• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Borna-Disease-Virus - Ursache psychiatrischer Erkrankungen?" (28.05.1999)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Borna-Disease-Virus - Ursache psychiatrischer Erkrankungen?" (28.05.1999)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A-1422

M E D I Z I N

(54) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 21, 28. Mai 1999 as Borna-Disease-Virus (BDV)

war Thema eines Kongresses, der vom 27. bis 29. September 1998 in Freiburg stattfand und von Prof. Dr. Peter Staeheli unter Mitar- beit von Jürgen Hausmann, Christian Sauder und Martin Schwemmle orga- nisiert worden war. Es wurde über die Molekularbiologie, Pathogenese und Diagnostik der BDV-Infektion sowie über die Bedeutung der BDV-Infekti- on für den Menschen diskutiert.

Wie I. Lipkin (Irvine, USA) in sei- nem Eröffnungsvortrag über die Ent- wicklung der BDV-Forschung ausführ- te, arbeiten – ausgehend von den For- schern Zwick und Rott in Gießen – derzeit 29 Arbeitsgruppen an der Er- forschung des Borna-Disease-Virus.

BDV-Infektionen beim Tier

BDV ist ein neurotropes RNA-Vi- rus, das bei Schafen und Pferden Meningoenzephalitiden auslösen kann.

Es ist benannt nach der Stadt Borna in Sachsen, wo BDV vor etwa 100 Jahren eine Epidemie unter den Pferden einer Kavallerieeinheit ausgelöst hatte. A.

Grabner (München) sprach über die Symptome der natürlichen BDV-In- fektion des Pferdes, die initial mit Ver- haltensauffälligkeiten und Apathie, später dann mit Somnolenz, Im-Kreis- Gehen, Tortikollis, Trismus und Tre- mor einhergeht. In Bayern erkranken jährlich etwa 20 bis 30 Pferde, 80 Pro- zent der Tiere sterben an der akut auf- tretenden Erkrankung. Wie serologi- sche Untersuchungen an über 9 000 Pferden zeigten, haben etwa zehn Pro- zent der Pferde in Deutschland Anti- körper gegen BDV und haben daher irgendeine Form der BDV-Infektion durchgemacht. Als Überträger des Vi- rus werden neben Schafen und Pferden neuerdings auch Katzen diskutiert, da sich auch bei diesen Tieren BDV-Anti- körper nachweisen ließen. Wie das Vi- rus übertragen wird, ist jedoch weiter

unklar. In Frage kommt eine Infektion über die Nasenschleimhaut oder den Riechnerv, eine Infektion über peri- phere Nerven und eine Infektion über das Blut. Wie P. Schmidt (München) ausführte, ist eine Infektion über das Nasensekret oder die Tränenflüssigkeit unwahrscheinlich, da sich das Virus in diesen Körperflüssigkeiten des Pferdes nicht regelmäßig nachweisen ließ.

Inzwischen existieren Tiermodelle der BDV-Infektion, unter anderem der Ratte und der Maus. T. Briese (Irvine,

USA) stellte erste Daten der Etablie- rung eines Primaten-Modells der BDV- Infektion (Rhesus-Affen) vor. An die- sen Tiermodellen läßt sich die Pathoge- nese der BDV-Infektion genauer be- schreiben. L. Stitz (Tübingen) stellte die Immunpathogenese der BDV-In- fektion dar, die im wesentlichen durch CD8-positive T-Lymphozyten vermit- telt ist. J. Hausmann (Freiburg) zeigte, wie durch den Einsatz von Mäusen mit

genetischen Defekten die Rolle der einzelnen Komponenten des Immun- systems für diese Viruserkrankung er- gründet werden kann. J. C. de la Torre (San Diego, USA) und C. Sauder (Frei- burg) hoben die Bedeutung von Zyto- kinen und Chemokinen, insbesondere von Interleukin-1, Interleukin-6, Tu- mor-Nekrose-Faktor und Interferon al- pha für die Pathogenese der BDV-In- fektion hervor. Diese Arbeiten und weitere, die von T. Bilzer (Düsseldorf) und K. Carbone (Bethesda, USA) vor- gestellt wurden, weisen darauf hin, daß nicht nur die Immunantwort für die BDV-induzierte neurologische Erkran- kung verantwortlich ist. Unter speziel- len Bedingungen kann BDV auch in Abwesenheit von Entzündungsprozes- sen im Gehirn persistieren, was eben- falls erhebliche Störungen verschiede- ner Hirnfunktionen zur Folge hat.

