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ach Schätzungen weisen zwischen drei und 16 Prozent der Menschen in Deutschland eine subklini- sche Hypothyreose auf. Be- sonders hoch ist die Präva- lenz bei Frauen, die älter als 60 Jahre sind. Deutlich höher noch ist die Prävalenz der subklinischen Hyperthyreo- se, die sich in den meisten Fäl- len aus einer Schilddrüsen- autonomie entwickelt, selte- ner ist ein Morbus Basedow die Ursache.Die subklinische Hypothy- reose sei biochemisch durch erhöhtes TSH (Thyreoidea- stimulierendes Hormon) im Blut und gleichzeitig norma- len Werten an den Schilddrü- senhormonen T4 und T3 ge- kennzeichnet, erklärte Prof.
Jean-Jaques Staub (Basel) in München. Klinische Zeichen fehlen meistens oder sind nur unauffällig leicht ausgeprägt.
Die Ursachen sind die glei- chen wie für die manifeste Hy- pothyreose: chronische, stum- me Autoimmunthyreoiditis (häufig mit erhöhten Schild- drüsen-Antikörpertitern), be- handelbare Formen der Hy- perthyreose (nach Radiojod- behandlung oder nach Strum- ektomie), nach Operation ei- ner blanden Strume sowie medikamentös induziert, zum Beispiel durch Lithium- oder Amiodaron-Gaben.
Unspezifische Symptome werden leicht übersehen Staub berichtete, dass nur et- wa 25 Prozent der Betroffe- nen Symptome zeigen, rund 50 Prozent liegen im Grenz- bereich. Die Symptome sind sehr diffus und unspezifisch, sie werden leicht übersehen.
Dabei ist die subklinische Hy- pothyreose ein Risikofaktor für Atherosklerose und kar- diovaskuläre Erkrankungen.
Eine Metaanalyse von 13 Stu- dien hat ergeben, dass durch eine Therapie mit Schilddrü- senhormonen das Gesamt- cholesterin im Blut gesenkt wird.
Die Basel-Thyroid-Study, die erste randomisierte Inter- ventionsstudie mit mehr als 60 Patienten mit subklinischer
Hyperthyreose, hat diese Be- obachtung bestätigt: Durch die Gabe von Levothyroxin (zum Beispiel Euthyrox®) wurden Gesamtcholesterin und das atherogene LDL-Cholesterin signifikant gesenkt. Dadurch reduzierte sich die kardiovas- kuläre Mortalität im Studien- kollektiv um 17 Prozent.
Es ist bekannt, dass mani- feste Hypo- und Hyperthy- reosen in der Regel mit psy- chischen Symptomen einher- gehen, da die Hormone der Hypothalamus-Hypophysen- Schilddrüsen-Achse in viel- fältiger Weise in den ZNS- Stoffwechsel eingreifen. Ver-
schiedene Studien ließen ver- muten, dass auch die subklini- sche Hypothyreose mit neu- ropsychiatrischen Symptomen assoziiert ist, erläuterte Dr.
Tom Bschor (Dresden).
Von den Patienten, die we- gen einer depressiven Erkran- kung psychiatrisch behandelt wurden, wiesen bis zu 40 Pro- zent eine subklinische Hypo- thyreose auf. Das ist das Er-
gebnis aus zwölf systemati- schen Studien. In einer weite- ren Studie mit Personen mit subklinischer Hypothyreose wiesen sogar 56 Prozent eine affektive Erkrankung in der Anamnese auf. Daher hält es Bschor für wichtig, dass bei subklinischer Schilddrüsen- dysfunktion nach psychischen Symptomen gefragt wird und dass bei Vorliegen einer ma- nifesten psychiatrischen Er- krankung die Schilddrüsen- funktion untersucht und ge- gebenenfalls eine Hormon- therapie eingeleitet wird.
Um subklinische Schild- drüsendysfunktionen frühzei-
tig aufzudecken, empfiehlt Prof. Petra-Maria Schumm- Draeger (München), ab dem 45. Lebensjahr regelmäßig ein TSH-Screening durchzu- führen.Vor allem bei Schwan- geren und Frauen mit uner- fülltem Kinderwunsch, bei Frauen mit ovulatorischer Dys- funktion beziehungsweise In- fertilität, im Klimakterium sowie bei älteren Menschen
mit entsprechenden Sympto- men, wie beispielsweise tro- ckener Haut, Kälteintoleranz und abnormer Achillesseh- nen-Reflexzeit.
Ist eine klinisch manifeste Hypothyreose durch TSH- Werte von 10 bis 12 mU/l ge- kennzeichnet, muss eine sub- klinische Form ab einem Se- rum-TSH von 4 mU/l ange- nommen werden. Dann ist auch die Therapie mit Levo- thyroxin gerechtfertigt. Fest steht, dass eine frühzeitig ein- setzende Therapie mit Schild- drüsenhormonen auch bei euthyreoter Stoffwechsellage die Progression einer Au- toimmunthyreoiditis (Hashi- moto) mit Anti-TPO-Anti- körpern hemmen kann. Durch eine einjährige Hormonthera- pie sinken sowohl die Anti- körpertiter als auch die An- zahl der thyreoidalen B-Lym- phozyten signifikant.
