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Daß die Ideologie der SS in ihren Zielvorstellungen nichts anderes war als die private

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Bernd Wegner

Die Garde des »Führers« und die »Feuerwehr« der Ostfront

Zur neueren Literatur über die Waffen-SS

Die Waffen-SS1 ist weniger noch als Reichswehr und Wehrmacht als rein militärge- schichtliches Phänomen zu erklären. Historisch eine nur ephemere Erscheinung, war die Truppe doch in einzigartiger Weise die militärische Verkörperung einer imperialen Herrschaftsidee. Insofern kann nicht verwundern, in der bewaffneten SS zahlreiche jener fundamentalen Widersprüche und Besonderheiten zu entdecken, die die natio- nalsozialistische Herrschaft auch in ihren übrigen Erscheinungsformen kennzeichne- ten. Die multifunktionale Eingebundenheit der Waffen-SS in Partei und Staat, in Ge- samt-SS und Streitkräfte, in den innenpolitischen Beherrschungsapparat einerseits und die äußere Eroberungspolitik andererseits dürfte dabei das wohl auffallendste Merk- mal sein. Aber auch andere, nur aus der Genese der Waffen-SS zu begreifende Beson- derheiten wie etwa der im Vergleich zu »regulären« Armeen sehr unterschiedliche ver- fassungsrechtliche Legitimationsrahmen oder der weltanschauliche Anspruch der be- waffneten SS auf ein die Grenzen zivilen und militärischen Denkens bewußt spren- gendes »politisches Soldatentum« lassen erkennen, daß ein im engeren Sinne militärge- schichtlicher, gar traditionell kriegsgeschichtlicher Ansatz allein dem erstaunlichen Aspektreichtum des Themas in keiner Weise gerecht würde. Die Vielgestaltigkeit des historischen Erscheinungsbildes scheint hier geradezu nach einer Mannigfaltigkeit auch des methodischen Zugriffs zu verlangen. So kann nicht verwundern, daß die bis- lang erschienene Literatur über die Waffen-SS denn auch - bewußt oder unbewußt - von nicht selten total verschiedenen Fragestellungen geleitet wurde, aus weithin diver- gierenden Interessenlagen heraus entstand und mit nur partiell vergleichbaren Ergeb- nissen aufwartete. Von diesem Tatbestand ausgehend soll im folgenden die neuere Li- teratur2 unter dem Gesichtspunkt ihres jeweiligen Interessengegenstandes, ihres For- schungsansatzes und der Komparabilität ihrer Ergebnisse gesichtet werden, um von dort zu einer präziseren Formulierung der tatsächlichen Forschungsdesiderate zu ge- langen.

I

Die nach Kriegsende auch in Deutschland rasch einsetzende Diskussion um SS und Waffen-SS fand ihren Angelpunkt sehr bald in der Frage nach der politisch-morali- schen Verantwortlichkeit der Gesamtorganisation und ihrer Teilgliederungen. Unter dem Horizont dieser bis heute relevant gebliebenen Problemstellung gelang schon in den ausgehenden 40er und 50er Jahren eine recht umfassende Aufarbeitung der The- matik3, wie etwa die Arbeiten von E. Kogon4, E. Neusüß-Hunkel5 oder G. Reitlin- ger6 belegen. Kennzeichnend für diese erste Forschungsphase war einerseits die Dürf- tigkeit der Quellenlage, die nur eine allgemeine, oft fragmentarische und fehlerhafte Rekonstruktion der Ereignisse zuließ und allenfalls in Einzelfällen sektoral begrenzte Detailanalysen gestattete7; andererseits förderten die historische Nähe des »Dritten Reiches« und die Aktualität seiner politischen, moralischen und strafrechtlichen Fol- gen in außerordentlicher Weise das Bedürfnis nach einer theoretischen Klärung und Erklärung der Rolle der SS und ihrer bewaffneten Teile. Aus dieser Situation heraus entstanden eine Vielzahl empirisch nicht selten unzureichend abgestützter histori- scher, soziologischer, sozialpsychologischer und psychoanalytischer Deutungsversu- 210 MGM 1/78 che, die R. Koehl seinerzeit zu fünf Gruppen zusammenfaßte8. In ihnen erschien die

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SS jeweils als kriminelle Bande, als Alibi einer Nation, als Techniker der Macht, als Er- satzreligion oder als sozialpathologisches Phänomen. Die moralische Problemstellung als Hintergrund all dieser Funktionsmodelle ist offensichtlich; die genannten Erklä- rungen stellen allesamt auf eine Beurteilung des Verhaltens der SS-Angehörigen ab und versuchen, diese entweder als Kriminelle, als Sündenböcke, als technokratische Zyni- ker, als weltanschaulich Verführte oder als seelisch Kranke zu klassifizieren. Organi- sations- und sozialgeschichtliche Strukturanalysen traten hier also entschieden zurück hinter der Frage, wie es zu erklären sei, daß bestimmte Menschen sich in einer konkre- ten historischen Situation so und nicht anders verhielten. Bezugspunkt solcher Pro- blemstellung waren naturgemäß am ehesten solche Verhaltensweisen, die dem Moral- empfinden am ärgsten widersprachen, mithin am erklärungsbedürftigsten schienen; so waren die Ausrottungs- und Versklavungspolitik, die Kriegsverbrechen sowie die hin- ter all dem stehenden rassistischen Phantasmagorien der SS die dominierenden The- men der einschlägigen Nachkriegsliteratur9.

Der Primat moralisierender Betrachtungsweise galt (und gilt bis heute!) gleichermaßen für die schon bald anlaufende Flut mehr oder minder offen apologetischer Schriften über die Waffen-SS - freilich in jenem umgekehrten Sinne, der die pauschale Exkulpa- tion der Truppe bezweckte. Unter dem Druck moralischer und versorgungsrechtli- cher Diskriminierung und strafrechtlicher Verfolgung gerieten die Memoiren ehema- liger Waffen-SS-Angehöriger ebenso wie die zunehmende Zahl der Truppengeschich- ten zur blanken Rechtfertigungsliteratur, nicht selten auch zur plumpen Abenteuer- journaille1 0. Die Verbitterung über den jähen Sturz von der Garde du corps des Rei- ches zur »Armee der Geächteten«1 1 blieb Grundtenor einer Erlebnisliteratur, der im Zusammenhang unseres Themas allenfalls das Verdienst zukommt, die Eigenständig- keit der Waffen-SS als Forschungsgegenstand zu einer Zeit ins Blickfeld gehoben zu haben, als die Vorstellung von der SS als einer monolithischen Einheit die öffentliche Diskussion noch weitgehend bestimmte.

Die aus der moralischen Empörung erwachsene Geschichtsschreibung der Nach- kriegszeit war von ihrem Ansatz her ohne Zweifel legitim und der wohl notwendige historiographische Beitrag einer mit dem Forschungsgegenstand existentiell verbun- denen Generation von Opfern und Tätern. Gleichwohl konnten die Ergebnisse wis- senschaftlich nicht befriedigen, was teils der Dürftigkeit der damaligen Quellenlage, teils der theoretisch verengten Problemstellung zuzuschreiben sein dürfte. Die hin- sichtlich unseres Themas wesentlichsten Mängel lassen sich pauschal etwa folgender- maßen zusammenfassen:

1. Die enge organisatorische, ideologische und personelle Verknüpfung der Waf- fen-SS mit dem Gesamtapparat der SS verstellte den Blick für ihre militär- und sozial- geschichtlichen Besonderheiten. Es wurden keinerlei die Waffen-SS speziell betref- fende Fragestellungen entwickelt; die Truppe wurde vielmehr ausschließlich unter dem Blickwinkel allgemeiner SS-Geschichte behandelt. Himmlers stets propagierte Fiktion der in sich homogenen Gesamt-SS wirkte hier also noch deutlich nach.

2. Die stark personen- und ereignisgeschichtliche Orientierung der ersten Nach- kriegsforschungen führte zu einer relativen Uberbewertung ideologischer Einflüsse und einer gleichzeitigen Unterschätzung soziostruktureller Gegebenheiten sowie der entwicklungsgeschichtlichen Eigendynamik des politisch-militärischen Subsystems Waffen-SS.

3. Die Eindeutigkeit und Einhelligkeit in der moralischen Beurteilung der SS verlei- tete nicht selten zu methodischer Nachlässigkeit in der sachlichen Beweisführung1 2; zudem schuf das Klima emotionaler »Vergangenheitsbewältigung« zweifellos eine gewisse Tabuzone hinsichtlich neuer Interpretationsansätze.

211

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II

War in der älteren Literatur das Interesse an der Waffen-SS weitgehend durch das un- faßbare Ausmaß der Verbrechen motiviert gewesen, für das die Waffen-SS als Teil der Gesamt-SS mitverantwortlich gemacht wurde, so erhielt die Forschung seit Anfang der 60er Jahre neue Impulse durch die inzwischen zugänglich gewordenen Akten der zentralen SS-Dienststellen

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. Der günstige Umstand, daß mit den Beständen der Schriftgutverwaltung »Persönlicher Stab Reichsführer-SS« nunmehr ein großer Teil der persönlichen Aufzeichnungen und umfangreichen Korrespondenz Himmlers ver- fügbar wurde, ermöglichte es, die vormals schon vieldiskutierte Frage der sogenann- ten »SS-Ideologie« auf neuer Grundlage aufzurollen.

