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(1)

701

Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichts¬

systems.

Von

K. Regllng und C. F. Lehmann-Haupt.

I. Numismatisch-Metrologisches.

Von K. Högling.

Der Widerspruch, den F. H. Weiß bach in der Zeitschrift

der Deutschen Morgenländisehen Gesellschaft 61, 1907, S. 379 ff.

gegen metrologische Grundanschauungen erhoben hat, welche auch

die Münzkunde sich eben zu eigen zu machen beginnt, veranlaßt

mich zu untersuchen, ob und inwieweit er berechtigt ist, ob vor

allem die Münzkunde diesem Widerspruch Rechnung zu tragen hat.

Weiß bach hat eine Liste der ihm bekannten babylonisch¬

assyrischen Gewichtsstücke aus der Literatur zusammengestellt und

zieht unter gelegentlicher Heranziehung einiger Keilschrifturkunden

und zweimaligem Hinweis auf die königlich persische Münzwährung

aus dem Gewichtsbefund folgende Schlüsse:

1. Daß für Assyrien und Babylonien das Nebeneinander¬

bestehen zweier Normen (nämlich der sog. gemeinen und der

königlichen) noch nicht ausreichend bewiesen sei, S. 389 f.

2. Daß für Assyrien und Babylonien Goldmine und Silber¬

mine neben der sog. Gewichtsmine ein Phantasieprodukt

seien und eine 50- statt 60-Teilung der Mine nicht nach¬

weisbar sei 1).

3. Daß ein festes Wertverhältnis von Gold und

Silber in Assyrien und Babylonien und überhaupt

vor Beginn der achämenidisch en Münzprägung nicht

nachweisbar sei.

1) )>aÜ dio Toiliing des Talents in i>0 Minen, der Mino in «0 Schekel, des Schekols in 1 ho So in iiltost-lmliylmiisclier Zeit das Übliche ist, hat zuletzt ko iti nor, Sitzuiigsbcr. der Horlinor Akademie lSitli, 417, aus Tontafoln von Tello, Zeit der Dynastio von Ur, nacligowicsoi).

(2)

702 Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

§ 1.

Das Nebeneinander zweier sich sehr nahe und im

Verhältnis bequemer gerader Zahlen zu einander

stehender Normen im Altertum ergibt sich aus folgen-

5 den Belegen:

L Aus der Münzprägung des Kroisos, Goldstater von

8,1 g = Mine von mindestens 486 g, Silberstück von 5,4 g ===

100-er Mine von mindestens 540 g, verglichen mit der sie ersetzen¬

den der Perserkönige, Dareikos von 8,4, g = Mine von 504 g,

io Siglos von 5,ö g = 100-er Mine von 560 g. — Wir haben hier

zu einer Zeit, wo das neubabylonische Beich noch bestand 1), zwei

einander ablösende, sich ganz nahestehende Normen , deren größere

nach genauerer anderweitiger Berechnung der kroiseischen Mine auf

etwa 491 g um '/ 36 höher ist als die kleinere 2).

15 Ganz ähnlich finden wir in der römischen Silberprägung des

3. Jahrh. v. Chr. zwei Gewichtsnormen, deren eine gegen die andere

um erhöht ist : die stadtrömische Prägung steht auf dem Pfunde

von 327 g, die kampanische Prägung auf einer Mine von 341 g 3).

Bei dem engen Zusammenhange, den der Betrag des römischen

20 Pfundes aber zum „babylonischen" Gewichtssystem hat (es ist 2 / 3

jener kroiseischen Mine), ist dies auch für ältere Zustände von Be¬

deutung.

LT. Aus der Existenz des sog. antiochenischen Holztalents von

375 röm. Pfund, das sich als Talent von 125 statt 120 schweren

25 gem. Gewichtsminen (982 g) darstellt, also Existenz einer Erhöhung

um 1/ 34 . Lehmann, Hermes 27, 546 Anm. 1.

III. Aus der Erwähnung eines Talents von 63 statt 60 Minen

bei Aristot. 'Ad. itoL 10, Erhöhung um Vgl. Lehmann,

Hermes 35, 636 ff.

1) Daß die persische Münzprägung eher mit Kyros als, wie man meist annimmt, mit Dareios beginnt, hat zuletzt Gardner, The gold coinage of Asia before Alexander the Great, aus Proceedings of the Brit. Academy III, 1908, S. 11, betont.

2) Zur Mine von etwa 491 g siehe BMGW. (so kürze ich ab Lehmann, Altbabylon. Maaß und Gewicht und deren Wanderung, Verhandl. der Berl.

anthrop. Ges. 1889, 245 ff.) 256 ff. und unten S. 703. — Ich setze absichtlich hier stets die runden Zahlen in ganzen g, da ich mir bewußt bin , daß unsere, nur aus dem Betrage des röm. Pfundes als 3 2 7,45 g errechneten genaueren Beträge in den Dezimalstellen hypothetisch sind. — Gegen die übereinstimmende Meinung aller Numismatiker hält Willers, Geschichte der röm. Kupferprägung, 1909, S. 8 Anm. 2 die kroiseischen Goldstateren für Münzen des persischen Satrapen in Sardes vor Eröffnung der persischen Reichsprägung. Für unsere Frage verschlägt das nichts, zustimmen aber kann ich Willers nicht, da Gold¬

prägung von Satrapen oder sonstigen Lokalgewalten im Perserreich unerhört ist. — Willers' prinzipielle Ablehnung der vergleichenden Metrologie steht mit den An¬

gaben der antiken Metrologen Uber das gerade Verhältnis der einzelnen Gewichte zueinander in zu schrotl'em Gegensatz, um hier weiter diskutiert zu werden. — Wegen der Erhöhung um X/3U siehe Lehmann, Hermes 36, 123 nach Hultsch.

3) Lehmann, BMGW. S. 276. — Haeberlin, Systematik des ält. röm.

Münzwesens (1905), S. 24.

4 !> *

(3)

I. Numismatisch-Metrologisches. Von K. Regling. 703

IV. Aus dem Nachweis mehrerer differenzierter, sich nahe¬

stehender Minen in ägyptischen Urkunden, die stark gebrochene

Summen in ägyptischen Deben und Kite nennen, welche in runde

Summen „babylonischen" Gewichtes in gemeiner und um 1 / 24 bez.

i/sn erhöhten Normen umgerechnet werden können, BMGW. 272, s

275 nach Brugsch, vgl. schon Brandis, Münz-, Maß-und Ge¬

wichtswesen (1866) S. 91 f., 101 f., ferner Hultsch, Gewichte

(1898) S. 25 ff.

V. Die vergleichende Metrologie liefert Anhaltspunkte für weit

zurückliegende Koexistenz sich nahestehender Normen einmal durch io

die besonderen Verhältnisse des russischen Pfundes (unten S. 707, IV)

und sodann dadurch, daß mehrfach moderne Gewichte zu antiken

in Erhöhungsformen von 1j si 1) oder 1/ 3(! 2) stehen.

VI. Das Nebeneinander zweier Gewichtsnormen , deren eine

durch den Zusatz „des Königs" vor der anderen ausgezeichnet wird, 15

findet sich schon auf den Tontafeln von Tello (oben S. 701 Anm. 1),

Reißner S. 423, dazu Lehmann, Verhandl. Berl. anthrop. Ges.

1896, 442, ferner auf einer in den Zahlen unsichern Urkunde, die

Meißner, Mitteil, vorderas. Gesellsch. 1903, 106 veröffentlicht.

VU. Als Analogie mag noch darauf hingewiesen werden, daß 20

Hultsch, Archiv für Papyrusforsch. 2, 274 (vgl. 283) zwei ver¬

schiedene Artaben (Hohlmaße) aus dem ptolemäischen Ägypten nach¬

gewiesen hat, die sich wie 24 zu 25 verhalten.

