RINDERHALTUNG
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Bernhard Haidn, Alois Kramer u nd Hans Schön, Freising
Eingestreute Milchviehställe
Wärmeströme der liegefläche
Rinder benötigen außerhalb der thermo
neutralen Zone zusätzliche Energie für Thermoregulationsmechanismen. Diese Energie steht nicht mehr für Leistung zur Verfügung. Wärmedämmende Maßnahmen oder eingestreute Liegeflächen können den Wärmeab-/zufluss und damit die Grenzen der thermoneutralen Zone verän
dern. Mit Hilfe eines Kalorimeters wurden Wärmeströme zwischen einem Wasser
körper mit Tierkörpertemperatur und verschiedenen Liegeflächen (Liegeboxe, Tretmist-, Tiefstreumatratze) gemessen sowie Einflussgrößen quantifiziert.
Z
wischen Rind und U mwelt findet ein ständiger Energieaustausch statt ( Bild 1 ) . Da Rinder 9 bis 13 h/d liegend mit Wiederkäuen und Dösen verbringen, beeinflussen d ie Wärmeströme zwischen Tier und Liegefläche (Wä rmekond uktion) d ie Thermobilanz der Rinder ebenso wie der Wärmeenergieaustausch m it der Um
gebungsluft (Evaporation, Konvektion und Konduktion) sowie m it der Gebäu
dehülle (Radiation und Kondu ktion) . Der Energieaustausch lässt sich bau
technisch d urch untersch iedliche Gebäu
dehüllen und damit u nterschiedliche Stalllufttemperaturen oder Bodengestal
tungen (etwa Wärmedämmung) beein
fl ussen. i n diesem Sinne wirken a uch un
terschiedlich große Einstreu mengen. Sie ü ben einen direkten Einfluss auf die Wär
m ekonduktion zwischen Liegegrund und Tier und damit a uf die gesamte Thermo
bilanz a us. M it d iesem Stellglied ist inner
halb bestim mter Grenzen der thermore
gulatorische Energieaufwa nd für das Tier zu beeinflussen . Die Wirkung unter
schiedlich eingestreuter Liegeflächen war i m Rahmen eines von der DFG geförder
ten Forschungsprojektes zu untersuchen.
Wärmestrommessung
Wärmeströme zwischen einem liegenden R ind und der Liegefläche lassen sich nur schwer messen. Deshalb wurde eine M esseinrichtung gebaut, die d ie Wärme
ströme nachempfindet, denen ein l ie-
gendes Tier ausgesetzt ist. H ierfür wurde ein tragbares Kalorimeter konstruiert, das einen Druck, der annähernd dem einer liegenden Kuh entspricht, a uf die U nter
lage ausübt ( Bild 2). Das Kalorimeter be
steht a us einem mit rund 85 kg Wasser gefüllten wärmegedämmten Gefäß mit dün ner, flexibler Bodenmembra n . Ein Thermostat mit angeschlossener Um
wälzpumpe hält das Wasser a uf vorgege
bener konstanter Temperatur. Zwischen dem Gefäß und dem zu prüfenden Bo
dengrund befindet sich ein 10 mm d icker Wärmestromsensor, dessen kalibriertes Ausgangssignal proportional dem Wär
mestrom ist, der dem Wasserkörper über die Bodenmembran zu- oder a bfließt.
Dem Wasserkörper zufließende Ströme werden mit positivem, abfließende Ener
gieströme mit negativem Vorzeichen ge
ken nzeichnet. Weitere Sensoren messen die Oberflächentemperaturen am Wär
mestromsensor sowie d ie Untergrund
temperatur in 10 cm und 20 cm Tiefe. Ein Datalogger speichert d ie Messgrößen für d ie spätere PC-Auswertung.
Ergebnisse
Der Wasserkörper im Kalorimeter wurde a uf Tierkörpertem peratur (39 °C) erwärmt und die Wärmeströme zwischen Wasser
körper und den in Sta l l u ngen ü blichen Liegeflächen ( Liegeboxe, Tretmist-, Tief
streumatratze) aufgezeichnet. Verschie
dene Einflüsse werden qua ntifiziert.
Stallsystem
Die gemessene Wärmea bfu hr von einge
streuten Liegeboxen ist im Durchschnitt größer als von tiefeingestreuten Liegema
tratzen in Tretmist- oder Tiefstreuställen ( Tab. 1). Ein Mittel
wertsvergleich (Tucky-Test) ergibt allerdings, dass hin
sichtlich der Wär
merücklieferung die U ntersch iede zwi
schen den einge
streuten Ha ltungs-
Bild 1 : A usgewählte Energieströme im System Umwelt - Rind Fig. 1 : Selected heat f/ows in the system
systemen bei einem Signifikanzniveau von a = 5 % nicht sign ifikant sind . Die U r
sache liegt a n der großen Streuung der Werte im Tretmist- u n d Tiefstreusystem.
