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Archiv "Verhaltenstherapie gegen gesundheitsschädigendes Verhalten am Arbeitsplatz" (03.01.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

TAGUNGSBERICHTE

Verhaltenstherapie gegen gesundheits- schädigendes Verhalten am Arbeitsplatz

Moderne Arbeitsbedingungen, vor allem die zunehmende Tech- nologisierung der Arbeitswelt, for- dern Verhaltensweisen, die sich in vielen Bereichen zu erheblicher Streßbelastung entwickeln. Streß- belastung hat schwerwiegende Folgen. Für den einzelnen rei- chen sie vom Verlust der Motiva- tion und der Arbeitszufriedenheit bis zu psychosomatischen und or- ganischen Erkrankungen. Für Un- ternehmen und andere Arbeit- geber bedeutet das sinkende Effizienz durch zunehmende Aus- fallzeiten und unproduktive Leer- zeiten. Der Kongreß „Verhaltens- management in Organisationen", der im Rahmen der 15. Jahresta- gung der Europäischen Gesell- schaft für Verhaltenstherapie in München stattfand, zeigte, daß die Zusammenarbeit von Verhal- tenswissenschaft und Manage- ment notwendig ist, um Wirt- schaftlichkeit und Menschlichkeit zu optimieren. Unter dem Thema

„Verbesserung der betrieblichen und individuellen Effizienz" wur- den theoretische und praktische Ansätze dieser Zusammenarbeit vorgestellt.

Neue Technologien und Streß Die breite Einführung neuer Tech- nologien führt nicht nur zu Ar- beitserleichterung und Kostenein- sparung. Streßbelastung tritt hier in unterschiedlichen Formen auf.

Prof. Dr. Michael Freese vom Psy- chologischen Institut der Universi- tät München stellte in seinem Ein- führungsreferat die Auslösbarkeit von Streß in drei Bereichen dar:

im kognitiven Bereich durch An- forderungen an Konzentration und Schnelligkeit bei der Aufnah- me von Informationen, die durch den Computer mitgeteilt werden, im sozialen Bereich durch Rollen- konflikte (zum Beispiel die Furcht, durch den Computer „überflüs- sig" zu werden) oder durch sozia-

le Konflikte mit Mitarbeitern oder Vorgesetzten. Im körperlichen Bereich führen ungünstige Kör- perhaltungen oder Ermüdung durch monotones Arbeiten zu Streß. Speziell bei Unterbrechun- gen des natürlichen Handlungs- flusses durch lange Responsezei- ten eines Systems treten kogniti- ve und emotionale Belastungen auf. Grundsätzlich plädierte Free- se dafür, Mitarbeiter anzuregen, sich bei der Bewältigung von Streßsituationen auf die eigenen Ressourcen zu besinnen, das heißt kognitiv für ausreichende Qualifikation zu sorgen, sich emo- tional gegenseitig zu stützen und bei körperlichen Belastungen alle Möglichkeiten der Einflußnahme bei der Gestaltung von Arbeits- plätzen auszuschöpfen.

Dr. Theo Wehner vom Studien- gang Psychologie der Universität Bremen zeigte, daß Streß auch durch fehlende Beanspruchung entstehen kann, nämlich durch ei- nen Mangel an „gestisch-rhyth- misch-ästhetischem Tun" bei der Überwachung von Computern oder Maschinen. Gerade bei her- abgesetzter Vigilanz durch mono- tone Überwachungstätigkeiten zeige sich, daß in solchen Situa- tionen automatisch auf erlernte Handlungsgestalten zurückgegrif- fen und nicht auf die aktuelle La- ge reagiert werde. Die Handlungs- programme des motorischen Sy- stems würden zu Handlungsbe- dürfnissen, die zu schweren Feh- lern führen könnten. Die Angst, hier falsch zu reagieren, sei ein weiterer Streßauslöser.

Prof. Dr. Zimolong vom Psycholo- gischen Institut der Ruhruniversi- tät Bochum beschrieb Probleme der automatischen Fertigung: Mo- notonie im Arbeitsablauf sowie die Abnahme sozialer Kontakte lassen die Fähigkeiten der Mitar- beiter verkümmern. Zimolong:

„Wer nicht mehr spricht, bringt auch keine guten Ideen hervor."