Übrigens ist (vgl. BMGW. 274 und Schmoller, Grundriß

der Volkswirtschaftslehre 2, 63) auch für das Mittelalter das Neben- 25

einander leicht erhöhter, bevorzugter Normen gegenüber der ge¬

meinen etwas durchaus Gewöhnliches ; in Frankreich gab es z. B.

unter Philipp dem Schönen neben der Marc de Paris die um

höhere Marc du roy , in England unter Heinrich VII. und VHI

das Towerpfund und das um ^ höhere Troypfund usw. so

Kehren wir zu L zurück, so sei bemerkt, daß das Gewicht

der Dareikenmine von 504 g ja allgemein bekannt ist; aber in

weit höherem Maße muß die Mine des Kroiseios von mindestens

486 g verbreitet gewesen sein, da sie offensichtlich nicht nur mit der

auf l 1^ rom - Pfund = 491 g bestimmten ÜToleuaixi] und Italuvr) 35

uvä identisch ist (Hultsch, Metrologici script. 2, 196 im Index

bei Nr. 7 und 10), sondern auch im französischen Pfund (489,5 g),

stadthannöverschen (489,6 g) und altholländischen Troypfund (492,i7g)

steckt (BMGW. 262 f.). Da zudem gerade diese Stufe von 491 g

zu den meisten antiken Gewichten in geradem Verhältnis steht 40

(vgl. Lehmann, Hermes 36, 113 Tabelle), so liegt es nahe, den

Ursprung der Kroisosmine in noch frühere Zeit zurückzuverlegen, 1) Engl. Pfund avoir du poids 453,59 g zur attischen Mine von 436 g;

Nürnberger Pfund 510 g zur Mine von 491 g, BMGW. 276 f.

2) Engl. Pfund troy 3 7 3,24 g zur phonik. Silbermine von 364 g; bayr.

und Österreich. Pfund von 560 g (als identisch mit der Mine des persischen Siglos) zur Mine des Kroisos-Silberstückes. BMGW. 280 f.

(4)

704 Die Sonder for men des „babylonischen" Gewichtssystems.

in die babylonische Epoche. Der Nachweis, daß das Gewicht eines

Wasserkubus von 992 mm (= dem Betrage der babylonischen

Doppelelle = dem Sekundenpendel von Babylon) nun 982 g, also

die schwere Mine zu eben der (leichten) von 491 g, ergibt 1), erhebt

5 die Annahme von ca. 491 g als des altbabylonischen Einheits¬

gewichts zur höchsten Wahrscheinlichkeit.

Aber auch für den Akt der Erhöhung um (d. h. hier der

Mine von 491 auf 504 g), der sich für uns greifbar schon im Ge¬

wicht des Dareikos gegenüber dem Kroiseios darstellte, werden wir

io babylonischen Ursprung annehmen, da die Perserkönige hinsichtlich

Maß und Gewicht, wie die Ausdrucksweise des Herodot zeigt, die

babylonische Gewohnheit adoptierten 2).

Treten wir mit diesem Ergebnis an die assyrisch-babylonischen

Gewichtsstücke heran. Ich stelle die signierten unter ihnen und

is die beiden bedeutendsten unsignierten hier aus Weißbach's Liste 8)

zusammen, geordnet nach der leichten (d. h. halben schweren)

Mine von 60 Schekeln (aber vgl. n. 16), die aus der Signatur und

dem Gewicht des Stückes errechnet wird. Die in eckigen Klammern

sind unverwertbar.

Material Nr. hei

Wei߬

bach

Ton 4) 14

Stein 3!i

Ton 6) 15

Stoin 13

St. 18

Ton«) 17

St. Iii

Bronzo 58

Gewicht des StUckea l«»,18g 4,0650 g 177,48 g

173,7 g j

«.r>,5 g 127,72 g 101 ,48 g 121 ,.-,.13kg

r.ezeichnet all l L Mine '/ 2 (Schekel) 1/„ Mine

Mine?

in Schekel '/„ Mine lo Schekel Ohne Iioz.

Leichte Mine von g 5fi9,8 559,9 532,4 521,1 518

i 510,9 j 507, 1 5011,4

Noten

Weißbach konjiziert 10'/., Schekel.

Mit Lehmann auf eine 50-er Mine bezogen.

Neue Wägung, vgl. Thu¬

reau-Dangin, Journ. aa.

1901), 95.

1) Lehmann, Hermes 36, 11 f> uud die dort genannten Stellen.

2) Weiß bach S. 389 sagt, unser« modernen Anschauungen lehnten sich gegen das Nebeneinandorbostohen mehrerer sich nahestehender Gewichtsnormen auf. Heute gowiß, aber noch vor 50 Jahren war ein ähnlichos Nebeneinander auch bei uns zu finden: in Bremen laut Noback, Münz-, Maß- und Gowichts- buch (1858) S. 127 ein Krämorpfund noben dem llandelspfund (K. : H. wio 100 : 10H), in Frankfurt a. M. (Noback S. 213) ein leichtes und ein schweres l'fund (100 : 108), Ähnliches in Kassol (N. S. .Uli) usw. Nimmt man noch die alteren , in der betreffenden Stadt frühor üblichen Pfundo (cf. Noback bei Hannover usw.) hinzu, so war die Vorwirrung viel größer als sie im Altertum war. Vgl. noch die badischo Maßneuordnung bei Schmoller, Grundriß der Volkswirtschaftslehre 2, B4.

Ü) Zur Kontrollo der im British Musoum befindlichen Gewichtsstücke s.

unten Lohmann-Haupt S. 7211V. Für meinen Zweck sind die Differenzen der dort initgetuilten Gewichtsangaben von denen boi Weißbach ohne Einfluß außer in den hier S. 705 Anm. 1 und 2 besprochenen Fällen.

4j Vgl. unten S. 722 5) Vgl. unten S. 723.

Iii Vgl. unten S. 723; nach Weißbach Stoin.

(5)

/. Numismatisch-Metrologisches. Von K. Regling. 705

Material Nr. bei

Wei߬

bach

Gewicht des

Stückes Bezeichnet als Leichte

Mine von g

Noten

[Bronze Br.

Br.

Stein [Br.

St.

St.

Br.

St.

[Br.

Br.

Br.

St.

Br.

St.

75 61 59 7 74

4 76 68 20 63 60 62 3 73 19

33,63 g 5,0427 kg 60,303 kg 15,06091 kg 50,236 g 2,510975 kg 166,724 g 665,795 g 41,539 g 1,9921 kg 14,9337 kg 2,985 kg 248 g 198,416 g 82,517 g

2 Schekel 5 Minen Ohne Bez.

30 Minen 3 Schekel 5 Minen '/ 3 Mine 2/ 3 Minen

5 Schekel 2 Minen 15 Minen 3 Minen '/„ Mine V» Mine 10 Schekel

504,5]') 504,3 502,5 502 502.4] 2) 502,2 500,2 499,3 498,5 498]

497,8 497,5 496 496 495,1

Neue Wägung, vgl. Thu¬

reau-Dangin a.a.O.

Ring nach gütiger Mitteilung des Herrn Budge verloren.

Hat Bing nach Budge.

St.

St.

8 9

164,3 g 4,9153 kg

'/ 3 Mine 2>/ 2 Minen

492,9

491,5 Neue Wägung, vgl. Thu¬

reau-Dangin a. a. O., fübrt auf eine doppelt schwere Mine von 1966 g.

St.

St.

St.

11 12 10

24 5,09 g 244,8 g 978,3 g

'/, Mine '/, Mine 1 Mine

491,4 489,6 489,2 [St.

Br.

Br.

[Br.

St.

[Br.

Br.

[Br.

[Br.

St.

6 64 69 71 21 67 65 72 70 22

14,58981 kg 1,93123 kg 4 80,145 g 2 40,07 g 40 g 9 54,566 g 9 46,462 g 2 3 6,078 g 4 6 8,388 g 0,95 g

30 Minen 2 Minen 1 Mine '/, Mine 5 Schekel 1 Mine 2 Minen '/ 4 Mine

1 Mine 22'/, Se(=»/ 8

Schekel)

486,3]

482,8 480,1 480,1]

480 477,3]

473,2 473,4]

468,4]

456

„Stark lädiert".

Bing verloren?

Ring abgebrochen } Ring verloren 'i King verloren?

Wenn wir von den über 506 g und den unter 489 g liegen¬

den Stufen absehen , deren Zugehörigkeit zu einer der beiden aus

der kroiseischen und der persischen Goldprägung ermittelten Minen

bei ihrer großen Differenz gegen diese Stufen nicht feststeht 8) , so

erhalten wir eine Eeihe von Gewichten, die von 489 bis 504 5

laufend ins Gebiet dieser Minen gehört. Sie alle auf dieselbe

Mine zu beziehen , wird dadurch bedenklich , daß wir einen Spiel¬

raum von 15,3 (= 2,89 °/ 0 von 504 g) vor uns sehen, der auf un-

1) Nach Chisholm (unten S. 725) 35,9 g, was auf eine Mine von 538,5 g führte; von mir eingeklammert, weil früher anscheinend mit King.

