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Untersuchungen zum Einfluss der Proteine NFI-A und LIS1 auf Expression und Funktion des Zellerkennungsmoleküls L1

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Academic year: 2021

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Untersuchungen zum Einfluss der Proteine

NFI-A und LIS1 auf Expression und Funktion

des Zellerkennungsmoleküls L1

DISSERTATION

Zur Erlangung des Doktorgrades

des Fachbereiches Chemie der Universität Hamburg

vorgelegt von Tanja Schneegans

(2)
(3)

Gutachter:

Herr Prof. Dr. P. Heisig

Frau Prof. Dr. M. Schachner

(4)
(5)

INHALTSVERZEICHNIS

I

Einleitung

1 L1 1.1 Zelladhäsionsmoleküle 1 1.2 Neurale Zelladhäsionsmoleküle 1 1.3 Die Immunglobulin-Superfamilie 2 1.4 Das Zelladhäsionsmolekül L1 4

1.5 Funktionen und Expressionsmuster von L1 5

1.5.1 Neuronale Migration 6

1.5.2 Neuritogenese 6

1.5.3 Neuritenwachstum 7

1.6 Extrazelluläre Interaktionen von L1 9

1.7 Intrazelluläre Interaktionen von L1 10

1.8 Die L1-knock-out Maus 13

2 Das GFAP/L1-Projekt 2.1 Regenerationsfähigkeit des Nervensystems 14

2.2 Die GFAP/L1-Maus 14

2.3 Die SAGE-Analyse der Genexpression in GFAP/L1-Mäusen 15

2.4 Auswahl der für die Doktorarbeit relevanten Moleküle 17

3 NFI-A 3.1 Sequenzspezifische Transkriptionsfaktoren 18

3.2 Regulation der Transkription 19

3.3 Die NFI-Familie 21

3.4 Struktur und funktionale Domänen der NFI-Proteine 3.4.1 N-terminale DNA-Bindungs/Dimerisierungsdomäne 23

3.4.2 C-terminale Aktivierungs/Repressionsdomäne 24

3.4.3 Mechanismen der Aktivierung durch NFI-Proteine 26

3.4.4 Mechansimen der Repression durch NFI-Proteine 26

(6)

4 LIS1 (PAFAH1B1)

4.1 LIS1 und neuronale Migrationsstörungen 29

4.2 Das LIS1-Gen 33

4.2.1 Mutationen des LIS1-Gens 34

4.2.2 LIS1-knock-out Mäuse 34

4.3 LIS1 als Protein 35

5 Zielsetzung der Arbeit 5.1 NFI-A und L1 39

5.2 LIS1 und L1 39

II Material

1 Chemikalien 41

2 Puffer und Lösungen 41

3 Medien für Bakterien 43

4 Bakterienstämme und Zelllinien 44

5 Zellkulturlösungen und –medien 44

6 Molekulargewichtsstandards 45 7 Vektoren 45 8 Antikörper 47 8.1 primäre Antikörper 47 8.2 sekundäre Antikörper 48

III Methoden

1 Molekularbiologische Methoden 1.1 Transformation von Bakterien 49

1.2 Plasmidisolation aus 1,5 ml E.coli Bakterienkulturen 49

1.3 Plasmidisolation aus 15 ml E. coli Bakterienkulturen 50

1.4 Plasmidisolation aus 400 ml E.coli Bakterienkulturen 50

(7)

1.7 Ligation von DNA-Fragmenten 52

1.8 Aufreinigung von PCR-Produkten 52

1.9 Gelektrophorese von DNA 53

1.10 DNA- Isolation aus Agarosegelen 53

1.11 DNA-Reinheitsanalyse und Bestimmung der Konzentration 54

1.12 DNA-Sequenzierung 54

1.13 Polymerase-Ketten-Reaktion 54

1.14 Reportergen-Assay auf Luciferase-Basis 55

1.14.1 Proteinbestimmung (Reportergen-Assay) 56

1.15 Electrophoretic Mobility Shift Assay (EMSA) 56

1.15.1 Radioaktive Markierung von Oligonukleotiden

mit [32P]dCTP 57

1.15.2 Gewinnung der DNA-bindenden Proteine 58

1.15.3 Inkubation der Oligonukleotide mit dem Zellextrakt,

Elektrophorese und Detektion 58

1.15.4 Supershift 59

1.15.5 Kompetitionsanalyse 60

1.16 Chromatin-Immunpräzipitation (ChIP) 60

2 Proteinbiochemische Methoden

2.1 Bestimmung von Proteinkonzentrationen mit dem

BCA-Test 62

2.2 SDS-Polyacrylamidgelelektrophorese 62

2.3 Western Blot-Analyse

2.3.1 Elektrophoretischer Transfer 63

2.3.2 Immunologischer Nachweis von Proteinen

auf Nitrocellulosemembranen 63

2.3.3 Immunologischer Nachweis von Proteinen auf Nitrocellulosemembranen mittels

verstärkter Chemilumineszenz (ECL) 63

2.4 Immunpräzipitation

(8)

2.4.1.1 Vorbehandlung der magnetischen Protein-A-Beads 64

2.4.1.2 Zellernte für die Immunpräzipitation 64

2.4.2 Proteinextraktion aus Gesamthirn für die Immunpräziptitation 65 2.4.3 Immunpräzipitation mit Protein-G-Sepharose 65

3 Zellbiologische Methoden

3.1 Präparation und Kultivierung von primären

Hippocampusneuronen 66

3.1.1 Transfektion von primären Hippocampusneuronen 66 3.1.2 Messung des Neuritenwachstums bzw. der Neuritogenese von

Hippocampusneuronen 66

3.2 Präparation und Kultivierung von primären Kleinhirnneuronen 67 3.2.1 Herstellung von Reaggregaten aus Kleinhirnneuronen 67 3.2.2 Herstellung von Mikroexplantaten aus Kleinhirnneuronen 68

3.3 Kultivierung von CHO- und N2A-Zellen 69

3.3.1 Transfektion von CHO-Zellen 69

3.3.2 Transfektion von N2A-Zellen 70

3.3.3 Transfektion für Reportergen-Assays 70

3.3.4 Transfektion für ChIP-Assays, Immunpräzipitationen und

Western Blots zur Überprüfung der NFI-A-Aktivität 71

3.4 Lyse von CHO- und N2A-Zellen 71

3.4.1 Lyse von Zellen für die Western Blot-Analyse 71

3.4.2 Lyse von Zellen für Reportergen-Assays 71

3.4.3 Lyse von Zellen für Immunpräzipitationen 72 3.4.4 Lyse von Zellen für Western- Blots zur Überprüfung

der NFI-A-Aktivität am L1-Promotor 72

3.5 Proteinextraktion aus Maushirn 72

(9)

IV

Ergebnisse

1 NFI-A und L1

1.1 Die regulatorische Region des L1-Gens enthält

Bindungsmotive für Transkriptionsfaktoren der NFI-Familie 74 1.2 Die Erkennungsmotive einiger L1-relevanter

Transkriptionsfaktoren befinden sich kurz vor dem

Translationsstartpunkt des L1-Gens 76

1.3 NFI-A bindet in vitro an die perfekte

Erkennungssequenz in der regulatorischen Region

des L1-Gens 77

1.3.1 Die Bindung von NFI-A an seine Konsensussequenz

im L1-Promotor ist spezifisch 81

1.3.2 NFI-A bindet mit hoher Affinität an seine perfekte

Erkennungssequenz in der regulatorischen Region des L1-Gens 82 1.4 NFI-A bindet in vivo an seine Konsensussequenz

im L1-Promotor 84

1.5 NFI-A reprimiert die L1-Genexpression in N2A-Zellen 86 1.5.1 NFI-A wirkt in N2A-Zellen der Glucocorticoid-induzierten

Aktivierung der L1-Expression entgegen 89

1.5.2 Unter dem Einfluss von NFI-B, -C und –X erfolgt keine

Aktivierung der L1-Expression in N2A-Zellen 93 1.5.3 In Gegenwart der Transkriptionsfaktoren NFI-B, -C und -X

erfolgt keine Aktivierung der L1-Expression durch den

Glucocorticoidrezeptor-Komplex 94

1.6 Überprüfung der Repression des NFI-A Proteins am

L1-Promotor in der Western Blot-Analyse 96

2 LIS1 und L1

2.1 LIS1-Expression in der L1 knock-out-Maus 96

(10)

2.3 Hypothesen zum funktionellen Zusammenhang

zwischen LIS1 und L1 99

2.3.1 Lassen sich durch den LIS1-Inhibitor mc-PAF

die Migration von Neurone auf L1 bzw. das L1-vermittelte

Neuritenwachstum hemmen? (Hypothese 1) 101

2.3.1.1 Der LIS-Inhibitor mc-PAF hat keinen Einfluss auf

die Migration von Kleinhirnneuronen auf L1 102

2.3.1.2 Das L1-vermittelte Neuritenwachtsum von Kleinhirnneuronen

wird durch mc-PAF nicht beeinträchtigt 104

2.3.2 Beeinträchtigt die Hemmung der LIS1-Mikrotubuli-Assoziation

das L1-vermittelte Auswachsen von Neuriten? (Hypothese 2) 106 2.3.2.1 Die LIS1-Mutationen H149R und S169P beeinflussen

das L1-vermittelte Neuritenwachstum nicht 107

2.3.2.2 Dominant negative LIS1-Konstrukte inhibieren

die L1-abhängige Neuritogenese 108

2.3.3 Immunpräzipitationen zur Untersuchung einer

direkten Interaktion zwischen LIS1 und L1 110

2.3.3.1 Koimmunpräzipitation aus N2A-Zellen 110

2.3.3.2 Koimmunpräzipitation aus Gehirnhomogenat 110

V Diskussion

1 NFI-A und L1

1.1 NFI-Bindungsstellen im L1-Promotor 111

1.2 Bindungsstellen weiterer Transkriptionsfaktoren

im L1-Promotor 114

1.3 Das NRSE-Element im L1-Promotor und die Repression

durch NFI-A 115

1.4 Repression der L1-Genexpression durch NFI-A 117

1.5 NFI-A und Glucocorticoide üben gegensätzliche Effekte

auf die L1-Genexpression aus 118

(11)

