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Archiv "Inanspruchnahme und Durchführung von sportärztlichen Vorsorgeuntersuchungen" (05.09.2008)

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K

ardiale oder andere lebensbedrohliche Zwi- schenfälle beim Sporttreiben sind dramatische und unerwartete Ereignisse. In vielen Fällen könnten sie durch eine sportärztliche Vorsorgeuntersuchung im Vorfeld ver- hindert werden (1–4). Mittlerweile haben sich zahlreiche Volksläufe und Marathonveranstaltungen zu Massen- events für Walker, Skater, Marathon- und Halbmarathon- läufer entwickelt, an denen zunehmend auch ältere Perso- nen, Freizeit-/Gesundheitssportler sowie Neu- und Wie- dereinsteiger teilnehmen. Im Rahmen dieser großen Sportveranstaltungen kann es immer wieder zu Zwi- schenfällen kommen, über die die Medien berichten. In den häufig folgenden Diskussionen über das Gesundheits- risiko beim Sporttreiben wird meistens außer Acht gelas- sen, dass Todesfälle im Sport vergleichsweise selten sind (5, 10) und dass der Nutzen regelmäßiger körperlicher Aktivitäten deutlich größer ist als die potenziellen Gefah- ren akuter körperlicher Belastung (11–14).

Bedeutung sportärztlicher Vorsorge

Sportärztliche Vorsorgeuntersuchungen helfen, Gefähr- dungen sowie Krankheiten frühzeitig zu erkennen. Zwei- fellos können sie so dazu beitragen das gesundheitliche Risiko, insbesondere auch für den plötzlichen Herztod, erheblich zu verringern (1– 4). Die große Bedeutung von sportärztlichen Vorsorgeuntersuchungen bei der Senkung der Letalität zeigen die epidemiologischen Längsschnitt- erhebungen (Zeitraum 1979 bis 2004) von Corrado et al.

(1) in Italien. Durch die verpflichtende Einführung derar- tiger Screening-Untersuchungen bei 12- bis 35-jährigen Athleten verringerte sich die Inzidenz des plötzlichen Herztodes nahezu kontinuierlich von anfangs 3,6 auf 0,4 Tote pro 100 000 Personenjahre. Dagegen blieb im gleichen Zeitraum die Mortalität des nicht sportärztlich untersuchten Bevölkerungsanteils der Nicht-Wettkampf- sportler unverändert (1). Im Hinblick auf die wachsende Zahl von übergewichtigen Untrainierten – Zielgruppe zahlreicher Gesundheits-/Bewegungskampagnen – ist in Deutschland eine sportärztlich qualifizierte, gesundheits- orientierte Untersuchung dringend zu empfehlen (3, 5, 15). Während im olympischen Spitzensport für Kaderath- leten sowie in einigen Profisportarten regelmäßige Vor- sorgeuntersuchungen Pflicht sind, existieren im freien Wettkampf- oder Breitensport bislang keine verbindli- chen Regelungen (5, 16).

ORIGINALARBEIT

Inanspruchnahme und Durchführung von sportärztlichen Vorsorgeuntersuchungen

Befragungen von mehr als 10 000 Langstreckenläufern

Dieter Leyk, Thomas Rüther, Max Wunderlich, Alexander P. Sievert, Oliver M. Erley, Herbert Löllgen

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Sportärztliche Vorsorgeuntersuchungen können das gesundheitliche Risiko beim Sporttreiben reduzieren.

Bislang gibt es allerdings keine epidemiologisch relevan- ten Daten zur Inanspruchnahme und Durchführung dieser Gesundheitsüberprüfungen.

Methode: Über einen Internetfragebogen (www.dshs- koeln.de/pace) und durch persönliche Befragungen von Langstreckenläufern wurden Angaben zur Akzeptanz und Durchführung von sportärztlichen Vorsorgeuntersuchungen erhoben.

Ergebnisse: Nur etwa 50 % der befragten 10 025 Ausdau- ertrainierten haben sich sportärztlich untersuchen lassen.

Neu-/Wiedereinsteiger (42,0 %) nutzen sportmedizinische Vorsorgeuntersuchungen deutlich seltener (p < 0,01) als leistungsorientierte Sportler (59,9 %). Die Umfrage weist außerdem auf Mängel von vielen sportärztlichen Untersu- chungen hin: So geben mehr als 15 % der untersuchten Läufer an, dass im Rahmen ihres Gesundheits-Checks kei- ne körperliche Untersuchung stattfand. Ein Ruhe-EKG wur- de nur bei 67,4 % der Untersuchten durchgeführt.