2) Nach Chisholm (unten S. 7 2 4) 52,365 g, was auf 5 2 3,65 g als Mine führte.

Da aber nach Ch. einer der Henkel fehlt, ist das Gewicht unverwertbar.

3) Es sind vielleicht „ Gewichts"minen anderer Erhöhungsformen oder Silbermineu.

(6)

706 Oie Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

genaue Justierung -oder winzige Erhaltungsfehler — Stücke mit

groben Läsionen sind durch [ ] von der Bewertung ausgeschlossen —

zu schieben wäre. So notorisch nun die Unzuverlässigkeit antiker

Gebrauchsgewichte, namentlich derer aus Blei, infolge ungenauer

5 Justierung und Verlust durch Verletzung und Oxydation ist, so

haben wir es hier mit Bronze- bez. größerenteils sogar mit Stein¬

gewichten zu tun, von denen sich mehrere (7, 4, 3, 8, 9, 10) —

und zwar darunter gerade die älteren und die für die Mine von

491 g (vgl. S. 702 Anm. 2) entscheidenden — durch die feierliche,

io amtliche Signatur geradezu als Normalgewichte kundgeben, bei

denen man mit der Annahme von Justierungsfehlern vorsichtiger

sein muß. So spricht also die große Spannung zwischen

Maximum und Minimum gegen die Annahme einheitlicher

Gewichtsnorm, und die größte Lücke innerhalb der Reihe,

15 nämlich die von 2,2 g zwischen 492,9 und 495,i g , zeigt deutlich,

wo wir den Schnitt zu machen haben. Wir erhalten dann zwei

Reihen von 489,2—492,9 und von 495,1—504,5 g, deren Beträge

zu den beiden Minen , die uns die Goldprägumg des 6. Jahrh.

(Kroiseios und Dareik) enthüllte, aufs beste passen. Der auf

20 Justierungs- oder minimale Erhaltungsfehler zu schiebende Spiel¬

raum beträgt dann nur 9,4 g = 1,86 °/ 0 von 504 g, und 3,7 g =

0,75 o/o von 491 g.

§ 2.

Nunmehr zur Existenz besonderer Minen für Gold und Silber,

25 zur 50-teiligen Mine und zum Wertverhältnis des Goldes zum Silber.

Drei Vorbemerkungen sind hier nötig:

Einmal ist längst zugegeben, daß Gold außer nach der Gold¬

mine auch nach der 60-teiligen Gewichtsmine verrechnet wurde 1).

Sodann ist zu betonen, daß die Existenz besonderer Währungs¬

so minen zu 50 Schekeln von dem tatsächlichen Befund der Ge¬

wichtsstücke unabhängig ist, insofern sie bloße Rechnungs¬

größen gewesen sein können, wie etwa die Hamburger Mark Banko,

die auch nie als Gewichtsstück existiert hat.

Wenn drittens Brandis, Hultsch und Lehmann-Haupt

35 diese Währungsminen (Gold- und Silbermine) gleichfalls wie die

Gewichtsmine als babylonische bezeichnen, so wollen sie

damit keineswegs , wie Weißbach meint , behaupten , daß sie

1) Lehmann, Hermes 36, 118 Anm. 3: „Daß für den inneren Verkehr in Babylonien (und Assyrien ?) wie das Gold so auch das Silber nach . . . Gewichts¬

minen vorwogen wurde", vgl. Verhandl. Berl. Anthrop. Ges. 1891, 518 Anm. 2; zu Unrecht bestreitet das Hultsch, Gewichte (1898), S. 15; Weißbach bringt S. 391 neue Belege dafür bei und auch die mir bekannten runden Dareiken- summen bestätigen es: es kommen sowohl Summen vor, die durch 60 (und 50!) teilbar sind (Xen.Anab. I, 7, 18 und Suidas s. v. Jaoeixög: 3000 D. ; Her.

VII, 28: 3993 000 D.; Arrian anab. IV, 18, 11: 300 D.) wie solche, die nur durch 50 teilbar sind (Xen. Anab. I, 1, 9 und 1, 3, 3: 10 000 D.; Anab. VII, 8:

50 D.; Lysias gegen Eratosth. § 11 : 100 D.; die Zahl bei Herodot VII, 28:

7000 D., hat nur bedingten Wert für unsere Krage.

(7)

1. Numismatisch-Metrologisches. Von K. Regling. 707

sämtlich schon in babylonischer Zeit auch nur fiktiv gebildet, noch

gar aus fiktiver eine praktisch angewendete Gewichtseinheit ge¬

worden seien. Vielmehr soll damit nur deren Entwicklung aus

dem Urmaß und ihre Zugehörigkeit zu dem System bezeichnet

werden, das wir das babylonische nennen, weil die ältesten Spuren 5

dieses Systems, eben die Gewichtsstücke , nach Aufschrift und

Fundort babylonische sind 1).

Die positiven Beweise nun für die Existenz der 50 -Teilung

und der besonderen Währungsminen für Gold und Silber sind:

I. Das Gewicht Nr. 16, 101,48 g, in Keilschrift signiert auf io

„10 Schekel richtig", ergäbe bei 60-teiliger Mine 6 08,88 g, „einen

Betrag , der keiner der im Zweistromland gültigen , als Mine be¬

zeichneten Einheiten nur entfernt nahe kommt" (Lehmann, Verh.

Berl. Anthrop. Ges. 1891, 518). Bei 50 -teiliger ergibt sich aber

eine Mine von 507,4 g, die zur sog. erhöhten Norm paßt 2). 15

II. Ein urkundlicher Beweis der 50-Teilung einer Goldmine

in babylonischer Zeit ist die Urkunde bei Straßmai er, Nabunid

n. 489: „2 Minen 2 Schekel Goldes = lO 1^ Schekel Goldes +

1 Mine 41V 2 Schekel Goldes", also 1 Mine == 50 Schekel. Weiß-

bach muß dies Zeugnis S. 391 durch eine Textänderung beseitigen! 20

III. Ein literarisches Zeugnis dafür, daß wenigstens unter

Dareios für Gold und Silber verschiedene Gewichte üblich waren,

bietet die bekannte Stelle bei Herodot III 89 (vgl. 95), wonach

Gold nach euböischem, Silber nach babylonischem Talent verwogen

und verrechnet wurde s). Unmöglich kann das erst persische Neue- 25

rung sein.

IV. Die vergleichende Metrologie bringt uns einen (zeitlosen)

Anhaltspunkt für die Existenz einer besonderen Goldmine in dem

russischen Pfunde von 409,5 g, das nicht nur im Betrage die zur

Gewichtsmine von 491 g gehörige Goldmine von 409 g darstellt, — so

einem Betrage, der auch sonst, z. B. in einem ägyptischen Ge¬

wicht und mit Hilfe der Wage von Chiusi, nachweisbar ist, vgl.

Lehmann, Klio 6, 525 bez. 528 Anm. 1, — sondern auch durch die

Bezeichnung seiner unteren Einheit i 1/^) als Solotnik = Goldstück

aufs deutlichste sich als Einheit für Gold bekundet. Baut man so- ss

dann auf dem Solotnik eine 100-teilige Mine auf, so erhalten wir

wiederum mit 426 g ein Gewicht, das der Goldmine in der um

erhöhten Norm (426 g) entspricht, und man wird die absonder-

1) Ausdrücklich bezeichnet Lehmann z. B. Verhandl. Berl. Anthrop. Ges.

1892, 218 die geographischen Benennungen nur als Notbehelfe.

2) Bei der Auseinandersetzung über dies Gewicht spricht Weißbach S. 390 f. nur von der Goldmine, deren Schekel C'r,t>) QOch dem 1j e0 der Ge¬

wichtsmine gleiche, und vergißt, daß Nr. 16 die Üblichkeit der 50-Teilung auch der sog. Gewichtsmine beweisen soll und beweist.

3) Zahlenmäßig ist die Stelle noch nicht ganz aufgeklärt; vgl. neben Lehmann's älterer Auseinandersetzung Hermes 27, 551 Anm. 1 seine neue Erklärung hier S. 720.

(8)

708 Die Sonder formen des „babylonischen" Gewichtssystems.

liehe Einteilung in 96 Solotnik als Beleg verwerten dürfen für die

Koexistenz der gemeinen und einer um 1/ 24 erhöhten Norm (vgl.

Lehmann, Hermes 27, 546 Anm. 1).