Daß die Ideologie der SS in ihren Zielvorstellungen nichts anderes war als die private

Weltanschauung ihres Reichsführers, belegt eindrucksvoll die Studie von J. Acker-

mann

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. Obwohl in erster Linie ein Beitrag zur Biographie Himmlers, ist die Arbeit

für das Verständnis der Waffen-SS in mehrerlei Hinsicht von Gewicht. Zum einen

nämlich bietet Ackermann mit der Charakterisierung der geistigen Entwicklung des

jungen Himmler

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ein prototypisches Beispiel für die allmähliche Verfestigung einer

zutiefst zwiespältigen, zwischen Bewunderung und Verachtung bürgerlicher Tradi-

tionen schwankenden Mentalität - ein Prozeß, dem zahlreiche spätere Waffen-SS-

Führer jener Altersstufe, soweit feststellbar, in ganz ähnlicher Weise unterworfen ge-

wesen sind. Zum anderen erhellt der Autor in systematischer Weise jenes abstruse

Weltbild Himmlers, das zur Legitimationsgrundlage für alle Teile der SS, gerade auch

für die Waffen-SS wurde. Der Radius dieses Weltbildes bestimmte maßgeblich die

Funktion der Waffen-SS und verklammerte diese, unbesehen sonstiger personeller

und organisatorischer Verknüpfungen, mit allen übrigen Bereichen des »Schwarzen

Ordens«. Ackermann legt auf breiter Quellenbasis die wesentlichen Aspekte der

Weltanschauung Himmlers dar: seinen Kampf gegen das Christentum und dieiVision

der neuen, nachchristlichen Sozialreligion

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, die auf der Uberzeugung rassischer Su-

periorität basierende Ordensmoral, den Antisemitismus Himmlers und die aus ihm

erwachsene Ausrottungsmanie, nicht zuletzt auch den »Reich«-Mythos des Reichs-

führers-SS und seine Ostraumideologie. Wenn Ackermanns Studie sachlich fast unan-

greifbar ist, so nicht allein infolge ihrer fachlichen Solidität, sondern auch darum, weil

sie das Wagnis einer theoretischen Reflexion des empirischen Befundes allzu selten

eingeht. Die für die Thematik der Waffen-SS nicht unwesentlichen Ostraum-Visionen

Himmlers seien als nur ein Beispiel dessen genannt, was tiefgreifender hätte erörtert

werden müssen. Sie waren ganz offensichtlich weit mehr als nur, wie aus Ackermanns

Darstellung scheinen möchte, ein mehr oder minder festumrissenes Programm zur

Gewinnung von »Lebensraum«. Manche Äußerungen Himmlers und nicht zuletzt

seine bezeichnende Unterscheidung zwischen dem zukünftigen neugermanischen

Siedlungsraum und einer sehr viel weiter nach Osten ausgreifenden Militärgrenze deu-

ten darauf hin, daß der Reichsführer-SS den Rußlandfeldzug lediglich als ersten Schritt

einer historisch nicht abreißenden Kette von Osteroberungen betrachtete, vermutlich

gar nur als Vorstadium eines späteren »Endkampfes« mit Asien. In dieser irrwitzigen

Perspektive Himmlers enthüllt sich ein als ideologische Existenzgrundlage der Waf-

fen-SS höchst bedeutsamer Dynamismus »ad infinitum«, der sich allen von Himmler

nach außen gern herausgestellten historischen Rechtfertigungen gegenüber längst ver-

selbständigt hatte und diesen allenfalls Illustrationswert verlieh. Schließlich führt uns

Ackermanns Studie auch zu der vom Autor vernachlässigten Frage, welchen Beitrag

die SS-Ideologie denn zur machtpolitischen Rolle ihres Propheten beizutragen ver-

mochte. Konkreter, was besagt die erstaunliche Tatsache, daß es Himmler gelang,

seine weltanschaulichen Grundsätze nahezu ungebrochen in Funktionen seiner SS

212 umzusetzen, über seine Stellung gegenüber den ihm unterstellten Organisationen?

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Zu dieser und anderen Fragen bieten hervorragendes Anschauungsmaterial zwei Do- kumentationen, die ähnlich Ackermanns Studie zwar primär Beiträge zur Himmler- Forschung darstellen, aber gerade auch das Verständnis dieses Mannes von und sein Verhältnis zu der von ihm geschaffenen Truppe mannigfach beleuchten. Es handelt sich dabei um die inzwischen weithin bekannte Auswahl aus der Korrespondenz Himmlers von H . Heiber1 7 sowie um die von B. F. Smith und A. F. Peterson edier- ten »Geheimreden«18. Beide Quellensammlungen belegen auf ihre Weise die unum- strittene Chefposition, die Himmler auch gegenüber der Waffen-SS stets innebehielt.

Mochte er, wie nach dem Kriege oft zu hören war, als militärischer Dilettant von der Truppe belächelt worden sein - seine Führerschaft ist niemals angezweifelt worden, sieht man von der Sonderrolle Sepp Dietrichs und seiner Leibstandarte in den ersten Monaten des NS-Regimes einmal ab.

Die Reden und Briefe Himmlers geben gleichermaßen einen Eindruck davon, worauf dessen Autorität beruhte. Er verdankte sie sicherlich nicht, wie etwa Hitler, einem überpersönlichen Charisma, eher im Gegenteil, es war seine mentale Mittelmäßigkeit, verbunden freilich mit einem beachtlichen Maß an intuitiver Menschenkenntnis, or- ganisatorischem und personalpolitischem Geschick, die ihn für die Mehrheit seines Führerkorps konsensfähig machte. Uber den menschenfeindlichen Implikationen sei- nes Weltbildes ist bisweilen übersehen worden, daß Himmler das ganze Spektrum von Vorurteilen, Alltagsweisheiten und Empfindsamkeiten, Sentimentalitäten und Kom- plexen seiner Generation und seines kleinbürgerlichen Standes teilte. Dies ermöglichte ihm einen oft unmittelbaren Zugang zur Mentalität und zu den Bedürfnissen seiner Gefolgschaft.

Betrachten wir die Frage der SS-Ideologie und ihrer Bedeutung für die bewaffneten Verbände statt unter dem Blickwinkel der Person Himmlers unter dem seiner Unter-

gebenen in der Waffen-SS (als den Adressaten der SS-ideologischen Ansprüche ihres Reichsführers), so ist leicht festzustellen, daß sich die Forschungslage hier sehr viel prekärer ausnimmt. Denn während die Weltanschauung Himmlers heute als weitge- hend erforscht gelten darf und allein bezüglich des Deutungszusammenhangs, in den sie zu stellen ist, noch mancherlei Fragen aufwirft, liegen die mentale Struktur des SS- Soldatentums und die Wirkungsgeschichte der SS-Ideologie innerhalb der Waffen-SS noch weitgehend im dunkeln. Dies hat seinen Grund erstens in der diesbezüglich schwierigeren Quellenlage19, zweitens aber auch in der Tatsache, daß es der Ge- schichtswissenschaft bis heute an eingeübten Methoden ermangelt, kollektive Menta- litäten und deren Ursprünge angemessen zu analysieren20. Zum dritten schließlich fehlt es erstaunlicherweise bis heute trotz gut erhaltener Personalunterlagen gänzlich an empirischen Studien zur sozialen Struktur des Waffen-SS-Führerkorps2 1. Soweit es Ansätze zu Strukturuntersuchungen der Waffen-SS-Mitgliedschaft über- haupt gibt, basieren sie meist auf einem durch die strafrechtliche Verfolgung von SS- Kriminalität hervorgerufenen Interesse und beschränken sich folglich auf die Analyse krimineller Karrieren. In diesem Zusammenhang ist auf eine Miszelle von H . W.

v. Hentig2 2 sowie vor allem auf die methodisch hochinteressante sozialpsychologi- sche Fallstudie von H . V. Dicks2 3 über einige der Teilnahme an Massenvernichtungs- aktionen überführte SS-Angehörige hinzuweisen. Den m. W. einzigen Versuch, Ver- mutungen über mentale Strukturen in der Waffen-SS empirisch auf breiter Basis zu un- termauern, unternahmen in den 60er Jahren J. M. Steiner und J. Fahrenberg. Sie führten mit Unterstützung des ehemaligen Generals der Waffen-SS Felix Steiner unter ehemaligen Waffen-SS- und Wehrmachtangehörigen eine Fragebogenaktion durch, deren Ergebnisse sie 1970 veröffentlichen konnten2 4. Die für den mit Methoden empi- rischer Sozialforschung wenig vertrauten Historiker nicht leicht lesbare - und viel- leicht darum bislang kaum beachtete - Analyse versucht mit Hilfe der in den USA seit

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Anfang der 50er Jahre gebräuchlichen Faschismus(F)-Skala Unterschiede in den auto- ritären Persönlichkeitsmerkmalen ehemaliger SS- und Wehrmachtangehöriger zu messen. Der Befund ist eindeutig: die SS-Stichprobe weist eine deutlich größere Affi- nität zu autoritären und antidemokratischen Verhaltensmustern auf als die Testgruppe aus der Wehrmacht; »Treue« und »Ehre« etwa werden sehr signifikant häufiger höher bewertet als »Gerechtigkeit«, die Diktatur als Staatsform eher bevorzugt als die De- mokratie. Zugleich aber zeigt die SS-Stichprobe eine geringere Varianzbreite der Mei- nungen als die Vergleichsgruppe, ist also in den geäußerten Einstellungen konformer.