1.7 Mögliche physiologische und pathophysiologische Relevanz

der Repression der L1-Expression durch NFI-A 121

2 LIS1 und L1

2.1 Untersuchungen des L1-vermittelten Migrationsverhaltens unter Reprimierung der LIS1-Enzymaktivität weisen nicht

auf eine Beeinflussung durch LIS1 hin 124

2.2 Untersuchung der L1-abhängigen Neuritogenese bzw. des L1-abhängigen Neuritenwachstums mit

dominant negativen LIS1-Konstrukten 128

VIa Zusammenfassung

1 NFI-A und L1 135 2 LIS1 und L1 136

VIb Summary

1 NFI-A and L1 137 2 LIS1 and L1 138

VII

Literaturverzeichnis

139

VIII Anhang

1 Abkürzungen 159

2 Verwendete Primer und Oligonukleotide

2.1 Im EMSA verwendete Oligonukleotide 160

2.2 Primer für die ChIP-Assays 160

2.3 Primer für die zielgerichtete Mutagenese 161

2.4 Oligonukleotide für die Konstruktion der

Myc-markierten NFI-A-Expressionsplasmide 161

(12)

4 Klonierungen

4.1 zielgerichtete Mutagenese von DNA-Sequenzen 162

4.2 Konstruktion der Deletionsplasmide

pCHBNFI-A1.1m und pCHNFI-A1.1m 164

4.3 Konstruktion der Myc-markierten

NFI-A-Expessionsplasmide pCMBNFI-A1.1

und pCMNFI-A1.1 165

5 Morris-Water-Maze-Test zur Vorbehandlung

der für die SAGE-Analyse verwendeten Mäuse 167

6 Durchführung der SAGE-Analyse 167

7 Schematische Darstellung der SAGE-Analyse 170

8 Publikationen 172

9 Lebenslauf 173

10 Danksagung 174

(13)

I

EINLEITUNG

1 L1

1 .1 Zelladhäsionsmoleküle

Zelladhäsions- oder Zellerkennungsprozesse sind besonders während der Entwicklung von entscheidender Bedeutung. Die spezifische Adhäsion bzw. Erkennung von Zellen eines Gewebes ist insbesondere zur Ausbildung der Gewebearchitektur bedeutsam.

Wandert eine Zelle, so kann sie sich anhand von löslichen Substanzen orientieren (Chemotaxis) oder an Molekülen der extrazellulären Matrix bzw. der Zelloberfläche, die als Leitmoleküle den wandernden Zellen die Richtung weisen. Hat eine migrierende Zelle ihr Ziel erreicht, so ist sie in der Lage, Zellen des gleichen Typs zu erkennen und mit diesen ein Gewebe auszubilden. Auch hier kommen wieder Zellerkennung/-adhäsion zum Tragen. Somit sind die Zellen selbst in der Lage, entsprechend der äußeren Bedingungen selektive Adhäsionskräfte aufrechtzuerhalten. Diese Adhäsionsprozesse werden über Zelladhäsions- bzw. Zellerkennungsmoleküle vermittelt.

1.2 Neurale Zelladhäsionsmoleküle

Für die Entwicklung des Gehirns sind Prozesse wie neuronales Wachstum, Migration und Differenzierung der Neuronen sowie die Ausbildung neuronaler Verbindungen und Lernprozesse von entscheidender Bedeutung.

Neurale Zelladhäsionsmoleküle spielen in der frühen Entwicklung des Nervensystems und auch im adulten Nervensystem eine wichtige Rolle. Aufgrund ihrer Verankerung in der Zellmembran sind sie in der Lage, einerseits mit Molekülen der extrazellulären Matrix zu wechselwirken und andererseits mit benachbarten Neuronen oder Gliazellen zu kommunizieren. So kann die Zelle mit

(14)

Hilfe der neuralen Zelladhäsionsmoleküle auf Umgebungsreize reagieren und entsprechende Zellantworten in die Zelle weiterleiten oder auch wieder an die Umgebung vermitteln. Die aus dieser Kommunikation resultierende variable Adhäsionsfähigkeit von neuronalen Zellen ist eine wesentliche Voraussetzung für das Entstehen und die Funktionsfähigkeit neuronaler Netzwerke.

Zelladhäsionsmoleküle werden in vier Gruppen eingeteilt: Integrine (Reichardt und Tomaselli, 1991; Hynes, 1992), kalziumabhängige Cadherine (Kemler und Ozawa, 1989; Takeichi, 1991), Moleküle der extrazellulären Matrix (Sanes, 1989; Reichardt und Tomaselli, 1991) und Zelloberflächen-Glykoproteine der Immunglobulin-(Ig)-Superfamilie (Williams und Barclay, 1988; Brümmendorf und Rathjen, 1993).

1.3 Die Immunglobulin-Superfamilie

Die ursprünglichen Vertreter der Immunglobulin-Superfamilie werden von Antikörpern (Edelman et al., 1969) und MHC (major histocompatibility complex)-Antigenen repräsentiert (Orr et al., 1979). Proteine dieser Familie sind allgemein von sehr heterogener Struktur, sie enthalten jedoch Immunglobulindomänen als gemeinsames Strukturelement. Die Ig-Proteine des Immunsystems sind an hochspezifischen Zell-Zell-Erkennungsprozessen beteiligt (Springer, 1990).

Auch die Ig-Moleküle des Nervensystems vermitteln in erster Linie Zellerkennungsprozesse durch ihre Ig-ähnlichen Domänen, sie besitzen neben den Ig-Domänen außerdem Typ-(III) ähnliche Fibronektin-Domänen (FN-III) als weiteres charakteristisches Strukturmerkmal. Fibronektin-Domänen befinden sich in vielen Molekülen der extrazellulären Matrix (extracellular matrix, ECM) und wurden erstmalig im ECM-Molekül Fibronektin beschrieben (Kornblihtt et al., 1985). Sie sind in der Lage, sowohl Zell-ECM-Wechselwirkungen (Ruoslahti und Pierschbacher, 1987) als auch neuronales Wachstum (Dorries et al., 1996; Xiao et al., 1996) zu vermitteln.

Eine Unterteilung der Ig-Superfamilie in verschiedene Untergruppen erfolgt aufgrund der Anzahl der Ig- und Fibronektin-Domänen und weiterer struktureller Merkmale. Als erste Ig-ähnliche Zellerkennungsmoleküle wurden das neuronale Zelladhäsionsmolekül (N-CAM) und L1 (Salton et al., 1983; Rathjen und

(15)

Schachner, 1984) als Begründer zweier Untergruppen der Ig-Superfamilie beschrieben.

Die L1-Familie stellt eine Untergruppe der Immunglobulin-Superfamilie dar, deren Mitglieder strukturell sowie funktionell große Ähnlichkeit aufweisen. L1 und CHL1 (close homologue of L1) bestehen aus sechs N-terminal lokalisierten Ig-ähnlichen Domänen, vier oder fünf FN-III-ähnlichen Domänen, einer transmembranen Domäne und einer konservierten, C-terminal lokalisierten zytoplasmatischen Domäne (Hortsch, 1996; Brümmendorf und Rathjen, 1995).

Abb. 1: Domänenstruktur der Zelladhäsionsmoleküle NCAM, L1 und CHL1.

Neuronale Zelladhäsionsmoleküle gehören zur Ig-Superfamilie. Sie besitzen einen extrazellulären Teil, welcher Ig-ähnliche und Fibronektin Typ-(III)-ähnliche Domänen trägt, eine Transmembranregion und einen hoch konservierten intrazellulären Teil. Die L1-Familie stellt eine Untergruppe der Ig-Superfamilie dar und besteht unter anderem aus L1 und CHL1 (close homologue of L1).

(16)

1.4 Das Zelladhäsionsmolekül L1

L1 oder L1-ähnliche Moleküle wurden in vielen Spezies einschließlich Nagern, Fischen, Drosophila und Würmern gefunden. L1 ist in Säugetieren stark konserviert, wobei der extrazelluläre Teil in Säugern zu 80-95% identisch ist und die zytoplasmatische Domäne eine 100%-ige Übereinstimmung bei Menschen, Ratten und Mäusen aufweißt (Hlavin and Lemmon, 1991).

L1 wurde zuerst im zentralen Nervensystem der Maus als transmembranes Glykoprotein von 200 kDa beschrieben. Strukturell besteht L1 aus 6 Ig-ähnlichen und 5 FN-III-ähnlichen Domänen, einem transmembranen und einem kurzen intrazellulären Teil (siehe Abb. 1). L1 besitzt verschiedene N- und O-Glykosylierungsstellen in der extrazellulären Domäne, wobei die angehängten Zucker ungefähr 25% der molaren Masse des L1-Moleküls ausmachen.

Das L1-Gen ist auf dem X-Chromosom lokalisiert und besteht aus 29 Exons, von denen 28 codierend sind. Exon 1 und ein Teil des zweiten Exons gehören zum 5`-untranslatierten Bereich des L1-Gens (Kohl et al., 1992; Kallunki et al., 1997). Der Transkriptionsstartpunkt des L1-Gens befindet sich am Anfang von Exon 1, wohingegen der codierende Bereich in der Mitte des zweiten Exons beginnt. Die Genexpression von L1 wird unter anderem gesteuert durch verschiedene spezifische Transkriptionsfaktoren, deren Bindungsdomänen am Ende des ersten Introns kurz vor dem Translationsstartpunkt lokalisiert sind (siehe auch NFI-A Ergebnisse Abb. 9). Zu diesen Transkriptionsfaktoren gehören die Homöobox-Transkriptionsfaktoren Barx2 (Jones et al., 1997) und Hoxa-1 (Chalepakis et al., 1994) sowie Pax-6 (Chalepakis et al., 1994; Meech et al., 1998).

Im zweiten Intron des L1-Moleküls befindet sich ein Silencerelement („neuronal

restrictive silencer element“-NRSE), welches die L1-Expression in

nicht-neuronalen Zellen verhindert (Kallunki et al., 1997). Ein solches Element wurde bereits in ausschließlich neuronal exprimierten Genen gefunden, wie zum Beispiel in Synapsin I. Ein transkriptioneller Repressor, REST/NRSF (RE-1-silencing

transcription factor / neuronal restrictive silencer factor) bindet in

nicht-neuronalen Zellen an diese Erkennungssequenz und führt zu einer Blockade der Expression neuronaler Gene. REST/NRSF wird außer in nicht-neuronalen Zellen

(17)

in neuronalen Vorläuferzellen, nicht aber in postmitotischen Neuronen exprimiert (Chong et al., 1995, Schoenherr et al., 1995). Somit könnte die Herunterregulation dieses Transkriptionsfaktors einen wichtigen Beitrag zur Etablierung des neuronalen Phänotyps leisten (Thiel et al., 1998; Lietz et al., 1998; Ballas et al., 2001).