V. Einen weiteren Beweis, daß schon in (neu)babylonischer

6 Zeit für Gold und Silber verschiedene Gewichtsnormen

in Verwendung kamen, liefert dann wieder die Prägung

des Kroisos und der Perserkönige. Kroisos prägt einen Goldstater

von 8,i g, einen Silberstater von 10,n g, daneben noch (ganz selten)

einen Goldstater von 10,8 g. Den Stateren (Schekeln) von 8,i g

io und 10,8 g müssen auch zwei verschiedene große Einheiten (Minen)

entsprochen haben. Die Perser prägen einen Dareikos von 8,4*)

und ein seinem Gewicht nach als Halbschekel zu bezeichnendes

Silberstück von 5,u g, das die Griechen olyXog (fivSiKÖg) nannten.

Auch hier also eine besondere Gewichtseinheit für Gold, eine für Silber.

15 Aus zwei antiken Zeugnissen über den Wert beider Münz¬

sorten gewinnen wir ferner einen direkten Beweis von der 50- bez.

100-Teilung der Mine und das Wertverhältnis Gold zu Silber wie

IS 1/,, zu 1:

Xenophon, Anab. I, 7, 18: Kyros verspricht äixa zäkavva und

«o gibt sie in Gestalt von 3000 Dareiken. Harpokration (und Suidas)

S. V. 4aQitxog: övvciG&ai rbv daoiixov Sqct^aug äfvyvolov el'xoßiv, wg zoiig nivze duatMobg ÖvvaO&cu uv&v UQyvQiov.

Beide Angaben sind identisch, da das Talent 60X100 Drachmen

hat, also 3000 Dareiken = 10 X 60 X 100 = 60 000 Drachmen,

85 1 Dareik = 20 Drachmen , wie Harpokration sagt. Daß mit den

dem Talent nach griechischer Kechnung zugrundeliegenden doajjficu

jene persischen Sigloi, die einzig gangbare persische Silbermünze, gemeint sind, ist selbstredend ; in anderer als der königlich persi¬

schen Währung 10 Talente zu versprechen kann Kyros in Babylonien

so nicht beikommen; wir finden den Siglos ja auch direkt, und zwar

mit der jeden Irrtum ausschließenden Gleichung = 7 l /'j attischen Obolen, bei Xen. Anab. I, 5, 6 erwähnt 2). — Rückschließend ersehen

wir daraus einmal zunächst den Aufbau eines eigenen Talentes von

6000 Stück auf dem Siglos und die Existenz einer besonderen

36 Bechnungsmine Silbers, und zwar einer dezimal (in 100 Einheiten)

geteilten. Ferner ergibt sich aus 8,4 g Gold = 20 X 5,« g Silber,

daß Gold zu Silber wie 112 : 8,4 == 13^3 zu 1 steht, was sich

1) Weifibach S. 40 1.' berechnet das Gewicht des Dareikos aus dem Gewichtsstück Nr. 76 „etwas genauer" als bisher (nämlich aus dem Münzbofund !) festgestellt, auf 8,S3G2 g; der Münzbefund von Hunderten von erhaltenen Exem¬

plaren, die erheblich höher stehen, wird also von ihm bei seiner übertriebenen Wertschätzung dos liofundes erhaltener Gewichtsstücke gegonübor dorn numisma¬

tischen Material woggeblasou und nach einem oinzigon Gowichtsstück „korrigiert" ! '-) Dio bekannten Glcicbsutzungon dos Siglos mit attischom Golde (Xeno¬

phon, Anab. I, 5, (i = 7'/.j Gboion, llosychios bei Hultsch, Metrolog. script.

S. :\'2b :— 8 Obolen i sind Kursabschätzungen , in Wahrheit ist 5,ti g = 7 7/,n Obolen; die zweite Zill'or bei llosychios = 'J attischon Drachmen muH sich auf einen anderon Scbokol bozioben.

(9)

/ Numismatisch- Metrologisches. Von K. Regling. 709

nach Lehmann's neuer Erklärung (unten S. 719 f.) bei Herodot III, 95

infolge Einsetzung der attischen statt der kgl. Gold-Mine als 13 zu

1 darzustellen scheint.

Die genaue Analogie des kroiseischen Geldes in bezug auf

Nominale, Stückelung und Gewichtsverhältnis (das kleine Silber¬

stück wiegt auch hier 2/ 3 des Goldstücks) macht es nun auch dort

sicher, daß von den kleinen häufigst geprägten Halbschekeln von

5,4 g 20 aufs Goldstück von 8,i g gingen (von den seltenen Ganz-

schekeln 10), und also Gold zu Silber wie 108 : 8,i = zu

1 stand 1).

Wenn so die lydische, vorachämenidische und die persi¬

sche Währung eine verschiedene Mine für Gold und für Silber

haben, so hat sich dieser Unterschied mit größter Zähig¬

keit in der ganzen antiken Münzprägung vor Alexan¬

der gehalten: von den italischen Prägungen abgesehen, und mit

Ausnahme der ganz wenigen Beispiele für Silberprägungen nach

Gewichtsmine, stehen alle antiken Silberprägungen auf der Silber¬

mine (Stater von 8,7 g attisch, 12—12,6 g äginetisch, 10,9—11,5 g

babylonisch - persisch , 14,5— 15,s g phönizisch) , alle irgendwie be¬

deutsamen antiken Goldprägungen auf der Goldmine (8,i g bei ge¬

meiner bis zu 8,6 g bei den erhöhten Normen) 2). Diese Tatsache

lehrt mit erdrückender Wucht das Nebeneinander verschiedener

Minen für Gold und Silber und läßt so diese Gewohnheit als eine

festeingewurzelte, uralte erscheinen.

Wenn Weißbach S. 393 f. gegen das babylonische Doppel¬

währungsverhältnis von Gold zu Silber wie 13 x/ 3 zu 1 durch zwei

keilinschriftliche Urkunden (Straßmaier, Nebukadnezar n. 522

= Keilinschr. Bibl. 4, 243, XL, und 454 = 4, 201, XXXI), in denen

von privatem Edelmetallkauf die Rede ist, etwas beweisen will, so

bedenkt er nicht, daß die, privaten Edelmetallverkäufen zugrunde- ;

liegenden Verhältniszahlen für die Höhe des legalen Wertverhält¬

nisses einer Doppelwährung nichts beweisen , selbst wenn sie ein¬

wandfrei feststehen. Das tun sie nun aber außerdem keineswegs,

1) Man wird nach diesem Ergebnis die Zusammenstellungen aus Ktesias bei Brandis S. 69 f.: 10 Millionen Talente Gold, 100 Mill. Talente Silber, Vermögen des Sardanapal; 100 Tal. Gold, 1000 Tal. Silber zahlt Nanaros, König von Babylon; 10 Tal. Gold, 100 Tal. Silber erhält Mithradates vom selben König, unter der Voraussetzung, daß die betreffende Summe Goldes allemal der des Silbers gleichwert ist, nicht so beurteilen, als sei hier die gleiche Gewichtsnorm und ein Verhältnis von Gold zu Silber wie 10:1 gemeint, son¬

dern wird mit Brandis an die Goldmine von 50 Dareiken == 420 g als

10 fachen Gegenwert einer Silbermine von 100 Sigloi = 560 g nach dem Ver¬

hältnis 13'/ 3 zu 1 denken.

2) Auf dem Maximum von 8,6 g stehen nämlich in praxi auch die Gold¬

stateren Philipps II. und viele andere, städtische Prägungen des 4. Jahrhunderts (Chalkidike, Philippoi, Siphnos, Kios, Lampsakos, Abydos, Rhodos, die der karischen und kyprischen Kleinfürsten), ja auch die Goldmünzen von Athen selbst, wenn alle diese oder manche von ihnen vielleicht auch theoretisch attischem Fuße zugehöreu mögen.

Zeitschrift der D. M. G. Bd. LXIII. 46

(10)

710 Die Sonder formen de» „babylonischen" Gewichtssystems.

da es sL'n bei jenen Verkäufen ebensogut um legiertes wie um

Feinmetall, um verarbeitetes wie um Rohmetall handeln kann, so

daß sie nicht einmal zur Beurteilung des damaligen Marktwertes

beider Feinmetalle in Frage kommen. Endlich ist Weißbach's

5 Auffassung beider Urkunden keineswegs einwandfrei, worüber gleich

Herr Lehmann-Haupt das Wort ergreifen wird.

