ME S S - U N D R E G E LTE C H N I K
Christian von Holst und Horst G öhlich, Berlin entwickelt, die verschiedene Effekte unter
schiedlich gut beschreiben. Wichtige Unter
schiede zwischen verschiedenen Modellen sollen hier beschrieben werden und es wer
den Anregungen zur Modeliierung von AS - Reifen gegeben.
Simulation von
großvolumigen Reifen
Der reale AS -ReifenIn der Fahrdynamiksimulation ist der Reifen das entscheidende Bin
deglied zwischen Fahrzeug und Fahrbahn. Die Anforderungen an die Reifenmodelle sind bei Land
maschinen sehr hoch, da hier zu
sätzliche Effekte wie Unrundheit und grabstaUige Profilierung, große Reifendeformationen und große ungefederte Masse das Schwingverhalten beeinflussen.
Der Unterschied zwischen kennli
nienbasierten und physikalischen Reifenmodellen wird beschrieben und die Grenzen der Reifenmodelle werden aufgezeigt. Eine Problem
lösung durch Kombination ver
schiedener Reifenmodelle kann hier in Zukunft möglicherweise Ab
hilfe schaffen.
Dipl.-lng. Christi an von Holst arbeitet seit 1 995 am Institut für Landmaschinen und Ölhydraulik als wissenschaftlicher Assistent und beschäftigt sich in seiner Promotion mit der Optimierung des fahrdyna·
mischen Verhaltens von Tra ktoren.
em. Prof. D r.·lng. Horst Göhlich leitete das Institut für Landmaschinen und Ölhydraulik in der Zeit von 1 966 bis 1994 und ist dort noch als Emeritus a ktiv;
Institut für Maschinenkonstruktion, Bereich Landmaschinen und Ölhyd raulik, der TU Berlin, Zoppoter Str. 35, 0 -141 99 Berl in, e-mail:
vo n_H o lst@fax-lt.kf.tu -b e rlin .d e
Schlüsselwörter
Mehrkörpersimulation, Fahrdynamik, AS - Reifen, Modellbildung
Keywords
Multi-body simulation, ride dynamics, agricultural tyres, modeling
1 52
B
ei der Entwicklung oder Veränderung eines Traktors sind die Reifen von entscheidender Bedeutung. Neben den Anfor
derungen an Traktion, Bodenschonung und Verschleißarmut sind sie bei allen Fahrvor
gängen das Bindeglied zwischen Fahrzeug und Fahrbahn und beeinflussen das Fahrzeug in entscheidendem Maße. Man kann die Rei
fen als eine Art fahrdynamischen Filter be
trachten, der aus den Fahrbahnanregungen entsprechend seines Übertragungsverhal
tens eine veränderte Anregung erzeugt und in das Fahrzeug weiterleitet. Diese Betrach
tungsweise istjedoch eine extreme Vereinfa
chung, die nur zur Veranschaulichung be
stimmter dynamischer Effekte herangezo
gen werden darf. Im Gegensatz zu einem Filter, der rein passiv arbeitet, also nur Sig
nale, die eingehen, verän- dern kann, führt der Rei- fen auch zu spezifischen Anregungen des Fahr
zeugs. Er generiert also Signale, die ohne ihn nicht vorhanden wären.
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An kaum ein anderes technisches Produkt werden so komplexe und entgegengesetzte Anforderungen gestellt, wie an denAS - Rei
fen (geringer Rollwiderstand - gute Trakti
on, geringer Bodendruck - hohe Tragfähig
keit). Mit dem Trend zu höheren Fahrge
schwindigkeiten ist es jetzt auch notwendig geworden, das dynamische Verhalten sol
cher großvolumiger Reifen stärker zu berücksichtigen und zu verbessern. Dazu ist die Kenntnis der dynamischen Eigenschaf
ten notwendig. Betrachtet man nur das Schwingverhalten in vertikaler Richtung, so wird schnell deutlich, dass der Reifen nicht als einfaches lineares Feder - Dämpfer Sy
stem beschrieben werden kann. Federsteifig
keit und Dämpfung hängen unter anderem von Reifeninnendruck, Raddrehzahl, Rad
last, Sturz- und Schräglaufwinkel, Reifen
bauart und verschiedenen anderen Parame
tern ab.