Diskussion: Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendig- keit von qualifizierten sportärztlichen Vorsorgeuntersu- chungen. Mit Blick auf aktuelle Gesundheitskampagnen ist zu erwarten, dass künftig vermehrt übergewichtige Untrai- nierte aller Altersgruppen sportärztlich untersucht und be- raten werden müssen.

Dtsch Arztebl 2008; 105(36): 609–14 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0609 Schlüsselwörter: sportärztliche Vorsorgeuntersuchungen, Prävention, Leitlinien, Gesundheitsrisiko, plötzlicher Herztod

Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Physiologie und Anatomie, Köln:

Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Leyk, Dr. Sportwiss. Rüther, Dipl.-Sportwiss. Wun- derlich, Dipl.-Sportl. Sievert

Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz, Laborabtei- lung IV – Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie, Koblenz:

Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Leyk, Dr. med. Erley

Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (Deutscher Sportärzte- bund) e.V. (DGSP), Freiburg: Prof. Dr. med. Löllgen

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Leitlinie zur Vorsorgeuntersuchung im Sport

Die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) legt mit der neuen S1-Leitlinie ei- ne „Leitlinie zur Vorsorgeuntersuchung im Sport“

vor, die erstmals für den Sport außerhalb des Kader- oder Profibereichs evidenzbasierte Empfehlungen und Qualitätsstandards für sportärztliche Untersu- chungen festlegt. Ziel ist, latente oder bereits vorhan- dene Krankheiten zu erkennen, die eine Gefährdung für den Sporttreibenden darstellen können (17). Mit den Vorsorgeuntersuchungen sollen Neu- und Wieder- einsteiger jeden Alters wie auch ambitionierte Frei- zeit-/Leistungssportler erreicht werden. Die Untersu- chung umfasst Befragungen zur Familien- und Eigen- anamnese, zum Sporttreiben sowie eine internistische und orthopädische Untersuchung. Die Anwendung apparativer Untersuchungen richtet sich nach dem Alter, dem Vorliegen von kardiovaskulären Risikofak- toren und gegebenenfalls weiteren Indikationen. Obli- gat ist ein Ruhe-EKG mit qualifizierter Beurteilung.

Das Belastungs-EKG soll bei vorhandenen Sympto-

men durchgeführt werden. Es ist ebenfalls indiziert bei Männern ab dem 40. Lebensjahr und bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr, falls ein Risikofaktor vorliegt oder vor dem Beginn intensiver Belastungen. Ab ei- nem Alter von 65 Jahren ist diese Untersuchung gene- rell erforderlich. Weitere apparative Analysen, wie Lungenfunktionstests und Echokardiografie, sind nur bei Verdacht oder Symptomen indiziert.

PACE-Studie: Online-Befragungen von Ausdauersportlern

Trotz der großen Bedeutung von sportärztlichen Vor- sorgeuntersuchungen gibt es in Deutschland bislang keine epidemiologischen Daten über ihre Inan- spruchnahme. Quantifizierbare Angaben zu den durchgeführten sportärztlichen Untersuchungsmaß- nahmen fehlen weitgehend, sodass offen ist, in wel- chem Umfang die DGSP-Empfehlungen bereits um- gesetzt werden. Eine gute Abschätzung der Akzeptanz und der Anwendung von sportärztlichen Vorsorgeun- tersuchungen ist über die laufende PACE-Studie (PA- CE: Performance, Age, Competition, Exercise) mög- lich, in der bereits die Marathon- und Halbmarathon- leistungen von mehr als 300 000 Sportlern im Alter von 20 bis 80 Jahren analysiert wurden (18). Im Rah- men dieses Projektes wurde auch ein skalierter On- line-Fragebogen entwickelt und in sechs Sprachen übersetzt. Er fragt relevante Daten zur Leistungs- fähigkeit, zur Trainingsgestaltung, zur Lebensführung aber auch zu sportärztlichen Vorsorgeuntersuchungen ab. Die vorliegende Studie hat Angaben von rund 10 000 Langstreckenläufern zur Inanspruchnahme und Durchführung von sportärztlichen Vorsorgeunter- suchungen ausgewertet.