Beiläufig gehe ich noch auf zwei andere, das babylonische

Gewichtswesen behandelnde neuere Arbeiten ein:

Verfehlt im Aufbau des Systems und voll Irrtümer in den

10 Betragen (z. B. Dareikos 8,s 6 g S. 243, röm. Pfund 326,40 g S. 244,

attische Mine 425 g S. 247 usw.) ist der Überblick, den Decour-

demanche in der Revue Num. 1908, 240 ff. im Anschluß an eine

Untersuchung über islamische Metrologie bietet. —■ Auf haltlosen

Vermutungen sodann baut Thureau-Dangin, Journal asiatique

15 1909, 93—96 neben dem System der Mine von 505 g das einer

Mine von 404 g als „mine primitive" auf. Er erhält diese Mine

von eigentlich 406 g als Wassergewicht eines qa von 406 cbcm,

300 solcher qa (ein gur) seien der Kubus der Gudeaelle von 496 mm.

Andererseits bestimmt er selbst S. 91 dies qa aus einem signierten

20 Hohlmaß auf vielmehr 415 cbcm, setzt er die Gudeaelle S. 96 auf

494,92 mm, betont er selbst S. 92, daß ein gur von 300 qa erst

seit der Epoche von Agade nachweisbar ist usw. Endlich ist die

Ableitung einer weder durch urkundliche oder literarische Erwäh¬

nung, weder durch Gewichtsstücke noch durch spätere Münzsysteme

25 nachweisbaren Mine allein aus dem Wassergewicht eines beliebigen

Hohlmaßes unzulässig, wie denn überhaupt die Ableitung von Ge¬

wichtsnormen aus dem Flüssigkeitsgewicht von Hohlmaßen nur dann

glaublich ist, wenn beide Maße anderweitig wohlbekannt sind, ihre

Ziffern genau zu einander stimmen und auch die allgemeinen Ver¬

so hältnisse einen derartigen gesetzgeberischen Akt zulässig erscheinen lassen.

II. Metrologisch - Assy riologiscb.es.

Von C. F. Lehmann-Haupt.

Was vorstehend (S. 709) von Regling über den Text Straßm.,

Nbk. 454 ausgeführt ist, trifft durchaus zu. Es kommt aber noch

hinzu, daß der Text nicht nur von Peiser, sondern auch von

35 Weißbach S. 393 f. in wichtigen Dingen gründlich mißverstanden ist.

Bitka (pitka) bezeichnet nämlich nicht nur nicht den halben

Schekel, wie Peiser wollte und wogegen sich Weißbach mit

Recht wendet, sondern überhaupt keinen aliquoten Teil eines

Schekels. Nach Weißbach soll es entweder 1I 6 oder l j t Schekel

40 bedeuten, was natürlich bei einer bestimmten Rechnungsgröße für

Silber oder Gold schon höchst verdächtig, ja ganz unmöglich ist.

Weißbach bevorzugt die Deutung */„ Schekel.

(11)

77. Metrologisch-Assyriologisches . Von Lehmann-Haupt. 1\\

Die einzige metrologische Grundlage — über seine übrigen

Argumente weiter unten — bildet (nach S. 382) ein kleines Ge¬

wicht Nr. 34 von Weißbach's Liste (S. 399), von dem George

Smith, ohne das Gewicht mitzuteilen, angegeben hat, daß es

i/g Schekel wiege und daß die Inschrift, wie er sie las, tumalqa laute. 5

Mit Recht erklärt Weißbach, daß letzteres TU pit ka oder, wie

ich hinzufüge , bit-ka zu lesen ist. Das Nominal von 1/ 8 Schekel

hat Smith gewiß richtig aus dem Gewicht des Stückes erschlossen,

das dann weniger als 2 , / 8 g betragen haben muß. Sowie nun die

Inschrift, die nicht veröffentlicht ist, ursprünglich J /s TU bit-ka io

gelautet hat, wird Weißbach's Schluß, bitka bedeute '/g Schekel,

rein epigraphisch-metrologisch vollkommen hinfällig, und wie leicht

kann eine solche Bruchzahl bei einem viel gebrauchten Stücke nahe

dem Rande abgerieben worden sein , gleich wie bei einer ganzen

Anzahl im übrigen wohlerhaltener Steingewichte die Inschrift 15

großenteils zerstört ist (so bei Nr. 16, Weißbach S. 398 und

vgl. oben S. 704 und 707). Da die Inschrift von einer ungewöhn¬

lichen Winzigkeit gewesen sein muß, konnte das in diesem Falle

natürlich noch leichter als ohnehin sonst geschehen. Daß in dem

Text Nbk. 454 nicht von einem Teil eines Schekels die Rede ist, 20

ergibt sich zur Evidenz ohne jede Schwierigkeit, wenn man bitka

überhaupt als Rechnungsgröße außer acht läßt.

2 1j. l Schekel Goldes = 25 s / 4 Schekel SUbers

1 „ „ bitka mädi =7 „ „

2 1 /« . bi tka = 22 8/< h

macht 5 V« Schekel Goldes " = 55 1/» Schekel Silbers

(d. h. 6/, ; Mine -4- 5*^ Schekel Silbers) genau wie die Summierung

angibt. Mittelbar und unausgesprochen ergab sich ja das schon aus

der Tatsache, daß Weißbach sich genötigt sah, bitka ohne jeden

weiteren Zusatz einmal als „+ '/g" und einmal als ,— l /g* Schekel 30

zu deuten. Denn 1 iiklu bitka übersetzt er mit 7/s Schekel (also

Subtraktion von J / 8 Schekel) , dann aber in Zeile 3 sikli ribü-tu

bit-ka mit 2% Schekel (also Addition eines l /s Schekels), was

wiederum geschäftlich und juristisch ganz unmöglich ist.

Auszugehen ist für uns für das Verständnis von bitka von der 35

zu Beginn babylonischer Verträge häufigen Wendung: x ma-na kaspu

ia ina I si/rli batku nu-uh-hu-tu (sa lä ginü), über die ich mich

ZA. 14. S. 362 wie folgt geäußert habe: „Peiser übersetzt: ,

x Minen bares Geld, das in einzelne Schekel abgeteilt ') und gemünzt (?)

ist'. Diesen Übersetzungsversuch halte ich , nach verschiedenen to

Richtungen hin, für verfehlt. Unter anderem deshalb, weil ge¬

münztes Geld sicher bei den Assyrern und Babyloniern nicht vor¬

handen war. Ich übersetze: ,x Minen weißes Silber, das in

1) Später von Peiser in .gehälftet' geändert (s. S. 381 bei Weißbach).

46»

(12)

712 Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

einzelne Schekel abgeteilt ist, (jeder einzelne Schekel) geglättet

resp. justiert'. Durch den Zusatz pisü ,weiß' zu kaspu ,Silber',

dessen regelmäßige Wiedergabe durch ,Geld' einen Teil der Schuld

an dem hier vorliegenden Irrtum trägt und noch manche andere

6 Irrtümer verschulden könnte, kann entweder die Reinheit schlecht¬

hin oder eine besondere Läuterungs- resp. Darstellungsart des Silbers angedeutet sein. Nufyhutu stelle ich, trotz anscheinender Differenz

der Hauchlaute, zusammen mit arabisch im allgemeinen ab¬

schneiden, abhauen', mit der technischen Bedeutung radendo aptavit:

10 die einzelnen Schekelstücke sollen geglättet resp. justiert sein.

Nuhhutu heißt also , geglättet, justiert'. Die Glättung konnte ge¬

fordert werden, weil Hacksilber, wie es entsteht, wenn ein größeres Silberstück in kleinere Teile geschnitten wird, an den Trennungs¬

stellen scharfe und rauhe Ränder hat, ein Umstand, der begreiflicher-

iö weise einer Verminderung des ursprünglichen Gewichts durch Ab¬

nutzung im Umlauf oder selbst in der Hand des ersten Besitzers

wesentlichen Vorschub leistet. Wichtiger aber ist es , daß die

einzelnen Schekel vollwichtig sein müssen, und deshalb glaube ich,

daß nuhhutu sich auf die Gewichtsjustierung, sei es ausschließlich,

20 sei es zugleich mit der Glättung, bezieht. Darin werde ich be¬

stätigt durch die Worte : sa lä ginü, die meiner Überzeugung nach

eng mit nuhhutu zusammengehören. Nuhhutu Sa lä ginü heißt

,unter Justierung der Stücke, die nicht normalwichtig sind'."

In diesen Fällen 1) handelt es sich also um eine Wertsteigerung, 25 die durch die Beschneidung hervorgerufen wird. Diese so justierten

Stücke sind Vorläufer der Münze, nur daß ihnen die Prägung fehlt.