Er stellte eine in England verwirk- lichte Alternative vor, die „Sozial- technologie". Dabei program- miert und kontrolliert ein Opera- tor einen Rechner und führt mit ihm einen „Dialog", in dem der Rechner ihm Rückmeldungen über die Entwicklung des Systems durch seine Anweisungen gibt.

Diese Art von „Kooperation" und

„Kommunikation" löst zwar einer- seits die Probleme von Monotonie und Dequalifizierung, führt aber zu der Forderung nach hohen Ausbil- dungsstandards und Verantwor- tung. Dies wiederum sind streßaus- lösende Momente. Die Frage nach sinnvoller Streßbewältigung im Umgang mit neuen Technologien blieb unbeantwortet.

Streßbelastung ist meßbar Prof. Dr. Dr. H.C. Brengelmann stellte einen unter seiner Leitung im Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie entwickelten Streß-Diagnostik Fragebogen (SCOPE = S - stress + COPE - co- ping) vor. Damit können sowohl individuelle Streßauslöser erfaßt, wie auch positive oder negative (= ineffektive) Streßbewältigungs- strategien einer Person ermittelt werden. Mit 300 Items lassen sich drei Oberbegriffe, nämlich Er- folgsorientierung (definiert etwa über Leistungsorientierung, Ge- wissenhaftigkeit, private Freiheit, Kontaktfreude), Streß (definiert zum Beispiel über Morgenmüdig- keit, Leistungseinschränkung, Pessimismus) und Zurückhaltung (definiert etwa über soziales Des- interesse, Unsicherheit im Ge- spräch, Verdrängung) als typische Persönlichkeitsmerkmale be- schreiben. Interessante Zusam- menhänge ergaben sich bei ver- schiedenen Patientengruppen hinsichtlich der Merkmale Er- folgsorientierung und Streß. Ge- sunde Probanden zeigten auf ei- ner Meßskala zwischen 1 und 6 ei- nen Wert von 4 für Erfolgsorientie- rung, für Streß den untersten Wert von 1. Patienten mit koronarer Herzkrankheit hatten bei beiden Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 1/2 vom 3. Januar 1986 (33) 29

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TAGUNGSBERICHTE

Merkmalen einen relativ hohen Wert von 5. Krebspatienten zeig- ten in beiden Merkmalen den Wert 3. Patienten mit autonomem Syndrom (neurovegetative Er- schöpfung) hatten hinsichtlich Er- folgsorientierung den Wert 1, hin- sichtlich Streß den Maximalwert von 6. Brengelmann wies darauf hin, daß sich in dieser Gruppe häufig psychiatrische Patienten fänden.

Streßmanagementtraining für Polizisten

Breite Anwendung soll der Streß- Test in Zukunft in einem langfri- stig angelegten Streßmanage- ment-Trainingsprojekt finden, das in Zusammenarbeit mit der Höhe- ren Landespolizeischule des Lan- des Nordrhein-Westfalen in Mün- ster entsteht. Wie Horst Olszews- ki, Leiter der Schule, berichtete, konnten hier bisher 2000 Polizi- sten in einem dreiwöchigen Ver- haltenstraining in der Erkennung und Bewältigung von Streßsitua- tionen geschult werden. Ziel der Maßnahme ist es, die Teilnehmer in die Lage zu versetzen, in Bela- stungssituationen „im körper- lichen Kontakt mit dem Bürger"

(= Schlägereien) oder bei Ver- kehrsunfällen mit Schwerverletz- ten kurzfristig Erregungsspitzen zu kappen (De-eskalation von Streßreaktionen) sowie langfristig ihre Belastbarkeit zu erhöhen.

Auf der Basis von Stressoren- und Verhaltensanalysen, wobei auch ineffektive Streßbewältigungsver- suche wie zum Beispiel das Ziga- rettenrauchen „entlarvt" werden, lernen die Polizisten Techniken wie Entspannungsmethoden, Desensibilisierung, Problemlö- sung, Einstellungsveränderung, Kommunikation und Arbeitsme- thodik und üben diese in Rollen- spielen ein. Die Ergebnisse sind ermunternd. Die Teilnehmer fühl- ten sich, wie die verantwortliche Trainerin mitteilte, nach dem Trai- ning insgesamt leistungsfähiger, entspannter, in der Kommunika- tion sicherer und in Belastungssi- tuationen souveräner. Sie beton-

te, daß bei vielen bereits die Ge- wißheit, für den „Ernstfall" Metho- den zur Bewältigung zur Hand zu haben, zu mehr Selbstvertrauen und Sicherheit führte.

