A3374 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 497. Dezember 2007
P O L I T I K
F
ür den Antidoping-Experten Prof. Dr. rer. nat. Werner Fran- ke (Heidelberg) ist es „eine Grotes- ke am Rande“. Für die Universitäts- klinik Freiburg dürfte ein erhebli- cher Imageschaden entstanden sein.Am 26. November konnte ihr Ärzt- licher Direktor, Prof. Dr. med. Mat- thias Brandis, in der Süddeutschen Zeitung online lesen, was eigentlich vertraulich zwischen der Universität und dem des Dopings beschuldigten Sportmediziner Dr. Georg Huber vereinbart worden war: dass das Ar- beitsverhältnis mit Huber „unverän- dert und zu (. . .) unveränderten Be- dingungen fortgeführt“ werde, ob- wohl der Sportarzt zugegeben hatte, 1987 den Radfahrern Jörg Müller und Christian Henn das Testosteron- Präparat Andriol gegeben zu haben.
Die Universität hatte mitgeteilt, Huber sei mit sofortiger Wirkung suspendiert worden. Daraufhin hat- te Franke (Mitglied einer zur Unter- suchung der Vorwürfe eingerichte- ten Kommission) in einer Sendung des ZDF vom „Rausschmiss“ Hu- bers gesprochen. Dagegen klagte Huber.
Wer wann was wusste
Am 26. November, einen Tag vor der Verhandlung, legten Hubers An- wälte den Vertrag ihres Mandanten mit der Universität als Beweis für ein Fortbestehen der Beschäftigung vor. Er gelangte an die Öffentlich- keit. Franke wird nun nicht mehr von Rausschmiss reden.
Die Polizei ermittelt gegen drei Ärzte des Freiburger Instituts für Sportmedizin wegen Verstoßes ge- gen das Arzneimittelgesetz. Außer Huber sind das Prof. Dr. med. An- dreas Schmid und Dr. Lothar Hein- rich. Sie haben – nach wochen- langem Leugnen – im Mai dieses Jahres zugegeben, Radsportler des Teams Telekom gedopt zu haben.
Der ehemalige belgische Radsport- Masseur Jef D’Hont hatte im April die Lawine der Enthüllungen zu Do- pingpraktiken der Freiburger Ärzte durch ein Gespräch mit dem „Spie- gel“ (Nr. 18 vom 30. 4. 2007) ins Rollen gebracht. Schmid und Hein- rich wurde fristlos gekündigt, woge- gen sie derzeit klagen.
Auch Huber hatte zunächst eine außerordentliche Kündigung erhal- ten und klagte ebenfalls. Auf Anra- ten von Juristen nahm die Univer- sität die Kündigung jedoch zurück.
Sie wurde ersetzt durch die Verein- barung, dass Huber als Hochschul- mitglied weder Sportler noch Pati- enten behandele. An Gehalt und Diensträumen änderte sich nichts.
„Für die Außenwirkung wäre es ver- mutlich günstiger gewesen, das Ar- beitsgericht entscheiden zu lassen“, sagt der Pressesprecher der Unikli- nik, Rudolf-Werner Dreier. „Aber Dr. Huber geht im Februar 2008 in den Ruhestand. Darauf und auf sei- nen im Mai dieses Jahres äußerst la- bilen seelischen Zustand hat die Universität Rücksicht genommen.“
Zu viel Rücksicht. Denn in einer Präambel zur Vereinbarung zwischen Huber, der Universität und dem Land Baden-Württemberg als obersten Dienstherr heißt es: „Herrn Dr. Huber war bekannt, dass Andriol auf dem Index stand, er verabreichte dies je- doch nicht zu Dopingzwecken, son- dern um die nach damaliger sport- medizinischer Ansicht vorhandene medizinische Dysbalance auszuglei- chen. Mittlerweile ist durch klinische Studien im Übrigen bestätigt, dass Testosteron keine leistungssteigernde Wirkung zukommt.“
„Das ist mir neu“, sagt Sebastian Thormann (Leiter der Arbeitsge- meinschaft Medizin und Analytik bei der Nationalen Anti Doping Agentur in Bonn) dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). Bis zum Mai die-
ses Jahres hatte auch Huber der Ar- beitsgruppe angehört. Dass Testos- teron nicht leistungssteigernd wir- ke, hatte der frühere Leiter der Frei- burger Sportmedizin, Prof. Dr. med.
Joseph Keul, Ende der 80er-Jahre nach einer Untersuchung mit Ski- langläufern behauptet. Seither aber sind zahlreiche Studien publiziert worden, die diese Meinung widerle- gen. Testosteron wird von Sportlern eingesetzt, weil es Muskelmasse aufbaut, den Abbau von Muskelzel- len bremst und die Regenerationszeit verkürzt. Seit Jahrzehnten stehen anabole Steroide auf der Liste der im Profisport verbotenen Substanzen.
Vereinbarung war dem Ministerium unbekannt
Auch Brandis räumt nun ein: „Die Aussage, Testosteron sei nicht leistungssteigernd, ist nachweislich falsch.“ Das Wissenschaftsministe- rium in Stuttgart teilte auf Anfrage mit, man habe die Dienstvereinba- rung nicht gekannt, anderenfalls wäre sie nicht gebilligt worden. Bis Redaktionsschluss hatte die Behör- de noch nicht entschieden, ob sie Konsequenzen aus diesen Vorfällen ziehen werde.Offenbar mit Bezug auf diese Ver- einbarung hatten Hubers Anwälte vom DÄ eine Richtigstellung eines Editorials vom 1. Juni (DÄ, Heft 22/
2007) verlangt. Huber habe nicht Do- ping gestanden, sondern angegeben, zwei Fahrern in einem eng umgrenz- ten Zeitraum Andriol aus medizini- schen Gründen verabreicht zu haben.
Das DÄ sieht jedoch keinen Anlass, sich zu korrigieren. Noch am 31. Ok- tober hat das Bundeskriminalamt auch Hubers Arbeitsplatz am Univer- sitätsklinikum durchsucht, wie Ober- staatsanwalt Wolfgang Maier dem DÄ mitteilte. Es werde auch bei Hu- ber geprüft, ob er noch nicht verjährte Straftaten begangen habe.
Eine „rigorose Aufklärung“ hatte die im Rahmen der Exzellenzinitia- tive ausgezeichnete Universität Freiburg nach den Dopinggeständ- nissen ihrer Mitarbeiter verspro- chen. Die Freiburger Sportmedizin werde „in ihren gesamten Aktivitä- ten während der vergangenen 20 Jahre auf den Prüfstand gestellt“.n Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze