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Archiv "Öfter mal ins Museum" (03.05.1996)

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Bastian: Wann beginnt ei- gentlich das sogenannte hohe Alter, Old Henry?

Old Henry: Mit siebzig ist man alt, ab achtzig im höhe- ren und so ab Mitte der Acht- ziger im hohen Lebensalter.

Dann ist man ein Greis.

B: Ich höre in den Vorle- sungen viel von den soma- tischen und psychischen Ver- änderungen im Alter – meist von Dozenten, die selbst erst im mittleren Lebensalter ste- hen. Wie erlebt er selbst, der Greis, sein Altsein subjektiv?

H: Der Kern des mensch- lichen Individuums, das ei- gentliche von Körper und Seele geformte „Ich“, bleibt beim Altwerden unverändert bestehen. Aber sonst ändert sich manches in den letzten Jahrzehnten – man ist ja län- ger alt, als man jung ist.

B: Was stört denn am mei- sten im hohen Alter?

H: Auch ohne Krankhei- ten ist man dem physiologi- schen und psychosomatischen Abbau preisgegeben. Die Körperkräfte lassen nach, der Gang wird unsicherer, die Fallneigung größer, die Ge- lenke sind vermindert belast- bar. Hören und Sehen sind mehr oder weniger beein- trächtigt. Bliebe es bei dem, was man mit Brille und Stock und mit Langsamertreten teil- weise kompensieren kann, es wäre das Schlimmste nicht.

Im Alltag schon lästiger ist die Störung der Merkfähigkeit bei gut erhaltenem Langzeit- gedächtnis. Du stehst am Bücherschrank und weißt nicht mehr, welches Buch du suchst, andere müssen dich an das erinnern, was du selbst noch vor ein paar Tagen ge-

sagt oder getan hast. Immer- hin kann man mit diesen leichten Störungen der Erin- nerung noch ganz gut zurecht- kommen – manchmal mit Merkzettel und Schreibstift.

Sie haben mit dem totalen Gedächtnisausfall beim Mor- bus Alzheimer absolut nichts zu tun. Das kann am besten der beurteilen, der solche Kranke selbst betreut hat.

B: Ist das alles, was den Greis bei der Alltagsbe- wältigung stört?

H: Leider nein. Lästiger als die milden Gedächtnis- störungen ist die häufige Ein- schränkung der Vigilanz. Je- der kennt das Bild: die Grei- sin sitzt mit Strickstrumpf im Sessel – und schläft. Diese Müdigkeit ist der Ausdruck nachlassender Hirnfunktion.

Sie kann mit dem Willen kaum und mit Medikamenten nur vorübergehend bekämpft werden.

B: Vergeßlichkeit und Mü- digkeit – verursachen die- se beiden zusammen nicht ein resignatives Verhalten zu den Menschen und letztlich auch zu sich selbst?

H: Kaum. Nach und nach erkennst du die Waffen, die du zur Abwehr fast jeder Re- signation benötigst, die ver- hüten, daß du das Leben „wie einen leeren Schubkarren vor dir herschiebst“.

B: Wie geheimnisvoll, Old Henry. Was sind das für Waffen?

H: Eine gewisse Gelassen- heit gehört dazu, die angebo- rene oder erworbene Fähig- keit, sich nicht allzu leicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, außerdem eine gute Portion Selbstvertrauen, die

A-1211 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996 (75)

V A R I A FEUILLETON

Die letzte Lebensstufe

Das hohe Alter

Carl Heinz Löwen

Medizinstudent Bastian fragt seinen 85jährigen Großvater Old Henry nach dem subjektiven Erleben des hohen Alters. Old Henry berichtet unter anderem über seine Vergeßlichkeit, die Einsamkeit und das Abschiednehmen.

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Sicherheit, auch diese höch- ste Stufe der Lebensleiter mit Würde bewältigen zu kön- nen. Diesen Dreiklang: Akti- vitäten, Gelassenheit und Selbstvertrauen würze ich dann noch bisweilen – so wie das Steak mit Pfeffer – mit ei- ner guten Prise Trotz. Alt sein? Na, wenn schon!

B: Und wie ist das Ergeb- nis? Bist du glücklich da- bei?