Daß in unserem Texte der Zusatz bitka ebenfalls nicht ein be¬

stimmtes Nominal bezeichnet, sondern eine Qualitätsveränderung,

ergibt sich, wie schon hervorgehoben, zur Evidenz daraus, daß die

30 Goldsumme ohne weiteres stimmt, wenn man bitka in beiden

Fällen, wo es erwähnt ist, nicht mit einrechnet. Es fragt sich nur,

was die Beschneidung in diesem Falle zu bedeuten hat. Da am

meisten Silber für Gold gegeben wird , wo der Zusatz bitka gar

nicht vorhanden ist, so wird nicht, wie bei nuhhutu Sa lä ginü

85 eine Verbesserung des Wertes darin liegen, sondern eine Ver¬

minderung. Der betreffende Goldschekel hat gelitten und wird

deshalb niedriger bewertet. Und im zweiten Posten wird dem

Wort bitka das Wort mädi zugefügt, das Peiser und Weiß-

bach vollständig unübersetzt lassen. Mädu heißt „viel", adverbiell

40 gebraucht „sehr" (vgl. Delitzsch, Handwörterbuch S. 389a), und

so erklärt es sich, daß beim zweiten Posten, wo bitka mädi steht,

für das Gold nur der siebenfache Gewichtsbetrag in Silber gegeben

wird, während im ersten Posten das Verhältnis II 1 /, : 1 (103 : 9)

ist und im dritten Posten, wo auch eine Wertminderung durch

1) Für sie kommt Tallqvist's und Delitzsch's Deutung „in Ganz- schekelstücken" (S. 381 bei Weißbach) dem wahren Sachverhalt recht nahe.

(13)

II. Metrologisch- Assyriologisches. Von Lehmann-Haupt. 713

bitka vorliegt, doch wenigstens der neunfache Wert (91 : 10) ge¬

rechnet wird 1).

Daß so der Zusatz bitka eine vox media bildet, je nach den

Umständen eine Wertsteigerung oder eine Wertminderung aus¬

drücken kann , ist zwar überraschend , aber aus der Natur der 5

Sache vollauf erklärlich. Auch heute begrüßen wir ja die Justierung

und schmähen den, der die richtig justierte Münze beschneidet. So

erklärt sich nun auch die Stelle aus Straßm., Nbd. 410, 8 ff.,

durch die Weißbach (S. 382) zuerst auf den Gedanken geführt

wurde : bitka sei gleich 1 / 8 Schekel. Der Lohn des Webers io

Belusalim beträgt 4 1/ 2 Schekel Silbers, setzt sich aber aus den

beiden Posten, 3 Schekel bitka und l 1 ^ Schekel bitka zusammen.

Wenn hier richtig gelesen und bei der Abfassung der Urkunde

richtig geschrieben worden ist, so fehlt am Lohn des Webers schein¬

bar l Jt Schekel. Der Ausgleich ergibt sich aber nicht dadurch. 15

daß man mit W e i ß b a c h liest : 3 Siklu [-+-] bitka und 1 1Ji Siklu

[-)-] bitka, sondern die Justierung durch das bitka wird als eine

ca. 4% betragende Wertsteigerung betrachtet.

Ebenso steht es um Nbk. 159, wo 1 mana 12 1j i Siklu bitka

sich zusammensetzen aus 2/ 3 (so Weißbach's wohl richtige Kor- to

rektur für 5/ 6 ) 2) mana 2/ 3 Siklu + 29 + l 1/* + l 1/« siklu. Die

Summierung ist in Wahrheit 1 Mine 12 5/ 12 Schekel, d. h. die

Differenz gegen 1 Mine 12 '/ 4 Schekel = 1l a Schekel muß durch

das bitka ausgeglichen sein. Aber wiederum nicht so, das man

mit Weißbach 12 [-)-] bitka ansetzt, sondern dadurch, daß die t&

Glättung der Schekelstücke und -bruchteile eine Wertsteigerung

ergibt, die in diesem Falle etwas mehr als l°/ 0 beträgt.

Es handelt sich also um eine Art schwankenden, von Fall zu

Fall angesetzten Agios im Falle der Glättung. Damit sind wir der

unzulässigen Annahme, als sei bitka ein Schekelteil, der einmal 1/ 8 , so einmal 1j c, Schekel (in Edelmetall !) betrage, endgültig enthoben.

So ist nun Nbk. 454, der Text, von dem wir ausgingen, zum

ersten Male verständlich geworden , und es wird nun noch viel

klarer (vgl. S. 709), wie wenig er geeignet ist, für das normale

Wertverhältnis von Gold zu Silber irgendwie verwendet zu werden. 35

Die ironischen Seitenblicke auf das normale Wertverhältnis,

die Weißbach hier gerade anknüpft und die ich ohnehin bei

Erörterungen in so wichtigen Angelegenheiten lieber vermieden sähe, erscheinen hier also besonders wenig am Platze.

1) In einem Texte aus der Zeit Hammurabi's wird nach Thureau- Dangin OLZ. 12 (1909), Nr. 9, Sp. 382 ff. Gold zu Silber in das Verhältnis 6 : 1 gesetzt; für Silber und Kupfer findet sich unter Singasid von Erech die Relation 600 : 1 (Ed. Meyer GA. I s 2, S. 512). Letzteres „ein Versuch, das Verkehrsleben zu regulieren und den namentlich in Zeiten politischer Wirren unvermeidlichen Schwankungen der Preise zu entziehen".

2) Denkbar wäre auch,- daß in der Summierung statt 12 vielmehr 22 zu losen wäre.

5 0

(14)

714 Die Sonder formen des „babylonischen" Gewichtssystems.

Das gleiche gilt von Weißbach's ironischer Bemerkung

S. 390: „1891 schrieb Lehmann (Verh. 1891, 518) noch: .Bekannt¬

lich war die Gewichtsmine in 60 Schekel eingeteilt, während die

Gold- und Silbermine aus 50 dieser Einheiten bestand', fügte aber

5 in einer Anmerkung hinzu: ,Doch gewinnt es nach babylonischen

Kontrakten den Anschein, als sei mehrfach auch Gold und Silber

nach Gewichtsminen (zu 60 Schekel) abgewogen und verrechnet

worden. Die Sache bedarf genauerer Untersuchung.' Letzteres

meine ich auch , nur mit dem Unterschiede , daß ich diese Unter -

10 suchung angestellt hätte, ehe ich mich mit den babylonischen Gold- und Silberminen auf die Wanderung begeben hätte."

Mein Vortrag über „Altbabylonisches Maaß und Gewicht und

deren Wanderung" (BMGW.) wurde in der Märzsitzung der Berliner

Anthropologischen Gesellschaft 1889 gehalten 1). Er war aber nur

15 die Fortsetzung und nähere Ausführung eines am 16. Nov. 1888 in

der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin gehaltenen Vortrages 2).

Die umfassenden Studien, auf denen diese Mitteilungen be¬

ruhten, begannen im Frühjahr 1887 (Verhandl. Berl. Anthrop. Ge¬

sellschaft 1889, S. 255), sobald ich auf die babylonischen steinernen

so Normalgewichte aufmerksam geworden war. Die babylonischen

Kontrakte, auf die ich 1891 pflichtmäßig hinwies, wurden mir durch

Peiser's „Babylonische Verträge des Berliner Museums" und seine

Erläuterungen dazu, besonders § 10 und 11, bekannt. Diese er¬

schienen 1890. Und selbst wenn ich aus den Andeutungen in

25 Peiser's „Keilinschriftlichen Aktenstücken aus babylonischen

Städten", die Anfang 1889 erschienen, schon die Sechzigteilung

einer Silbermine hätte entnehmen können , was offenbar nicht der

Fall gewesen ist, so wäre ich auch da, wie man sieht, schon längst

„mit den babylonischen Gold- und Silberminen", den von Boeckh,

30 Mommsen und Brandis betretenen Bahnen folgend , auf der

„Wanderung" gewesen. Und auch jetzt, wo durch seither veröffent¬

lichtes Material, besonders für die altbabylonische Zeit auch durch

Reißner, den ich in die Metrologie eingeführt hatte 3), erwiesen

ist, daß auch bei der Wägung von Edelmetallen im inneren Ver¬

as kehr Babyloniens die Sechzigteilung der Mine vorherrschte, — daß

sie auch hier nicht ausschließlich verwendet wurde , ist oben ge¬

zeigt worden —, behält, was ich über die Wanderung der alt¬

babylonischen Gewichtsgrößen ermittelt hatte , Bestand. Denn die

vergleichende Metrologie hat es in erster Linie nicht mit den dem

40 inneren Verkehr , sondern mit den dem internationalen Handel

und Verkehr dienenden Normen zu tun. Diese können und werden

vielfach die gleichen sein , wie die des inneren Verkehrs. Aber

auch das Gegenteil kommt vor und namentlich muß nachdrücklich

(vgl. oben S. 706) darauf hingewiesen werden , daß der Verkehr zu

1) S. deren Verhandlungen 1889, S. 245 328.