Methode

Der Online-Fragebogen (www.dshs-koeln.de/pace) wie auch das Vorgehen bei der Datenerhebung/-aus- wertung wurde durch die Ethikkommission der Deut- schen Sporthochschule Köln und den Beauftragten für den Datenschutz des Landes Nordrhein-Westfalen ge- prüft und als unbedenklich eingestuft. Die Probanden- akquise erfolgte über Pressemeldungen, Fachbeiträge, Verteilung von Flyern bei Laufveranstaltungen und Ankündigungen auf den Internetseiten von Sportver- anstaltern, Verbänden und Vereinen. Die internetba- sierte Datenerhebung wurde durch 512 persönliche Befragungen ergänzt, die im Rahmen von verschiede- nen Laufveranstaltungen und bei Lauftreffs durchge- führt wurden. Hierdurch soll eine potenzielle Verzer- rung der Online-Befragungen abgeschätzt werden.

Die Rekrutierung und Ansprache von persönlichen Befragungsteilnehmern erfolgte ohne eine systemati- sche Auswahl.

Der Fragenkomplex zur Inanspruchnahme und Ge- staltung sportärztlicher Untersuchungen beginnt mit der Frage: „Haben Sie sich in den letzten zwei Jahren wegen ihrer sportlichen Aktivität sportärztlich unter- suchen lassen?“ (Antwortmöglichkeiten: Ja / Nein).

Wird sie bejaht, so soll in dem folgenden Textfeld spe- GRAFIK 1

Häufigkeit (%) von sportärztlichen

Untersuchungen bei 10 025 Langstrecken- läufern (Männer n = 7 810, Frauen n = 2 215)

GRAFIK 2 Häufigkeit (%)

erfolgter körper- licher Untersuchun- gen im Rahmen sportärztlicher

Gesundheits- überprüfungen bei 4 931 Langstrecken- läufern (Männer n = 3 929, Frauen n = 1 002)

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zifiziert werden, welche der folgenden Untersuchun- gen durchgeführt wurden. Die Untersuchungskatego- rien sind

>Körperliche Untersuchung (internistisch/ortho- pädisch)

>Blutdruck

>Ruhe-EKG

>Belastungs-EKG

>Lungenfunktion

>Blutuntersuchung.

Neben den medizinischen Fragen werden auch allge- meinere Daten wie Geschlecht, Alter, Größe und Ge- wicht erhoben. Darüber hinaus ermittelt der PACE-Fra- gebogen noch Daten zur Ausdauerleistung und zum Training, wie Anzahl absolvierter Marathon- und Halb- marathonläufe, Zeitpunkte und Laufzeiten des ersten, letzten und schnellsten Laufes, durchschnittliche An- zahl und Umfang der wöchentlichen Trainingseinheiten in den letzten zwölf Monaten. Die Teilnehmer sollen ei- ne Selbstklassifizierung als Freizeit-/Gesundheits- oder Leistungs-/Wettkampfsportler vornehmen und ihre Sportmotivation darlegen (Fragebogen unter www.ds- hs-koeln.de/pace).

Datenpräsentation und Statistik

Die prozentualen Angaben zur Inanspruchnahme von sportärztlichen Untersuchungen beziehen sich auf das Gesamtkollektiv. Die Häufigkeitsangaben der einzelnen Untersuchungsmaßnahmen beziehen sich nur auf den Personenkreis, der sich sportärztlich untersuchen ließ.

Die Befragungsdaten sind in den Grafiken 1 bis 3 als Häufigkeitsverteilungen dargestellt. Die Zuordnung er- folgt anhand folgender 10-Jahres-Intervalle: 20 bis 29 Jahre, 30 bis 39 Jahre, 40 bis 49 Jahre, 50 bis 59 Jahre und 60 bis 69 Jahre.

Als prüfendes statistisches Verfahren der Häufig- keitsverteilungen wurde der Chi-Quadrat-Test ange- wandt. Zur Bestimmung signifikanter Zusammen- hangsvariablen wurden multivariate Analysen mittels binärer logistischer Regression (rückwärts schrittweise ausschließende Methode) durchgeführt und die dazu- gehörigen Odds Ratios (OR) berechnet (Tabelle 2). Zu jedem Odds Ratio wird das 95-%-Konfidenzintervall (KI) und die Irrtumswahrscheinlichkeit (p) berechnet.

