieblichen Prävention und Gesundheitsförderung müssen deshalb gestärkt und verbindlicher gemacht werden – hierzu bedarf es eindeutiger Vorschriften sowie einer Verstärkung staatlicher Kontrollen und Sanktionen. Vermeidbare Ursachen des vorzeitigen Gesundheitsverschleißes wie überlange Arbeitszeiten und ex- treme körperliche und/oder psychische Belastungen müssen durch eine ent- schiedenere Regulierung und deren effektivere Durchsetzung bekämpft werden.

Gleichzeitig muss die Unterstützung und Beratung von kleinen und mittelständi- schen Unternehmen vor allem durch Sozialversicherungen verbessert werden, damit sie bei der Gestaltung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen voran- kommen können. Maßnahmen der Rehabilitation und der Fort- und Weiterbil- dung müssen den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft angepasst werden – und vor allem müssen sie in ausreichendem Umfang auch älteren Menschen zur Verfügung stehen. Es ist ein Umdenken bei den Arbeitgebern notwendig, die die Arbeitsgestaltung auf die Bedürfnisse, aber auch die Fähigkeiten älterer Ar- beitnehmer ausrichten müssen. Die Unternehmen und die Gesellschaft insge- samt müssen akzeptieren, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter- schiedlich leistungsfähig sind. Gleichzeitig muss die Absicherung für diejenigen, die dennoch wegen ernster Gesundheitsprobleme aus dem Arbeitsleben ge- drängt werden, zuverlässig lebensstandardsichernd und armutsvermeidend sein.

Das ist aktuell in Deutschland mit der Erwerbsminderungsrente nicht der Fall.

DGB und Gewerkschaften lehnen in der aktuellen Auseinandersetzung in Deutschland die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre katego- risch ab, weil das höhere Rentenalter unter arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gesichtspunkten nicht vertretbar und unter demografischen Aspekten nicht not- wendig ist.

Ein automatischer Anpassungsmechanismus wird vom DGB kategorisch abge- lehnt – die Vertretbarkeit eines gesetzlichen Rentenalters muss immer vor dem Hintergrund der tatsächlichen sozialen und arbeitsmarktpolitischen Gegebenhei- ten im jeweiligen Mitgliedsstaat beurteilt werden. Welches Rentenalter gewählt wird, hängt von der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung sowie poli- tischen Entscheidungen u.a. über die Finanzierung der Altersvorsorgesysteme ab. Je besser zum Beispiel die Produktivitätsentwicklung ist, desto geringer ist auch der Druck in Richtung Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Vor diesem Hintergrund würde ein automatischer Anpassungsmechanismus des Rentenein- trittsalters allein nicht sicherstellen, dass die Altersvorsorgesysteme nachhaltig finanziert werden.

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Die Rolle der EU sollte über die im Rahmen der OMK nicht hinausgehen, insbe- sondere sind von ihr keine Empfehlungen zur Anhebung des gesetzlichen Ren- teneintrittsalters abzugeben.

4. Wie kann die Umsetzung der Strategie Europa 2020 genutzt werden, um eine längere Erwerbstätigkeit zu fördern, ihre Vorteile für die Wirtschaft aufzuzeigen und der Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt einen Riegel vorzuschieben?

Einige Elemente zur Erreichung dieser Ziele sind in den europäischen Beschäf- tigungsleitlinien als Teil der Europa 2020 Strategie enthalten.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass altersbedingt die Häufigkeit von Verschlei- ßerkrankungen zunimmt, die die Leistungsfähigkeit der betroffenen Arbeitneh- mer teils erheblich beeinträchtigen. Dies kann in manchen Tätigkeiten nicht mit einem Leistungszuwachs durch mehr Erfahrungswissen ausgeglichen werden.

In diesen Fällen wird es nicht gelingen, Vorteile einer Beschäftigung eines leis- tungsgeminderten Arbeitnehmers für die Wirtschaft aufzuzeigen. Genauso wenig können Schwierigkeiten eines solchermaßen leistungsgeminderten Arbeitneh- mers, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, allein auf eine vermeintliche „Alters- diskriminierung“ zurückgeführt werden. Diese Zusammenhänge muss jede Stra- tegie zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung Älterer berücksichtigen, die die Reali- tät in den Betrieben nicht ignorieren will.