Weitere verfahrenstechn isch relevante Einflussfaktoren sind d eshal b maßgeblich und genauer zu untersuchen.
Stalllufttemperatur
Ein Einfluss der Umgebu ngstem peratur auf die Tem peratur der Liegematratze konnte bei einem r2 = 0, 13 nachgewiesen werden, jedoch nicht a uf d ie Wärme
stromdichte. Die linea re Regressionsge
rade la utet:
T Liegemalatze [°C] = 1 8,43 °C + 0,505 [°Cf0Cl • TLu« [°C] (r2 = 0, 13)
M it steigender U mgebungstem peratur verri ngert sich der Wä rmeü bergang von der Liegematratze an d ie U mgebungsluft Durch diese geringere Wärmea bfu hr er
wärmt sich die Matratze, bis sich a uf ei
nem erhöhten Tem peraturniveau ein neu
es G leichgewicht zwischen mi krobieller Wärmeprodu ktion und Wärmeabfuhr an die U mgebung einstellt.
Liegematratzendicke
Die Matratze ist ein Körper, der als Wär
mesenke und auf G ru n d starker mikrobi
eller Aktivität a uch a ls Wärmequelle wirkt.
Dabei spielt die Dicke der Stoffsch icht ei
ne Rolle, d ie vom Wärmestrom durchflos
sen werden muss. Folgende logarithmi
schen Zusa mmenhänge zwischen der Matratzendicke und deren Tem peratur und Wärmestrom wurden gefunden:
Tuegematratze [°C] = 1 8,22°C + 15,31 [°C/cm] • lg (dMistmatratzeJ[cm] (r2 � 0,35) Quegematratze [W/m2] = -301 ,5 W/m2 +
88,5 [W/m2cm ] • lg (d Mistmatratze)[cm]
(r2 = 0,33) Trockenmassegehalt
Ein quadratisches Regressionsmodell er
klärt 76 % der Schwan kungen der Wär
mestromdichte ( Bild 3) .
QMistmatratze [W/m2] = -1016 W/m2 +
60,05 [W/(m2 (g/lOOg))] • TSMistmatratze Luftraum
Evaporation evaporatlon Wärmestrahlung hast radiation
Leistung power:
- Milchleistung milk yleld - Gravidität prsgnancy - Trächtigkeit growth
Dr. agr. Bernhard Haidn und Dipl. lng.agr.
Alois Kramer sind Mitarbeiter der Bayeri
schen Landesanstalt für Landtechnik, Vöttin
gerstr. 36, D-85354 Freising, e-mail:
haidn@tec.agrar. tu-muenchen.de. Prof Dr.
Dr. h. c. Hans Schön ist Leiter dieser Anstalt. environment-cattle L __ ___::::::::::::_ __�==========�---__j
306 53. Jahrgang LANDTECHNIK 5/98
. . .
[g!lOOgJ - 0,846 [W/(m2(g/100g)n • (TSMistmatratze [g/100g])2 (r2 = 0, 76) Der Trockenmassegehalt übt einen zwei
fachen Einfluss auf den Wärmestrom aus.
Die lineare Kom ponente ka n n a ls ver
mehrte Wärmeproduktion je % TM ange
sehen werden, d ie quadratische Kompo
nente als Abnahme der Wärmeleitfähig
keit mit zunehmendem Trockenmasse
gehalt.
Der Anteil der Trockenmasse wirkt sich sowohl auf die mikrobielle Aktivität und damit auf d ie Wärmeprod uktion aus als auch auf d ie Wärmeleitfähigkeit der Ma
tratze. Deshalb ist es wichtig, diesen Parameter eindeutig über d ie Einstreu
menge regeln zu können. Aus den Mes
sergebnissen konnte folgender Zusam
menhang hergestellt werden:
TSuegematratze [%] = 18,4 [%] + 1 ,36 [%/kg/Tier] • MEinstreu [kg/Tier]
(r2 = 0,61)
Multiples Wärmestrommodell
Die Wärmestromdichte über eingestreu
ten M istmatratzen lässt sich durch die li
nea re Kombination der drei Merkmale Trocken massegehalt Matratzentiefe u nd -tem peratur genauer erklären als ledig
lich durch eine unabhängige Variable.
Diese drei Einflussfaktoren erklären zu 85 % die Schwankung der Wärmestrom
d ichte. Die lineare Regressionsgleichung lautet:
0Mistmatratze [W/m2] = -306,72 [W/m2]+
4,01 [W/(m2 (g/lOOg))] • TSMistmatratze [g/100g] ( 94,77 [W/(m2m)] • TiefeMist
malratze [ml + 6,06 [W/(m2°C)] • Tempe
raturMistmatratze [°C] (r2 = 0,85)
Der Trockensubstanzgehalt der Matratze ist der Haupteinflussfaktor auf die Wär-
Wasser�
behaner wsterpin
1 00
50
.. .