Palm et al. (1998) konnten REST/NRSF in einigen Gehirnregionen (Kortex, Striatum und Hippocampus) in postnatalen Entwicklungsstadien detektieren. Kallunki et al. postulierten 1998 eine möglicherweise duale Funktion von REST/NRSF, da REST/NRSF auch in postnatalen Neuronen gefunden wurde, die ebenfalls L1 exprimieren. Demnach könnte REST/NRSF in prä- und postnatalen Stadien verschiedene Funktionen ausüben.

Bis jetzt sind zwei Isoformen des L1-Moleküls bekannt. Die neuronal exprimierte L1-Isoform enthält sowohl ein RSLE/YRSL-Motiv in Exon 27 als auch ein KGHHV-Motiv in Exon 2. In nicht-neuronalen Zellen, sowie in Gliazellen des PNS und in Lymphozyten wird eine kürzere L1-Isoform ohne diese beiden Motive (Miniexons) exprimiert.

1.5 Funktionen und Expressionsmuster von L1

Das neurale Zellerkennungsmolekül L1 ist aufgrund seiner Lokalisation auf der Oberfläche von Neuronen in der Lage, an benachbarte Neuronen, Gliazellen oder Moleküle der extrazellulären Matrix zu binden sowie gleichzeitig weitere signalgebende Proteine zu beeinflussen. L1 spielt eine wichtige Rolle während der neuronalen Entwicklung, indem es an Prozessen wie Migration und Differenzierung, Entstehung und Wachstum von Neuriten, an der axonalen Wegfindung sowie an der Faszikulierung der Axone und an der Myelinisierung beteiligt ist.

Prozesse wie Migration, Neuritogenese und Neuritenwachstums sind zeitlich eng zusammenliegende und zum Teil überlappende Vorgänge, die im Folgenden näher erläutert werden (siehe 1.5.1-1.5.3).

(18)

Gemeinsam ist diesen Prozessen eine Reaktion der Zelle auf Prozess-spezifische attraktive Signale, die durch membranständige Proteine vermittelt wird. Die attraktiven Moleküle können sich in der extrazellulären Matrix befinden sowie auf der Oberfläche von benachbarten Neuronen oder Gliazellen exprimiert werden; weiterhin kann sich die Zelle auch an sezernierten Proteinen orientieren. Bei dieser Reizaufnahme aus der Umgebung spielen Zellerkennungsmoleküle eine entscheidende Rolle. Mit ihrer Hilfe ist die Zelle in der Lage, die Signale in die Zelle weiterzuleiten, so dass es unter anderem zu einer Umordnung des Zytoskeletts kommen kann. Bei der Migration, der Neuritogenese und auch beim Neuritenwachstum sind insbesondere Veränderungen des Aktin-Zytoskeletts sowie der Mikrotubuli von entscheidender Bedeutung.

1.5.1 Neuronale Migration

Bei der Migration bewegt sich die Zelle in Richtung von attraktiven Zielstrukturen, mit denen mit Hilfe membranständiger Rezeptoren adhäsive Kontakte gebildet werden. Durch diese Kontakte polarisiert sich die Zelle in eine bestimmte Richtung. Die Migration wird vermittelt von beweglichen Ausstülpungen der Zellmembran, welche unter anderem durch Polymerisation/Depolymerisation von Aktin-Monomeren entstehen. Diese Ausstülpungen exprimieren ebenfalls bestimmte Moleküle (z.B. Zelladhäsionsmoleküle) auf ihrer Oberfläche. Mittels dieser membranständigen Proteine kann die Zelle sich an möglichen Adhäsionspartnern orientieren.. Nach erfolgter Adhäsion der Ausstülpung erfolgt die Translokation des Zellkerns durch Veränderungen des Mikrotubuli-Struktur, sowie das Nachziehen des restlichen Zellkörpers (Rouvroit und Goffinet, 2001).

1.5.2 Neuritogenese

Die Enstehung von Neuriten ist der erste Schritt der Differenzierung einer Nervenzelle (Da Silva et al., 2003) und beginnt nach Adhäsion der Zelle. Die Membranzeptoren aktivieren intrazelluläre Kaskaden, welche zu Veränderungen

(19)

des Aktin-Zytoskelettes führen, wodurch die Symmetrie in der Zelle aufgehoben wird. Eine Ausstülpung formt sich, wie auch bei der Migration und dem Neuritenwachstum scheint das Aktin-Skelett der Zelle hier eine sehr wichtige Rolle zu spielen (Bray et al., 1985; Sheetz et al., 1992; Isbister et al, 1999). Aktin-Monomere polymerisieren in Richtung der Ausstülpung, es erfolgt Rekrutierung von Membranbestandteilen und Mikrotubuli, die für die Stabilisierung der Ausstülpungen wichtig sind. Schließlich entsteht ein Neurit, der später zu einem Axon oder einem Dendriten wird. Auch für diese Differenzierung ist wiederum das Aktin von entscheidender Bedeutung, da meistens der Neurit mit der höchsten Aktin-Aktivität zum Axon differenziert (Da Silva und Dotti, 2002).

1.5.3 Neuritenwachstum

Im Zuge der Elongation von Neuriten entsteht an der Spitze des Neuriten ein sogenannter Wachstumskegel, der das Axon unter anderem mittels der von ihm exprimierten Zelladhäsionsmoleküle navigiert. Der Wachstumskegel enthält polymerisierende/depolymerisierende Aktin- und Mikrotubuli-Filamente als wesentliche Zytoskelettelemente. Durch diese ist er hochbeweglich und kann sich u.a. mit Hilfe der auf der Zelloberfläche exprimierten Erkennungsmoleküle durch die Umgebung tasten. Somit ist er in der Lage, durch die spezifische Adhäsion der Erkennungsmoleküle in die erforderliche Richtung zu navigieren. Wichtig ist eine variable Adhäsionsfähigkeit, die durch Endocytose der Zellerkennungsmoleküle (siehe auch 1.7) sowie durch das Expressionsmuster der Zelladhäsionsmoleküle auf der Oberfläche des Wachstumskegels gewährleistet wird (Kamiguchi, 2003). L1 wird im Nervensystem während der neuronalen Entwicklung und im adulten Zustand exprimiert. Stallcup et al. (1985) konnten in der Ratte die früheste Expression an E11- E15 detektieren. In der Entwicklung der Maus beginnt die L1-Expression etwa um E 9.5 im ZNS (Kallunki et al., 1997). Zu diesem Zeitpunkt differenzieren die postmitotischen Neuronen und wandern an ihre Bestimmungsorte in die entsprechenden Gehirnregionen. Liljelund et al. fanden 1994 eine Expressionsspitze des L1-Proteins an P15 in der Ratte. In dieser

(20)

postnatalen Entwicklungsphase werden synaptische Kontakte gebildet, sowie ein verstärktes Neuritenwachstum beobachtet (Kallunki et al., 1998).

In differenzierten Neuronen findet man L1 besonders häufig in Kontaktregionen zwischen Axonen und benachbarten Nervenzellen und auf den Wachstumskegeln der Axone, wo es über Kontakte zur extrazellulären Matrix und Nervenzellen das neuronale Wachstum sowie die Bündelung der Axone beeinflusst (Kenwrick et al., 2000). Auch Stallcup konnte 1985 eine konzentriertere L1-Expression auf Neuriten als auf Zellkörpern feststellen.

Untersuchungen von Liljelund et al. (1994), die die L1-Expression von Gehirnen junger und alter Ratten verglichen, zeigten eine ubiquitäre L1-Expression im adulten Gehirn, wobei die adulten Neuronen im Vergleich zu früheren Entwicklungsstadien weniger L1 exprimieren.

Im adulten Zustand fördert L1 unter anderem die Regenerationsfähigkeit (Nieke und Schachner, 1985; Seilheimer und Schachner, 1989) und die Überlebensfähigkeit von Neuronen (Hulley et al., 1998; Chen et al., 1999). L1 ist außerdem beteiligt an der Entwicklung bzw. Modulation von Synapsen zur Förderung von Lernprozessen und Gedächtnisbildung (Arami et al., 1996; Scholey et al., 1995). Diese Prozesse werden unter dem Begriff „synaptische Plastizität“ zusammengefaßt.

In adulten Neuronen verbleibt L1 auf den unmyelinisierten Axonen, auf myelinisierten Axonen hingegen ist L1 nicht zu finden.

Auf den Gliazellen des ZNS (Oligodendrocyten und Astrocyten) wird L1 nicht exprimiert (Bartsch et al., 1989; Mohajeri et al., 1996), wohingegen L1 im peripheren Nervensystem (PNS) sowohl von Nervenzellen als auch von nicht myelinisierenden Gliazellen (Schwannschen Zellen) exprimiert wird (Martini und Schachner, 1988).

In nicht neuronalen Zellen wird L1 in seiner verkürzten Isoform unter anderem auf Leukozyten, Epithelzellen und verschiedenen Tumorzellen exprimiert.

(21)

1.6 Extrazelluläre Interaktionen von L1

Die Aktivierung der L1-vermittelten Signaltransduktion erfordert die Homo-oder Heterodimerisierung der L1-Moleküle in der Zellmembran der Neuronen. Dabei ist L1 in der Lage, in cis (Interaktion zweier Moleküle in derselben Zellmembran) oder trans (Interaktion von Molekülen in verschiedenen Zellmembranen) zu wechselwirken.

Auf den sich entwickelnden Axonen interagiert L1 in der Regel mit L1-Molekülen auf benachbarten neuronalen Zellen. Die Interaktion zwischen L1-Molekülen wird als homophil bezeichnet und beeinflusst entscheidend die Extension der Neuriten entlang der bereits ausgewachsenen Axone (Lemmon et al., 1989). Die homophile L1-Wechselwirkung wird dabei hauptsächlich über die Ig-Domänen (insbesondere Ig2) und die zweite und dritte FNIII-Domäne vermittelt. Auch bei der Migration sind homophile L1 Wechselwirkungen von Bedeutung (Lindner et al., 1983; Asou et al., 1992).