In Deutschland stehen eine Reihe arbeitsmarktpolitischer Instrumente zur Verfü- gung, von denen Ältere jedoch nur in geringem Umfang profitieren. Noch immer ist die Einstellungspraxis der Unternehmen von der Diskriminierung Älterer ge- prägt. Fast 40% der Betriebe in Deutschland beschäftigen keine Arbeitnehmer über 50 Jahre. Die Beschäftigungsquote Älterer ( 55 – 65 Jahre) lag im Dezem- ber 2009 nur bei 38,2%. Und die Arbeitlosenquote Älterer lag im August 2010 um einen Prozentpunkt höher als die allgemeine Quote (8,6% zu 7,6%). Ältere Arbeitnehmer nehmen nur unterdurchschnittlich an präventiven Massnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik, insbesondere Weiterbildung, teil. Es dominieren Lohnkostenzuschüsse und kurzfristige Trainingsmassnahmen in den Betrieben.

Überdurchschnittlich sind sie bei den sog. Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) für Hartz-IV-Empfänger vertreten. Hier entfällt fast ein Drittel auf die Altersgruppe der über 50-Jährigen (Mai 2010).

Speziell für Ältere vorgesehene arbeitsmarktpolitische Instrumente, z.B. Entgelt- sicherung bei Aufnahme einer niedriger entlohnten Tätigkeit oder der Eingliede- rungsgutschein werden von den Unternehmen kaum genutzt. Entsprechend sind Ältere im Durchschnitt erheblich länger arbeitslos (über ein Jahr) als andere Gruppen. Auf Initiative des DGB wurde eine spezielle Weiterbildungsförderung für über 45-jährige Beschäftigte in kleineren und mittleren Unternehmen einge- führt, die inzwischen auch stärker genutzt wird.

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3.3. Mobilitätshindernisse in der EU

Mobilität auf dem europäischen Arbeitmarkt ist kein Ziel an sich. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit steht die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz und die Integration in den Arbeitsmarkt im Vordergrund. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mobil sein wollen und können haben allerdings ein Interesse daran, dass erwor- bene Anwartschaften beim Arbeitgeberwechsel erhalten bleiben und sofern sie es sich um kapitalgedeckte Altersvorsorgeprodukte handelt, dass die Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer vor finanziellen Risken geschützt sind.

5. Wie sollte die IORP-Richtlinie geändert werden, um die Bedingungen für transnationale Angebote zu verbessern?

Die Richtlinie über die Tätigkeit und die Aufsicht von Einrichtungen der betriebli- chen Altersversorgung (IORP-Richtlinie) soll vor allem die materiellen, aufsichts- rechtlichen Bestimmungen für kapitalgedeckte rechtlich selbständige Einrichtun- gen der betrieblichen Altersversorgung auf einem Mindestniveau vereinheitli- chen. Diese Mindestharmonisierung soll die wechselseitige Anerkennung der Einrichtungen auch und insbesondere die grenzüberschreitende Geschäftstätig- keit unterstützen. Die Richtlinie regelt Aufsichtsanforderungen und Eingriffsrech- te der Aufsichtsbehörden, Bestimmungen über versicherungstechnische Rück- stellungen; Informationspflichten der Einrichtung gegenüber den Aufsichtsbehör- den, Eigenmittelvorschriften, Veranlagungsvorschriften und die grenzüberschrei- tende Tätigkeit selbst.

Die Ausführungen der Kommission gehen dahin, dass die Richtlinie nur kapital- gedeckte betriebliche Vorsorgemodelle abdeckt und Rückstellungsmodelle nicht erfasst. Außerdem sei die Richtlinie nur schwer an geänderte Marktbedingungen anzupassen. Außerdem seien nach wie vor transnationale Aktivitäten schwierig.

Ausdrücklich erwähnt die Kommission geeignete und vergleichbare Bilanzie- rungsstandards, um die Transparenz von Pensions- und Rentenverbindlichkei- ten zu verbessern. Für den DGB stellt sich die grundsätzliche Frage, ob ange- sichts der erheblichen Unterschiede die zwischen den Einrichtungen der betrieb- lichen Altersversorgung innerhalb Europas besteht, solch stärkerer einheitlicher Standard überhaupt erreichbar und wünschenswert ist. Sicherlich ist es richtig, dass Mindeststandards getroffen werden müssen, insbesondere auch, um über die Aufsichtsanforderungen die Sicherheit der Zusagen zu gewährleisten. Nicht ausreichend scheint es jedoch, allein mit Mindeststandards eine verstärkte transnationale Aktivität herbeiführen zu wollen. Im Hinblick auf die Sicherheit der gemachten Zusagen ist es vielmehr erforderlich, dass nicht Mindeststandards, sondern Höchststandards eingehalten werden müssen, damit kein Wettbewerb nach unten erfolgt.