Die Methodik der Studie ist freilich, wie die Autoren selbst konzedieren, höchst an- greifbar. Dies gilt vor allem hinsichtlich des Stichprobenverfahrens, dessen Basis- menge zu schmal war, um repräsentativ sein zu können, zumal die Auswahlkriterien das Zustandekommen einer Zufallsstichprobe von vornherein zweifelhaft machten2 5. Wenngleich solcherlei Einwände wie auch die Tatsache, daß Steiner und Fahrenberg ihre Untersuchung 20 Jahre nach Kriegsende durchführten, jede vorschnelle Verall- gemeinerung verbieten, so ist der Befund in seiner allgemeinen Tendenz doch zweifel- los nicht zufällig. Vielmehr wird er bestätigt durch jene Untersuchungen, die sich von einem anderen methodischen Ausgangspunkt her mit der Frage der ideologischen Struktur der Waffen-SS oder der SS als ganzer befassen. Unter diesen Arbeiten scheint das berühmte Gutachten von H . Buchheim über Befehl und Gehorsam2 6 in ihrem heuristischen Wert bis heute unübertroffen. Weder der ebenfalls Mitte der 60er Jahre erschienene Aufsatz von M. Wolfson über Constraint and choice in the SS-leader- ship 27 noch die jüngste Abhandlung von J. M. Steiner über die SS als Beispiel einer to- talitären Bürokratie2 8 bringen in diesem Zusammenhang wesentlich neue Erkenntnis- se. Alle drei genannten Arbeiten finden ihren gemeinsamen Angelpunkt in dem alle Branchen der SS kennzeichnenden Prinzip einer dem individuellen Bewußtsein ent- fremdeten, von Liebe und Haß unabhängigen kollektiven Gewalt und deren Erklä- rungsbedürftigkeit. Steiner versucht in einem breitangelegten soziologischen Ent- wurf, die in der SS vorherrschende Ideologie und die durch sie geprägten Verhaltens- weisen in eine übergreifende Konzeption sozialen Wandels einzupassen, dessen kon- sequenter Endpunkt die Massenvernichtung gewesen sei. Für die Geschichte der Waf- fen-SS gewinnt die Studie Steiners nicht zuletzt dadurch Interesse, daß der Autor mit zahlreichen ehemals prominenten Angehörigen dieser Truppe recht intensive Kon- takte pflegte und pflegt, deren Ergebnisse mancher seiner Thesen als Beleg dienen.

Gleichwohl scheint uns, daß Steiner nicht weniger als Wolfson die dogmatischen und institutionalisierten Aspekte der SS-Ideologie zu überschätzen, die informellen Zwänge und Gewohnheiten, das mentale Klima des SS-internen Dienstbetriebes hin- gegen zu vernachlässigen neigt - ein Umstand, der sich im übrigen auch in der Aus- wahl seiner Quellennachweise unvorteilhaft niederschlägt. Buchheim hatte indessen schon in Befehl und Gehorsam auf just die Tatsache verwiesen, daß die Wirksamkeit der SS-Ideologie weniger in ihrem Charakter als dogmatischem Lehrsystem und theo- retischem Schulungsgegenstand bestanden habe als vielmehr darin, daß sie Ausdruck einer Mentalität, eines Lebensstils, einer Welthaltung war. Ideologische Fragen be- treffende Erlasse und Richtlinien zielten in der gesamten SS denn auch weniger darauf ab, ein Normengefüge von Dienstvorschriften zu schaffen, wie es für den Militär- und Beamtenapparat ansonsten kennzeichnend ist, sondern versuchten, Gewohnheits- zwänge herzustellen, Brauch und Sitte zu stiften, Tradition einzuüben. Verkörperung SS-mäßiger Lebenshaltung aber sollte der SS-Führer sein; in seiner Funktion als Vor- bild war er zugleich deren Multiplikator. Berücksichtigt man zu alledem, daß militär- soziologische Untersuchungen anderer Armeen2 9 seit langem bestätigen, daß das So- zialverhalten und die Kampfmotivation des Soldaten im Kriege weitaus stärker von 214 seinen Bindungen an militärische Primärgruppen (Gruppe, Zug, Kompanie) bestimmt

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wird als von abstrakten ideologischen Zielvorstellungen, so scheint uns die Hypothese gerechtfertigt, daß die historischen Charakteristika der Waffen-SS nicht allein über eine Analyse des übergeordneten ideologischen Bezugsrahmens angemessen zu erfas- sen sind, sondern nur durch eine zusätzliche Erhellung der Wertbegriffe und Verhal- tensmuster ihres Führer-, möglichst auch ihres Unterführerkorps3 0.

III

Unbesehen der für alle Teile der SS gleichermaßen verbindlichen ideologischen Rah- menbedingungen fällt sehr rasch die außerordentliche Heterogenität ins Auge, die die bewaffnete SS während ihrer Aufbaujahre in fast jeder Hinsicht kennzeichnete und die sich in ihrem höchsten Führungspersonal personifiziert. Wenig nur hatte der ehema- lige Vizewachtmeister und »Revolutionsgeneral« Sepp Dietrich mit dem pensionierten Generalleutnant der Reichswehr und Traditionalisten Paul Hausser gemein, Welten trennten den Militärreformer Felix Steiner vom Schöpfer des Konzentrationslagersy- stems und fanatischen Bürgerfeind Theodor Eicke. Kaum weniger unterschiedlich wa- ren zunächst auch die Truppenverbände, die diese Männer außerhalb eingefahrener Wehrmachtstraditionen schufen. Dies wird deutlich, vergleicht man jene Studien, die einige amerikanische Historiker in den letzten Jahren über einzelne Verbände der Waffen-SS vorlegten. J. J. Weingartner etwa beleuchtet in seinem Buch3 1 und schon früher, noch eindringlicher, in seinem wichtigen Aufsatz über die Leibstandarte SS Adolf Hitler3 2 sehr präzise die Entstehungsbedingungen dieses Verbandes. Dabei zeigt sich, daß Sepp Dietrich zumindest bis zum Sommer 1934 durchaus andere Ziele verfolgte als sein Reichsführer. Statt die Leibstandarte der SS zu unterstellen, trachtete er, ihr eine unabhängige Stellung im Windschatten ihres obersten Befehlshabers zu si- chern. Dietrichs unmittelbare Unterstellung unter Hitler einerseits, Himmlers noch bescheidene machtpolitische Rolle andererseits, schließlich auch die Tatsache, daß die Leibstandarte bereits seit Oktober 1933 im Reichsministerium des Innern etatisiert und somit von Parteigeldern unabhängig war, ließen derartige Pläne nicht einmal aus- sichtslos erscheinen. Und wenn solcherlei Absichten infolge der Aufstellung weiterer bewaffneter SS-Verbände (politische Bereitschaften), des nach dem »Röhm-Putsch«

rapide wachsenden politischen Einflusses Himmlers und wohl auch wegen der poli- tisch wenig instinktsichereri Natur Dietrichs auch scheiterten, so konnte sich die Leib- standarte doch bis in die Kriegsjahre hinein einen gewissen Sonderstatus bewahren, der sie von anderen Verbänden der SS-Verfügungstruppe deutlich absetzte. Dieser Sonderstatus bestand neben zahlreichen eher symbolischen und einigen sehr prakti- schen Vorrechten (eigener Stab, Rekrutierungsrecht im ganzen Reichsgebiet) nicht zu- letzt darin, daß das Verhältnis der Leibstandarte zur 1936 errichteten »Inspektion- VT« unter Paul Hausser nie klar definiert war, ein Umstand, der ernsthafte Konflikte zwischen der Garde des »Führers« und der Reichsführung-SS vorprogrammierte3 3. Die soeben erschienene Studie von Charles W. Sydnor jr. über die SS-Totenkopfdivi- sion3 4 demonstriert, wie anders die Verhältnisse bei den Totenkopfverbänden lagen.

Diese entwickelten sich ganz unter den Augen des Reichsführer-SS, geführt von einem Mann, der in seiner Karriere gänzlich vom Wohlwollen Himmlers abhing. Die Per- sönlichkeit Eickes3 5, der besondere Verwendungszweck und die offenbar schwieri- gere Sozialstruktur des Personals36 bedingten andere Formen der militärischen Aus- bildung, der weltanschaulichen Indoktrination und einen sehr spezifisch gefärbten Korpsgeist. War in der Leibstandarte, wie Weingartner zeigt, eine gewisse Unbefan- genheit NS-ideologischen Angelegenheiten gegenüber üblich, die freilich nur die Un- befangenheit jener war, deren Treue ohnehin außer Frage stand, so versuchte Eicke 215 seinen Männern, deren Dienst in den Totenkopfverbänden als Wehrdienst nicht aner-

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kannt war, die fehlende militärische Reputation durch die Anerziehung eines exklusi- ven politisch-revolutionären Selbstwertgefühls zu ersetzen.

Das Schwergewicht der Arbeiten von Weingartner und Sydnor liegt in der Darstellung des Kriegseinsatzes der Divisionen »Leibstandarte« und »Totenkopf«. Die militäri- schen Leistungen beider Verbände waren, darin sind sich die Autoren einig, außerge- wöhnlich - ein Urteil, das zweifellos auf die meisten der in den ersten zwei Kriegsjah- ren aufgestellten Verbände der Waffen-SS zutrifft. Den Gründen solcher, in Zeiten des Sieges wie der Niederlage gleichbleibender militärischer Effizienz versucht vor allem Sydnor nachzuspüren

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. Dabei erscheinen ihm die Persönlichkeit Eickes sowie der Charakter der durch diesen der Truppe vermittelten Ideologie als die wirkungsmäch- tigsten Erklärungsfaktoren. In der Tat war es Eicke schon vor dem Kriege gelungen, nicht zuletzt durch eine radikale personalpolitische Abschottung seiner Truppe nach außen, ein Führer- und Unterführerkorps von beträchtlicher Homogenität zu schaf- fen und diesem ein Kampfethos anzuerziehen, das sich während des Krieges in rück- sichtsloser, nicht selten krimineller Kampfführung ebenso äußerte wie in der schier grenzenlosen Selbstaufopferungsbereitschaft, die die Totenkopfdivision etwa im Kes- sel von Demyansk 1942 bewies. Basis dieses Kampfethos war das gleiche radikale »In- group-Outgroup«-Denken, das Eicke seinen Männern schon als Inspekteur-KL und Führer der Totenkopfverbände einzuflößen und vorzuleben verstanden hatte: Kon- zentration aller positiven Affekte und Gefühlsbindungen auf die eigene Gruppe, kol- lektiver Haß und individuelle Empfindungslosigkeit (Härte) gegenüber dem Gegner.