L1 ist außerdem in der Lage, mit einer Reihe von Proteinen Heterodimere zu bilden. Heterophile Interaktionspartner für L1 sind zum Beispiel andere transmembranständige Moleküle wie das dem L1 verwandte Zellerkennungsmolekül NCAM, Integrine (αVß3, αVß1), die GPI-verankerten Adhäsionsmoleküle F3/F11 und TAG-1/axonin-1, DM1-GRASP sowie der FGF-Rezeptor.

Einige der heterophilen Interaktionen finden in cis statt und verstärken die L1-homophilen Bindungseffekte und damit das Neuritenwachstum. So fördert die cis-Interaktion mit NCAM die homophile Bindung von L1 in trans (Horstkorte et al., 1993). Ein ähnlicher Mechanismus wird für L1-Wechselwirkungen mit TAG-1/axonin-1, DM1-GRASP und dem FGF-Rezeptor angenommen, da diese Moleküle ebenfalls das L1-vermittelte Neuritenwachstum beeinflussen. Außerdem scheint der FGF-Rezeptor (FGFR) auch an der durch Zellerkennungsmoleküle vermittelten Neuritogenese beteiligt zu sein, da die neuronale Differenzierung durch Antikörper gegen FGFR gehemmt wird (Williams et al., 1994).

Die heterophile L1-Integrin Bindung erfolgt über ein RGD-Motiv (Arg-Gly-Asp) in der sechsten Ig- und über die dritte FNIII-Domäne des L1-Proteins. Es konnte in verschiedenen Arbeiten gezeigt werden, dass diese Interaktionen sowohl für das

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Neuritenwachstum als auch für die Migration bedeutsam ist (Montgomery et al., 1996; Kadmon and Altevogt, 1997; Yip, 1998; Voura et al., 2001; Thelen et al., 2002).

Weitere homo-und wahrscheinlich auch heterophile L1 Wechselwirkungen spielen im Rahmen der neuronalen Migration eine wichtige Rolle. 1983 untersuchte Lindner in einem in vitro-Modell die Migration postnataler Kleinhirnneuronen und konnte eine verminderte Wanderung dieser Neuronen nach Zugabe von L1-Antikörpern beobachten. Asou et al untersuchten 1992 die Migration von Kleinhirnneuronen auf verschiedenen Substraten. Dabei zeigte sich eine verstärkte Migration der Kleinhirnneurone sowohl auf mit L1 transfizierten Zellen als auch auf aus Maushirn aufgereinigtem L1. Auch hier führte die Zugabe von L1-Antikörpern zu einem Rückgang der Migration.

Die Beteiligung von L1 bei der Migration neuronaler Vorläuferzellen während der Entwicklung der Kleinhirns und des Kortex konnte in mehreren Arbeiten gezeigt werden (Fushiki and Schachner, 1986; Beasly and Stallcup, 1987; Chung et al., 1991). Die extrazelluläre Region des L1-Moleküls interagiert aber auch mit Molekülen der extrazellulären Matrix, wie Laminin und den Chondroitin-Sulfat-Proteoglykanen Neurocan und Phosphacan.

Nicht alle L1-Interaktionen haben einen positiven Einfluss auf die Zelladhäsion und das Neuritenwachstum; ein Beispiel ist die Wechselwirkung zwischen Neurocan und L1, welche sowohl die Adhäsion als auch das Neuritenwachstum negativ beeinflusst (Friedlander et al., 1994).

1.7 Intrazelluläre Interaktionen von L1

Die aus ungefähr 100 Aminosäuren bestehende, innerhalb der L1-ähnlichen Moleküle hochkonservierte zytoplasmatische Domäne übernimmt sehr wichtige Funktionen bei der L1 vermittelten Signaltransduktion. Deletionen oder Austausch einzelner Aminosäuren in dieser Domäne können schwerwiegende neurologische Defekte auslösen (siehe L1 knock-out Maus 1.8), die im wesentlichen durch ein gestörtes Axonwachstum und verminderte Faszikulierung der Axone verursacht werden. Über das zytoplasmatische RSLE/YRSL-Motiv des L1-Moleküls (welches nur in der neuronalen L1-Isoform exprimiert wird) erfolgt

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die schnelle, Clathrin-vermittelte L1-Endozytose über den Ap-2 Komplex. Das RSLE/YRSL-Motiv wird auch als Sortierungselement („sorting signal“) bezeichnet, da es einerseits die L1-Endozytose und andererseits den Transport des L1-Moleküls zum Wachstumskegel beeinflusst (Kamiguchi et al., 1998; Kamiguchi und Lemmon, 1998). Somit wird neuronales L1 schneller endozytiert als die nicht neuronale L1-Isoform, was eine verlangsamte Adhäsion neuronaler Zellen zur Folge hat. Über diese Sequenz kann demnach die L1-vermittelte Zellerkennung gesteuert werden (Long et al., 2000). Somit kann die Zelle schneller auf Umgebungsreize reagieren. Der Mechanismus, mit dem L1 an der Bewegung des Wachstumskegels beteiligt ist, beinhaltet die Clathrin-vermittelte L1-Endozytose an der zentralen Domäne der Wachstumskegels, gefolgt vom Vesikeltransport des internalisierten L1-Moleküls in die peripheren Domänen des Wachstumskegels und Wiedereinfügung des L1-Moleküls in die Membran an der Spitze des Wachstumskegels. Das „recycelte“ L1 bewegt sich in der Membran wieder auf die zentrale Domäne des Wachstumskegels zu, dabei koppelt es intrazellulär an Aktin und extrazellulär an das immobile Substrat und ermöglicht so die Fortbewegung des Wachstumskegels (Kamiguchi 2003).

Die L1 intrazelluläre Domäne besitzt verschiedene Phosphorylierungsstellen. Serin 1181 wird phosphoryliert von der Casein-Kinase II (CKII) (Wong et al., 1996a).

Eine weitere Phosphorylierungsstelle befindet sich am Serin1152, hier wird L1 von der Serin/Threonin-Kinase p90 rsk phosphoryliert. Diese Phosphorylierung beeinflusst das L1-vermittelte Neuritenwachstum (Wong et al., 1996b).

Auch die non-receptor Tyrosinkinase pp60c-src scheint beim L1 vermittelten Neuritenwachstum eine Rolle zu spielen. Atashi et al. untersuchten 1992 Wachstumskegel-Membranfraktionen nach Zugabe eines L1-Antikörpers. Durch den Antikörper erfolgte eine Inhibierung der pp60c-src-Kinase und damit eine Reduktion der Tubulin-Tyrosin-Phosphorylierung. Ignelzi et al. konnten 1994 ein gegenüber wildtypischen Zellen stark verringertes Neuritenwachstum src-defizienter Nervenzellen auf einem L1-Substrat feststellen.

Ein Signalweg mit Einfluss auf das Auswachsen der axonalen Fortsätze wurde von Schmid et al. (2000) aufgedeckt. Hier induziert die Zusammenlagerung von L1-Molekülen an der Zelloberfläche die Aktivierung des MAPK

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Dynamin-vermittelte Endozytose von L1 unter Beteiligung der Src-Tyrosin-Kinase pp60c-src. Dies führt zur Aktivierung der PI3-Kinase (Phosphatidiylinositol3-Kinase), von Rac (small GTPase p21rac), MEK und schließlich der MAP-Kinasen ERK1 und ERK2 (extracellular signal regulated kinases). Durch die MAP-Kinasen wird schließlich die Navigation und das Wachstum der durch den Wachstumskegel gesteuerten neuronalen Fortsätze beeinflusst. Außerdem können ERK´s die Genexpression über die Phosphorylierung verschiedener Transkriptionsfaktoren modulieren und auf diesem Weg das Neuritenwachstum unterstützen.

Ein ebenfalls von der Endozytose abhängiger MAPK-regulierter Signalweg für die L1-vermittelte Migration wurde für die Interaktion von L1 und ß1-Integrinen im Rahmen der Migration auf Molekülen der extrazellulären Matrix entdeckt (Thelen et al., 2002). Diese Kaskade fördert die L1-Integrin-vermittelte Zellmigration von B35 Neuroblastomazellen entlang der Moleküle in der extrazellulären Matrix (Fibronektin, Vitronektin und Laminin).

Ankyrine interagieren mit verschiedenen Transmembranproteinen, einschließlich den Familienmitglieder der L1-Familie, mittels ANK-Wiederholungen in ihrer Membran-Bindungsdomäne. Die Ankyrin-Bindungsdomäne (FIGQY) ist innerhalb der L1-Familie hochkonserviert. Ankyrin ist ein Verbindungsprotein zum Spektrin- und Aktin- basierten Zytoskelett (Ankyrin assoziiert mit dem Spektrin-Aktin-Netzwerk durch seine sogenannten Spektrin-Bindungsdomänen) und ist somit in der Lage, über die Bindung an L1 die von L1 vermittelte Adhäsion zu stabilisieren bzw. zu modulieren (Hortsch et al., 1998). Diese Wechselwirkungen sind von entscheidender Bedeutung bei L1 vermittelten Prozessen wie Neuritogenese und Neuritenwachstum.

L1 kann über Ankyrin die Aktin-Verteilung im Wachstumskegel beeinflussen (Davis und Bennett, 1994; Burden-Gulley et al., 1997). Das Aktin-Zytoskelett scheint bei Migration und Neuritenwachstum (Bray et al., 1985; Sheetz et al., 1992; Isbister et al, 1999) sowie bei der Neuritogenese (Da Silva und Dotti, 2002) eine sehr wichtige Rolle zu spielen. Nishimura et al. konnten 2003 zeigen, dass die Interaktion zwischen L1 und AnkyrinB, welches an Aktin koppelt, eine Rolle bei der L1-vermittelten Neuritogenese spielt. Nach L1-Stimulation konnte an Interaktionspunkten von L1 und AnkyrinB in der neuronalen Membran eine verstärkte Neuritogenese beobachtet werden.