H: Glücklich? Na ja, mei- stens schon, aber doch nicht immer. Ich tröste mich dann mit den Erkenntnissen der Psychiatrie: ewig glücklich sind nur die Schwachsinnigen.

B: Leidest du auch an den Eigenschaften, die man dem Alter gerne nachsagt – an Unordnung, Geiz und Eitel- keit?

H: Ich glaube nicht, aber ich weiß es nicht ganz sicher.

Du selbst mußt diese Frage beantworten – du kennst mich ja lange und gut.

B: Was hat dich in den letzten Jahren am meisten getroffen, Old Henry?

H: Das war der Tod mei- ner lieben Frau, mit der ich fast 60 Jahre lang glücklich zusammengelebt habe.

B: Das ist mir gut ver- ständlich. Seitdem lebst du nun allein und versorgst dich selbst. Ist das schwierig?

H: Manchmal ja, manch- mal nein. Ich wollte und will in kein Seniorenheim – we- gen meiner Abneigung, mei- ne freie Willensentscheidung äußeren Zwängen unterstel- len zu müssen, vielleicht auch, weil der alte Individua- list Angst hat vor dem mehr oder weniger nicht vermeid- baren Kontakt mit anderen Menschen, die er sich nicht aussuchen kann. Deswegen lebe ich nun seit einigen Jah- ren allein in meinem alten Milieu. Ich bin sozusagen ein Single-Greis.

B: Wie verbringst du deine Abende?

H: Die Einsamkeit ist nicht immer leicht zu ertra- gen. Neben Büchern und Zei- tungen (und Musikhören) bietet das Fernsehen man- cherlei Zerstreuung und Ab- lenkung.

B: Das klingt so positiv, neulich hast du doch über das Fernsehen sehr ge- schimpft. Wo ist deine Kritik geblieben?

H: Hier hast du sie. Ich finde es falsch, daß soviel ge- prügelt, geschossen und ge- mordet wird, daß Berichte und Talkshows meist nur zur Illustration von dem dienen, was andere falsch gemacht haben – daß in allzu vielen Sendungen das Sexuelle und Perverse offen oder versteckt den Hintergrund bilden.

B: Wir Jüngeren sehen das wohl etwas anders, aber ich will dir auch nicht aus- drücklich widersprechen.

Trotzdem – laß mich noch fra- gen, was du, wenn du entschei- den müßtest, stärker betonen und herausstellen würdest.

H: Nun – daß wir seit über 50 Jahren im Frieden leben, daß der Gesundheitszustand der Deutschen insgesamt noch nie in der Geschichte so gut war wie heute. Wir sind das Volk mit den kürzesten Arbeitszeiten und den läng- sten Freizeiten, und Wohl- stand und technische Perfek- tion erleichtern und verschö- nern uns das Leben pausen- los und auf allen Gebieten.

B: Ich sagte schon, wir Jüngeren können dem nur teilweise zustimmen, aber wir sind tolerant genug, Old Hen- rys Meinung geduldig anzu- hören. Verlassen wir das The- ma, das dich so sehr ausfüllt.

Unaufhaltsam geht es auf der letzten Stufe des Lebens auf das endgültige Abschiednehmen zu. Bedrückt dich das sehr?

H: Nein. Das Alter ist eine Notwendigkeit im Laufe des Lebens, es stellt seine Schluß- phase dar. Es ist nicht auszu- denken, was auf Erden sich abspielen würde, wenn auch nur eine Generation von Menschen unsterblich würde.

Für den, der diese Gegeben- heiten des Menschen richtig erkannt hat, kann es deshalb nur eines geben: aussteigen und den Zug gelassen weiter- fahren lassen, wenn das Ziel erreicht ist.

Dr. med. Carl Heinz Löwe Deswatinesstraße 53 47800 Krefeld A-1212 (76) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 18, 3. Mai 1996

V A R I A FEUILLETON

So manches verregnete Wo- chenende hat schon dazu ge- führt, daß man mal wieder ins Museum geht.

Dabei können die Besucher unter fast 4 000 Museen in Deutschland wählen. Das größte Mu- seumsangebot gibt es in Ba- den-Württem- berg und Bay- ern, wo ent- sprechend auch die höchsten Besucherzah- len zu ver- zeichnen sind.

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