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eines anderen Künstlers Leben und Werk haben diese Zeitschrift und ihre ärztlichen Leser in den letz- ten Jahrzehnten des 20. Jahr- hunderts intensiver begleitet als Paul Wunderlichs, und kaum eine andere Berufs- gruppe dürfte eine solche Af- finität zu seinem Œuvre emp- finden. Kein Wunder, be- trachtet und bedenkt man den gleichermaßen geistvol- len Umgang mit der (verletz- lichen) Körperhaftigkeit des Menschen.1963 hat das „Deutsche Ärzteblatt – Ärztliche Mittei- lungen“ Wunderlichs „Klei- ne Anatomie“ vorgestellt, ei- ne Mappe mit acht fantasie- vollen, den menschlichen Körper verfremdend zerglie- dernden Lithographien; das war im gleichen Jahr, in dem der Künstler, aus Paris kom- mend, als Professor an die Kunsthochschule in Ham- burg berufen wurde, an der er bereits von 1951 bis 1960 in den grafischen Techniken un- terrichtet hatte.
Bezeichnend für das künst- lerische Selbstbewusstsein und die persönliche Charak- terstärke: Professor Paul Wunderlich gab 1967 mit dem Beamtenstatus gesicherte Be-
züge und den Titel aus freien Stücken auf und versagte sich damit dem Mob halbstarker Ideologen, die zu jener Zeit die Hochschulen (und nicht nur die) zu tyrannisieren be- gannen. Hamburg hat seither ein gehemmtes Verhältnis zu dem freischaffenden Wun- derlich – aber vielleicht än- dert das die neue Kultursena- torin Dana Horáková.
Wunderlichs Werk, in die- ser Zeitschrift zumindest in 5-Jahres-Abständen beschrie- ben, hat sich inzwischen un- überschaubar entfaltet. Den grafischen Arbeiten, Litho- graphien und Zeichnungen vor allem, den Gemälden, Pastellen – längst weltweit bekannt – fügten sich in den jüngsten Jahrzehnten Skulp- turen an, deren Werkver- zeichnis mittlerweile zwei rie- sige Bildbände füllt (Texte:
Prof. Dr. Heinz Spielmann, Fotos: Karin Székessy). Zwei intimere Bücher dokumen- tieren die jüngste Werkgrup- pe: Fragile Kaltnadel-Radie- rungen 2000/2001.
In allen Materialien der Bildenden Kunst hat Paul Wunderlich über die Ausfor- mung einer meisterlichen Manier hinaus einen unver- wechselbaren Stil entwickelt, V A R I A
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A656 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 10½½½½8. März 2002
Paul Wunderlich
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Der Hamburger Künstler hat konsequent seine ureigene, komplexe Welt geschaffen.
Der Künstler 2001 im Vaucluse:
Paul Wunder- lich wird am 10. März 2002 fünf- undsiebzig.
Zwei Stelen, ein bronzenes Paar, streng stilisiert (1997) Feuilleton
Fotos: Karin Székessy
und er hat seinen Stilwillen selbst Gebrauchsgegenstän- den oktroyiert: Tee- und Kaf- feegeschirren, Tellern, Be- stecken, Schüsseln und Kan- nen, Tischen und Stühlen.
Über die enthusiastische Überschrift einer Rezension aus der Feder von Prof. Dr.
Fritz J. Raddatz mochte man vor Jahren noch lächeln: Wun- derlich als eine Art „lieber Gott“, der erschafft, was er will. Aber das ist der Punkt:
Paul Wunderlich hat, nur sei- nem eigenen Wollen folgend, Zeitgeistströmungen und dar- aus fließende Kritik negierend und konsequent eine komple- xe, in sich stimmige Ästhetik bildend, seine ureigene künst- liche Welt geschaffen.
Und nun, in den jüngsten Monaten, die frappierende Hinwendung zu einer Serie von Schmuckentwürfen. Schon in diesem Frühjahr wird die Edition Volker Huber, Offen- bach am Main, seit langem den Lesern vertrauter Partner des Deutschen Ärzte-Verla- ges und dessen Versandbuch- handlung, ein Werkverzeich-
nis aller bis dato von Wunder- lich entworfenen Schmuck- stücke herausbringen, mit Farbfotos von Karin Székessy brillant illustriert. Die Edition Volker Hu- ber hat jüngst mit der Her- ausgabe eines Ginkgo-Col- liers und eines Venus-Colliers Schmuckstücke
Paul Wunderlichs geradezu populär gemacht, vor allem in der jüngeren Generation.
Nach Ausstellungen der letzten Jahre in Paris, Hong- kong, Kopenhagen, Houston, Retrospektiven in fünf Mu- seen Japans, zuletzt 2001 im Museum von Hokkaido, wer- den bis 27. April in der Stichting Veranneman in Kruishoutem, südwestlich von Gent, die aktuellen Werkgruppen Wunderlichs ausgestellt: Kaltnadel-Radie- rungen, Skulpturen und Schmuck (an allen Tagen außer Sonntag/Montag und Feiertagen von 14 bis 18 Uhr
geöffnet). E. R.
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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 10½½½½8. März 2002 AA657
Elegante Schmuckstücke: Venus-Col- lier (oben) aus massivem Silber mit einer rosafarbenen Zuchtperle; Di- anas eingefärbtes Plastikköpfchen (rechts), silberner Butt; Selbstporträt, auf Plastik gezeichnet
„Konsultation“, Kaltnadel-Radierung
(Auflage: 20), 2001
Typische Hand- schrift des Künstlers auch im Rosenthal-Por-
zellan
„Maler und Modell“, Pastell/Gouache, 1998