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1.8 Die L1-knock-out-Maus

Die Defekte dieser Maus unterstreichen die wichtige Rolle, die L1 bei der neuronalen Entwicklung spielt. In der L1-knock-out-Maus findet man unter anderem eine Hypoplasie des Corpus Callosum, eine Fehlentwicklung des kortikospinalen Trakts und vergrößerte Ventrikel (Hydrocephalus), vermutlich verursacht durch Wegfindungsstörungen der Axone (Dahme et al., 1997; Cohen et al., 1997; Demyanenko et al., 1999; Rolf et al., 2001). Die Mäuse sind kleinwüchsig und in der Entwicklung zurückgeblieben, außerdem wurde eine verminderte Anzahl an hippocampalen Neuronen festgestellt, was auf die verminderten kognitiven Eigenschaften der Maus schließen lässt.

L1 knock-out-Mäuse zeigen ähnliche Defekte, wie sie beim Menschen durch Mutationen des L1-Gens auftreten. Die dadurch verursachte schwerwiegende neuronale Erbkrankheit beim Menschen wird auch als CRASH-Syndrom (corpus callosum hypoplasia, mental retardation, adducted thumbs, spastic paraplegia und hydrocephalus; Jouet et al., 1994; Yamasaki et al., 1997) bezeichnet.

L1-Mutationen, die diese Defekte verursachen, sind sowohl in der extrazellulären als auch in der zytoplasmatischen Domäne des L1-Moleküls zu finden. Allerdings entwickeln Patienten mit Mutationen in der extrazellulären Domäne von L1, die zu einem vorzeitigen Stopcodon oder missense-Punktmutationen führen, häufig einen schwereren Phänotyp als Patienten mit Mutationen im zytoplasmatischen Bereich des L1-Moleküls (Yamasaki et al., 1997).

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2

Das GFAP/L1-Projekt

2.1 Regenerationsfähigkeit des Nervensystems

Das periphere Nervensystem (PNS) und das zentrale Nervensystem (ZNS) adulter Vertebraten unterscheiden sich bezüglich ihrer Regenerationsfähigkeit. Wird ein Nerv im peripheren Nervensystem durchtrennt, so kann dieser regenerieren, d.h. die durchtrennten Nervenenden sind in der Lage, aufeinander zuzuwachsen und wieder einen funktionsfähigen Nerven auszubilden (Cajal, 1928). Im zentralen Nervensystem hingegen sind durchtrennte Neurone nicht zur Regeneration befähigt.

Bei Regenerationsprozessen der Neuronen spielt das Expressionsmuster der Gliazellen eine wichtige Rolle. Im peripheren Nervensystem wird nach einer Läsion der Nerven das Zelladhäsionsmolekül L1 auf den Gliazellen des PNS hochreguliert. L1 fördert unter anderem das Neuritenwachstum, und ist daher maßgeblich an den regenerativen Prozessen im PNS beteiligt (Nieke und Schachner, 1985; Seilheimer und Schachner, 1989).

Da die Gliazellen des zentralen Nervensystems (Astrozyten) grundsätzlich L1-negativ sind, scheint das Fehlen von L1 auf der Oberfläche der Astrozyten die Regenerationsfähigkeit der Neuronen des ZNS einzuschränken.

2.2 Die GFAP/L1-Maus

Ausgehend von der Annahme, dass durch eine ektopische L1-Expression in Astrozyten eine verbesserte Regeneration von Neuronen des zentralen Nervensystems möglich wäre, wurde die GFAP/L1-transgene Maus (kurz: GFAP/L1-Maus) im Labor Schachner konstruiert. Zu diesem Zweck wurde die L1-cDNA hinter den GFAP (Glial Fibrillary Acidic Protein)-Promotor geschaltet. Das Glial Fibrillary Acidic Protein ist ein astrozyten-spezifisches Protein, somit wird durch diesen Promotor in der GFAP/L1-Maus eine Expression von L1 in den normalerweise L1-negativen Astrozyten ermöglicht (Mohajeri et al., 1996). Von

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exprimierte, transgene L1 das Neuritenwachstum in einem sonst inhibitorischen Milieu fördern kann. Untersuchungen von Mohajeri et al. (1996) konnten zeigen, dass wildtypische Neuronen, die auf Gefrierschnitten von läsionierten optischen Nerven von GFAP/L1-Mäusen oder Wildtyp-Mäusen kultiviert wurden, auf transgenem Gewebe längere Neuriten ausbildeten. Auch bei der Untersuchung der Neuritenlängen von kultivierten wildtypischen Neuronen auf Monoschichten von Astrozyten aus transgenen und wildtypischen Mäusen zeigte sich ein verbessertes Neuritenwachstum der auf dem Gewebe der GFAP/L1-Mäuse kultivierten Neuronen. Außerdem wurde ein leicht, aber nicht signifikant verbessertes Neuritenwachstum nach Läsion der optischen Nerven von GFAP/L1-Mäusen im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen beobachtet.

Das Zellerkennungsmolekül L1 beeinflusst neben der Förderung des Neuritenwachstums auch die synaptische Plastizität neuronaler Netzwerke. Unter synaptischer Plastizität versteht man Veränderungen an Synapsen, die die synaptische Stärke modulieren und wahrscheinlich die zelluläre Grundlage für Lernen und Gedächtnisbildung darstellen.

Interessant war daher auch die Frage, ob die L1-Expression durch Astrozyten einen Einfluss auf diese kognitiven Prozesse haben könnte. Interessanterweise zeigten die GFAP/L1-Mäuse in einem Verhaltenstest (Morris-Water-Maze) ein besseres räumliches Lernvermögen als ihre Wildtypkontrollgeschwister (Wolfer et al., 1998). Somit scheinen die molekularen Mechanismen, welche bei der Entwicklung des Nervensystems, der Regeneration von Neuronen nach Verletzungen und bei gesteigerter synaptischer Plastizität („Lernen“) eine wichtige Rolle spielen, zumindest zum Teil übereinzustimmen.

Daher wurde die Hypothese aufgestellt, dass die L1-Expression in Astrozyten eine veränderte Genexpression bewirkt, wodurch verbesserte Regeneration sowie verbessertes räumliches Lernen ermöglicht wird.

2.3 Die SAGE-Analyse der Genexpression in GFAP/L1-Mäusen

Es sollte nun der Frage nachgegangen werden, welche Moleküle in der GFAP/L1-Maus zusammen mit L1 zum verbesserten räumlichen Lernen beitragen. Hierzu

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war eine genaue Analyse des Expressionsprofils der GFAP/L1-Maus im Vergleich mit dem der Wildtypgeschwister nötig. In jedem Zelltyp können je nach Phase des Zellzyklus mehrere 10.000 Transkripte gleichzeitig exprimiert werden. Die SAGE-Technologie (serial analysis of gene expression) ermöglicht sowohl qualitative als auch quantitative Aussagen über die in bestimmten Zellen exprimierten mRNA-Moleküle und/oder den Vergleich unterschiedlicher Gewebe oder Zustände je nach Fragestellung (Velculescu et al., 1995, 1997; Zhang et al., 1997). Daher ermöglicht die SAGE-Analyse nicht nur die Ermittlung der Expressionsunterschiede zwischen mehreren Geweben, sondern auch die Erstellung eines universellen Expressionsprofils eines Gewebes. Ergebnisse der SAGE-Technologie erlauben einen Einblick in das Zellgeschehen auf der Ebene der Transkription, mit der Möglichkeit, differentiell exprimierte Transkripte in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung zu identifizieren und zu charakterisieren.

Bei der SAGE-Analyse wird die mRNA durch ein sogenanntes „tag“ repräsentiert. Dies ist eine für jede mRNA spezifische Sequenz von ca. 11 Basenpaaren. Nach Dimerisierung und Amplifikation dieser spezifischen Sequenzen erfolgt Konkatamerisierung der Dimere („Ditags“) und Klonierung. Bei der anschließenden DNA-Sequenzanalyse können je Klon bis zu 70 tags identifiziert werden, die in ihrer Gesamtheit das Expressionsprofil eines untersuchten Gewebes ergeben.

Im vorliegenden Fall sollten die Expressionsprofile der Hippocampi von GFAP/L1-Tieren und Wildtyp-Geschwistern verglichen werden. Um die Expression lernrelevanter Gene zu fördern, wurde vor Entnahme der Hippocampi ein Morris-Water-Maze-Test auf räumliches Lernvermögen durchgeführt. Die experimentelle Durchführung dieses Tests sowie der anschließenden SAGE-Analyse ist im Anhang unter 5-7 zu finden.

Tabelle 1 enthält „SAGE-tags“ bekannter Moleküle, die in den transgenen bzw. in den Wildtyp-Tieren im Verhältnis zu den jeweiligen Vergleichsgruppen mindestens um den Faktor 5 differentiell exprimiert wurden. Von den weiteren Sequenzen, die ebenfalls mindestens um diesen Faktor erhöht in einer der beiden Gruppen vorkamen, konnten die meisten Sequenzen „expressed sequence tags“ in der Gendatenbank zugeordnet werden. Einige Sequenzen waren keinen „expressed sequence tags“ zuzuordnen und repräsentieren unbekannte Gene.

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Tabelle 1: bekannte dysregulierte Kanditatengene nach SAGE-Analyse (Schwellenwert: 5-fache Dysregulation). Die Abkürzung TG zeigt eine vermehrte Expression der Proteine in GFAP/L1-Tieren im Vergleich zu den Wildtypgeschwistern an. WT steht für die verstärkte Expression der Proteine in wildtypischen Tieren im Vergleich zu den GFAP/L1-Tieren.

2.4 Auswahl der für die Doktorarbeit relevanten Moleküle

Im Rahmen dieser Arbeit sollte der Zusammenhang zwischen Genen, die in der GFAP/L1-Maus verstärkt exprimiert werden, und dem Zelladhäsionsmolekül L1 näher untersucht werden. L1 spielt bei der neuronalen Entwicklung eine wichtige Rolle, es ist unter anderem an Prozessen wie Zellerkennung, Neuritogenese, axonalem Wachstum, axonaler Wegfindung und synaptischer Plastizität beteiligt (siehe I 1.5). Daher wurden Moleküle ausgewählt, die zusammen mit L1 direkt oder indirekt an diesen oder ähnlichen Prozessen beteiligt sein könnten. Als

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zweites Auswahlkriterium diente eine Dysregulation in den GFAP/L1-Tieren um einen Faktor von mindestens 5.