Die Psychologin Dr. Gabriele Nie- beI von der Universität Kiel be- richtete über Erfahrungen mit dem Training positiven Verhaltens in kleineren Betrieben, bei Kran- kenhauspersonal und bei psycho- somatisch kranken Personen. „Ei- ne ständige Stimulation der nega- tiven Bestrafungszentren im Ge- hirn führt dazu, daß Motivation und Leistung, Gesundheit und Wohlbefinden leiden. Angst, De- pression und Schwächung der körpereigenen Abwehrkräfte grei- fen immer mehr um sich. Man muß einfach wieder lernen, die positiven Verstärkerzentren zu ak- tivieren." Der Aufbau von positi- ven Verhaltensalternativen findet in der Gruppe unter therapeuti- scher Leitung statt. Gelernt wird, eigene Meinungen und Wünsche ohne Aggression zu vertreten, po- sitive Erfahrungen mit dem eige- nen Verhalten wahrzunehmen und zu berichten, andere sozial zu verstärken, befriedigende und körperlich angenehme Erlebnisse herbeizuführen (durch Entspan- nungsübungen, bewußten Genuß von Speisen, Gerüchen usw.) und vieles mehr. Psychosomatische Patienten zeigten noch Monate nach einem solchen Training (in dem übrigens im Gegensatz zu anderen Therapien viel gelacht wird) eine deutliche Abnahme von sozialen Ängsten, Schlafstörun- gen und Beruhigungsmittelver- brauch.

Insgesamt vermittelte der Kon- greß den Eindruck, daß im Be- reich betrieblicher Gesundheits- vorsorge ein großes Betätigungs- feld liegt. Nicht nur für Verhal- tenstherapeuten und Unterneh- mensberater, sondern auch für Betriebskrankenkassen, Sozialbe- auftragte der Unternehmen und die — bedauerlicherweise nur in sehr geringer Zahl anwesenden — Betriebsärzte.

Dr. med. Sabine Schonert

Wettbewerb

in den Freien Berufen

Das mit einer Plauderei des Präsi- denten des Bundeskartellamtes, Professor Dr. Wolfgang Kartte, Berlin, eingeleitete vierte Wissen- schaftliche Symposion des Insti- tuts für Freie Berufe an der Fried- rich-Alexander-Universität Erlan- gen-Nürnberg (Thema: „Wettbe- werb in den Freien Berufen") wur- de wieder zu einem Erfolg. Der Akzent lag bei der Erörterung des Wettbewerbs in den Freien Beru- fen der unmittelbaren Dienstlei- stung durch Beratung, Vertretung und Betreuung und damit bei den großen Gruppen der Berufe mit qualifiziertem Berufszugang und Selbstverwaltungen zur rechtli- chen und ethischen Diszi- plinierung der individuellen Be- rufsausübung in der Bindung an das Gemeinwohl.

Zu wenig beachtet wurden aller- dings die Wettbewerbsprobleme in den durch Medien wirkenden Urheberberufen. Der Präsident des Bundeskartellamtes fand es interessanter, die Randprobleme des Wettbewerbs für Kosmetika in Apotheken zu erörtern, als die öf- fentlich-rechtlichen Medienmono- pole auch nur zu erwähnen. Als bedeutsam wurden die Probleme des Nachwuchsdruckes und der Qualitätssicherung erkannt. Volle Übereinstimmung bestand in der Bejahung des qualitativen Lei- stungswettbewerbs, ohne diesen jedoch ganz allgemein für alle freiberuflichen Leistungen global definieren zu können. Der von manchem Beobachter erwartete Streit zwischen Werbungspropa- gandisten und Werbegegnern hielt sich zwischen den beiden Feststellungen:

1. Das wichtigste ist der Wettbe- werb, für die Freien Berufe muß er jedoch eingegrenzt werden.

2. Im Bereich der Freien Berufe muß Werbung verboten werden, soweit sie nicht schon stattfindet und erlaubt ist. FM 30 (34) Heft 1/2 vom 3. Januar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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