2) S. deren Sitz.-Ber. = Wocheuschr. f. klass. Philol. 1888, Nr. 50, S. 1522 ff.

3) Vgl. Verhandl. Berl. Anthrop. Gesellschaft 1896, S. 439.

5 0

(15)

II. Metrologisch-Assyrtologisches. Von Lehmann-Haupt. 715

allen Zeiten auch mit Größen operiert hat, die lediglich zur Ver¬

rechnung dienten, die aber, wenn sie auch niemals als Gewichtsstücke

und als Münzgrößen ausgebracht und geprägt wurden, doch eine

sehr reale Bedeutung für den Verkehr hatten. So galt in meiner

Vaterstadt Hamburg bis zur Einführung der Reichswährung die 6

Mark Courant, die als Geldstück mit ihren Vielfachen und ihren

Unterabteilungen, den Schillingen (= 1I 16 Mark Courant) und deren

Vielfachen , umlief und ausschließliches Zahlungsmittel war. Bei

allen größeren Geschäften aber, Käufen, Verkäufen usw. wurde ganz

überwiegend, wenn nicht ausschließlich, nach Mark Banko gerechnet, 10

die einen höheren Wert hatten, und doch hat niemals irgend jemand

eine Mark Banko mit Augen gesehen. Und ebenso lehrreich ist

ein anderer Fall, auf den ich schon früher in Bekämpfung irriger

Vorstellungen, die unbewußt das komplizierte Gebiet des Verkehrs

und seiner Normen zwangsweise zu vereinfachen streben, hin- 15

gewiesen habe 1): »In Hamburg wurde bis vor kurzem das aus

Rußland eingeführte Getreide nach englischem Maße (per Quarter)

neu vermessen und gehandelt."

Hätte ich also von Anfang an wissen können, was erst nachträg¬

lich seit der Veröffentlichung meiner ersten metrologischen Arbeiten so

bekannt geworden ist, so würde ich mit Nachdruck auf den Unter¬

schied zwischen internationalem und einheimischem Ge¬

wicht hingewiesen und mich unter Ausscheidung des einheimischen

Gewichtes lediglich auf die voll genügende Tatsache berufen haben,

daß Herodot uns ausdrücklich ein gesondertes „babylonisches Silber- 25

talent" nennt, dessen Mine von jeder denkbaren Gewichtsmine voll¬

kommen abweicht und das nur so entstanden sein kann, wie es

Mommsen und Brandis erklärt haben.

Im übrigen habe ich, worauf oben S. 706 Anm. 2 bereits Regling

hinweist, ausdrücklich betont, daß mir die geographischen Bezeich- so

nungen der Gewichtseinheiten da, wo sie nicht ausdrücklich als dem

Altertum überliefert sind, vielfach lediglich als Notbehelf gelten.

Auch hätte ich nichts wesentliches zu ändern gehabt; hatte ich

doch „auf meiner Wanderung* ausdrücklich die 50-Teilung der

Währungsmine aus den Bedürfnissen des internationalen Verkehrs 85

hergeleitet. „Die vorstehende Gestalt des babylonischen Gewichts¬

und Doppelwährungssystems", so bemerkte ich BMGW. S. 251,

„gibt nach verschiedenen Richtungen hin zu Bemerkungen Anlaß.

Zunächst zeigt sich in dem Aufbau der Gold- und der Silber-

mine aus 50 Einheiten an Stelle der 60 des Gewichtssystems, in 40

welchem doch die Gold- und Silbergewichte ihren Beträgen nach

wurzeln, deutlich ein Eindringen der Prinzipien des Dezimalsystems

in das Sexagesimalsystem. Spuren eines Kampfes zwischen beiden

Systemen, der mit dem siegreichen Vordringen des letzteren endet,

werden wir noch mehrfach zu beobachten haben. Nach dezimalen 45

1) Hermes 35 (1900), S. 641.

(16)

716 Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

Prinzipien war das ägyptische Gewichtssystem geordnet. 1 Pfund

hat 10 Lote Austausch und Verkehr hat schon in uralter

Zeit zwischen Ägypten und Babylonien bestanden. Die Ausfuhr

der reichen Erträgnisse der nubischen Goldbergwerke lag natur-

5 gemäß in den Händen der Ägypter. Es kann kaum einem Zweifel

unterliegen, daß der dezimale Aufbau des Gold- und Silber¬

gewichtssystems, wie ferner alle dezimalen Modifikationen des baby¬

lonischen Sexagesimalsystems auf ägyptischen, wahrscheinlich

durch Phönizien vermittelten Einfluß zurückzuführen sind." (Dazu

io als Anmerkung 3: „So schon vermutet von Meitzer, Geschichte

der Karthager I, S. 12. Siehe Hultsch § 52, 12, S. 400, Anm. 1.«)

Daß diese Größen im internationalen Verkehr irgendwo (und

zwar vermutlich schon in den Händen der Babylonier) zu greif¬

baren Größen geworden sind, beweist ihr Auftreten auf dem ge-

15 samten Handelsgebiet des Altertums und ihre Erhaltung bis in die

Neuzeit hinein. Daß sie bereits durch die Babylonier selbst für

den internationalen Verkehr gestaltet worden , beweist der Name

des „babylonischen Silbertalents", der auf der gleichen Stufe mit Herodot's Mitteilungen steht, daß die Griechen von den Babyloniern

20 die Elemente der Zeitmessung kennen gelernt haben und beweist

ferner das lediglich aus dem babylonischen System der zahlenmäßig prästabilierten Harmonie des Weltalls erklärliche , an den ältesten

asiatischen Währungen ersichtliche , Wertverhältnis von Gold zu

Silber wie 18?7g : 1, d. h. , wie ich nachgewiesen habe, 360 : 27,

25 das Verhältnis der Tageszahl des sexagesimalen Rundjahrs zu der

des siderischen Monats.

Weißbach irrt, wenn er annimmt, daß diese meine und die

drei Jahre später von Winckler vorgetragene identische, nur ein

wenig anders begründete Ableitung des Wertverhältnissses 13 1 / 3 : 1

30 auf verschiedenen Wegen gewonnen wären 1). Jene Lehre von der

1) Wincklor selbst freilich hatte (Orientalistische Litteraturzeitung IV, 1901, Spalte 152—158) den Eindruck erweckt, als sei ich selbst mir der Trag¬

weite meiner eigenen Feststellung nicht bewußt geworden, da ich den zugrunde¬

liegenden astralen Mystizismus, die Beziehung der Metalle zu den Gestirnen, nicht genügend gewürdigt hätte. Ich habe bereits früher (Klio VI, 1906, S. 327 Anm. 3) Gelegenheit genommen , dem gegenüber die einschlägigen Worte , w i e

ich sie gesprochen, aus dem Stenogramm meines Vortrages anzu¬

führen und wiederhole sie hier: „Gold ist hier der Sonne gleich¬

gesetzt und Silber dem Monde. Ob der mystische Vergleich

zwischen Sonne und Gold, Mond und Silber, das Hysteron oder

das Proteron ist, will ich hier nicht entscheiden."

Ich hatte also den astralen Mystizismus sehr wohl berücksichtigt, soweit es mir bei meinem Standpunkte, der nicht der der Astralmythologie sans phrase ist, nötig erschien. Winckler's Hinweis auf die Gleichung IS 1/, : 1 = 360 : 27 war 1900 erschienen im 2. Hefte der zweiten Reihe seiner Altorientalischen Forschungen in einem Aufsatz, der „November 1899" unterzeichnet ist. Mein Vortrag war 1896 in der Berl. Anthrop. Gesellschaft gehalten und ein Bericht darüber in deren Verhandlungen erschienen. Jensen (Berl. Philol. Wochen¬

schrift 1900, Nr. 51) hatte darauf Winckler vorgehalten, daß er mich, der

(17)

IL Metrologisch-Assyriologisches. Von Lehmann-Haupt.

zahlenmäßig prästabilierten Harmonie des Weltalls oder, wie ihre

übertriebene und mit Recht in ihren Auswüchsen vielfach bekämpfte

Formulierung jetzt meist bezeichnet wird, die babylonische Welt-

mehr als drei Jahre früher diese wichtige Beobachtung gemacht, hätte zitieren müssen. Darauf erfolgte Winckler's Erklärung mit jener irrtümlichen und soeben zurückgewiesenen Kritik meiner Aufstellungen, die zeigen sollte, daß selbst wenn Winckler meine Erklärung gekannt hätte, die seinige doch von ganz anderen und viel höheren Gesichtspunkten aus gegeben worden sei. Daß er meine Arbeit gekannt habe, bestreitet Winckler. Ich möchte, wie ich ausdrücklich betonen will, in keiner Weise Winckler's guten Glauben an¬

zweifeln, wenn ich jetzt nachweise, daß er sich damit tatsächlich in einem Irrtum befindet.