Der Transkriptionsfaktor NFI-A (Nuclear Factor I-A) ist in der GFAP/L1-Maus hochreguliert (tag-Verhältnis TG/WT 6:0, siehe Tabelle 1). NFI-A wird ab dem neunten embryonalen Tag stark im sich entwickelndem Nervensytem exprimiert und beteiligt sich möglicherweise an Wachstum, Differenzierung und Lebensfähigkeit von Neuronen. Besonders interessant ist die Tatsache, dass NFI-A-knock-out-Mäuse ähnliche Abnormitäten wie die L1-knock-out-Mutanten aufweisen. Man beobachtet bei beiden Mutanten starke Veränderungen des Gehirns, insbesondere Hydrocephalus, Agenese des Corpus Callosum und eine Unterentwicklung des Kortikospinaltraktes (Dahme et al., 1997; Cohen et al., 1997; Demyanenko et al., 1999; Rolf et al., 2001, das Neves et al., 1999).

Daher stellte sich die Frage, ob NFI-A an den Promotor bindet und die L1-Expression beeinflusst. Umgekehrt könnte allerdings auch L1 die NFI-A-Aktivität regulieren.

Das zweite Molekül, welches im Rahmen dieser Arbeit untersucht wurde, ist LIS1, ein Protein, welches in erster Linie für die Migration von Neuronen essentiell ist. LIS1 war in den transgenen Tieren um den Faktor 7 (7:1, vgl. Tabelle 1) hochreguliert. Mutationen im LIS1-Gen rufen neuronale Defekte hervor, die sich hauptsächlich in einer abnormen Migration der Neuronen im Kortex ausprägen (Lissenzephalie). Da auch L1 bei der Migration von Neuronen eine wichtige Rolle spielt, erschien es sinnvoll, ein Zusammenspiel beider Moleküle bei Prozessen wie Migration von Neuronen und Neuritenwachstum zu untersuchen.

3

NFI-A

3.1 Sequenzspezifische Transkriptionsfaktoren

Die regulierte Transkription der Gene des Genoms ist eine der wichtigsten Aufgabe jeder Zelle. Die Verschiedenartigkeit der Zellen ist unter anderem auf ein für jeden Zelltyp charakteristisches Genexpressionsmuster zurückzuführen, d.h., in jedem Zelltyp wird eine andere Auswahl von Genen exprimiert. Eine wichtige

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Rolle dabei spielen die sequenzspezifischen Transkriptionsfaktoren, für die wahrscheinlich mehr als 5% aller Gene kodieren (Tupler et al., 2001). Diese Proteine sind in der Lage, die Expression der gewünschten Gene anzuschalten oder die Expression der für den jeweiligen Zelltyp überflüssigen Gene zu unterdrücken. Das resultierende Expressionsmuster, welches sich während der Entwicklung manifestiert, wird in den ausdifferenzierten Zellen meistens beibehalten. So werden viele Gene in bestimmten Zelltypen auch niemals abgelesen, da die dafür erforderlichen spezifischen Transkriptionsfaktoren in dem entsprechendem Zelltyp selbst nicht exprimiert werden.

Weiterhin kann die Zelle auch das Ausmaß der Genexpression regulieren, d.h., die Transkriptionsrate kann vorübergehend erhöht oder verringert werden. Dies geschieht unter anderem durch Modifizierung der spezifischen Transkriptionsfaktoren (durch Glykosylierung oder Phosphorylierung) oder durch Interaktion der Transkriptionsfaktoren mit Koaktivatoren bzw.-Repressoren. Die differentielle Expression und Funktion der einzelnen Mitglieder von multigenen Transkriptionsfaktorfamilien ist sehr wichtig für eine geordnete Entwicklung der Organismen. So sind z.B. die korrekte räumliche und zeitliche Expression spezifischer Mitglieder der Hox- und Pax-Transkriptionsfaktorfamilien bedeutsam für die Embryogenese der Maus (Krumlauf, 1994; Stuart et al., 1994; Simon, 1995). Auch der in dieser Arbeit

behandelte Transkriptionsfaktor NFI-A gehört zu einer Familie sequenzspezifischer Transkriptionsfaktoren, der NF oder Nuclear Factor I-Familie.

3.2 Regulation der Transkription

Ein Gen kann in zwei funktionell unterschiedliche Einheiten unterteilt werden, in eine codierende und eine regulatorische Region. Beide Einheiten können sich überschneiden, jedoch liegen die regulatorischen Nukleotidsequenzen meistens stromaufwärts von der codierenden Sequenz. Vom codierenden Bereich wird die Prä-mRNA abgelesen; diese dient als Matrize für die Transkription durch die RNA-Polymerase II, welche die überwiegende Mehrheit der eukaryontischen Gene transkribiert.

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Die regulatorischen Bereiche eines Gens sind zuständig für die korrekte Expression des jeweiligen Gens. Sie steuern den zeitlichen Ablauf der Expression während der Entwicklung, das räumliche Expressionsmuster und die Menge des gebildeten Transkripts als Folge bestimmter Stimuli.

Die regulatorische Region umfasst zwei Arten von Kontrolleinheiten. Die eine Kontrolleinheit umfasst den 5` zum Transkriptionsstartpunkt liegenden Promotor. In den meisten Genen ist ein als TATA-Box bezeichnete Sequenzelement ein wesentlicher Bestandteil des Promotors. Die TATA-Box liegt ungefähr 30 Basenpaare stromaufwärts vom Transkriptionsstartpunkt und ist in GC-reiche Sequenzen eingebettet. Die RNA-Polymerase II interagiert mit einem Komplex aus „basalen“ oder „allgemeinen“ Transkriptionsfaktoren, der die TATA-Box erkennt und an diese bindet. Der TATA-Box Komplex steuert dann die Bindung der RNA-Polymerase II an den Transkriptionsstartpunkt. Die Interaktion der basalen Transkriptionsfaktoren mit der TATA-Box ermöglicht ein sogenannntes „basales“ Niveau der Transkription (Sawadogo et al., 1990).

Die zweite Kontrolleinheit sind die sogenannten Enhancerelemente. Diese liegen oft innerhalb einiger hundert Basenpaare stromaufwärts vom Promoter. Sie können aber auch bis zu mehreren Kilobasen vom Promotor stromaufwärts lokalisiert sein, oder sich sogar im beziehungsweise hinter dem codierenden Bereich des Gens befinden. Die Kontrollelemente der Enhancerregion umfassen meistens 7-20 Basenpaare und fungieren als Bindungsstellen für sequenzspezifische Transkriptionsfaktoren, die Einfluss darauf nehmen können, mit welcher Effizienz das entsprechende Gen transkribiert wird. Diese Proteine wirken über so große Entfernungen auf die Proteine der Promotorregion vermutlich durch Schleifenbildung der dazwischenliegenden DNA-Sequenz, so dass beide Arten von Regulatorproteinen, die allgemeinen und die sequenzspezifischen Transkriptionsfaktoren in direkte Wechselwirkung treten können. Liegen die Erkennungssequenzen beider Bereiche näher zusammen, so erfolgt die Wechselwirkung der basalen und spezifischen Transkriptionsfaktoren über sogenannte Brücken- oder Adaptorproteine, die in der Lage sind, gleichzeitig mit beiden Arten von Transkriptionsfaktoren zu interagieren. Effiziente Genexpression findet demzufolge nur statt, wenn spezifische Transkriptionsfaktoren (Aktivatoren oder Repressoren) an ihre regulatorische Region im entsprechenden Gen binden und mit der basalen

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Transkriptionsmaschinerie kommunizieren (Dynlacht et al., 1991; Tanese et al., 1991; Tjian et al., 1994).

Zunächst „schmelzen“ Histonacetyltransferasen und ATP-abhängige chromatinremodellierende Komplexe die Struktur des repressiven Chromatins und ermöglichen so die Bindung der basalen Transkriptionsfaktoren und schließlich der RNA-Polymerase II an die DNA. Auch die sequenzspezifischen Transkriptionsfaktoren binden an ihre Erkennungssequenz und rekrutieren nacheinander verschiedene Kofaktoren der Transkription (Lemon und Tjian, 2000). Diese Reihenfolge kann in verschiedenen Promoterkontexten variieren (Featherstone, 2002).

Die Transkriptionsinitiation durch die RNA-Polymerase II erfordert das Zusammenwirken aller basalen Transkriptionsfaktoren an dem Sequenzabschnitt der DNA, der an den Transkriptionsstartpunkt angrenzt. Als erstes bindet der Transkriptionsfaktor II D oder TFIID an die TATA-Box. Der TFIID-Komplex besteht aus mehreren Untereinheiten, die für die Bindung an die TATA-Box verantwortliche Untereinheit wird als TBP (TATA-Box bindendes Protein) bezeichnet. Die anderen Untereinheiten, welche als TAFs (TBP assoziierte Faktoren) bezeichnet werden, integrieren die aktivierenden oder reprimierenden Signale der spezifischen Transkriptionsfaktoren (Woychik und Hampsey, 2002). Anschliessend binden TFIIBund TFIIF mit dem RNA-Polymerase II-Komplex, welcher ebenfalls aus mehreren Untereinheiten besteht; danach folgen TFIIE und TFIIH. Ist ATP vorhanden, so phosphoryliert TFIIH die RNA-Polymerase II, wodurch diese freigesetzt wird, so dass diese die Transkription beginnen kann.

3.3 Die NFI-Familie

Die Familie der sequenzspezifischen Nuclear Factor I-Transkriptionsfaktoren, auch bekannt als CTF oder CAAT Box Transkriptionsfaktoren, setzt sich in Säugetieren aus vier Mitgliedern zusammen (NFI-A, NFI-B, NFI-C und NFI-X). Bindungsstellen für NFI-Proteine wurden in Genen charakterisiert, die nahezu in allen Organen oder Geweben während der Entwicklung und im adulten Zustand exprimiert werden. Untersuchungen in der Maus zeigten eine für jedes Mitglied spezifische, aber überlappende Expression während der Embryogenese (Chaudhry et al., 1997). Dieses Expressionsmuster der NFI-Proteine wird auch im adulten

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Zustand beibehalten. So wird zum Beispiel NFI-A vorwiegend im Gehirn (das Neves et al., 1999), NFI-B dagegen hauptsächlich in der Lunge exprimiert (Grunder et al., 2002).

