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Archiv "Biocomputer – eine Zukunftsvision?" (05.03.1986)

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EDITORIAL

D

ie Grenzen der Miniaturi- sierung bei den heute ein- gesetzten Computern und ih- ren Bauteilen, den Chips, sind, wenn auch noch nicht erreicht, aber doch abzuse- hen. Liegt die Grenze der Sili- ziumtechnik bei dem 1-Mega- bit-Speicher, der 1987 auf den Markt kommen soll und über den zur Zeit Fach- und Allge- meinzeitschriften berichten, oder liegt sie bei dem 4-Mega- bit-Speicher oder erst bei dem 16-Megabit-Speicher? Sicher ist nur, daß es eine Grenze aus wirtschaftlichen und phy- sikalischen Gründen gibt. Ir- gendwann ist die heutige Halbleitertechnik ausgereizt;

daher muß es und wird es ei- ne Nachfolgetechnologie ge- ben.

Folgt der Siliziumtechnik die Bioelektronik?

Zwar sind Antworten auf diese Frage heute in vielerlei Hin- sicht noch Spekulation. Man- che Vordenker halten es für möglich, daß die Nachfolge- technologie der Halbleiter- elektronik eine Bioelektronik sein wird, so wie die Halblei- terelektronik in den 50er und 60er Jahren die Nachfolge- technologie der Vakuumelek- tronik der Röhre wurde.

Nach der klassischen Defini- tion versteht man unter der Bioelektronik oder der Elek- tronik in der Biologie und Me- dizin die Anwendung der Elek- trizitätslehre und Elektronik für Diagnostik und Therapie.

Ihre Hilfsmittel und Bauteile sind die konventionellen elek- trischen und elektronischen Geräte und Bauteile: Wider- stände, Kondensatoren, Dio- den, Transistoren, integrierte Bausteine (Chips).

Vielmehr handelt es sich hier um eine neue Art der Bioelek- tronik, die sich nicht mehr

herkömmlicher Bauteile aus anorganischen Stoffen be- dient. Statt dessen sollen Bau- elemente aus organischen Substanzen eingesetzt wer- den, die Eiweißkörper als akti- ve Komponenten enthalten und für die sich der griffige, etwas populärwissenschaftlich gefärbte Begriff der Biochips eingebürgert hat. Biochips sind also keine Chips aus bio- logischem Gewebe, also keine in irgendeiner Weise „leben- den" Chips.

Schon 1974 wurde Aviram ein Patent für einen digitalen, or- ganischen Speicher erteilt.

1978 wurden von McAlear sich selbst organisierende Mole- külstrukturen, die die heutigen Halbleiter-Chips ersetzen soll- ten, zum Patent angemeldet.

Wenn auch diese — und frühe- re — Überlegungen zu dem Thema noch theoretischer Na- tur waren, so wird die Berech- tigung der Ideen immerhin durch nicht unwesentliche, auch in finanzieller Hinsicht nicht unbedeutende Aktivitä- ten gestützt, existieren doch bereits einige Marktstudien und -prognosen.

Die Bioelektronik im neuen Sinn kann man in zwei Teilge- biete gliedern, bei denen je- weils organische Substanzen als Ersatz oder parallel zu Halbleitern der Siliziumtech- nik eingesetzt werden sollen:

> Die Biosensorik, die Sen- soren (Transducer) mit biolo- gisch aktiven Schichten ent- wickelt und einsetzt, eine heu- te schon genutzte Anwendung der Kombination von Silizium- technik und Biochemie.

> Die Molekularelektronik, die die Bauteile hinsichtlich Größe und Speicherungsdich- te um Größenordnungen ver- bessern will. Silizium ist bei diesen Abmessungen als Ma- terial nicht mehr brauchbar.

Erste bioelektronische Anwendungen

In der Biosensorik ist die Ent- wicklung schon bis zu den er- sten Anwendungen fortge- schritten. Ein mit einem Meß- wandler gekoppeltes Enzym als biologisch sensible Sub- stanz liefert ein Signal, das von einem Wandler in ein elektrisches Signal umgesetzt wird. Penizillinsensoren und Biosensoren zur Abwasser- kontrolle wurden 1961 vorge- stellt und werden bereits ein- gesetzt. In Japan wurde über einen optischen Schalter be- richtet, der mit Hämoglobin arbeitet. Probleme bereiten noch die Stabilität und der Dauerbetrieb; in vielen Fällen können nur Einmalsensoren hergestellt werden.

Die eigentliche Molekularelek- tronik befindet sich noch im Stadium der reinen Grundla- genforschung. Das Verhalten und die Reaktionen organi- schen Materials beruhen letz- ten Endes auch auf physika- lisch-chemischen Grundlagen.

Verglichen mit der Halbleiter- technik sind die Abmessungen aber wesentlich kleiner und der Energieumsatz wesentlich geringer, alles Eigenschaften, die auch für die Technik hoch- interessant sind.

Biologische Grundstoffe (zum Beispiel Proteine) können in Wechselwirkung mit anorgani- schen Stoffen (zum Beispiel Metallen) organometallische Verbindungen bilden. Organi- sche Polymere haben leiten- de, unter gewissen Umstän- den supraleitende Eigenschaf- ten. Bringt man bestimmte or- ganische Verbindungen als

Biocomputer

eine Zukunftsvision?