Einen weiteren Aspekt schließlich zur Erklärung der Kampferfolge der Totenkopfdi- vision bietet Sydnors Dissertation eher implizit. Die Division stand, mehr noch als an- dere Verbände der Waffen-SS, unter Erfolgszwang. Um ihren sinisteren Ruf als Ge- fangenenwärter abzuschütteln, um als Soldaten anerkannt zu werden, mußten Eicke und seine Männer sich nicht allein gegenüber der Wehrmacht, sondern auch im Ver- gleich zu den Verbänden der Verfügungstruppe militärisch profilieren.

Mit den Stichworten »truppennahe Führung«, »elitärer Esprit de corps«, »rücksichts- loser Kampfgeist« und »militärischer Erfolgsdruck« mag ein allgemeiner Erklärungs- rahmen umrissen sein, der zusammen mit dem Gesichtspunkt einer qualitativ über- durchschnittlichen personellen und materiellen Ausstattung der SS-Divisionen auf die meisten reichsdeutschen und »germanischen« Truppenteile der Waffen-SS anwendbar ist; dennoch bleibt unverkennbar, daß der Stellenwert der einzelnen Erklärungsfakto- ren und ihre inhaltliche Akzentuierung bei den einzelnen SS-Verbänden stark variiert.

Dies liegt nicht allein an der im Vergleich zur Wehrmacht größeren Heterogenität des Führungspersonals der Waffen-SS, sondern auch an der Unterschiedlichkeit der Ent- stehungsbedingungen und der personellen Substanz jeder Division. Unter diesem Aspekt wäre es wünschenswert, wenn sich zukünftige Arbeiten zur Truppenge- schichte der Waffen-SS verstärkt der Frage zuwenden würden, inwieweit der Kriegs- verlauf durch erhöhten Leistungsdruck und beschleunigte personelle Fluktuation (Verluste, Versetzungen) die Unterschiede zwischen den einzelnen Truppenteilen einzuebnen vermochte und mit welchen Mitteln die Reichsführung-SS versuchte, die- sen Prozeß, der für sie mit Chancen (Vereinheitlichung der Waffen-SS) wie mit Gefah- ren (Verselbständigung der Truppe, Entpolitisierung) verbunden war, zu beeinflus- sen. Schließlich wäre auch zu fragen, wie lange es angesichts einer kriegsmäßig ange- spannten Ersatzlage überhaupt noch möglich war, neu aufgestellten Truppenkörpern einen hohen, über die formale Akklamation SS-ideologischer Grundsätze hinausge- henden Grad an mentalem Konformismus zu vermitteln.

Die in diesem Sinne vielleicht letzte »klassische« SS-Division war die 1943/44 aufge-

stellte 12. SS-Panzer-Division »Hitlerjugend«. Mit ihrer Geschichte sind in letzter

216 Zeit zwei methodisch höchst unterschiedliche Arbeiten befaßt. G. Rempel behandelt

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die Thematik im Rahmen seiner leider nur als Mikrofilmkopie erhältlichen Disserta- tion über das Verhältnis von Hitlerjugend und SS3 8. In einem historischen Entwurf von beachtlicher Breite schildert der Autor die Hitlerjugend vor allem in ihrer Funk- tion als politisch-militärisches Elitenpotential des »Dritten Reiches«. Der Einsatz der H J in der gleichnamigen SS-Division - beschrieben im Schlußkapitel von Rempels umfangreicher Studie - bildete gleichsam den Abschluß einer Entwicklung, die den nationalistischen Flügel der deutschen Jugendbewegung von der Opposition gegen die Welt der Erwachsenen zum letzten Opfertier eben dieser Erwachsenenwelt werden ließ. Rempels Beitrag zur Geschichte der 12. SS-Panzer-Division bietet eine für die Aufstellung der meisten SS-Divisionen während der zweiten Kriegshälfte prototypi- sche Darstellung der Entstehungsbedingungen. Zunächst bot Himmler dem »Führer«

die Aufstellung einer neuen Division an, dann erst begann das für die Rekrutierung zu- ständige SS-Hauptamt die Möglichkeiten zur Realisierung des Projekts ernsthaft zu prüfen und die personellen Grundlagen der geplanten Division unter ständiger Beru- fung auf den Befehl des »Führers« und unter radikaler Ausnutzung aller Ressourcen zuwege zu bringen - meist, wie auch im Falle der Division »Hitlerjugend« gegen den erbitterten, aber erfolglosen Widerstand des SS-Führungshauptamtes, dessen Chef, Hans Jüttner, mehr an der militärischen Qualität der SS-Truppenteile denn an ihrer Quantität interessiert war.

Mochte die HJ-Division, die schon in den ersten Wochen ihres Kampfeinsatzes bei Caen ihr »Stalingrad« erlebte, in ihrer militärischen Qualität die angespannte Ersatz- lage des fünften Kriegsjahres auch nicht verleugnen können, so stand sie hinsichtlich ihrer Kampfmotivation und Opferbereitschaft den früheren Divisionen der Waffen-SS doch in keiner Weise nach. Dies lag, wie Rempel aufzeigt, darin begründet, daß die Division einerseits in ihren Führungskadern eine »Tochter« der Leibstandarte war, andererseits aber infolge der Jugendlichkeit ihrer Angehörigen3 9 sehr eigene Füh- rungs- und Ausbildungsprinzipien (Jugend muß von Jugend geführt werden) entwik- kelte. Diese förderten gezielt eine pubertäre Mentalität absoluten Sich-bewähren-wol- lens, die nicht zufällig an den Geist der Langemarck-Freiwilligen erinnert.

Die zweite Arbeit zum Thema der Division »Hitlerjugend« stammt aus der Feder des französischen Algerienoffiziers, Journalisten und Schriftstellers Jean Mabire4 0. Sie behandelt unter den Stichworten Caen und Falaise vor allem den Einsatz der Division in der Normandie, widmet sich in einem einleitenden Teil jedoch auch der Entstehung der Truppe und deren Vorgeschichte; die Entwicklung der Division nach Beendigung der Normandieschlacht und der Prozeß gegen ihren legendären Kommandeur Kurt Meyer (»Panzermeyer«) werden in einem abschließenden Teil auf wenigen Seiten skizziert. Mabire hat seinem Buch die Form einer Erzählung gegeben; in der Chrono- logie der Ereignisse und der Skizzierung der Personen der historischen Realität bis ins Detail folgend, erinnert das Buch doch im Stil seiner Darstellung eher an einen histori- schen Roman. Durch diese Form der Präsentation glaubt sich der Autor der lästigen Pflicht kritischer Quellennachweise enthoben; auch die mehr als spärliche »Bibliogra- phie« am Schluß des Buches zeichnet sich vor allem durch das Fehlen fast aller wirklich wichtigen Titel zum Thema aus. Gleichwohl kann kein Zweifel sein, daß sich der Au- tor vielerlei Quellen bedient hat, vor allem offenbar der mündlichen und schriftlichen Zeugnisse von Uberlebenden der HJ-Division. Die nicht belegte Einarbeitung solcher Zeugnisse in den Text - im Falle von Kurt Meyers Memoiren ganz offensichtlich41 — verleiht Mabires Buch stellenweise den Charakter einer psychologisch scheinbar ein- fühlsamen Studie, erweist sich aber bald als kritiklose Apologetik. Nun ist es ein frag- los legitimes Unterfangen, historische Romane zu schreiben (allzumal, wenn sie sich so spannend lesen wie der vorliegende), solange sie als rein literarische Erzeugnisse zu 217 identifizieren sind. Sollte Mabires Buch indes einen, wie es scheinen will, über blanke

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Prosa hinausreichenden historiographischen Anspruch erheben wollen4 2, so wäre es schlichtweg unseriös.

Von den romanhaften Erzählungen wie von den historisch-kritischen Analysen glei- chermaßen zu unterscheiden ist die Kategorie jener Divisions- und Regimentsge- schichten, die von ehemaligen Angehörigen der Truppe in der Absicht verfaßt wur- den, ihrem jeweiligen Verband, seinen Leistungen und Opfern im Kriege ein Denkmal zu setzen. Von den in den letzten Jahren zahlreich erschienenen Werken dieser Art sind vor allem die mehrbändigen Arbeiten von F. Husemann4 3 und von O. Weidin- ger3 3 erwähnenswert; ferner sei auf die Divisionsgeschichte von P. Strassner44 sowie auf die Bücher über das II. und III. (germ.) SS-Panzer-Korps von W. Tieke hingewie- sen4 5. Weidingers auf vier Bände veranschlagte Monumentaldarstellung ist nicht zu- letzt darum von Interesse, weil sie einen guten Uberblick auch über die Vorkriegsge- schichte der die SS-Verfügungstruppe konstituierenden Standarten »Deutschland«,