Transkripte eines jeden NFI-Gens werden unterschiedlich gespleißt, so existieren von jedem Familienmitglied verschiedene Isoformen, die ihrerseits die Genexpression aktivieren oder reprimieren können. Zuerst beschrieben wurde die NFI-Familie in ihrer Funktion als Aktivatoren der adenoviralen DNA-Replikation (Nagata et al., 1982). Später wurde gezeigt, dass die stark konservierten NFI-Proteine für die Expression einer Vielzahl viraler und auch zellulärer NFI-Proteine in verschiedenen Geweben verantwortlich sind, darunter Gehirn (Elder at al., 1992; Bedford et al., 1998), Lunge (Bachurski et al., 1997) und Niere (Leahy et al., 1999). In vielen Arten von Xenopus (Roulet et al., 1995; Puzianowska-Kuznicka and Shi, 1996) über Maus (Chaudhry et al., 1997) bis zum Menschen (Apt et al., 1994; Kulkarni and Gronostajski, 1996) wurden Orthologe der vier NFI-Gene gefunden, so dass man annehmen kann, dass diese vier Mitglieder sehr wahrscheinlich alle NFI-Gene in Wirbeltieren repräsentieren. Die NFI-Familie in Vertebraten scheint aus einem Vorläufergen enstanden zu sein, da im Cephalocordaten Amphioxus, im Nematoden C. elegans und in Drosophila nur ein einziges NFI-Gen zu finden ist, wohigegen in Prokaryonten oder einfachen Eukaryonten keine NFI-Gene gefunden wurden (Fletcher et al., 1999). Man bringt daher den Anstieg der Diversität innerhalb der NFI-Familie mit dem Anstieg der Komplexität des Körperbauplans von Vertebraten in Zusammenhang.

NFI-Proteine binden als Dimere an die symmetrische Konsensus-Sequenz TTGGC(N)5GCCAA doppelsträngiger DNA. Wahrscheinlich können die Sequenz des variablen Spacers sowie DNA-Bereiche, die an die Konsensus-Sequenz angrenzen, die Bindungsstärke beeinflussen (Gronostajski, 1986,1987). NFI-Proteine binden mit starker Affinität an die symmetrische Bindungssequenz (Kd ca. 10–11 M), aber auch sogenannte „halbe“ Bindungstellen mit der Sequenz TTGGC oder GCCAA scheinen mit einer reduzierten Bindungsstärke (Kd ca. 10-9 M) physiologisch relevant zu sein (Meisterernst et al., 1988a).

NFI-Proteine können phosphoryliert (Cooke und Lane, 1999b) und O-glycosyliert (Jackson und Tjian, 1988) werden, diese posttranslationalen Modifikationen ermöglichen eine schnelle Zellantwort auf physiologische Signale durch

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Aktivierung bzw. Inaktivierung von Transkriptionsfaktoren im Vergleich zu einer Änderung der Syntheserate. Dennoch ist unklar, ob diese Modifikationen die DNA-Bindung oder die Transkriptionsaktivität der NFI-Proteine vivo verändern (Gronostajski, 2000).

3.4 Struktur und funktionale Domänen der NFI-Proteine

NFI-Proteine bestehen aus einer N-terminalen DNA-Bindungs- und Dimerisierungsdomäne und einer C-terminalen Transkriptionsaktivierungs- oder Repressionsdomäne (siehe Abb. 2)

3.4.1 N-terminale DNA-Bindungs/Dimerisierungsdomäne

Die Bindungsdomäne der NFI-Proteine in Säugetieren ist stark konserviert und vermittelt Bindung an DNA, Dimerisierung des Transkriptionsfaktors und die Stimulation der adenoviralen DNA-Replikation (Mermod et al., 1989; Gounari et al., 1990). Eine unspezifische Bindung an doppelsträngige DNA wird durch den stark basischen N-terminalen Bereich der NFI-Bindungsdomäne (Meisterenst et al., 1989) ermöglicht, der sich vermutlich in eine alpha-helikale Struktur faltet. Nach Fusion dieser Unterdomäne mit dem C-terminalen Bereich der Bindungsdomäne kann die DNA-Bindungsaffinität bis zu 100-fach ansteigen (Dekker et al., 1996). Der C-terminale Bereich der NFI-Bindungsdomäne ist daher verantwortlich für die spezifische Bindung der NFI-Proteine an die DNA.

Imagawa et al.(2000) konnten zwei nukleäre Translokationssignale für NFI-A ermitteln, die für den vollständigen Transport von NFI-A in den Kern verantwortlich sind. Die Translokationsmotive sind in der NFI-A Genstruktur N-terminal lokalisiert (in Exon 2 und Exon 5-6, vgl Abb. 2). Für nukleäre Translokationssignale charakteristische Sequenzabschnitte (lysin-und argininreiche Sequenzen) konnten auch in den anderen NFI-Familienmitgliedern gefunden werden. In einer Spleißvariante von NFI-A, in welcher die Exons 3-6 fehlen, wurde nur eines dieser Motive gefunden. Interessanterweise wird genau

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diese NFI-A-Isoform nicht vollständig in den Kern transportiert, sondern verbleibt zum Teil im Zytoplasma.

Weiterhin befinden sich in den Bindungsdomänen aller NFI-Proteine vier konservierte Cysteinreste. Drei dieser Cysteine sind für die DNA-Bindung erforderlich (Badyopadhyay und Gronostajski, 1994), wohingegen das vierte konservierte Cystein für die oxidative Inaktivierung der NFI-Proteine verantwortlich ist (Bandyopadhyay und Gronostajski, 1994; Bandyopadhyay et al., 1998). Diese Art der Inaktivierung könnte bei der Zellantwort auf oxidativen Stress eine Rolle spielen und wurde bereits bei einigen anderen Transkriptionsfaktoren gefunden (Abate et al., 1990; Guehmann et al., 1992; Matthews et al., 1992; Bandyopadhyay et al., 1998).

Aktivierung/Repression c c c 4 5 6 7 8 9 10 11 Prolinreiche Region 1 210 510 As konservierte nukleäre Translokationssignale Aktivierung/Repression c c c 4 5 6 7 8 9 10 11 Prolinreiche Region 1 210 510 As konservierte nukleäre Translokationssignale DNA-Bindung 1 2 c 3 α-helikale Struktur 4 konservierte Cysteinreste DNA-Bindung 1 2 c 3 α-helikale Struktur 4 konservierte Cysteinreste

Abb. 2: Domänen der NFI-Gene in Vertebraten nach Gronostajski, 2000. Die cDNA´s aller ungespleißten NFI- Mitglieder bestehen aus 11 codierenden Exons mit einer N-terminal lokaliserten DNA-Bindungsdomäne und einer C-terminal lokalisierten Aktivierungs-oder Repressionsdomäne. In Exon 2 befinden sich für die Bindungsdomäne charakteristische Bereiche: eine basische alpha-helikale Domäne und vier konservierte Cysteinreste. Ebenfalls konserviert sind die nukleären Translokationsdomänen der NFI-Gene. Die C-terminal lokalisierte Transaktivierungsdomäne ist unter den NFI-Genen wenig konserviert und für jedes NFI-Gen spezifisch.

3.4.2 C-terminale Aktivierungs-oder Repressionsdomäne

Die C-terminalen Regionen der NFI-Proteine sind entscheidend für die Regulation der Genexpression. Die Komplexität der Transkriptionsmodulation der

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NFI-Familie lässt sich unter anderem durch das alternative Spleißen dieser Region erklären, da so eine Vielzahl verschiedener C-Termini der vier NFI-Proteine entsteht. Mermod et al. konnten 1989 zeigen, dass die letzten 100 Aminosäuren dieser außergewöhnlich prolinreichen Region für die maximale Transkriptionsaktivität eines Promotors in Drosophila erforderlich sind. Fusioniert man diese Domäne mit verschiedenen heterologen DNA-Bindungsdomänen, so ist diese Domäne in der Lage, die Transkription in Säuger- und in Drosophila-Zellen 5- bis 10-fach zu stimulieren (Mermod et al., 1989; Martinez et al., 1991; Seipel et al., 1992).

NFI-Proteine können die Expression von Genen nicht nur aktivieren, sondern auch reprimieren. In einigen Promotoren und Silencern konnten NFI-Bindungsstellen als „negativ“ regulatorische Elemente identifiziert werden, unter anderem im Glutathion-Transferase-P-Gen (Osada et al., 1997a) und in den GLUT 4-Genen (Cooke and Lane, 1999a). Bis jetzt ist nicht bekannt, welcher Bereich der NFI-Gene die Repression vermittelt. Zwischen den in NFI-A und NFI-X identifizierten Repressionsdomänen konnten keine Sequenzhomologien gefunden werden, so dass man von verschiedenen Mechanismen zur Repression der Genexpression durch NFI-Proteine ausgehen kann. Beruhend auf Untersuchungen, die eine Bindung von NFI-A an Silencerelemente des Glutathion-Transferase-P-Gens zeigten (Osada et al., 1997a), konnten in NFI-A zwei C-terminal lokalisierte Repressionsdomänen identifiziert werden (Osada et al., 1997b), die jeweils ungefähr 100 Aminosäuren umfassen. NFI-A bindet über diese Sequenzen möglicherweise an Silencer-Elemente in der regulatorischen Region verschiedener Gene.

Die Steuerung der Genexpression durch NFI-Proteine ist sehr komplex. Dies ist zum einen durch die Existenz von vier verschiedenen NFI-Genen einschließlich mehrerer Spleißvarianten eines jeden NFI-Gens in Vertebraten zu erklären. Weiterhin ermöglicht die überlappende Expression der vier NFI-Proteine die Bildung einer Vielzahl von verschiedenen NFI-Homo-und Heterodimeren. Da die NFI-Proteine die Transkription an einem Promotor unter bestimmten Bedingungen aktivieren, unter anderen Bedingungen aber reprimieren können, ist es wahrscheinlich, dass die durch NFI-Proteine gesteuerte Genexpression zusätzlich zelltyp- und promotorspezifisch ist (Gronostajski, 2000).