BDV-Infektion und

psychiatrische Erkrankungen

Mehrere Eigenschaften von BDV nähren die Vermutung, daß es für die Pathogenese psychiatrischer Erkran- kungen des Menschen von Bedeutung sein könnte: BDV ist neurotrop und in- fiziert insbesondere Zellen des limbi- schen Systems, in dem Emotionen und Verhalten gesteuert werden; BDV führt beim Tier zu Verhaltensauffällig- keiten und kann spezifische Transmit- terveränderungen verursachen, die das dopaminerge und cholinerge System betreffen, also Transmittersysteme, die zum Beispiel bei Patienten mit Schizo- phrenie beziehungsweise Alzheimer- Demenz gestört sind.

Daß BDV eine Ursache psychia- trischer Erkrankungen des Menschen sein könnte, wird seit 1985 diskutiert.

Damals wurden erstmals erhöhte An- tikörperprävalenzen bei Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen be- schrieben. K. Bechter (Günzburg/Ulm) berichtete über die Ergebnisse ausge- KONGRESSBERICHT

Borna-Disease-Virus – Ursache psychiatrischer Erkrankungen?

D

Ein an der Borna-Krankheit leidendes Pferd. Können Pferde das Borna-Disease-Virus auf den Menschen übertragen?

(2)

dehnter seroepidemiologischer Unter- suchungen an etwa 15 000 psychiatri- schen, neurologischen und chirurgi- schen Patienten der Günzburger Klini- ken, welche in Kooperation mit S.

Herzog (Gießen) über viele Jahre sukzessiv untersucht wurden. 17- bis 30jährige psychiatrische Patienten wie- sen demnach eine siebenfach höhere BDV-Seroprävalenz als vergleichbare chirurgische Patienten auf. Bechter be- tonte, daß nicht anzunehmen ist, daß BDV eine bestimmte psychiatrische Erkrankung verursacht, sondern eher, daß es ein Spektrum von unterschiedli- chen Erkrankungen verursachen kann.

Charakteristika einer psychiatrischen Störung durch BDV sind möglicher- weise erhöhte Suizidalität und ungün- stigere Verläufe.

Nachweis von BDV

Sehr umstritten ist, ob sich BDV im Blut des Menschen direkt nachwei- sen läßt. L. Bode (Berlin) stellte die Er- gebnisse ihrer Arbeitsgruppe vor, wo- nach sich das Virus mittels PCR (Poly- merase-Kettenreaktion) im Blut von bis zu 50 Prozent der Patienten nach- weisen ließ und das Auftreten und Ver- schwinden von BDV auch mit dem Krankheitsverlauf korrelierte. Darauf aufbauend formulierte sie eine kausal- pathogenetische Bedeutung von BDV insbesondere für depressive Erkran- kungen, wies jedoch gleichzeitig darauf hin, daß durch BDV kein generelles Gesundheitsrisiko bestände. Schließ- lich könne das Virus auch im Blut ge- sunder Kontrollpersonen gefunden werden. So könne BDV nur eine psych- iatrische Erkrankung verursachen, wenn eine entsprechende Disposition bestände.

Daß der Nachweis von BDV im Blut schwierig sein kann und in unter- schiedlichen Labors zum Teil verschie- dene Ergebnisse erzielt werden, zeigte ein vom Paul-Ehrlich-Institut organi- sierter Ringversuch, dessen Ergebnisse von M. Nübling (Langen) vorgestellt wurden. Hierbei mußten sieben Labors unter „blinden“ Bedingungen 35 Blut- proben von psychiatrischen Patienten und Kontrollen mittels PCR auf das Vorkommen von BDV untersuchen. In keiner der Proben ließ sich reprodu- zierbar das Virus nachweisen. In vier

Labors waren verschiedene Proben po- sitiv. Da diese jedoch nicht mit den Er- gebnissen anderer Labors über- einstimmten, muß hier von Laborkon- taminationen ausgegangen werden, wie sie bei Verwendung dieser hoch- sensitiven Methode vorkommen kön- nen. Zu ähnlichen Resultaten kam K.

Ikeda (Tokyo, Japan), der die Ergeb- nisse eines Ringversuchs darstellte, der in Japan durchgeführt worden war.

Auf dem Hintergrund der Ergeb- nisse des Ringversuchs müssen die Be- funde, die von O. Planz (Tübingen) und H. Nowotny (Wien) berichtet wur- den, kritisch gesehen werden. Sie hat- ten BDV im Blut eines Patienten mit

„chronischer Somatisierungsstörung und Schizophrenie“ beziehungsweise bei einem Patienten mit dem „Chro- nischen Müdigkeitssyndrom“ nachge- wiesen. Interessant war, daß sich BDV bei dem Patienten mit der Somatisie- rungsstörung über einen Zeitraum von acht Monaten nachweisen ließ, was ei- ne persistente Virusinfektion wahr- scheinlich macht. Auch wenn Bestäti- gungsexperimente in anderen Labors noch ausstehen, scheint es doch mög- lich zu sein, daß sich das Virus bei ein- zelnen Patienten auch im Blut nachwei- sen läßt. Möglicherweise trifft dies eher für Patienten mit chronischen und schweren Verläufen zu.