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verhaltens (Fahrsicherheit und -komfort), die Festig
keitsberechnung, für aku
stische Problemstellungen und für die Auslegung mo
derner Fahrzeugregelsys
teme wie Schlupfregelun
gen und ABS ist die ge
naue Beschreibung des Reifenverhaltens notwen
dig. Dazu wurden ver
schiedene Reifenmodelle
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- - o -.; 0: 0:Bild 1: Zusammenhang zwischen Reifenumfang, Unrundheit, Moment um Lenkachse und seitlicher Radbewegung Fig. 1: Coherence between circumference, non-unifor
mity, torque araund steering axle and axial movement of the tyre
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Tirre in s Zeit in s
1,870 2,144
54. Jahrgang LANDTECHNIK 3/99
R e ifen [Tyre (: 16 9 R 28
mAod [m,.�"1): 2 1 QQ kg
vF.�· fv,.,.J: 10 km/h
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lge nfr•quenz rgehtrequene.
Frequenz in H z 3
Frequency i n Hz
Ein geeignetes numerisches Reifenmodell muss in der Lage sein, dieses Verhalten ex
akt nachzubilden. Nur dann sind Vorhersa
gen über das Reifenverhalten bei anderen Randbedingungen zulässig.
Ein weiteres Problem ist die Unrundheit realer Räder. Diese Unrundheiten resultieren aus Fertigungsfehlern der Felge und des Rei
fens und haben, wie auch die Reifenstollen, entscheidenden Einfluss auf das dynamische Verhalten des AS - Reifens (Bild 1).
Mit einem neu entwickelten Prüfstand ist es möglich, die exakte Reifengeometrie ei
nes AS - Reifens zu vermessen und in einer 3D - CAD Software ein exaktes geometri
sches Modell des Reifens zu formulieren.
Mittels einfacher Wägung können dann auch die Massenträgheiten sehr einfach und exakt ermittelt werden. Dieses Reifenmodell soll in Zukunft in den Fahrzeugsimulationen Ver
wendung finden, um dort die Einflüsse der Stollen und der Unrundheiten zu berück
sichtigen.
Simulationsmodelle für AS - Reifen In kommerzieller Simulationssoftware sind keine speziellen Simulationsmodelle für AS
Reifen vorhanden. Da solche Software bis
her hauptsächlich in der PKW-Industrie ge
nutzt wurde, sind die vorhandenen Reifen
modelle primär zur Beschreibung von PKW
Reifen ausgelegt. Bei den Modellen muss grundsätzlich zwischen zwei Typen unter
schieden werden:
1 . "Kennlinien - Modelle", die den Reifen als eine komplexe Schaltung aus Feder-, Dämpfer- und Reibelementen in verschie
denen Raumrichtungen abbilden. Steifig
keiten, Dämpfungen und Reibeinflüsse werden dann in Form von Kennlinien als Parameter eingegeben. Diese Kennlinien werden in Versuchen ermittelt.
2."Physikalische - Modelle", die die physi
kalischen Vorgänge innerhalb des Reifens mit den Methoden der Mechanik beschrei
ben. Dabei sind vor allem Werkstoff- und Materialparameter sowie Rand- und Zwangsbedingungen entscheidend. Diese Modelle sind nicht als einfache Ersatz-
54. Jahrgang LANDTECHNIK 3/99
- M essung M easurement
-Sim ulation ('"\ .. ,)
10 12 14
Bild 2: Messung und Simulation von Reifen
versuchen (Anregung:
Smooth track) zur Validierung eines Reifenmodells
Fig. 2: Measurement and simulation of tyre experiments (excitation:
smooth track) for verification of a tyre model
schaubilder darstellbar, sondern bestehen aus Gleichungssystemen, die das Reifen
verhalten mittels der Randbedingungen berechnen.
Der Vorteil der Kennlinien - Modelle ist die kurze Rechenzeit und die gute Anschaulich
keit der mechanischen Zusammenhänge. Ihr Nachteil ist die Abhängigkeit von Messer
gebnissen. So ist eine Vorhersage des Rei
fenverhaltens nur in Grenzen über den ge
messenen Bereich hinaus möglich. Messfeh
ler, -Ungenauigkeiten und Einflüsse des Messverfahrens finden direkt Eingang in das ReifenmodelL Physikalische Reifenmodelle dagegen rechnen häufig wesentlich länger.