(38)

3.4.3 Mechanismen der Aktivierung durch NFI-Proteine

Für die Aktivierung der Genexpression durch NFI-Proteine sind bisher drei Mechansimen bekannt: direkte Wechselwirkung mit allgemeinen Transkriptionsfaktoren, Interaktion mit Koaktivator-Proteinen und Bindung an Histone. Eine Isoform von NFI-C interagiert beispielsweise mit den basalen Transkriptionsfaktoren TFIIB (Kim und Roeder, 1994) und TBP (Xiao et al., 1994) in vitro und erhöht dadurch die Transkriptionsrate einiger Gene. Im C-Terminus dieses NFI-Proteins ist eine ungefähr 100 Aminosäuren lange prolinreiche Domäne lokalisiert (Mermod et al., 1989), die eine Kopie einer Heptapeptidwiederholung aus dem C-Terminus der RNA-Polymerase II enthält (Meisternst et al., 1989). Auch die Interaktion von NFI-Proteinen mit verschiedenen Koaktivator-Proteinen kann für die Modulation der Transkription entscheidend sein. In diesem Zusammenhang konnte in vitro gezeigt werden, dass die C-terminale Domäne von NFI-C an Koaktivatoren bindet und daraufhin die durch NFI-C vermittelte Aktivierung der Genexpression erfolgt (Tanese et al., 1991; Dusserre and Mermod, 1992).

Ausserdem sind NFI-Proteine in der Lage, die Transkription über Interaktionen mit Histonen zu modulieren. Dabei kommt es zu einer Verdrängung der Histone durch Wechselwirkungen der Histone mit der prolinreichen Aktivierungsdomäne der NFI-Proteine oder durch direkte Kompetition der NFI-Proteine mit den Histonen um die Bindungsstelle an der DNA. Histon H1 bindet schwach an NFI-Konsensussequenzen auf der DNA. Somit könnten NFI-Proteine möglicherweise die Transkription durch Verdrängung des Histons von NFI-Bindungsstellen aktivieren (Ristiniemi und Oikarinen, 1989; Gao et al., 1998).

3.4.4 Mechanismen der Repression durch NFI-Proteine

Auch die Repression der Genexpression durch NFI-Proteine beruht wahrscheinlich auf verschiedenen Mechanismen. Ein Möglichkeit wäre die Verdrängung anderer sequenzspezifischer Transkriptionsfaktoren durch direkte Kompetition oder durch sterische Hinderung. Am alpha1 (I) Kollagenpromotor

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der Maus wird eine Kompetition zwischen NFI-Proteinen und SpI in angrenzenden DNA-Bereichen angenommen, welche die Aktivierung der Genexpression durch SpI unterdrückt (Nehls et al., 1991, 1992). Darüber hinaus wird eine direkte Repression durch NFI-Proteine als wahrscheinlich angesehen. So reprimierten C-terminale Domänen von NFI-Proteinen nach Fusion mit heterologen DNA-Bindungsdomänen die Genexpression. Möglich wäre hier auch die Interaktion von NFI-Proteinen mit Korepressoren, wobei die verschiedenen Domänen der NFI-Proteine möglicherweise in der Lage sind, spezifische Korepressoren an die betreffenden Promotoren zu rekrutieren. Somit erhöht die zell-oder gewebstypische Expression von Koaktivatoren bzw. Korepressoren die Vielfalt der Möglichkeiten, Genexpression durch Transkriptionfaktoren der NFI-Familie zu steuern.

3.5 NFI-A

Die regulierte Expression der NFI-Gene während der Entwicklung (Chaudhry et al., 1997; Puzianowska-Kuznicka, 1996 und Kulkarni et al., 1996) und das besondere Expressionsmuster der NFI-Proteine in den verschiedenen Geweben von Vertebraten weist auf spezifische Funktionen der vier NFI-Proteine während der Entwicklung und im adulten Zustand hin. Der Phänotyp der NFI-A knock-out Mäuse lieferte den direktesten Hinweis für eine Rolle von NFI-A in der Entwicklung des Gehirns (das Neves et al., 1999). Mehr als 95% der Tiere mit homozygoter NFI-A-Deletion sterben kurz nach der Geburt, die wenigen Überlebenden sind kleinwüchsig und entwickeln in erster Linie neurologische und neuroanatomische Defekte wie Tremor, ausgeprägten Hydrocephalus und Agenese des Corpus Callosum.

NFI-A wird in der Maus im sich entwickelndem Nervensystem ab dem neunten embryonalen Tag (= 9dpc) exprimiert (das Neves et al., 1999). Besonders stark ist die Expression im Bereich des Kortex, wobei dieses hohe Expressionsniveau im adulten Zustand bestehen bleibt. Postnatal ist eine hohe NFI-A-Expression außerdem im Cerebellum und im Hippocampus zu finden. Weitere Gewebe, in denen NFI-A exprimiert wird, sind unter anderem Lunge, Leber und Herz. Da in den NFI-A-defizienten Mäusen keine Fehlbildungen in diesen Geweben

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festgestellt werden konnte, ist anzunehmen, dass NFI-A für deren Entwicklung nicht essentiell ist. Interessanterweise ist die Expression der anderen NFI-Familienmitglieder im Gehirn der NFI-A-knock-out-Mäuse im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen nicht erhöht, so dass man annehmen kann, dass im Gehirn der NFI-A-defizienten Mäuse keine kompensatorischen Effekte auftreten (das Neves et al., 1999). Somit scheint NFI-A im Gehirn trotz der überlappenden Expression aller Mitglieder der NFI-Familie eine einzigartige Funktion auszuüben. Obwohl NFI-A vorwiegend während der Gehirnentwicklung exprimiert wird, sind bis jetzt relativ wenige Zielgene im Gehirn bekannt, deren Expression von NFI-A zu diesem Zeitpunkt gesteuert wird.

Inoue et al. konnten 1990 eine durch NFI-A hervorgerufene Aktivierung der Expression des Myelin basic protein (MBP) nach Transfektion von NFI-A in eine Gliazellinie feststellen, allerdings wird MBP vermehrt postnatal exprimiert.

Untersuchungen von Leahy et al. (1999) in Zellkultur zeigen die komplexe Regulation der Genexpression am Promotor der Phosphoenolpyruvatkinase(GTP) (PEPCK), an der unter anderem NFI-A und NFI-B beteiligt sind. Im Promotor des PEPCK-Gens ist die NFI-Erkennungssequenz unmittelbar neben der cAMP-responsiven Sequenz (CRE) lokalisiert. Weiterhin ist die Glucocorticoid-responsive Region im PEPCK-Promotor von Bedeutung. Ein weiteres sehr wichtiges Element in dieser Regulationskette stellt das CREB-Bindeprotein (CBP) dar. Als Adaptorprotein ist CBP in der Lage, gleichzeitig an mehrere spezifische und auch basale Transkriptionsfaktoren zu binden. Unabhängig voneinander wird die Transkription des PEPCK Gens sowohl von NFI-A und NFI-B als auch von CREB (CRE bindendes Protein) aktiviert. Liegen CREB und NFI-A gleichzeitig vor, so ist NFI-A in der Lage, die durch CREB induzierte Erhöhung der Transkriptionsrate zu inhibieren. Kommen zusätzlich weitere Regulatoren ins Spiel, wie zum Beispiel der Glucocorticoidrezeptor-Komplex, der ebenfalls an seine Erkennungssequenz auf der DNA und an CBP bindet, so addieren sich die aktivierenden Effekte von NFI-A und Glucocorticoidrezeptor-Komplex, und es kommt zu einer additiven Aktivierung der Expression des PEPCK Gens. Wahrscheinlich reguliert CBP die Aktivität des Promotors in Abhängigkeit von der Anwesenheit verschiedener Transkriptionsfaktoren. Die durch NFI-A verursachte Inhibition der durch CREB induzierten Genexpression ist erklärbar durch Kompetition von NFI-A und CREB um dieselbe Bindungsstelle im CBP,

(41)

was letztendlich zu einer Verdrängung von CREB führt. Der additive Effekt von NFI-A und Glucocorticoidrezeptor-Komplex wird wahrscheinlich durch verschieden lokalisierte Bindungsstellen beider Beteiligten im CBP ermöglicht. Deutlich wird hier ebenfalls die duale Funktion der NFI-Proteine: am gleichen Promotor kann je nach Zusammensetzung der Mitspieler die Transkriptionsrate erhöht oder erniedrigt werden.

4 LIS1

(PAFAH1B1)

4.1 LIS1 und neuronale Migrationsstörungen

Migrationsstörungen der kortikalen Neuronen führen zu schweren Fehlbildungen des Gehirns. Eines der wichtigsten an der neuronalen Migration beteiligten Moleküle ist LIS1. Mutationen im LIS1-Gen sind die Hauptursache für die Lissenzephalie, einer der schwerwiegendsten Anomalien des menschlichen Gehirns. Der Ausdruck „Lissenzephalie“ ist aus dem Griechischen abgeleitet und bedeutet „glattes Gehirn“. Charakteristisch für diese Krankheit ist das völlige Fehlen (Agyrie) oder eine starke Vergröberung (Pachagyrie) der normalerweise stark gefurchten Oberflächenstruktur des Gehirns (Gehirnrinde), siehe auch Abb. 3. Der bei Lissenzephalie ebenfalls extrem verdickten Gehirnrinde fehlt außerdem die klassische Gliederung in sechs Nervenzellschichten.

Die Gehirnrinde (Kortex) ist die größte Region des Gehirns und bedeckt beide Gehirnhemisphären. Der Kortex ist wesentlich an der Steuerung der Gehirnfunktion beteiligt, da von hier aus Verschaltungen in viele Gehirnareale erfolgen. Durch die Anordnung bestimmter Neuronenarten in distinkte Schichten wird die Funktionalität dieser Verschaltung gewährleistet.

(42)

Abb. 3: Längsschnitt durch das Gehirn (zwischen beiden Hemisphären) mit den wichtigsten Gehirnregionen. Kandel et al. ,1996.

In jeder der beiden Großhirnhälften ist der Kortex in vier anatomisch abgrenzbare Lappen geteilt: Stirnlappen (Lobus frontalis), Scheitellappen (Lobus parietalis), Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis) und Schläfenlappen (Lobus temporalis) (Abb. 4)

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