Angesichts der Tatsache, dass die Formen der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland auf unterschiedliche Art und Weise sehr hohe Standards erfüllen, bestünde die Gefahr, dass Druck auf diese hohen Standards ausgeübt wird, über den bestehenden Rahmen hinaus Aktivitäten entfaltet werden, um grenz- überschreitende Angebote zu fördern. Richtig wäre es vielmehr, die Wirkungen der Richtlinie nach einer Laufzeit von etwa 10 bis 15 Jahren zu analysieren, um festzustellen, ob tatsächlich weiterer Anpassungsbedarf besteht.

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Im übrigen scheint dem DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften die Frage der Förderung grenzüberschreitender Produkte nachrangig zu sein. Wichtiger und entscheidender ist vielmehr die Frage der Übertragbarkeit.

6. Welchen Geltungsbereich sollten durch Maßnahmen auf EU-Ebene abge- deckte Projekte zum Abbau von Mobilitätshindernissen haben?

Die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass ein Hindernis für die Mobilität von Pensionen und Renten die steuerliche Diskriminierung sein kann. Bevor in dieser Frage aber keine Lösung gefunden worden ist und eine einheitliche, steu- erliche Behandlung der Pensions- und Rentenansprüche erfolgt ist, scheint die Frage, welchen Geltungsbereich Projekte zum Abbau von Mobilitätshindernissen haben sollten, nachrangig zu sein. Selbst innerhalb Deutschlands existiert keine einheitliche steuerliche Behandlung der Betrieblichen Altersversorgung, sondern insbesondere die umlagefinanzierten Zusatzversorgungssysteme werden wei- terhin steuerlich diskriminiert, da der Staat als einer der Träger dieser Systeme auf diesem Wege einen Teil der Kosten stillschweigend auf die Beschäftigten abwälzen kann.

Im Übrigen sind bei der Diskussion um die Portabilitätsrichtlinie die unterschied- lichen Finanzierungsformen mit ein Hauptgrund für die Beschränkung auf Er- werb und Wahrung von Rentenansprüchen gegenüber dem Ansatz der Übertra- gung gewesen. Dieses Problem besteht weiterhin. Deswegen ist möglicherweise der Ansatz, sich auf Erwerb und Wahrung zu konzentrieren, durchaus zielfüh- render. Denn entscheidend für die Beschäftigten ist in erster Linie nicht, von wem, sondern in welcher Höhe Altersleistungen gezahlt werden.

Auf keinen Fall dürfen überbetriebliche, branchenbezogene Umlagesysteme mit Solidarkomponenten durch einen Zwang zur vorzeitigen Auszahlung zwecks Übertragung in andere Systeme in ihrer Existenz bedroht werden.

7. Sollte die EU die Frage der Übertragung noch einmal prüfen oder wären Mindeststandards für Erwerb und Wahrung plus ein Aufzeichnungsdienst für alle Arten von Pensions- und Rentenansprüchen eine bessere Lösung?

Hier wird auf die Antwort zu Nr. 6 verwiesen.

Eine nochmalige Überprüfung der Frage der Übertragung oder die Mindeststan- dards für Erwerb und Wahrung setzt voraus, dass zunächst eine steuerliche Harmonisierung erfolgt. Es hat sich gezeigt, dass der Abbau von Mobilitätshin- dernissen schon innerhalb von Deutschland sehr schwierig zu realisieren ist, weil zwischen den einzelnen Durchführungswegen der betrieblichen Altersver- sorgung nur eingeschränkte Übertragungsmöglichkeiten bestehen. Insofern scheint es noch weit schwieriger, Mobilitätshindernisse zwischen den verschie- denen Nationalstaaten und damit zwischen noch viel unterschiedlicheren For- men der betrieblichen Altersversorgung abzubauen. Dazu wäre es zuerst not- wendig, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Formen betrieb- licher Altersversorgung in Europa zu analysieren und auf dieser gesicherten Grundlage Wege zu suchen, bei den Systemen, die sich strukturell überhaupt dafür eignen, mögliche Mobilitätshindernisse abzubauen. Was die Frage des Mindeststandards für Erwerb und Wahrung von Anwartschaften auf betriebliche

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Altersversorgung anbetrifft, so wird dieses Anliegen ebenfalls grundsätzlich be- grüßt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in arbeitgeberfinanzierten Systemen der betrieblichen Altersversorgung Hauptbeweggrund ein personalpo- litisches Interesse des Arbeitgebers an der Bindung qualifizierter Mitarbeiter ist.