»Der Führer« und »Germania« gibt, eine Ubersicht freilich, die ganz an den formalen Entwicklungsstadien der jeweiligen Verbände orientiert ist und jede problematisie- rende Betrachtung zu vermeiden sucht. Gerade dies trifft auch auf eine jüngst erst mit einem Bande erschienene Geschichte der »Leibstandarte-SS-Adolf Hitler« z u4 6. Ihr Autor, Rudolf Lehmann, der Leibstandarte seit deren frühesten Tagen verbunden, zu- letzt ihr Erster Generalstabsoffizier, hat eine stilistisch zwar sperrige, jedoch überwäl- tigend detailreiche und sorgfältig recherchierte Chronik vorgelegt, die zeitlich neben den Friedensjahren den Polen-, West- und Balkanfeldzug abdeckt. Als Nachschlage- werk auch dem Historiker von Nutzen, ist die Arbeit doch mit jener von Weingart- ner3 1 nicht zu vergleichen. Die überaus genaue Rekonstruktion des äußeren Ereignis- ablaüfs bis hin zu persönlich erinnerungswerten, aber historisch unwesentlichen Ein- zelheiten macht Lehmanns Werk zu einem nahezu perfekten Abbild der »Oberflä- chengeschichte« der Leibstandarte; der gleichzeitige Verzicht auf die Preisgabe akten- kundlich kaum erschließbaren Hintergrundwissens läßt die Darstellung indessen allzu glatt erscheinen und bewirkt zudem eine dem Thema unangemessene Entpolitisie- rung. Sie hätte um den Preis vermehrter subjektiver Erinnerung vermieden werden können. So aber bleibt der erste Band dieser Truppengeschichte ein treffliches Beispiel für die den Nicht-Historiker oft erstaunende Vereinbarkeit von Objektivität und hi- storischer Fehldeutung. Es gehört zu den allgemeinen Kennzeichen aller hier genann- ten Arbeiten aus der Feder ehemaliger Waffen-SS-Angehöriger, daß sie an den von der Geschichtswissenschaft entwickelten Fragestellungen weithin uninteressiert sind und deren historisch-kritische Methoden ignorieren. Dies wird in der Verarbeitung des Quellenmaterials, zumeist Kriegstagebücher und Erlebnisberichte, ebenso offensicht- lich wie in der kompilatorischen Art der Darstellung. Insofern erscheint die Frage be- rechtigt, ob es überhaupt angebracht ist, Truppengeschichten der erwähnten Art mit der Elle wissenschaftlicher Kritik zu messen. Der Rezensent würde dazu neigen, diese Frage zu verneinen, erhöben die Verfasser der fraglichen Arbeiten (mit Ausnahme Hu- semanns) iiicht selber einen über kameradschaftliche Erinnerungsabsichten hinausge- henden Anspruch auf »objektive« kriegsgeschichtliche Dokumentation. Indem sie die These, die Männer der Waffen-SS seien in jeglicher Hinsicht Soldaten gewesen »wie

andere auch«, historisch zu beweisen trachten, greifen sie in den geschichtlichen For- schungs- und Erkenntnisprozeß ein, ohne sich dessen Regeln und Methoden unter- werfen zu wollen. Gerade dadurch aber sind die Autoren der erwähnten Truppenge- schichten, unbesehen der Fülle wertvoller Detailinformationen, die sie bieten, stets in Gefahr, alte Legenden zu konservieren und neue zu fördern - weniger im übrigen durch das, was sie schreiben, als durch das, was sie verschweigen.

218

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IV

Die Ausweitung der Waffen-SS auf die »germanischen« Länder war ihrer Idee nach keinesfalls eine Reaktion der Reichsführung-SS auf die sich verschärfende Personal- lage der deutschen Kriegsmaschinerie. Sie hat ihre Wurzeln vielmehr in dem her- kömmliche Nationalismen und deren territoriale, sprach- oder kulturgeschichtliche Definition transzendierenden Charakter der SS-Ideologie. Die »germanischen« SS- Verbände sind demnach kein aus der Not geborener Auswuchs der Waffen-SS, son- dern ein integraler Bestandteil des Gesamtphänomens. Nichtsdestoweniger aber ist die Europäisierung der Waffen-SS zugleich engstens mit historischen Problemkreisen verknüpft, die über die hier behandelte Thematik entschieden hinausweisen. Zu die- sem themenübergreifenden Sinnzusammenhang, der hier freilich nicht näher erörtert werden kann, gehört die in der letzten Zeit neu entbrannte Frage um das Verhältnis von Planung und Improvisation, von Dogmatik und Machiavellismus in der national- sozialistischen Außenpolitik47 ebenso wie die Kriegszieldiskussion im engeren Sin- ne4 8 oder auch die gesamte Kollaborationsproblematik. Gerade zum letztgenannten Thema sind in den vergangenen Jahren mehrere Studien entstanden, die in länderüber- greifender Betrachtung insbesondere auch den militärischen Aspekt der Kollaboration beleuchten. Daß die vielleicht wichtigsten dieser Arbeiten4 9 in Deutschland kaum greifbar sind, mag die geringe Resonanz spiegeln, die das Thema in der deutschen Dis- kussion bisher gefunden hat5 0.

Als weitgehend aufgearbeitet darf die Thematik der »germanischen« SS-Verbände gel- ten, betrachtet man sie unter dem Blickwinkel ihrer jeweilig nationalen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte. Dies ist insbesondere das Verdienst der leider schwer zugänglichen Dissertation von Ε. E. Knoebel über die Politik der SS im besetzten Bel- gien5 1 sowie der 1976 von N. K. C. A. In' t Veld herausgegebenen, in jeder Hinsicht nur als vorbildlich zu bezeichnenden Quellensammlung zur Geschichte der SS in den Niederlanden52. Beide Arbeiten machen in exemplarischer Weise deutlich, wie sehr die Funktion der »germanischen« Freiwilligenbewegung über deren rein militärische Bestimmung hinausging, mochte diese auch der unmittelbare Anlaß für die massiven Rekrutierungsversuche der SS in den germanischen Ländern gewesen sein. Politisch ist die Aufstellung militärischer Freiwilligenformationen nur als Maßnahme im Rahmen der von der Reichsführung-SS zielstrebig betriebenen Germanisierungspolitik zu ver- stehen, einer Strategie, die kein anderes Ziel verfolgte als den »Anschluß« der besetz- ten Länder an das Reich. Eine Maßnahme wie die Einbeziehung dieser Länder in die Kriegsorganisation der SS war in hohem Maße geeignet, die Stellung der SS innerhalb jenes ohnehin arg verzerrten Kräfteparallelogramms langfristig zu stärken, das aus sich mehr oder minder mißtrauenden oder gar befehdenden SS-, Wehrmachts- und Partei- dienststellen, dem Auswärtigen Amt und den diversen, in sich wiederum zerstrittenen Kollaborationsbewegungen bestand53. Denn die Entscheidung zur Europäisierung der Waffen-SS bekräftigte gegenüber Partei und Auswärtigem Amt den Monopolan- spruch der SS hinsichtlich aller die germanischen Länder betreffenden Fragen; zudem schuf sie den Nukleus einer eventuellen späteren pangermanischen SS-Armee.

Waren die militärischen Bemühungen der SS in den besetzten Ländern jenen der Wehrmacht allein schon infolge ihrer langfristigen politischen Zielprojektion überle- gen, so war ihr Erfolg, auch das machen die Arbeiten Knoebels und In' t Velds klar, doch wesentlich davon abhängig, inwieweit es gelang, die Kollaborationsbewegungen in den betreffenden Staaten zugunsten der Freiwilligenwerbung zu motivieren. Diese Bewegungen aber standen in ihrer überwiegenden Mehrheit den Germanisierungsten- denzen der SS höchst skeptisch gegenüber, verfolgten vielmehr eigene, teils auf die Wiederherstellung alter Staatlichkeit abgestellte, teils die Vereinigung Hollands und 219 Flanderns in einem »dietschen« Reich anstrebende Ziele. Wenn das SS-Hauptamt auch

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versuchte, derartige Pläne durch die Unterstützung SS-freundlicher Zirkel in den frag- lichen Ländern und durch die Aufstellung und zentrale Lenkung einer »germani- schen« (Allgemeinen) SS zu konterkarieren, so bleibt doch bemerkenswert, daß es bei der Freiwilligenrekrutierung für die militärischen Verbände auf die Unterstützung durch die eindeutschungsfeindlichen Organisationen, insbesondere die wallonischen Rexisten, den »Vlaamsch Nationaal Verbond« (VNV) und Musserts »Nationaal-So- cialistische Beweging« (NSB) angewiesen blieb.

Mit der Unterstützung der Freiwilligenbewegung verband sich für die genannten Kollaborationsgruppierungen freilich die den politischen Absichten der SS zuwider- laufende Erwartung, durch Blutopfer an der Front Ansprüche auf ein Mitspracherecht für jenen Zeitpunkt begründen zu können, wenn es um die politische Neugestaltung eines faschistischen Nachkriegseuropas gehen würde. Wenn die Reichsführung-SS derartige Zukunftsträume zu nähren gewillt war, - ohne sich indessen je auf inhaltliche Versprechungen einzulassen ! - so doch nur um den Preis zahlloser politisch-taktischer Zugeständnisse, die die Organisationen Degrelles, Elias' und Musserts praktisch zum Einschwenken auf die »germanische« Linie der SS zwangen. Zudem konnte man in Berlin getrost darauf bauen, daß der unablässige Personalbedarf der »germanischen«

Frontverbände den Personalbestand der heimatlichen Kollaboration hinreichend aus- dünnen würde, um eine wirksame Obstruktion der SS-eigenen Politik zu verhindern.

Für die Problematik der europäischen Freiwilligenbewegung geben In' t Velds Quel- lenedition und Knoebels Analyse des besatzungspolitischen Gesamtzusammenhangs vor allem zweierlei zu erkennen: 1. kann die arg strapazierte Parole vom »Kreuzzug gegen den Bolschewismus« nur als der kleinste gemeinsame Nenner ansonsten zutiefst divergierender Interessen verstanden werden, 2. aber war die Politik der Reichsfüh- rung-SS in der Frage der Freiwilligenverbände primär von politischen Zielvorstellun- gen, erst sekundär von militärischen Sachzwängen bestimmt; dies gilt für den Umfang der Rekrutierungen, für die Größe, Organisationsform, Unterstellung und Benen- nung der Verbände, die Modalitäten ihres Einsatzes, die Führerstellenbesetzung, die Uniformierung und Vereidigung der Freiwilligen, in gewissem Umfange sogar für die Beurteilung ihrer Straftaten.