624 (64) Heft 10 vom 5. März 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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dünne Filme auf Metallfolien, zeigen sie in elektrischen Fel- dern oder bei Bestrahlung mit Licht Halbleitereigenschaften, so daß man sie als Schalter oder Informationsspeicher ver- wenden kann. Insbesondere Proteine, organometallische Verbindungen und Olefine wurden im Hinblick auf ihre Eignung als molekularelektro- nische Bauteile untersucht. Es scheint nicht ausgeschlossen, bei ihnen und mit ihnen tran- sistorähnliche Eigenschaften wie in der klassischen Silizi- umtechnik zu realisieren.

Immense

Speicherkapazitäten in der Molekularelektronik Die Speicherdichte der Erbin- formation in der Natur ist weit höher als die Dichte der Infor- mationsspeicherung selbst in den modernsten und größten EDV-Anlagen. In einer einzi- gen Zelle sind 20! bit Informa- tionen gespeichert. (Unter 20!

versteht man das Produkt 1.2.3.4.... •18.19.20, was rund 2,4.10 18 ausmacht.) Die Mole- kularelektronik könnte Spei- cherdichten von 10 15 bit/cm 3

ermöglichen, wenn als Mate- rial für die Speicher syntheti- sche Erbsubstanz (Nu- kleinsäuren) eingesetzt wer- den könnte. Für Speicher auf dieser Basis spekuliert man sogar über Speicherdichten von 10 18 bit/cm 3 . Das wäre in einem Kubikzentimeter das Millionenfache der Speicher- kapazität des menschlichen Gehirns. Kann man nach die- sem Vorbild und mit diesem Ziel technische Entwicklung betreiben?

Weitere handfeste Vorteile lä- gen in der Tatsache, daß ein solcher Computer beispiels- weise nicht durch elektroma- gnetische Störstrahlen beein- flußt würde, auch nicht durch den elektromagnetischen Im- puls bei Atombombenexplo- sionen, was wiederum das In-

teresse der militärischen Stel- len erklärt, die auch auf dem Gebiet der Biochips und Bio- elektronik nicht unbedeutende Aktivitäten zeigen.

Daß die Gentechnik heute ei- ne wichtige Rolle spielt und in Zukunft noch wichtiger wird, ist Allgemeingut. Aber nicht nur die Gentechnik, auch die Genelektronik als noch höchst exklusives Gebiet könnte zu- künftig eine Rolle spielen. So könnten Biochips unter Mithil- fe von Enzymen nach dem Vorbild von Viren aufgebaut werden. Könnte man bei- spielsweise mit Hilfe der Gen- technik ein technisch brauch- bares Molekül aufbauen, das sich nach dem Vorbild der Vi- ren in Zellen vermehren könn- te? Klonen ist Stand der Gen- technik. Utopie? Brotlose Kunst?

Noch viele ungelöste Probleme

für die Grundlagenforschung Zentrale Probleme liegen noch ganz im Bereich der Grundlagenforschung. Dazu gehört das Verständnis des Leitungsmechanismus in orga- nischen Substanzen, zu dem man im Gegensatz zur elektri- schen Leitung in Metallen noch keine Vorstellung hat.

Verschiedene prinzipielle Möglichkeiten einer Erklärung werden diskutiert. Welche grundlegenden Probleme hier noch zu lösen sind, zeigt al- lein die Frage, wie der elektri- sche Kontakt zu den organi- schen Substanzen, den Mole- külen, Bakterien hergestellt werden könnte.

Wie könnte die Ein- und Aus- gabe in einem Proteinspei- cher geschehen? Auch hier gibt es Vorschläge. Könnte es

— wie im lebenden Organis- mus — über materielle Sub- stanzen geschehen? Oder über elektrische Impulse wie bei den Nerven? Oder gar

über Laserlicht, also ganz oh- ne mechanische Kontakte?

Die Antwort ist noch vollkom- men offen!

Bei dieser Grundlagenfor- schung erwartet man zusätz- lich neue Einsichten in die Art und Weise, wie biologische Systeme biologisches Material steuern und regeln, mögli- cherweise mit Ergebnissen im Sinne der Bionik, diese Ver- fahren in irgendeiner Form wieder für technische Zwecke zu nutzen. Es ergäben sich auch philosophisch interes- sante Fragen: Hätte ein sol- cher chemischer Computer, ein aus organischen Chips aufgebautes System Gefühle?

Man ist der Ansicht, die Rea- lisierung derartiger Vorstellun- gen stehe zwar nicht vor der Tür, sei aber auch nicht aus- zuschließen. Mit konkreten Anwendungen wird erst nach der Jahrtausendwende ge- rechnet. Trotzdem herrscht bei manchen, auf dem Gebiet tätigen Wissenschaftlern gro- ßer Optimismus; sie halten Kritiker für kleinmütig, wenn sie auf die ungelösten Proble- me hinweisen. Aber es wird auch die Meinung vertreten, daß es prinzipiell — und damit für immer — unmöglich sei, Zugriff zu einzelnen Molekü- len und Elektronen zu bekom- men und sie an spezielle Stel- len zu dirigieren. Deswegen sei die Beschäftigung mit die- sen Ideen eine brotlose Kunst.

Literatur

Knapp, K. H.: Planspiele mit Biochips, Funkschau (1984), Heft 20,41-44 — Bio- elektronik, Nachfolger der Siliziumtech- nologie?, Siemenszeitschrift 58 (1984) Heft 3,31-35 — Nöldechen, A.: Biochips, die Zukunft im Visier, Elektronik (1985) Heft 13,65-69.

Professor Dr. rer. nat.

Adolf Habermehl Radiologie-Zentrum der Philipps-Universität Bahnhofstraße 7 3550 Marburg/Lahn

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 10 vom 5. März 1986 (65) 625

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