M. Czygan (Freiburg) stellte die Ergebnisse von Untersuchungen vor, die der Frage nachgingen, ob BDV zu persistenten Infektionen des Gehirns bei psychiatrischen Patienten führen kann. Von den untersuchten 144 Post- mortem-Gehirnproben von Patienten mit Depression, Schizophrenie, Alzhei- mer-Demenz, Drogenabhängigkeit so- wie von Kontrollpersonen ließ sich das Virus nur in Gewebsproben von drei sehr alten Patienten mit einer atypi- schen, nicht mit Epilepsie assoziierten Hippocampus-Degeneration nachwei- sen. Die Patienten hatten unter affekti- ven Störungen, Halluzinationen und Gedächtnisstörungen gelitten. Diese Befunde zeigen, daß persistente BDV- Infektionen des Gehirns beim Men- schen wahrscheinlich selten sind, sie schließen jedoch transiente Infektio- nen nicht aus. Es ist denkbar, daß tran- siente BDV-Infektionen zu pathologi- schen Veränderungen führen, die eine Vulnerabilität für psychiatrische Stö- rungen mit sich bringen.

Therapie mit Amantadin

D. Dietrich (Hannover) stellte die Ergebnisse einer offenen Studie an 26 depressiven Patienten vor, bei denen Amantadin zur Augmentierung einer Standardtherapie mit klassischen Anti- depressiva gegeben wurde. Diese Be- handlungsstrategie basierte auf der Be- obachtung der Arbeitsgruppen aus Hannover und Berlin, daß Amantadin bei einer Patientin, bei der sich BDV im Blut nachweisen ließ, einen guten anti- depressiven Effekt hatte, der mit einer Viruselimination aus dem Blut einher- ging. Zusätzlich hatte die Berliner Ar- beitsgruppe um L. Bode und H. Lud- wig bereits früher zeigen können, daß Amantadin in Zellkulturen in der Lage war, BDV aus den Zellen zu eliminie- ren. In der vorgestellten Studie kam es bei einem Teil der Patienten zu guten und schnellen Besserungen, die jedoch nicht immer mit einer Viruselimination einhergingen. Eine kontrollierte Amantadin-Studie wird derzeit in Han- nover durchgeführt. Wie in der Diskus- sion deutlich wurde, werden diese Be- funde, was den Zusammenhang mit BDV betrifft, sehr kontrovers beurteilt:

Zum einen konnte der Effekt von Amantadin in Zellkulturen oder Tier- modellen von drei anderen Arbeits- gruppen nicht reproduziert werden, zum anderen kann der antidepressive Effekt von Amantadin auch über des- sen dopaminergen Effekt und NMDA- Antagonismus erklärt werden.

In der abschließenden Diskussion unter der Leitung des Vorsitzenden der Gesellschaft für Virologie O. Hal- ler (Freiburg) und R. Rott (Gießen) wurde versucht, die Hauptziele der zukünftigen BDV-Forschung in bezug auf den Menschen zu formulieren. Da- zu gehören vornehmlich die Verbesse- rung der Testsysteme für die Diagnose einer BDV-Infektion (PCR, serologi- sche Methoden), die Erforschung der Virus-Reservoire und der Übertra- gungswege sowie die Behandlung BDV-assoziierter Erkrankungen des Menschen.

Dr. med. Klaus Lieb Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie

Universitätsklinik Freiburg Hauptstraße 5

79104 Freiburg

A-1423

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 21, 28. Mai 1999 (55) KONGRESSBERICHT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

→ Beratungsangebote und Hilfen im universitären Alltag für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung. →

– >50% aller Menschen berichten über Schlafstörungen – Erholsamer Schlaf ist wichtig für Wohlbefinden und

deutschen Reiches geführt, so daß er heute eng mit jenen Bildhauern zusammen genannt werden kann, die das folgende Kapitel dieses Buches behandelt. Auch ~Ferdinand Li e be

Zusammenfassend er- gibt sich folgendes Bild: Während fast alle als psychisch nicht krank einge- schätzten Bewohner nach vier Jahren eine, wenn auch meist randständige

a) Die Tübinger Endemie: Das Zusammenwirken verschiedener Schadstoffe in kleinen Mengen ist viel eher in Industriegebieten zu er- warten als in einer Universitätsstadt

Experimentelle Infektionen mit dem Virus der Bornaschen Krankheit (Borna disease virus, BDV) führen zu einer persistierenden Virusinfektion des zentralen Nervensystems

Verbinde die Wörter in den Planeten mit den Vorsilben in den Sonnen, damit sinnvolle Wörter entstehen... Vorsilben „be“

Die Wörter können auch im Wörterbuch nachgeschaut werden um zu sehen, ob es dieses Wort tatsächlich gibt und natürlich auch um den Umgang mit dem Wörterbuch zu üben. Es