Honorarstreit zwischen Ärzten unc AOK in Sachsen
Beschluß für 1994, aber keine Einigung für 1993
Seit Wochen gibt es in Sachsen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Landesvor- stand der AOK und der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). Beide vertreten unterschiedliche Standpunkte zur Gesamtvergütung 1993. Die KVS verweist auf die ge- stiegene Zahl niedergelassener Ärzte und den damit verbundenen Punktwert-Verfall.
Der AOK-Vorstand sieht die Ursachen für eine mögliche „Benachteiligung" eines Teils der Ärzte in Mängeln des Honorarverteilungsmaßstabes der KVS. Ironie des Ganzen:
Mitte Dezember haben sich beide Parteien über die Gesamtvergütung für vertragsärzt- liche Leistungen 1994 geeinigt. „Basierend auf einer Sockelanpassung von 16,5 Pro- zent Grundlohnsummenentwicklung erfolgt für 1994 eine Erhöhung der Gesamtvergü- tung für vertragsärztliche Leistungen in Sachsen um 7,5 Prozent und zusätzlich — wie im Gesetz vorgesehen — um 3 Prozent als Arztzahlentwicklungskomponente", teilte die AOK mit. Doch um die Vergütung für 1993 wird immer noch gestritten.
POLITIK
D
er Streit zwischen dem Lan- desvorstand der AOK und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Sachsen um die Ge- samtvergütung 1993 zeigt es einmal mehr: Die jährlichen Verhandlungen über die Gesamtvergütung sind nicht nur ein zentraler, sondern auch ein wunder Punkt Besonders umstritten war und ist die Höhe der Grundlohn- summensteigerung für 1993. Die KV fordert, 16,5 Prozent anzusetzen. Der AOK-Landesverband hält — mit Blick auf die Erhöhung seiner Einnahmen 1993 um 13,5 Prozent — nur 15,1 Pro- zent für vertretbar.Die KVS verweist auf die Vor- schriften für die Gesamtvergütung.
Im Sozialgesetzbuch V wurde sei- nerzeit festgelegt, daß sich das Budget 1993 für die Vertragsärzte in den neu- en Bundesländern auf der Basis der verdoppelten Honorarsumme des er- sten Halbjahres 1992 errechnet. Eine Steigerung um drei Prozent wurde im Gesetz ebenso festgeschrieben wie die Berücksichtigung des Grundlohn- summenanstiegs für das Jahr 1993.
Die KVS betont ebenfalls, daß die Zahl der niedergelassenen Ärztin- nen und Ärzte im Zeitraum 1992/1993 um 15 Prozent gestiegen ist. Folge:
Der Punktwert sank von 7,9 Pfenni- gen im ersten Quartal 1993 auf 7,05 Pfennige im zweiten Quartal 1993.
Abschlagszahlungen für 1993 ließen ihn dann allerdings wieder auf 7,67 Pfennige ansteigen.
„Dafür lohnt es sich zu streiten"
Außerdem ist die KVS der Auf- fassung, daß die Gesamtvergütung die tatsächliche Finanzsituation der Krankenkassen widerspiegeln sollte, das heißt, auch die erhöhten Einnah- men durch die tatsächliche Grund- lohnsummenentwicklung. Mit einigen Krankenkassen habe man für 1993 auch Verträge abgeschlossen, in de- nen von einer Grundlohnsummen- steigerung von 16,5 Prozent ausge- gangen wird. Dies gilt jedoch nicht für die AOK — zumindest nicht für das Jahr 1993.
Unter dem Strich geht es der KV um zehn Millionen DM. Sie würden für die Ärzte eine Punktwertanhe-
AKTUELL
bung für drei Quartale um weitere 0,1 Pfennige bedeuten, argumentierten die Vertreter der niedergelassenen Ärzteschaft. Dafür lohne es sich zu streiten.
Seinen konträren Standpunkt dokumentierte der AOK-Landesver- band in einem Rundschreiben an die niedergelassenen Ärzte, in dem ge- schickt mit Zahlen jongliert wurde.
Daß das Sozialgesetzbuch V eine be- stimmte Honorarentwicklung für 1993 vorschreibt, wurde mit keinem Wort erwähnt. Außerdem hieß es,
„daß allein mit einer pauschalen Ho- norarsteigerung den spezifischen Be- dürfnissen, die sich für einzelne Arzt- gruppen in schwieriger wirtschaftli- cher Situation ergeben, nicht entspro- chen würde. Eine pauschale Anhe- bung würde lediglich die Einkommen der heute schon umsatzstarken Arzt- praxen weiter vergrößern..."
Als Lösung des Problems schwebte dem AOK-Landesverband vielmehr eine Änderung der internen Honorarverteilung durch die KVS und „Solidarität innerhalb der Ärzte- schaft" vor. Außerdem schlug die Kasse eine Zweckbindung von 14 Mil- lionen DM aus dem Budget für die Stützung des Punktwerts von „be- nachteiligten" Arztpraxen vor. Diese Vorschläge wurden vom Vorstand der
KVS umgehend abgelehnt: Zum ei- nen gelte bundesweit der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM). Zum anderen liege eine Änderung des Ho- norarverteilungsmaßstabs der KVS nicht im Ermessen ihres Vorstandes.
Zur Klärung des Streits wurde zwischenzeitlich sogar das sächsische Landesschiedsamt angerufen. Das am 28. September gefällte Urteil legt eine Grundlohnsummensteigerung für 1993 in der von der AOK vorgeschla- genen Höhe von 15,1 Prozent fest.
KVS kämpft weiter
Auf der 9. Vertreterversamm- lung der KVS am 26. November in Dresden bekräftigte der KV-Vorstand seinen Standpunkt jedoch noch ein- mal. Auch wurde eine Klage gegen den Schiedsspruch beim Landessozi- algericht eingereicht. In der erneuten Diskussion über eine Änderung des Honorarverteilungsmaßstabs blieb die Vertreterversammlung bei ihrer Meinung: Es gebe zur Zeit keinen akuten Handlungsbedarf. Inzwischen ist nun die paradoxe Situation ent- standen, daß über die Vergütung für 1994 bereits Einigkeit besteht, während um 1993 nach wie vor gerun- gen wird. Gisela Dietz A-24 (24) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 1/2, 9. Januar 1995