Grundsätzlich ähnlich wie in den Niederlanden stellt sich der politische Hintergrund der Freiwilligenfrage im gleichfalls als Reichskommissariat verwalteten Norwegen dar5 4, während hinsichtlich Dänemarks insofern ein Sonderfall vorlag, als durch das formelle Fortbestehen von Monarchie und verfassungsgemäßer Regierung während der deutschen Besatzungszeit die Gestaltung der deutschen Dänemarkpolitik weitge- hend beim Auswärtigen Amt lag, was die Reichsführung-SS, wollte sie überhaupt Ein- fluß in Dänemark gewinnen, zur Zusammenarbeit mit Clausens dänischer NS-Partei zwang5 5. Die Tatsache, daß die Aufstellung des Freikorps »Danmark« als regierungs- amtlich legalisierter Akt vollzogen wurde, scheint sich im übrigen auf die Ergebnisse der von Waffen-SS und DNSAP gemeinsam durchgeführten Werbung kaum nach- haltig ausgewirkt zu haben.

Der für die westeuropäische Freiwilligenbewegung grundsätzlich festzustellende Zwiespalt zwischen nationalistischen und pangermanischen Interessen trifft für die skandinavische Szene gleichermaßen zu; er ist bis in die Struktur der militärischen Verbände hinein zu verfolgen. So waren die nach Beginn des Rußlandfeldzuges aufge- stellten flämischen, niederländischen, norwegischen und dänischen Legionen der Waffen-SS im Selbstverständnis ihrer Angehörigen stets in erster Linie die militäri- schen Exponenten ihrer Heimatländer; für die Dauer des Krieges in die Organisation der Waffen-SS eingereiht, ohne doch jemals innerlich mit ihr zu verschmelzen5 6. Die in den SS-Standarten »Nordland« und »Westland« schon unmittelbar nach der Beset- 220 zung ihrer Heimatländer zusammengefaßten Nord- und Westeuropäer wiesen dem-

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gegenüber eine sehr viel weitergehende Identifikationsbereitschaft mit den politischen Idealen der SS auf. Nicht zuletzt dieser Umstand vermochte der SS-Division »Wiking«

eine über das bei supranationalen Verbänden sonst übliche Maß hinausgehende men- tale Homogenität zu sichern und gab ihr die Chance, tatsächlich zum Modell einer im nationalsozialistischen Sinne »germanischen« Armee zu werden.

Die Situation der finnischen Freiwilligen stellt sich im Vergleich zu den bisher bespro- chenen Fällen fundamental anders dar. Ihr Bataillon, dessen Geschichte die finnische Nachkriegsforschung lebhaft beschäftigte57, war der einzige in der Waffen-SS ge- schlossen kämpfende Verband eines nicht besetzten, souveränen Staates und hat somit schon allein hinsichtlich der politisch-diplomatischen Modalitäten seiner Entstehung und Auflösung zu Recht einiges Interesse gefunden5 8. Daß durch die Bewilligung ei- ner im Rahmen der Waffen-SS kämpfenden Freiwilligenformation die finnische Regie- rung sich den mächtigen deutschen Verbündeten politisch und militärisch zu ver- pflichten versucht habe, ist die sich schon im Titel andeutende Basisthese der 1968 von M. Jokipii vorgelegten umfassenden Studie zur Geschichte des Bataillons5 9. Das Schwergewicht in der Arbeit Jokipiis liegt, neben der Analyse des politischen Bedin- gungsrahmens in beiden Ländern, in der Darstellung des Kampfeinsatzes des Batail- lons innerhalb der Division »Wiking« ; zugleich werden aber auch Fragen der Ausbil- dung und inneren Struktur des Verbandes detailliert behandelt. Die Breite der Analyse und ihr wahrlich beeindruckender, finnische wie deutsche Aktenbestände gleicher- maßen umfassender Quellenhintergrund geben der Studie Jokipiis einen Charakter von »Endgültigkeit«, der eine Ubersetzung der Arbeit ins Deutsche oder Englische höchst wünschenswert erscheinen läßt.

Hinsichtlich der französischen SS-Freiwilligenbewegung gibt es bislang kein Äquiva- lent zur Arbeit Jokipiis. Dies erstaunt angesichts der inzwischen beträchtlichen Fülle beschriebenen Papiers zur Thematik der französischen Kollaboration, ist aber wohl u. a. darauf zurückzuführen, daß die Geschichte des französischen SS-Verbandes erst um die Jahresmitte 1943, also rund ein Jahr vor der Befreiung Frankreichs durch die Alliierten begann und politisch wie militärisch (trotz des legendären Beitrags französi- scher SS-Freiwilliger im Endkampf um Berlin) eine Episode ohne Zukunftsperspek- tive blieb6 0. Den historiographisch wichtigeren Teil der militärischen Kollaboration in Frankreich repräsentierte sicherlich die schon 1941 unter maßgeblicher Mitwirkung von Doriot, Déat und Deloncle aufgestellte und im Rahmen des deutschen Heeres ein- gesetzte »Légion des Volontaires Français contre le Bolchevisme« (LVF), deren Ent- stehungsgeschichte aufzuhellen A. O. Davey beitrug6 1. Die Uberführung der Legion 1944 in die Waffen-SS und ihr Zusammenschluß mit den neu rekrutierten französi- schen SS-Freiwilligen zur Brigade (später Division) »Charlemagne« führte bezeich- nenderweise zu ganz ähnlichen ideologischen Differenzen, wie wir sie hinsichtlich der

»germanischen« Freiwilligenverbände feststellen konnten, nämlich zu einem latenten Spannungsverhältnis zwischen dem bisweilen fast antideutsch eingefärbten Nationa- lismus der alten Legionäre und dem, überkommenem Chauvinismus abgeneigten SS-Geist der meist jungen SS-Freiwilligen, denen die Tradition der »grande armée«

nichts, das furiose Prestige der Waffen-SS dagegen sehr viel bedeutete62.

Den umfassendsten Beitrag zur Geschichte der französischen SS hat zweifellos J. Ma- bire mit seiner romanähnlichen Trilogie geliefert6 3. Dem ersten64 der drei sich chro- nologisch ergänzenden Bände nach zu urteilen ist das Werk von der gleichen wissen- schaftlichen Unzulänglichkeit, die wir bei Mabires früher erwähnter Arbeit über die Division »Hitlerjugend« feststellen mußten. Das ganz aus der Perspektive der Freiwil- ligen erzählende Buch scheint uns am ergiebigsten und zugleich am gefährlichsten in seinen atmosphärischen Schilderungen, sei es, daß es um das Kampfverhalten und die Motivation der Freiwilligen, sei es, daß es um die Darlegung der in der SS-Junker-

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schule Tölz empfangenen Eindrücke geht. Am ergiebigsten, weil diese Schilderungen eine oft intime Detailkenntnis des Autors verraten, am gefährlichsten, weil sie die er- schreckende Kritiklosigkeit Mabires seinen nicht genannten Quellen gegenüber zu er- kennen geben und so seine im Vorwort bekundete Neigung »de laisser seulement les guerriers juger les soldats« in einer bedenklichen Weise bestätigen. Immerhin, Mabires Werk macht klar, was ein theoretisch reflektierter Forschungsbeitrag über den franzö- sischen Teil der Waffen-SS zu leisten hätte: die paradigmatische Darstellung des Ver- bandes unter der Fragestellung, welche Wirkungen die im letzten Drittel des Krieges sich rapide verschlechternde Lage Deutschlands auf die Freiwilligenbewegung ausüb- te, welchen Selektionsprozeß im Vergleich zu den Jahren des Sieges sie auslöste, wel- che Veränderungen der Motivationsstruktur und des Kampfstils sie bewirkte, schließ- lich auch, ob und wie sich der Stellenwert der Freiwilligenbewegung in der politischen Ideenwelt der Reichsführung-SS angesichts der drohenden Niederlage wandelte.

Der bezüglich der »germanischen« Waffen-SS-Freiwilligen6 5 konstatierte Primat po- litisch-ideologischer Erwägungen vor rein militärischen Sachzwängen traf ursprüng- lich auch hinsichtlich der Rekrutierung der im südosteuropäischen Raum beheimate- ten Volksdeutschen zu. Die von der Reichsführung-SS postulierte »völkische« Wehr- pflicht, derzufolge auch die im Ausland lebenden Deutschen zur Kriegsdienstleistung für das Reich verpflichtet sein sollten, entsprach durchaus dem Wesen der SS-Ideolo- gie und war keineswegs nur eine Rechtfertigung post festum. So kann nicht verwun- dern, daß die Werbung zur Waffen-SS bzw. die Aufstellung SS-ähnlicher Kampffor- mationen durch die Volksgruppenführungen stellenweise schon sehr frühzeitig ein- setzte; in Rumänien etwa lief die Werbung 1940 an und in der Slowakei bildete sich gar schon im Winter 1938/39 eine der SS nahestehende »Freiwillige Schutzstaffel«. Die jeweiligen innenpolitischen und sozialen Umstände wie auch die zwischenstaatlichen Hintergründe der Waffen-SS-Aktionen zur Rekrutierung der Volksdeutschen Bevöl- kerung sind zumindest für Ungarn und Kroatien dank der Forschungen von L. Til- kovszky und von H . Sundhaussen sowie einiger von M. Broszat erstellter Gutach- ten6 6 durchschaubarer geworden. Dabei zeigt sich, daß die Volksdeutschen zuneh- mend zum eigentlichen Menschenreservoir einer Politik des SS-Hauptamtes wurden, die die schnellstmögliche Vergrößerung der Waffen-SS rücksichtslos durchzusetzen gewillt war. Angesichts der im Reichsgebiet von der Wehrmacht für alle Musterungs- jahrgänge durchgesetzten Quotierung des für die Waffen-SS freigegebenen Nacher- satzes und der in den »germanischen« Ländern weit hinter den Erwartungen zurück- bleibenden Werbungserfolge entwickelte sich die Rekrutierung der Volksdeutschen spätestens seit Ende 1942 immer eindeutiger zur Zwangsaushebung. Wenn auf diese Weise der Anteil der Volksdeutschen an der Gesamtstärke der Waffen-SS bis gegen Ende 1944 auf schätzungsweise ein Drittel anstieg, ihr qualitativer Beitrag zu den Kampferfolgen der Truppe dagegen allem Anschein nach bescheiden blieb, so wirft dieser Umstand Fragen auf, die vornehmlich die disziplinare und ideologische Binnen- struktur der Volksdeutschen Verbände berühren, ihre Führungsverhältnisse, ihre Ausbildungs- und Einsatzgrundsätze, ihre sprachlich bedingten Kommunikations- barrieren, nicht zuletzt auch ihre, wie das Beispiel der Division »Prinz Eugen« nahe- legt, offenbar überdurchschnittliche Kriminalität. Da eine insgesamt allzu lückenhafte Quellenüberlieferung diesbezügliche Forschungen für die nähere Zukunft nicht er- warten läßt, wird die Beantwortung solcher für die Gesamteinschät.zung des Volks- deutschen Beitrages unabdingbarer Fragen auch weiterhin auf mancherlei Spekulation gründen müssen.