Werden nun Mindeststandards für Erwerb und Wahrung von betrieblicher Alters- versorgung auch auf diese Formen übertragen, besteht die Gefahr, dass der Ar- beitgeber Zusagen nicht weiter aufrecht erhält. Dies hätte zur Folge, dass – so- lange keine generelle Verpflichtung der Arbeitgeber zur durch ihn finanzierten betrieblichen Altersversorgung besteht - ein gut gemeinter Regulierungsversuch den Beschäftigten letztlich schaden würde. Dieser negative Effekt muss unbe- dingt vermieden werden. Mindeststandards, wenn man sie denn überhaupt ge- nerell für alle Mitgliedsstaaten festsetzen will, müssten daher unter Berücksichti- gung nationaler Besonderheiten und insbesondere unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Finanzierungsarten festgelegt werden. In die Tarifautonomie der Sozialpartner dürfte dabei nicht eingegriffen werden.

Einen „Aufzeichnungsdienst“ auf europäischer Ebene erachtet der DGB grund- sätzlich als sinnvoll. Die Mobilität der Beschäftigten sowohl zwischen Branchen als auch innerhalb der Branchen zwischen den Mitgliedstaaten nimmt immer mehr zu und insbesondere bei Tätigkeit in Branchen, die durch kurzfristige Ar- beitsverhältnisse und hohe nationale und innereuropäische Mobilität gekenn- zeichnet sind, kann ein europäischer Aufzeichnungsdienst den Beschäftigten dabei helfen, bei Renteneintritt alle erworbenen Teilansprüche auch tatsächlich realisieren zu können.

3.4. Sichere, transparente Renten/ mehr Bewußtsein und Information In diesem Abschnitt wird der Trend zu beitragsdefinierten Systemen der zusätz- lichen Alters-vorsorge diskutiert, die Frage nach Verständigung auf gemeinsame Kriterien für Altersvorsor-geprodukte (Sicherheit, eingeschränkter Zugang, Aus- zahlungsplan) aufgeworfen und gefragt, inwieweit der bestehende EU-

Rechtsrahmen insbesondere für kapitalgedeckte Vorsorgemodelle und – produkte ausreichend ist.

8. Müssen die derzeitigen EU-Bestimmungen überprüft werden, um eine ein- heitliche Regulierung und Aufsicht für kapitalgedeckte (d. h. fondsgestütz- te) Vorsorgemodelle und -produkte zu gewährleisten? Wenn ja, welche Teile?

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sehen zwar, dass der Trend weg von leistungsorientierten zu eher beitragsorientierten Systemen anhält. Damit setzt sich ein Trend fort, der die Arbeitgeberrisiken auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlagert. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften halten es nicht für angemessen, diesen Trend dadurch Folge zu leisten, dass die EU- Bestimmungen dem angepasst werden. Sinnvoller im Hinblick auf die Schaffung einer angemessenen Absicherung wäre es vielmehr, die Möglichkeit einer reinen Beitragszusage durch die Verpflichtung zur Zusage einer bestimmten Mindest- leistung, die mindestens der Summe des eingezahlten Kapitals entspricht, zu begrenzen.

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Darüber hinaus ist die Analyse bezüglich der Lücken der EU-Vorschriften sehr allgemein gehalten. Es bietet sich also an, eine genaue Auflistung der Regelun- gen zu machen, die nach Auffassung der Kommission unzureichend sind, sowie differenziert darzulegen, wo die Kommission selbst Widersprüche sieht.

9. Wie könnten EU-Vorschriften oder ein Verhaltenskodex den Mitgliedsstaa- ten helfen, für Vorsorgesparer/innen und Vorsorgeträger ein ausgewoge- neres Verhältnis zwischen Risiko, Sicherheit und Leistbarkeit zu errei- chen?