Die subklinische Hyper- thyreose geht nach Aussage von Prof. Klaus Mann (Essen) mit einem erhöhten kardialen Morbiditäts- und Mortalitäts- risiko einher. In der Postme- nopause erhöht sich außer- dem das Osteoporose- bezie- hungsweise das Frakturrisiko.
Biochemisch ist die subkli- nische Hyperthyreose durch niedrige TSH-Werte (unter 0,3 mU/l) bei normalen peri- pheren Werten an fT4, T3 oder fT3 gekennzeichnet.
Die klinischen Symptome sind meist diskret und wer- den häufig als Symptome des Alters fehlgedeutet. Hierzu zählen Verschlechterung ei- ner Herzinsuffizienz, Schlaf- losigkeit, innere Unruhe, Ap- petitlosigkeit, oft auch de- pressive Verstimmung. Die Rotterdam-Studie konnte pro- spektiv zeigen, dass bei subkli- nischer Hyperthyreose durch- schnittlich nach zwei Jahren das Risiko für Demenz vom Alzheimer-Typ deutlich steigt.
Das höchste Risiko wiesen Patienten mit niedrigem TSH und positivem TPO-Antikör- per-Nachweis auf. Auch Fall- kontrollstudien zeigten er- höhte Thyreoglobulin-Anti- körpertiter sowie erhöhte an- timikrosomale Antikörperti- ter bei Alzheimer-Patienten.
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A2966 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003
Latente Hypo-/Hyperthyreose
Wann Therapie,
wann nur Kontrolle?
Schilddrüsen-Szintigramm einer multifokalen Autonomie. In den nicht mehr der hypophysären Regulation unterliegenden Schild- drüsen-Arealen hat sich Radionuklid angereichert.
Foto:Hoc
Unternehmen
Zurzeit ist die Datenlage so, dass bei einem Patienten mit erniedrigten TSH-Werten und normalen fT4, ohne Allge- meinerkrankung und ohne die Schilddrüsenfunktion beein- trächtigende Medikamente, oh- ne Strume, ohne Knoten und ohne klinische Symptomatik, mit der Therapie abgewartet werden sollte, aber eine regel- mäßige Kontrolle notwendig sei, betonte Mann.
Ist eine Therapie ange- zeigt, empfiehlt Schumm-Drae- ger eine 131-Radiojodthera- pie, wenn es keine zwingen-
den Gründe für eine Schild- drüsenoperation gibt. Ver- bieten sich diese Maßnah- men, kann beim älteren Men- schen mit Schilddrüsenauto- nomie und Hyperthyreose ei- ne thyreostatische Behand- lung sinnvoll sein, um vor al- lem das Risiko kardiovas- kulärer Komplikationen zu senken. Siegfried Hoc
1. Münchner Schilddrüsensymposium
„Nicht nur der Knoten zählt – unser All- tag mit subklinischen Funktionsstörun- gen der Schilddrüse“ der Firma E. Merck in München
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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 457. November 2003 AA2967 Atypische Neuroleptika zeich-
nen sich bei der Akutbehand- lung und Prophylaxe schizo- phrener und bipolarer Störun- gen durch eine sichere Wir- kung und gute Verträglichkeit aus. Als vorteilhaft stufte Prof.
Norbert Müller (München) vor allem die geringen motori- schen und affektiven Neben- wirkungen ein. Die gute Ver- träglichkeit von Olanzapin hat sich auch in der Notfallbe- handlung in der 24-Stunden- Aufnahmebereitschaft von 94 psychiatrischen Versorgungs- kliniken erwiesen.
Die prospektive, offene Un- tersuchung hat Dr. Jörg Cze- kalla (Medizinische Abtei- lung Lilly Deutschland) in Hamburg vorgestellt. Es wur- den 456 Patienten akut mit Olanzapin behandelt, dabei wurde in etwas mehr als der Hälfte der Fälle die lösliche Form von Zyprexa® (Velo- Tab™) eingesetzt – speziell bei aggressiven Patienten mit der (Verdachts-)Diagnose Schizophrenie beziehungswei- se schizotypen und wahnhaf- ten Funktionsstörungen. Drei Viertel der Patienten nah- men eine psychoaktive Be- gleitmedikation ein, vier von zehn ein zweites Antipsychoti-
kum. In der Akutsituation wurden 41 Prozent als eigen- und 28 Prozent als fremdge- fährdend eingestuft.
Die Bewertung nach zwei- wöchiger Behandlung be- stätigte die gute Effizenz und Verträglichkeit der beiden Zubereitungsformen: Die Sui- zidalität hatte von 55 auf 23 Prozent abgenommen, es wur- den nur 28 unerwünschte Wir- kungen bei 23 Patienten erho- ben. Dabei handelte es sich am häufigsten um eine Gewichts- zunahme (neun Fälle), in zwei Fällen wurden extrapyramida- le motorische Störungen do- kumentiert.
Zu einem Therapieabbruch kam es in drei Fällen (aller- gische Reaktion, Erhöhung der Kreatinin-Kinase, Unruhe) – und das, obwohl bei mehr als der Hälfte der Patienten ei- ne deutlich höhere als die Standarddosierung verabreicht worden war. Olanzapin wird im Jahr 2004 auch als intramus- kulär zu applizierende Zube- reitung auf den Markt kom- men, erklärte Czerkalla. Le
Satellitensymposium der Firma Lilly in Hamburg: „Gemeinsame Bewältigung psychiatrischer Krisen – Subjektive Ab- sätze und therapeutische Alliancen“