Noch schmaler präsentiert sich die Quellenbasis hinsichtlich der »fremdvölkischen«, d. h. der nicht-»germanischen« und nicht SS-fähigen Waffen-Verbände der SS6 7. Ihre 222 Aufstellung erfolgte zweifellos aus der Personalnot eines ausblutenden Reiches6 8;

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gleichwohl offenbart sich auch in ihnen der politische Aberwitz SS-ideologischer Ziel- vorstellungen. Denn während die dem OKH unterstellten fremdvölkischen Legionen als unpolitische Söldnertruppen konzipiert waren, förderte die Reichsführung-SS die Ideologisierung der ihr unterstellten Formationen durch steten Appell an nationalisti- sche und religiöse Ressentiments. Insofern stellen selbst so exotische Gebilde wie die mohammedanische Bosniaken-Division »Handschar«6 9, der »Ost-Türkische-Waf- fenverband« unter Führung des deutschstämmigen Standartenführers Harun al Ra- schid Bey oder der in der Planungsphase steckengebliebene »Kaukasische Waffenver- band« der SS70 nichts anderes dar als die militärischen Instrumente einer politischen Gesamtstrategie, die nach der Maxime »divide et impera« den osteuropäischen und sowjetasiatischen Raum durch Mobilisierung aller antirussischen Kräfte zu beherr- schen trachtete.

Von den wenigen, mit Fragen der nicht-»germanischen« SS befaßten Veröffentlichun- gen scheint eine besonders geeignet, die internen Probleme ethnisch gemischter Ver- bände paradigmatisch zu verdeutlichen. Es handelt sich um die von W. D. Heike ver- faßte Geschichte der ukrainischen (»galizischen«) 14. Waffen-Grenadier-Division der SS7 1. Heike, ehemals Erster Generalstabsoffizier dieser Division, hat kein wissen- schaftliches Buch geschrieben; gleichwohl hebt sich seine Arbeit, die die Verhältnisse der Truppe nicht zuletzt auch vom Interessenstandpunkt der ukrainischen Freiwilli- gen zu beleuchten bemüht ist, von den sonst üblichen Truppengeschichten durch ih- ren Mut zu einer kritischen, indes niemals polemischen Subjektivität ab. Dies dürfte zum einen darauf zurückzuführen sein, daß die Arbeit schon in den Jahren 1947/48 in erster Niederschrift entstand, zum anderen darauf, daß der Autor als zur Division ab- kommandierter Offizier des Heeres eine vielleicht kritischere Distanz zum deutschen SS-Rahmenpersonal bewahren konnte. Heikes Darstellung macht deutlich, was das Kernproblem wohl aller supranationalen Verbände der Waffen-SS war: das latente Spannungsverhältnis zwischen deutscher Führung und den ausländischen Freiwilli- gen. Die grundsätzliche Problematik einer Zusammenarbeit beider Seiten war der Reichsführung-SS durchaus bekannt; nicht zuletzt Himmler hatte ein sehr realisti- sches Verständnis von den Schwierigkeiten, die aus der unterschiedlichen Mentalität und Interessenlage der deutschen und ausländischen Divisionsangehörigen erwuch- sen. Das SS-Führungshauptamt verfolgte darum — anders als das OKH - ursprünglich eine Personalpolitik, die nur die Besetzung der Divisionsstäbe mit deutschem Personal vorsah, während die einzelnen Einheiten von einheimischen Offizieren geführt wer- den sollten. Der psychologisch oft ungeschickte Ausbildungs- und Führungsstil der im Umgang mit ausländischen Freiwilligen meist reichlich unerfahrenen deutschen SS-Führer einerseits und die mangelnde militärische Qualifikation vornehmlich der äl- teren »fremdvölkischen« Offiziere andererseits drohte indessen die Konzeption des SS-Führungshauptamtes insofern zunichte zu machen, als die deutschen Komman- deure angesichts der auftretenden Schwierigkeiten und des unmittelbaren militäri- schen Erfolgszwanges, dem sie ausgesetzt waren, auf eine Verdichtung des deutschen Führungspersonals bis hinab zur Kompanieebene drängten, sich dagegen am länger- fristigen Aufbau eines eigenständigen ausländischen Offizierkorps weitgehend desin- teressiert zeigten. Das Spannungsverhältnis, das Heike am Beispiel der ukrainischen Division aufzeigt, bestand also letztlich im Widerspruch zwischen dem Interesse der Truppenführung an einer kurzfristigen Herstellung der militärischen Einsatzbereit- schaft ihres Verbandes, der zunehmenden Personalnot des SS-Führungshauptamtes und dem Wunsch der ausländischen Freiwilligen nach einer möglichst geschlossen kämpfenden nationalen Formation ihres Landes. Unter den Bedingungen einer immer stärker zur Improvisation genötigten Personalpolitik und angesichts der oft drastisch nachlassenden Kampfmotivation der osteuropäischen Freiwilligen nach dem Verlust

(15)

ihrer Vaterländer blieb eine grundsätzliche Lösung dieser Problematik bis zum Kriegsende ausgeschlossen.

V

Die systematische, politisch gewollte Erweiterung der Waffen-SS über das Territo- rium des Deutschen Reiches hinaus gehört zu den wichtigsten historischen Charakte- ristika dieser Truppe. Sie weist auf die Frage hin, welcher Status der Waffen-SS im po- litischen System des Dritten Reiches und speziell innerhalb des Subsystems SS zukam und welche längerfristig historische Funktion ihr zugedacht war. Die Meinungen ge- rade zum letztgenannten Gesichtspunkt gehen nach wie vor weit auseinander und rei- chen von der sich aus den zentralen Dokumenten »prima facie« nahelegenden Auffas- sung, die Waffen-SS habe ursprünglich zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit der Diktatur dienen sollen und sei lediglich aus Prestigegründen an die Front geschickt worden, bis hin zu der Uberzeugung, daß die Waffen-SS nichts anderes als der Kern einer neuen nationalsozialistischen Wehrmacht gewesen sei.

Den letztgenannten Standpunkt hat vor Jahren insbesondere A. Schickel pointiert vorgetragen

72

. Schickeis Argumentation gründet auf einer Indizienkette, deren Ge- rüst einige längst bekannte Tatsachen und Dokumente, Ergebnisse der Forschungsli- teratur und Urteile einzelner hoher Wehrmachtoffiziere bilden. Der Wert der vom Autor vorgelegten Beweisgründe ist höchst unterschiedlich. Manche der vorgelegten Quellen sind es fraglos wert, von Zeit zu Zeit neu diskutiert zu werden - so etwa jene Posener Rede Himmlers vom 3. August 1944

73

, in der dieser seinen ganzen Abscheu vor dem Wehrmachtkonservatismus und seine Vision einer künftigen »nationalsozia- listischen Volksarmee« in frappierender Offenheit zum Ausdruck brachte. Anderer- seits neigt Schickel zuweilen zur Uberinterpretation einzelner Tatbestände, so etwa, wenn er im Zuschnitt der Uniformjacke, die Hitler am 1. September 1939 in der Kroll-Oper trug, einen Fingerzeig auf die zukünftige Funktion der Waffen-SS zu er- kennen vermeint. Solcherlei Spitzfindigkeiten hätten sich bei gründlicherer Durch- sicht der Quellen wohl erübrigt, bergen diese doch ernsthaftere Hinweise zur Stütze der vom Autor vertretenen These

74

. Was Schickeis Argumentationsgang trotz man- cher wertvoller Einsichten letztlich nicht überzeugend sein läßt, ist sein Hang zur be- gründungslosen Spekulation. Er ordnet seine Auswahl der Tatsachen in den von ihm gewollten Sinnzusammenhang ein, ohne sich um die Widerlegung etwaiger Gegenar- gumente zu bemühen. So bleiben Hitlers Äußerungen zur Funktion der Waffen-SS als künftiger »Staatstruppenpolizei« des Reiches ebenso undiskutiert wie die grundsätzli- che Frage, ob hinsichtlich der Entwicklung der Waffen-SS überhaupt von einer a priori feststehenden Konzeption ausgegangen werden kann oder ob nicht vielmehr von ei- nem Hineintasten der SS in den militärischen Raum gesprochen werden muß, das erst mit zunehmendem Erfolg zur Ausbildung konkreter Funktionspläne führte.

Unter dem Horizont dieser Fragestellung erscheint das Verhältnis zur Wehrmacht von

zentraler Bedeutung für die Bestimmung von Status und Funktion der Waffen-SS

7s

.