Hochrisikobehaftete spekulative und teilweise volkswirtschaftlich schädliche An- lageformen wie z.B. Hebelprodukte, hedgefonds, private equity, ungedeckte Leerverkäufe und nicht auf realen Geschäftsvorgängen beruhende CDS sollten für Alterssicherungssysteme als Anlageform generell ausgeschlossen werden.

10. Wie sollte eine entsprechende Solvenzregelung für Pensionsfonds ausse- hen?

Es wird angeregt, das in Deutschland bewährte System Pensionssicherungsver- ein, zudem auch Pensionsfonds beitragspflichtig sind, auf seine Anwendbarkeit in anderen Mitgliedsstaaten hin zu überprüfen. Der Pensionssicherungsverein als Selbsthilfeorganisation der Deutschen Arbeitgeber ist seinerzeit gegründet worden, um eine gesetzliche Regelung vorweg zu nehmen. Gleichwohl können die Prinzipien – Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitgeber, die betriebliche Altersver- sorgung in bestimmten Durchführungswegen anbieten, Umlagefinanzierung und – bezüglich des Pensionsfonds – ein ermäßigter Beitragssatz als Grundlage für eine mögliche europäische Regelung genommen werden. Zusätzlich wäre es auch unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll, eine garantierte Leistungsuntergren- ze, z.Bsp. in Form einer Beitragszusage mit Mindestleistung einzuführen, um das Risiko der Solvenz von Pensionsfonds besser abzusichern. Zu berücksichti- gen ist schließlich, dass überbetriebliche, branchenweite, umlagefinanzierte Sys- teme auf der Grundlage allgemeinverbindlicher Tarifverträge bieten darüber hin- aus systemisch einen höheren Insolvenzschutz als einzelbetriebliche Lösungen oder am allgemeinen kapitalmarktorientierte Fonds und sollten daher grundsätz- lich begünstigt werden. Der durch die Bilanzierungsregeln IAS/IFRS und insbe- sondere IAS 19 begünstigte, ja teilweise erzwungene Trend zur Umstellung von Defined-Benefit auf Defined-Contribution-Systeme widerspricht dem Ziel einer nachhaltigen, verlässlichen Altersicherung. Es darf deshalb auch nicht zu einer Anwendung dieser Accounting Standards bei der Berechnung des Solvenzkapi- tals von IORPS durch eine Ausdehnung von Solvency II auf IORPs kommen:

11. Sollte der von EU-Bestimmungen gebotene Schutz im Falle der Insolvenz von in betriebliche Vorsorge investierenden Unternehmen verbessert wer- den und wenn ja, wie?

Es wird auf die Antwort zu Nr. 10 verwiesen.

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12. Gibt es Gründe, die aktuellen Mindestanforderungen an die Informations- pflicht für Vorsorgeprodukte zu modernisieren (z. B. im Hinblick auf Ver- gleichbarkeit, Standardisierung und Klarheit)?

Die Analyse der Kommission, dass fundierte Entscheidungen mit einer ange- messenen Alterssicherung Hand in Hand gehen und diese fundierten Entschei- dungen eine angemessene Information voraussetzen, wird nachdrücklich unter- stützt. Insbesondere die Frage, welche Kosten und Gebühren beim Abschluss von Verträgen zur zusätzlichen Altersversorgung in Ansatz gebracht werden, ist nach wie vor weder national und erst recht nicht auf europäischer Ebene in an- gemessener Form geregelt. Soweit tarifvertragliche Regelungen vorhanden sind, ist in der Regel auch die Transparenz und damit die Möglichkeit, eine angemes- sene Entscheidung für oder gegen ein Vorsorgeprodukt zu treffen, gewährleistet.

Auf dem großen Markt, außerhalb von Tarifverträgen ist dies jedoch nicht der Fall. Dies trägt in erheblichem Maße zur Verunsicherung derer bei, die über das für oder wieder einer Altersversorgung entscheiden müssen. Inhaltliche Stan- dards der Information, einheitliche Begrifflichkeit, die Verpflichtung zu einer kla- ren Sprache und zu transparenten Kosten- und Gebührenrechnungen könnten hier einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung bedeuten.