Die Güte des Modells wird mit dem Nagelkerkes-R- Quadrat beschrieben. Alle Datenanalysen erfolgten mit SPSS 12.1. Als signifikant wurde eine Irrtumswahr- scheinlichkeit von p < 0,01 gewählt.

Ergebnisse Befragungsteilnehmer

In der Zeit von November 2006 bis Februar 2008 nah- men 10 025 Ausdauersportler (Männer n = 7 810; Frau- en n = 2 215) im Alter von 20 bis 70 Jahren an der wei- terhin laufenden PACE-Studie teil. Die Alters- und Ge- schlechtsverteilung des befragten Läuferkollektivs (Ta- belle 1) entspricht weitgehend der Verteilungsstruktur bei deutschen Marathon- und Halbmarathonveranstal- tungen (18). 68,6 % der Läufer und 50,7 % der Läufe- rinnen gaben an, mindestens einen Marathonlauf absol-

viert zu haben. 21,8 % der Männer und 29,5 % der Frau- en hatten ausschließlich aber mindestens einmal an ei- nem Halbmarathon teilgenommen.

Mehr als ein Drittel der Läufer (35,7 %) und Läufe- rinnen (37,9 %) haben nach eigener Einschätzung vor Aufnahme des Lauftrainings keinen regelmäßigen Sport betrieben. 22,8 % der befragten Männer und 17,1 % der Frauen bezeichneten sich als Leistungs- beziehungswei- se Wettkampfsportler.

Inanspruchnahme von sportärztlichen Untersuchungen

Die Online-Befragungen zeigen, dass nur etwa 50 % der Männer und 45 % der Frauen (p < 0,01) sportärztliche Untersuchungen in Anspruch nahmen (Tabelle 2). Diese Größenordnung (Tabelle 3) ergibt sich mit 47,7 % auch aus den persönlichen Befragungen von 512 Ausdauer- trainierten (p > 0,01). Leistungsorientierte Sportler (59,9 %) lassen deutlich öfter eine sportärztliche Ge- sundheitsuntersuchung durchführen (p < 0,01) als Frei- zeit-/Breitensportler (46,8 %) oder Neu-/Wiedereinstei-

GRAFIK 3 Häufigkeit (%)

von durchgeführten Ruhe-EKGs im Rahmen sportärztlicher Untersuchungen bei 4 931 Langstrecken- läufern (Männer n = 3 929, Frauen n = 1 002)

TABELLE 1

Absolute und relative Anzahl der befragten Lang- streckenläufer (N = 10 025) im Alter von 20 bis 70 Jahren

befragte Ausdauersportler

Altersgruppe Männer Frauen

(Jahre) (n) % (n) %

20–29 987 12,6 444 20,0

30–39 2 082 26,7 621 28,0

40–49 3 160 40,5 834 37,7

50–59 1 248 16,0 265 12,0

60–69 333 4,3 51 2,3

Gesamt 7 810 100 2 215 100

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ger (42,0 %), die erst seit höchstens zwei Jahren regel- mäßig trainieren. Relativ gering ist außerdem die Unter- suchungsquote bei älteren Ausdauersportlern (Grafik 1). Rund 40 % der über 50-Jährigen sind in den letzten zwei Jahren nicht sportärztlich untersucht worden.

Mithilfe der multivariaten Datenanalyse können wei- tere Merkmale in die Auswertung miteinbezogen wer- den. So kann man ermitteln, welche Personen sich ver- gleichsweise häufig untersuchen lassen (Tabelle 4):

Dies sind vor allem Sportler, die sich bereits einmal einer Leistungsdiagnostik mit Lactatbestimmung (OR 2,31) unterzogen haben, regelmäßig eine Pulsuhr (OR 1,41) verwenden, sich selbst als Leistungssportler (OR 1,31) einstufen oder Marathonläufe (OR 1,28) ab- solvieren.

Durchführung von sportärztlichen Untersuchungen

Mehr als 15 % der Ausdauertrainierten gaben an, dass im Rahmen ihres sportärztlichen Gesundheits-Checks keine körperliche Untersuchung erfolgte (Tabelle 2 und Tabelle 3). In der Kontrollgruppe der 512 persönlich be- fragten Langstreckenläufer trifft dies auf 16,6 % der sportärztlich untersuchten Sportler zu (Tabelle 3). Wie Grafik 2 zeigt, ist dies auch bei vielen Untersuchungen von älteren Ausdauertrainierten der Fall: Bei den über 60-Jährigen liegt dieser Anteil immerhin noch bei über 10 %.