/
� . --. • •
:::--...
�
. --·,
N
A
..
1/ "
. .. /
. -250
.
-300
1 5 20 25 30 35 40 45 50
Trockensubstanzgehalt [%]
drymatter
Bild 3: Zusammenhang zwischen Trockenmassegehalt der Mistmatratze und dem Wärmest
rom; Positive Str6me (Qw) fahren von der Liegemalratze zum Kalomimeier hin, negative Ströme fließen zur Liegemalratze. (Vorlauftemperatur des /(alorime/ers Tk -= 39 °C)
Fig. 3: Relationship between dry matter content of manure mattress and heat f/ow; positive flows (Qw) conduct from the lying mattress to the calorimeter, negative flows from the ca/orime
ter to the lying mattress (flow temperature of the calorimeter Tk = 39 °C)
mestromdichte. So werden d ie System
unterschiede zwischen den Haltungssy
stemen d u rch den Trockensubstanzge
halt verwischt, da im Liegeboxenstall die Matratzen vorwiegend sehr trocken sind und in den Tretmist- und Tiefstreuställen auch sehr feuchte, kothaltige Stellen in den Matratzen a nzutreffen sind. i n d iesen Systemen übt der Betriebsleiter über das Stellglied Einstreumasse ei nen wesentlich stärkeren Einfluss aus als in einem Liege
boxenstall.
Folgerungen
i n einem Tem peraturbereich oberhalb der thermoneutralen Zone hat eine zu
sätzliche Wärmezu leitung d u rch die Lie
gematratze ähnliche Auswirku ngen auf die Futteraufnahme wie eine verminderte Wärmeabgabe d u rch erhöhte U mge-
bungstemperaturen.
Die Kuh kan n
externe Daten- allerdi ngs versu-
�����
chen, die positive Konduktion auch d u rch Erhöhung der Stehzeiten oder durch Aufsuchen von Liegeflächen mit einer negativen Kon-Bild 2: Kalorimeter zur Bestimmung der Wärmeableitung von Flächen
Fig. 2: Ca Iorimeter for determining heat lass
d u ktion ( La ufgänge, feucht-verschmutzte Liegebereiche), zu kompensieren.
Ist d ie Kuh i n einem thermischen Be
reich an der unteren kritischen Tempera
tur, bringt eine weitere Belastung Leis
tungsein bußen . Eine Entlastung durch ei
ne Wärmezufu hr aus der Liegefläche kompensiert eine Wärmeabgabe an die Stallluft und ermöglicht d ie Absenkung der kritischen Tem peratu r.
Eine Differenz in der Wärmekond uktion von 150 W/m2 zwischen zwei extremen Liegeflächen bringt über den Tag gerech
net eine theoretische Energieersparnis von 10,8 MJ. Diese Energiemenge könn
te unterhalb der thermoneutralen Zone d u rch die Wahl angepasster Liegematrat
zen zur Aufrechterhaltung der konstanten Körpertemperatur eingespart werden.
Diese Energiemenge entspricht theore
tisch 2,55 kg Milch.
Gesch lossene Kaltställe puffern d ie ex
tremen Lufttem peraturen wesentlich bes
ser als Offenfrontställe. Deshalb sollten Offenfrontställe in kä lteexponierten Lagen am besten i n Kom bination mit Tretmist
oder Tiefstreusystemen gebaut werden, da bei d ieser Zuord n u ng extrem kalte Tem peraturen am besten a bgepuffert werden. I m Sommer sollte diese Kombi
nation n u r m it Sommerweidegang oder einem schattigen Auslauf betrieben wer
den. Für mildere Klimate sind auch im Winter gut eingestreute Liegeboxen aus
reichend .
Schlüsselwörter
�---J ofsunaces
Liegeflächentyp Mittelwert St.abw.
W/m2 W/m2
Liegeboxe -62,4 33,8
Tretmistmatratze -29,0 52,8 1iefstreumatratze - 1 1 ,3 53,9 Betonboden -292,4 50, 1
53. Jahrgang LANDTEC H N I K 5/98
Minimum W/m2 - 1 1 4 - 1 1 3 -134 -369
Maximum W/m2
-13 +18 +53 -213
Tab. 1: Wärmeströme über unterschiedli
chen Liegeflächen Table 1: Heat flow above different lying areas
M i lchviehlaufställe, Liegeflächen, Ther
moregu lation
Keywords
Dairy cow loose housing, lying areas, ther
mo regulation
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