Einen wichtigen Aspekt dieses Verhältnisses hat R. A. Gelwick

2

in seiner umfangrei-

chen Dissertation über das Personalwesen in der Waffen-SS beleuchtet. Die unge-

wöhnlich fleißig gearbeitete, über die im Titel angekündigte Thematik hinaus den ge-

samten für die Waffen-SS zuständigen Verwaltungsapparat innerhalb der Reichsfüh-

rung-SS behandelnde Studie ist schon allein darum begrüßenswert, weil sie zu den we-

nigen organisationsgeschichtlichen Strukturanalysen im Umkreis unseres Themas ge-

hört. Zwei Einschränkungen sind gleichwohl angebracht: 1. hätte die Untersuchung

der SS-Personalpolitik auch einer Prüfung der von Gelwick leider nicht benutzten

SS-Personalakten bedurft; die Analyse des realen Laufbahnverhaltens in der Waf-

224 fen-SS wäre dann das notwendige Korrektiv zur Darstellung der normativen Einstel-

(16)

lungs-, Ausbildungs-, Stellenbesetzungs- und Beförderungsprinzipien gewesen. 2.

scheint die an sich begrüßenswerte Unbefangenheit des Autors ideologischer Spekula- tion gegenüber in eine unangemessene Entpolitisierung des Forschungsgegenstandes umgeschlagen zu sein. Dies äußert sich in der akribischen, theoretisch indes wenig re- flektierenden Darlegung aller nur denkbaren verwaltungstechnischen Aspekte und Details ebenso wie in der abschließenden Formulierung von Gelwicks Hauptthese.

Diese besagt, daß die Waffen-SS durchaus keine von der Wehrmacht unabhängige Eli- tetruppe gewesen sei. Auf Grund der während des Krieges immer rigoroser werden- den Rekrutierungspraktiken um ihren elitären Anspruch gebracht, war die Waffen-SS dem Heere nicht nur taktisch unterstellt, sondern auch in fast jeder Hinsicht von die- sem abhängig - gleichgültig, ob es sich nun um Schulungsprogramme für Spezialisten, um die Generalstabsausbildung, um den materiellen Nachersatz vor allem an schwe- ren Waffen und Munition oder um Transport-, Versorgungs- oder Instandsetzungs- einrichtungen handelte. Zudem arbeitete das Verwaltungswesen in der Waffen-SS weitestgehend auf der Grundlage der für das Heer gültigen Dienstvorschriften. Was aber folgt aus alledem? Einerseits sicherlich, das die Mitverantwortung der Wehr- macht, insbesondere aber die des Heeres, für den Ausbau der bewaffneten SS gewich- tiger einzuschätzen ist, als dies bislang geschah. Andererseits folgert Gelwick auch, daß sich infolge der Abhängigkeit der Waffen-SS vom Heer eine Konkurrenzsituation nicht habe entwickeln können. Die Waffen-SS, letztlich als Spezialtruppe zur Ge- währleistung der inneren Sicherheit des Regimes konzipiert, sei faktisch kaum mehr als ein Anhängsel der Wehrmacht gewesen; das Verhältnis zwischen beiden sei dem- nach auch meist von engster Kooperation bestimmt worden.

Diese These Gelwicks vermag indessen nicht zu überzeugen. Sie könnte es nur, wäre sie mit dem Nachweis verbunden, daß die Wehrmacht ihre materielle, technologische, logistische und ausbildungsmäßige Überlegenheit zugleich als ein politisches Steue- rungsinstrument hätte einsetzen können, um die Entwicklung der bewaffneten SS unmittelbar zu beeinflussen. Gerade dies aber hat sie nicht vermocht. Die Entschei- dung über Aufbau und Verwendung der Waffen-SS hat stets allein bei Hitler gelegen, der das OKH zu einer höchst unfreiwilligen Kooperation mit der Reichsführung-SS zu nötigen verstand. Von einer mittelbaren Einflußnahme des OKW und OKH auf diesen Entscheidungsprozeß läßt sich allenfalls insofern sprechen, als auch Hitler sich zu einer gewissen Rücksichtnahme den Interessen seiner Militärs gegenüber gezwun- gen sah.

Auch scheint angesichts der These Gelwicks bemerkenswert, in welchen Bereichen es

der Reichsführung-SS denn gelang, sich aus der Abhängigkeit von der Wehrmacht zu

befreien. Hier sind als Stichworte in erster Linie die eigenständige Führerausbildung

der Waffen-SS, die Ersetzung der »wehrgeistigen Führung« durch die »weltanschauli-

che Erziehung«, die Einrichtung der SS- und Polizeigerichtsbarkeit

76

sowie die Schaf-

fung wehrmachtunabhängiger »germanischer« und Volksdeutscher Rekrutierungspo-

tentiale zu nennen. Die Qualität dieser Faktoren scheint uns für die Beurteilung des hi-

storischen Eigenwertes der Waffen-SS tatsächlich von weit ausschlaggebenderer Be-

deutung als die Frage militär- und verwaltungstechnischer Dependenzen

77

.

Unbeschadet dieser Kritik vermittelt Gelwicks Studie zumindest zwei weitere Er-

kenntnisse von grundsätzlichem Gewicht: 1. nämlich traf der Kriegsausbruch 1939die

bewaffnete SS inmitten einer noch nicht abgeschlossenen Aufbauphase; diese war vor

allem dadurch gekennzeichnet, daß der militärische Ausbildungsstand der Truppe de-

ren Kriegsverwendung zumindest im Regimentsverband zwar schon gestattete, die

Waffen-SS aber über einen nur unzureichend eingespielten, weithin noch dilettantisch

arbeitenden Verwaltungsapparat und über keinerlei kriegsmäßig entwickelte Logistik

225 verfügte. 2. schließlich ist darauf hinzuweisen, daß es der Waffen-SS vielleicht weniger

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noch als der Wehrmacht gelang, jene personalpolitisch katastrophale Selektionswir- kung des Krieges einzudämmen, die sich darin äußerte, daß hinsichtlich der Lehr- gangsbeschickung bestqualifizierte Soldaten oftmals von der Truppe zurückgehalten wurden und an der Front fielen, während minder gut beurteilte Männer für Spezial- ausbildungen freigegeben wurden ; dieser Trend, in den Verwaltungsführerlaufbahnen ganz augenfällig, wurde durch eine den Frontoffizier gegenüber dem Laufbahnspezia- listen bevorzugende Beförderungspraxis noch verstärkt.

Der von Gelwick vernachlässigte Aspekt der verfassungsorganisatorischen Entwick- lungsbedingungen der bewaffneten SS hat seine bis heute gültige Darstellung zweifel- los bei H. Buchheim in der Abhandlung über die SS als »Herrschaftsinstrument« ge- funden7 8. Die These Buchheims von der Gesamt-SS als Organ der unmittelbaren, nicht nur staatlich, sondern auch vor- und außerstaatlich legitimierten »Führergewalt«

Hitlers gilt gleichermaßen für die Waffen-SS. Insofern wäre es naheliegend, wenn auf der Grundlage der Buchheimschen These das Verhältnis der bewaffneten Teile der SS untereinander und ihre Stellung innerhalb der Gesamtorganisation eine systematische Aufhellung erführen. Erstaunlicherweise ist dies, sieht man von Ansätzen in Gelwicks Dissertation und einigen früheren Veröffentlichungen Buchheims selbst ab7 9, bislang kaum geschehen.

Der genannte Mangel fällt insbesondere bei den neueren Gesamtdarstellungen zur Ge- schichte der SS negativ auf, erinnern diese doch ihrer Konzeption nach nicht selten an die früheste Phase der Nachkriegsgeschichtsschreibung. Glaubt man etwa der Darstel- lung von R. Grunberger, so kann die Waffen-SS kaum mehr als eine unerhebliche Randerscheinung des Gesamtphänomens SS gewesen sein8 0; den gleichen Eindruck vermittelt die oberflächliche, wissenschaftlich gänzlich ungenügende Arbeit von L.

Saurel8 1. Aber auch in den umfangreicheren Studien von A. Brissaud8 2 und E. Calie8 3

tritt das Interesse an der Waffen-SS als eigenem Untersuchungsgegenstand ganz hinter jener »Faszination« zurück, die bis heute von der Destruktivität der SS-Ideologie so- wie den noch größeren Schrecknissen ihrer Verwirklichung ausstrahlt.

Neben dem von F. Duprat vorgelegten Buch zur Geschichte der SS, dessen die Waf- fen-SS betreffende Passagen inzwischen durch neuere Arbeiten des Autors überholt sind8 4, hat vor allem H . Höhne der Waffen-SS breiten Raum in seiner erstmals 1966 als

»Spiegel«-Serie erschienenen Gesamtdarstellung gewidmet8 5. Hohnes farbig ausge- staltetes, gleichwohl als einziges der genannten Werke quellenmäßig solide belegtes SS-Gemälde zeigt, besser vielleicht als eine analytisch angelegte Studie es wohl ver- möchte, die widersinnige Gleichzeitigkeit von Einheit und Disparität, die das Verhält- nis der einzelnen Teile der SS zueinander kennzeichnete. Gerade die Entfaltung der bewaffneten SS erscheint als ein Vorstoß in einen zunächst noch Undefinierten Raum.

Erst der grundsätzliche Erfolg dieses Vorstoßes in die militärischen und polizeilichen Funktionsbereiche des Staates führte dazu, daß der verfassungsmäßige Legitimations- rahmen der neuen Truppe nunmehr Schritt für Schritt (aber keineswegs eindeutig!) abgesteckt wurde, und daß sich der SS-interne Status von Verfügungstruppe, Toten- kopfverbänden und Junkerschulen nach zähem Kompetenzengerangel »einzupen- deln« begann. Die die Waffen-SS betreffenden Grundsatzentscheidungen Hitlers und Himmlers waren - dies gilt auch für den vielzitierten Führererlaß vom 17. August 193 8 - fast durchweg Regelungen a posteriori; sie schrieben lediglich fest, was politisch schon ausgefochten war. Wenn die Entwicklung der Waffen-SS trotz aller politisch- taktischen Manöver der Reichsführung und trotz des von Himmler während der Kriegsjahre gern beklagten Wildwuchses der Truppe doch nicht ohne Richtung ver- lief, so zuallererst infolge des der SS-Ideologie inhärenten Trends zur maximalen 226 Machtausdehnung in alle Funktionsbereiche der Gesellschaft. Im Rahmen dieser

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