Nur etwa 80 % der untersuchten Sportler berichteten von einer Blutdruckmessung (Tabelle 2). Das laut DGSP obligate Ruhe-EKG wurde nur bei 63 % der Frauen und bei 68 % der Männer durchgeführt. Grafik 3 zeigt zwar, dass ein Ruhe-EKG bei älteren Personen häufiger durchgeführt wird. Dennoch finden mehr als 10 % der sportärztlichen Gesundheits-Checks bei über 60-Jährigen ohne Ruhe-EKG statt. Ein Belastungs- EKG wurde bei knapp 64 % der Frauen und 72 % der Männer vorgenommen. In 49 % der sportärztlichen Un- tersuchungen erfolgte eine Überprüfung der Lungen- funktion.

Diskussion

Internetumfragen besitzen einerseits nicht zu unter- schätzende methodische Fallstricke und Limitierun- gen. Neben potenziell fehlerhaften Eingaben bei der Online-Befragung stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit die Ergebnisse repräsentativ sind. Auch wenn zunehmend immer mehr Personen das Internet nutzen, ist davon auszugehen, dass zum Beispiel älte- re Sportler eher selten auf die PACE-Pressemeldun- gen, Fachbeiträge, Flyer und die Ankündigungen auf Internetseiten reagieren. Genauso wenig ist auszu- schließen, dass Teilnehmer bei der Beantwortung des PACE-Fragebogens ärztliche Untersuchungen anzu- geben vergaßen oder einige der Fragen nicht beant- worten wollten.

Andererseits bestätigen die persönlichen Befragun- gen der zufällig ausgewählten Aktiven (n = 512) die Resultate der Internetbefragung weitgehend. Außer- dem sprechen die ebenfalls über das Internet erfragten Marathon- und Halbmarathonzeiten für die Plausibi- lität der Daten, da diese gut mit den Laufzeiten aus den Ergebnislisten übereinstimmen (19). Bei der Ein- ordnung der vorliegenden Resultate sollte nicht un- berücksichtigt bleiben, dass mit der PACE-Studie ein großer Teil der derzeit aktiven Marathon- und Halb- marathonläufer erreicht wurde: Ausgehend von circa 200 000 Aktiven in Deutschland (18–21), haben rund 5 % den PACE-Fragebogen ausgefüllt.

Die Antworten der 10 025 Langstreckenläufer zu den sportärztlichen Vorsorgeuntersuchungen stimmen allerdings nachdenklich: Obwohl die Befragten si- cherlich eine stark gesundheitsorientierte Subpopula- tion der Bevölkerung darstellen, hat nur etwa die Hälfte der Ausdauertrainierten in den letzten zwei Jahren eine sportärztliche Untersuchung in Anspruch genommen. Bedenklich ist vor allem, dass besonders viele ältere Freizeit-/Breitensportler wie auch Neu-/

Wiedereinsteiger keine sportärztliche Gesundheits- überprüfung vornehmen ließen. Gerade bei diesem

Stichprobengröße: N = 10 025 Langstreckenläufer; n = 4 931 Personen mit sportärztlicher Untersuchung TABELLE 2

Inanspruchnahme von sportärztlichen Untersuchungen sowie Häufigkeit der im Rahmen der sportärztlichen Gesundheitsprüfungen (= 4 931 Personen mit sportärztlicher Untersuchung) erfolgten Untersuchungsmaßnahmen