Ihr Vorteil ist jedoch die bessere Beschrei
bung des Reifenverhaltens über gemessene Bereiche hinaus. Die Parameter, die zur Mo
dellierung notwendig sind, können in weni
ger aufwendigen Versuchen ermittelt wer
den. Es ist jedoch ein komplexes Experten
wissen zur Messung und Berechnung dieser Parameter notwendig. Solche Modelle sind dann aber auch in der Lage Vorgänge zu be
rechnen, die nur extrem aufwendig gemes
sen werden können. Ein solches Modell wur
de von Böhrn [ 1 ] und Zachow [2] vorgestellt.
Simulation mit e inem Kennlinien - Modell
Aus den oben genannten Gründen wird im Institut für Landmaschinen und Ölhydraulik der TU-Berlin bei der Fahrdynamiksimulati
on von Traktoren noch ein Kennlinien - Mo
dell des Reifens verwendet. Hier hat sich fol
gende Vorgehensweise als günstig erwiesen.
Von dem Prüfstand, der zur Ermittlung der vertikaldynamischen Eigenschaften des Rei
fens verwendet wird, wurde ebenfalls ein Si
mulationsmodell entwickelt. Dieses wurde mit verschiedenen Versuchen mit Metall - Schraubenfedern validiert. Das Reifenmo
dell wird in der Simulation mit dem Prüf
stand gekoppelt und mit den Kennlinien ftir Federsteifigkeit und Dämpfung parame
triert, die aus Ausschwingversuchen gewon
nen wurden. In der Simulation wird der Rei
fen in dem Prüfstand mit einer stochasti
schen Schwingung (Fahrbahn) angeregt. Die
Simulationsergebnisse werden mit Messer
gehnissen der gleichen Versuche verglichen.
Federsteifigkeit und Dämpfung könnenjetzt in engen Grenzen variiert werden, bis eine gute Übereinstimmung zwischen Messung und Simulation besteht. Hier werden jedoch die Grenzen des Reifenmodells deutlich.
In Bild 2 sieht man deutlich, dass die Schwingungseinflüsse durch die Unrundheit des Reifens nicht in der Simulation berück
sichtigt werden können. Gleiches gilt auch für die Stollen. Da die Umundheiten um den Reifenumfang nicht wie eine Exzentrizität einen harmonischen Verlauf zeigen, sondern umegelmäßig sind, sind die Impulse, die durch sie verursacht werden stärker, die Schwingungsamegung demzufolge größer.
Da der Einfluss der Unrtmdheit und beson
ders der Stollen stark von der Fahrgeschwin
digkeit beeinflusst wird, können diese in der Simulation auch nicht einfach der Fahrbahn
anregung zugeschlagen werden. Bei dieser Vorgehensweise müsste vorher experimen
tell der Stolleneinfluss ermittelt werden.
Schlussfolgerung und Ausbl ick
Nur mit einem guten Reifenmodell kann die Fahrdynamiksimulation im Bereich der Traktoren ihre Vorteile und ihren Nutzen voll zum Einsatz bringen. Die zuvor genann
ten Probleme können bei Verwendung eines physikalischen Modells gelöst werden.
Solch ein Modell ist an der TU - Berlin vor
handen und weitestgehend verifiziert. Es muss in kommenden Arbeiten komplett vali
diert und verfeinert werden und wird in eine kommerzielle Simulationssoftware einge
bunden werden. Neben diesem Modell be
steht ein Kennlinien - Modell, dass die Ein
flüsse der Unrundheiten und der Stollen vollständig beschreibt. Beide Modelle sind darüber hinaus in der Lage verschiedene Bö
den zu berücksichtigen. Um den Rechenzeit
nachteil des physikalischen Modells zu kompensieren, ist es denkbar, Kennlinien der Reifendynamik mit diesem Modell mit
tels Simulation zu bestimmen und mit diesen Kennlinien das schnellere Kennlinien - Mo
dell zu parametrieren. Diese Vorgehenswei
se stellt höchste Anforderungen an die Güte des physikalischen Modells. An der Opti
mierung der beiden Modelle und der Imple
mentierung in kommerzielle Simulations
software wird in Zukunft an der TU - Berlin verstärkt gearbeitet werden.
Literatur
[ 1 ] Zachow. 0.: Membrane Shell Tyre Modell, 2nd lnt.
Colloquium an Tyre Models for Vehicle Dynamic Ana lysis, Berlin, 1 997
[2] Böhm, F: Reifenmodell für hochfreq uente Rollvor
gänge, VD I - Fortschrittsberichte, Reihe 1 2, Nr.
1 088, 1 993
1 53