Allerdings greift die Verbesserung der Informationspflichten zu kurz. Vielmehr muss die Kompetenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezüglich der Al- terssicherung deutlich verstärkt werden. Dazu sind Beratungs- und Schulungs- angebote notwendig, für deren Schaffung die EU den Rahmen setzen könnte.

13. Sollte die EU einen gemeinsamen Ansatz für Standardoptionen bei der Wahl der Beteiligungs- und Investitionsform entwickeln?

Die zu dieser Frage getroffenen Feststellungen treffen eindeutig auf die private Altersvorsorge zu. Bei Lebensversicherungs- und Bankprodukten wäre deshalb ein solcher Ansatz zu begrüßen. Ein gemeinsamer Ansatz für Standardoptionen bei der Wahl der Beteiligungs- und Investitionsform setzt voraus, dass eine aus- reichende Information über die Auswirkungen der unterschiedlichen Beteili- gungs- und Investitionsformen besteht. Darüber hinaus müssen einheitliche Standards für diese Beteiligungs- und Investitionsformen feststehen, bevor ein opt-out-Modell auf den Weg gebracht wird. Es wäre kontraproduktiv, Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer auf opt-out-Klauseln zu verweisen, bevor nicht si- chergestellt ist, dass das jeweilige System in das sie „hineingezwungen werden“

- sie nicht übervorteilt. Aktivitäten in diese Richtung setzen voraus, dass die an- gebotenen Produkte kostengünstig, transparent und sicher sind. Denkbar wäre allenfalls den Rahmen für ein vom Lebenszyklus abhängiges Investitionskonzept zu entwickeln.

Bei der betrieblichen Altersvorsorge liegt darüber hinaus in der Regel eine Ver- sorgungszusage des Arbeitgebers vor, die er möglicherweise nicht einhalten könnte, würden die Beschäftigten zum Beispiel hochrisikobehaftete Anlageoptio- nen wählen und es tatsächlich zum Kapitalverlust kommen. Erst recht verbietet sich eine Schwächung von branchenweiten Lösungen mit Solidarkomponenten und ein Eingriff in die Tarifautonomie der Sozialpartner durch einen Zwang zur Eröffnung von anderen Optionen.

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4. EU-Rentenstatistik/Koordinierung auf EU-Ebene

In diesem Abschnitt geht es um den möglichen Aufbau einer Informationsdaten- bank auf europäischer Ebene, die die Transparenz über Vorsorgeprodukte verbessern und eine Überwachung der Vorsorgepolitiken der Mitgliedstaaten ermöglichen soll.

14. Sollte der politische Koordinierungsrahmen auf EU-Ebene gestärkt wer- den? Wenn ja, welche Teile müssen gestärkt werden, um die Gestaltung und Umsetzung der Vorsorgepolitik durch einen integrierten Ansatz zu verbessern? Wäre die Einrichtung einer Plattform für die integrierte Über- wachung aller Aspekte der Vorsorgepolitik Teil dieses Weges?

Im Grundsatz hält der DGB die Koordinierungsmechanismen auf europäischer Ebene, wie die OMK und das Pensionsforum für die Zusatzversorgungssysteme für ausreichend. Insoweit bestehen Unklarheiten was genau gemeint ist. Was soll wie erfasst werden? Was ist mit Einrichtung einer Plattform (Internetportal?) gemeint? Soweit es um die Einrichtung eines Dialogforums auf europäischer Ebene unter Beteiligung der Gewerkschaften geht, ist der DGB grundsätzlich of- fen dafür.

Jenseits dessen stellt der DGB fest, dass in Deutschland hinsichtlich der diffe- renzierten statistischen Erfassung von Übergängen in die Altersrente erhebliche Mängel bestehen, denen durch EU-einheitliche Vorgaben abgeholfen werden sollte. Insbesondere sollte die EU die Mitgliedstaaten verpflichten solche Indika- toren zu erfassen bzw. entwickeln, die die soziale Lage von Personen in der Al- tersrente und in den Jahren davor gruppenspezifisch differenziert abbildet (z.B.

Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund, berufsbezogen, Arbeitnehmer aus Kleinbetrieben, etc.). Zudem sind alle geeignete statistische Kennziffern nicht nur für Altersrentner, sondern auch für Erwerbsminderungsrentner (Invaliditäts- rentner) auszuweisen. Das effektive Renteneintrittsalter ist kein geeigneter Indi- kator und sollte daher nicht mehr verwendet werden.

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