Männer Frauen

Untersuchung „Ja“ „Nein“ „Ja“ „Nein“

(n) % (n) % (n) % (n) %

Sportärztliche Untersuchung 3 929 50,3 3 881 49,7 1 002 45,2 1 213 54,8

Körperliche Untersuchung 3 372 85,8 557 14,2 794 79,2 208 20,8

Ruhe-EKG 2 689 68,4 1 240 31,6 634 63,3 368 37,7

Belastungs-EKG 2 817 71,7 1 112 28,3 637 63,6 365 36,4

Blutdruck 3 249 82,7 680 17,3 782 78,0 220 22,0

Lungenfunktion 2 021 51,4 1 908 48,6 409 40,8 593 59,2

Blutuntersuchung 3 056 77,8 873 22,2 737 73,6 265 26,4

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Personenkreis liegt ein erhöhtes Risiko für Erkran- kungen an Herz, Kreislauf und Bewegungsapparat vor (3–5). Die Befragungen weisen zudem auf Mängel im Rahmen der sportärztlichen Gesundheitsüberprüfung und zeigen, dass viele sportärztliche Vorsorgeuntersu- chungen nicht den DGSP-Empfehlungen entsprechen (17). Dies ergibt sich sowohl aus der Internetumfrage als auch aus den persönlichen Befragungen: Etwa 15 % der befragten Sportler geben auch bei Nachfrage an, dass im Rahmen ihrer sportärztlichen Vorsorgeun- tersuchung keine körperliche Untersuchung erfolgte.

Bezieht man die Angaben zur Inanspruchnahme und der Durchführung von sportärztlichen Untersuchun-

gen auf alle befragten Ausdauersportler, so konnten altersunabhängig nur etwa ein Drittel der Männer und ein Viertel der Frauen ein aktuelles EKG aufweisen.

Auch wenn einige sportärztliche Kollegen aufgrund vorliegender aktueller EKG-Befunde auf diese Unter- suchung verzichtet haben, ist unstrittig, dass nur eine Minderheit der aktiven Langstreckenläufer umfas- send sportärztlich untersucht wurde.

Diese Situation ist aus präventiv-medizinischer Sicht sicherlich unbefriedigend. Angesichts der Ge- sundheitskampagnen einerseits und der großen Ver- breitung von Bewegungsmangel und Übergewicht an- dererseits wird es künftig zunehmend wichtiger wer-

Online befragte Personen mit sportärztlicher Untersuchung n = 4 690; Personen aus persönlicher Befragung mit sportärztlicher Untersuchung n = 241 TABELLE 3

Vergleich zwischen Online-Befragungen und den persönlich befragten Langstreckensportlern: Inanspruchnahme von sportärztlichen Untersuchungen sowie Häufigkeit erfolgter Untersuchungsmaßnahmen

Online-Befragungen (N = 9 513) Persönliche Befragungen (N = 512)

Untersuchung „Ja“ „Nein“ „Ja“ „Nein“ p

(n) % (n) % (n) % (n) %

Sportärztliche Untersuchung 4 690 49,3 4 823 50,7 241 47,7 271 52,9 > 0,01

Körperliche Untersuchung 3 965 84,5 725 15,5 201 83,4 40 16,6 > 0,01

Ruhe-EKG 3 149 67,1 1 541 32,9 174 72,2 67 27,8 > 0,01

Belastungs-EKG 3 262 69,6 1 428 30,4 192 79,7 49 20,3 < 0,001

Blutdruck 3 821 81,5 869 18,5 210 87,1 31 12,9 > 0,01

Lungenfunktion 2 282 48,7 2 408 51,3 148 61,4 93 38,6 < 0,001

Blutuntersuchung 3 616 77,1 1 074 22,9 177 73,4 64 26,6 > 0,01

TABELLE 4

Ermittlung der signifikanten Zusammenhangsvariablen zur Inanspruchnahme sportärztlicher Untersuchungen

Variablen OR (KI) p

Leistungsdiagnostik 2,31 (2,08; 2,56) < 0,001

– Referenz: „nein“

Regelmäßige Verwendung Pulsuhr 1,41 (1,28; 1,54) < 0,001

– Referenz: „nein“

Einschätzung Freizeit-/Leistungssport 1,31 (1,16; 1,47) < 0,001

– Referenz: „Freizeitsport“

Langstreckenläufer 1,28 (1,19; 1,37) < 0,001

– Referenz: „kein Halbmarathon- bzw. Marathonläufer“

Trainingshäufigkeit 1,12 (1,08; 1,17) < 0,001

– Referenz: „1-mal pro Woche“

Alter bei Aufnahme des Lauftrainings 1,02 (1,02; 1,03) < 0,001

– Referenz: „Beginn des Lauftrainings im jungen Erwachsenenalter“ (Jahresabstufung)

Lauftrainingserfahrung 1,01 (1,00; 1,02) < 0,01

– Referenz: „wenige Trainingsjahre“ (Jahresabstufung)

Verwendet wurde zur Datenerhebung die binäre logistische Regression (R2= 0,123). Zugehörige Odds Ratios (OR) wurden mit 95-%-Konfidenzintervall (KI) bestimmt (n = 8 584). Bei den Berechnungen wurden nur komplette Datensätze (d. h. zu jeder Frage liegt eine Antwort vor; n = 8 584) berücksichtigt.

