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Archiv "Marcel Proust im Spiegel seiner Korrespondenz: Die Medizin als Leitmotiv" (03.08.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 31–32⏐⏐3. August 2009 A1573

K U LT U R

A

nfang April 1922, ein halbes Jahr vor seinem Tod, legte sich Marcel Proust einen Sterilisationsap- parat zu, in dem er unter Einsatz von Formalin die an ihn adressierten Brie- fe desinfizierte, bevor er sie las. Diese besondere Form eines „cordon sanitaire“ war der Furcht des Asthmatikers und Allergikers Proust geschuldet, sich den da- mals grassierenden Keuchhus- ten oder die Röteln einzufan- gen. Ob die Apparatur schließlich dazu beigetragen hat, dass Proust von beiden Krankheiten ver- schont blieb, ist ungewiss. Doch diese hygienische Maßnahme, über die der Literaturwissenschaft- ler Jürgen Ritte im Katalog berich- tet, wirft in zweierlei Hinsicht ein bezeichnendes Licht auf Proust. Er war nämlich ein atemloser, uner- müdlicher Briefeschreiber und be- schäftigte sich außerdem Zeit seines Lebens mit medizinischen Themen.

Beides wird deutlich in der Aus- stellung „Cher ami . . . – Marcel Proust im Spiegel seiner Korrespon- denz“, die zunächst in München zu sehen war und die derzeit im Muse- um für Angewandte Kunst in Köln präsentiert wird. In der Domstadt ist auch der Sitz der Marcel-Proust-Ge- sellschaft, deren Präsident, der Uro- loge Dr. med. Reiner Speck, mehr als 80 Briefe des französischen Ro- manciers in seiner „Bibliotheca Proustiana Reiner Speck“ beher- bergt. Sie werden ergänzt durch zahlreiche weitere Autografen, sel- tene Fotografien, Porträtzeichnun- gen und -skizzen, Manuskripte so- wie weitere Dokumente.

Prousts Vater war als Hygieniker tätig, sein Bruder war ein berühmter Urologe. „Er hat im Jahr 1900 seine Dissertation über die Prostatektomie geschrieben. Darin beschreibt er ei- ne Schnittführung über den Damm, die in Frankreich unter dem Namen Proustatektomie bekannt geworden ist“, erläutert Speck dem Deutschen Ärzteblatt. Er sei außerdem auch Schüler von Madame Curie gewesen

und habe einen transportablen Rönt- gentisch für die Soldaten des Ersten Weltkrieges entwickelt.

Doch Prousts Interesse für die Medizin ergab sich Speck zufolge nicht nur aus diesem familiären Hintergrund, sondern auch durch seine eigene Krankengeschichte. So sei die Medizin ein Leitmotiv, das sich durch das gesamte Werk „ A la Recherche du Temps perdu“ (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit) ziehe. Von seiner „Matratzengruft“

aus habe Proust Briefe in alle Welt verschickt, zunehmend habe er sich darin aber kritisch mit der Medizin auseinandergesetzt. „In seinen letz- ten fünf bis sechs Lebensjahren hat

er immer wieder über seinen Ge- sundheitszustand geklagt. Die Kla- ge benutzte er zur Abwehr von lästi- gen Besuchern, um sein Werk zu vollenden“, berichtet Speck.

Die Ausstellung ermöglicht es dem Besucher, die Korrespondenz und das Werk Prousts im Kontext seiner Zeit kennenzulernen. So sind die Briefe, die durch filmische Dokumente und Kommentare von Zeitzeugen er- gänzt werden, in verschiedene Themenbereiche eingebettet.

Mehrere Kapitel beleuchten bei- spielsweise die biografischen Stationen, aber auch die Statio- nen seines gesellschaftlichen Engagements und die Statio- nen, die sich aus den schriftstel- lerischen Kontakten und den Publikationsorganen ergeben.

„Proustleser müssen we- niger oft zum Arzt, vor allem weniger oft zu den psycho- logischen und psychiatri- schen Fächern“, ist Speck überzeugt. Die Lektüre der

„Recherche“ mache den Leser gelassen gegenüber bestimmten Situationen im Alltag, und „die weisen Dinge, die Proust über die Krankheit schreibt, stimmen einen auf eine andere Weltsicht ein“.

Zur Ausstellung findet auch ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen, Vorträgen und musi- kalischen Beiträgen statt. I Gisela Klinkhammer

MARCEL PROUST IM SPIEGEL SEINER KORRESPONDENZ

Die Medizin als Leitmotiv

Eine Ausstellung in Köln ermöglicht es dem Leser, die Korrespondenz und das Werk des französischen Romanciers im Kontext seiner Zeit kennenzulernen.

Die Ausstellung „Cher ami . . . – Marcel Proust im Spiegel seiner Korrespondenz“ ist bis zum 6. September im Museum für Angewandte Kunst in Köln, dienstags bis sonntags von elf bis 17 Uhr und jeden ersten Donnerstag im Monat bis 22 Uhr zu sehen. Informationen: www.museenkoeln.de.

Anschließend wird die Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien präsentiert. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher zweisprachiger Katalog erschienen (49,80 Euro).

Marcel Proust:

Brief an den Kom- ponisten Reynaldo Hahn, geschrieben in „Geheimsprache“

mit integrierter Zeichnung Marcel und sein Bruder Robert Proust,

der als Urologe unter anderem durch ein Verfahren zur Prostatektomie bekannt wurde

Fotos:Bibliotheca Proustiana Reiner Speck und Snoek Verlagsgesellschaft Köln 2009

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