Erläuterung zur Aussage des „Odds Ratio“ am Beispiel „Einschätzung Freizeit-/Leistungssportler“: Personen, die sich als Leistungssportler einstufen, haben gegenüber Freizeitsportlern eine um den Faktor 1,31 größere Chance, eine sportärztliche Untersuchung in Anspruch genommen zu haben (s. Zeile 3 in der Tabelle).

Die Variablen „Geschlecht“, „Rauchen“, „Trainingsumfang“ und „Regelmäßiges Sporttreiben vor Aufnahme des Lauftrainings“ hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Stärkung des Regressionsmodells und wurden daher ausgeschlossen.

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den, dass bei Sporteinsteigern eine qualifizierte sportärztliche Untersuchung erfolgt. Voraussetzung ist jedoch, dass diese auch vom angesprochenen Per- sonenkreis nachgefragt wird.

Eine mögliche Ursache für die geringe Inan- spruchnahme könnten die entstehenden Kosten für sportärztliche Vorsorgeuntersuchungen sein. Deren Übernahme ist derzeit keine direkte Leistung der Krankenkassen. Angesichts der großen präventiven Bedeutung von Bewegung und Sport empfiehlt sich jedoch die Kostenübernahme von sportärztlichen Vor- sorgeuntersuchungen für Sporttreibende, wie früher in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Hessen und Berlin (17) üblich. Eine derartige Maßnahme wä- re sicherlich auch für derzeitige und künftige Gesund- heitskampagnen, wie die „Fit statt Fett“-Initiative der Bundesregierung, sehr vorteilhaft.

Erforderlich ist allerdings auch, dass ein qualifi- zierter sportärztlicher Gesundheits-Check erfolgt. Die vorliegenden Daten sprechen dafür, dass hier noch er- hebliches Verbesserungspotenzial besteht. Insofern ist sehr zu hoffen, dass die DGSP-Empfehlungen zur

„Vorsorgeuntersuchung im Sport“ in der Praxis mög- lichst schnell und vollständig umgesetzt werden (17).

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) empfiehlt zusammen mit der DGSP qualifizierte Untersucher für solche Vorsorgeuntersuchungen (www.dosb.de/www.dgsp.de). Eine prospektive Ko- hortenstudie über mehrere Jahre wäre sinnvoll und notwendig, um die Effekte der Vorsorgeuntersuchun- gen zu prüfen.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 28. 11. 2007; revidierte Fassung angenommen: 18. 3. 2008

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4. 12. 2007)

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk Deutsche Sporthochschule Köln Institut für Physiologie und Anatomie Am Sportpark Müngersdorf 6 50933 Köln

E-Mail: Leyk@dshs-koeln.de

SUMMARY U

Uttiilliizzaattiioonn aanndd IImmpplleemmeennttaattiioonn ooff SSppoorrttss MMeeddiiccaall SSccrreeeenniinngg EExxaammiinnaa-- ttiioonnss –– SSuurrvveeyy ooff MMoorree TThhaann 1100 000000 LLoonngg--DDiissttaannccee RRuunnnneerrss Introduction: Preventive medical checkups may help to lower the health risks incurred by participation in sporting activity. However, there are no epidemiologically relevant data on either utilization or implementation of such checkups. Methods: An internet question- naire (www.dshs-koeln.de/pace) and personal interviews of long-dis- tance runners were used to obtain information on the acceptance and realization of medical checkups. Results: Only 50% of 10 025 runners had undergone preventive medical screening. Beginners and returnees to long-distance running are significantly less likely to have themselves checked than performance-oriented athletes (42.0% vs.

59.9%; p < 0.01). Moreover, the survey revealed deficiencies in many sports medical tests; for example, over 15% of runners screened stated that their checkup had not included physical examination.

Resting ECG was performed in only 67.4% of cases. Discussion: The findings underline the need for qualified pre-emptive sports medical screening. If current public health campaigns are successful, higher numbers of overweight, untrained persons of all age groups will have to be examined and advised.

Dtsch Arztebl 2008; 105(36): 609–14 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0609 Key words: pre-emptive sports medical screening, prevention, guide- lines, health risks, sudden cardiac death

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