Die erste Äußerung über meine Ermittelung wurde im Jahre 1895 in den Verhandlungen der Anthropologischen Gesellschaft gegeben. Die aus dem nächsten Jahre, die Weißbach allein anführt, war nur eine Wiederholung unter Hinweis auf die erste Mitteilung, Verhandl. Berl. Anthrop. Ges. 1895, S. 434, welche lautet: „Ferner wurde gezeigt, daß auch in der Fortentwickelung des Systems (so bei der Feststellung der für die Differenzierung der Gewichte bedeutsamen Relation der Metalle), die Anlehnung an die, gelegentlich der Zeit¬

berechnung und Himmolsbeobachtung ermittelten Zahlenverhältnisse eine wesent¬

liche Rolle gespielt hat". („Natürlich, wie bereits in meinem ersten Vortrage [Verh. 1889, S. 252] ausdrücklich betont, nur insofern, als dasjenige Ver¬

hältnis gewählt wurde, welches der tatsächlichen Sachlage auf dem Weltmarkt am besten entsprach, gleichzeitig aber eine Einfügung in das Sexagesimalsystem ohne wesentliche Änderung ,seiner' Prinzipien ermöglichte".) „So Silber zu Kupfer wie 120 : 1; Gold zu Silber wie : 1 = 40 : 3 = 360 : 27, d. i.

das Verhältnis der Tageszahl des sexagesimalen Rundjahrs (360)" — „unter Nicht- einrechnung der Epagomenen" (Anmerkung 1) — „zu der des periodischen Monats (27)" (dazu in Anmerkung 2 Hinweis auf die 27 Mondstationen unter Anführung zahlreicher Literaturnachweise), „bezw. das Verhältnis der scheinbaren Umläufe der Sonne (Gold) und des Mondes (Silber). Eine solche Anlehnung erscheint um so erklärlicher, wenn man bedenkt, daß die altbabylonischen Priester in ihrer Person oder wenigstens in ihrer Körperschaft die Funktionen des Astronomen, des Astrologen, der obersten Aichungsbehörde, des Finanz¬

ministeriums, des Banquiers, des Kaufmanns, des Notars usw. in sich vereinigten."

In denselben Verhandlungen 1896, S. 447 — das ist die Stelle, die Weißbach S. 392 anführt —, heißt es sodann: „Daß die 27 Stationen des Mondes (ind. nakshatra) , die namentlich bei den Chinesen und Indern eine große Rolle spielen und auf eine Rechnung nach periodischen Monaten

zu rund 27 Tagen zurückgehen, babylonischen Ursprungs seien, war von

den verschiedensten Seiten, besonders von bedeutenden Forschern auf indischem Gebiet, vermutet und mit Bestimmtheit ausgesprochen worden. In meinem zweiten Vortrage (Verh. 1895, S. 434 und Anm. 3) habe ich mich dieser An¬

schauung angeschlossen, indem ich darauf hinwies, daß nicht nur die Rechnung nach periodischen Mondmonaten bei deu Babyloniern , namentlich an deu be¬

deutenden Stätten des Kultus und der Sternkunde, die den Mond und seinen Gott zunächst und am höchsten verehrten (besonders Ur), mit Notwendigkeit vorauszusetzen sei, sondern daß auch in dem Relationsverhältnis des Goldes zum Silber, wie 13 1/, : 1 = 40 : 3 = 360 : 27, das Verhältnis der Tageszahl des sexagesimalen Rundjahres (360) zu der des periodischen Monates (27) vor¬

liege." Darauf folgen sehr eingehende Ausführungen über die Bedeutung der 27 und ihrer Anwendung in der babylonischen sowohl wie in der griechischen Zeitrechnung und Astronomie. Die Verhandl. der Berl. Anthropol. Gesellsch.

gehen allen ihren Mitgliedern als ein Hauptäquivalent des Mitgliederbeitrags zu. In den Mitgliederlisten, die jeden Baud der Verhandlungen eröffnen, er¬

scheint sowohl 1895 (S. 15, Nr. 518) wie 1896 (S. 15, Nr. 523) Dr. Hugo 1,0*

(18)

718 Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

anschauung oder der Panbabylonismus, ist in ihrem zutreffenden und

vertretbaren Kerne keineswegs eine Neuschöpfung Winckler's,

wie es die landläufige Vorstellung annimmt 1).

Winckler (fälschlich Winkler geschrieben), Privatdozent, Berlin (und so schon seit 1893). Winckler hat also die betreffenden, meine Ausführungen enthaltenden Hefte als Mitglied erhalten, und wenn er auch eine von meinen beiden Äußerungen zur Sache, namentlich die erstere, kürzere, wohl Ubersehen haben kann, so ist es nicht anzunehmen, daß dies mit beiden der Fall gewesen, um so mehr, als das in beiden Fällen durch Fettdruck hervorgehobene Ver¬

hältnis 360 : 27 ihm, wie jedem Leser, besonders aber dem, der sich für baby¬

lonische Dinge interessierte, in die Augen fallen mußte. Damals aber war Winckler's Interesse diesem später auf Anregung anderer von ibm angebauten Gebiete noch nicht zugewandt. Als dies nachmals geschah und er selbst dem Ge¬

biete der „babylonischen Weltanschauung" eigene intensive Studien widmete, war ihm nicht mehr bewußt, daß er die Herleitung des Verhältnisses von Gold zu Silber 13'/ s : 1 aus den astronomischen bedeutungsvollen Zahlen 360 : 27 schon anderswo gelesen hatte und es erschien ihm dies wie eine eigene neue Beobachtung, wie das häufig genug geschehen kann. Für Winckler selbst liegt ein lehrreiches Analogon vor. Der Aufsatz über die „hamuStu" (1898) Altorientalische Forschungen, zweite Reihe S. 91 ff. ist, wie Winckler S. 91 Anm. 1 bemerkt, „ohne jede Hilfsmittel für die darin berührten Fragen der Zeitrechnung geschrieben", und doch ist der darin verwendete Ausdruck „Ge¬

samttag" für das „Nychthemeron", soviel ich weiß, ein von mir geprägter terminus technicus, worauf ich bereits Zeitschr. f. Assyriol. XIV, 1899, S. 315 ff.

mit Anm. 1 hingewiesen habe. Er steht u. a. in dem kurzen Bericht über meinen ersten 1895 gehaltenen Vortrag „Über die Entstehung des Sexagesimal- systems bei den Babyloniern", mit dem sich Winckler's Ausführungen an der betreffenden Stelle sachlich und inhaltlich aufs nächste berühren. Hier ist Winckler's Gutgläubigkeit ebenso deutlich, wie die unbewußte Beeinflussung durch drei Jahre zurückliegende Lektüre. Und wer sich die Mühe nimmt;

meine Ausführungen über die 27 in den metrologischen Nova (Verhandlungen 1896) anzusehen und dabei inne wird, eine wie wesentliche Rolle die Himmels¬

beobachtung dabei spielt, muß erkennen, daß von einem Fortschritt auf Winckler's Seite durch erstmaliges Hineinziehen der Himmelbeobachtung oder direktes „Ablesen vom Himmel" nicht die Rede sein kann. Soviel zur Berichtigung der Darstellung, wie sie Weiß bach gegeben hat und auch, wie die Dinge bisher lagen, geben mußte. Eben daran habe ich erkannt, daß eine solche, etwas eingehendere Klarstellung meinerseits nicht länger zu vermeiden sei (vgl. aucb die folgende Anmerkung).

1) Im Jahresbericht der Geschichtswissenschaft für 1907, I, S. 195 f., habe ich mich darüber wie folgt geäußert: „Auf metrologischem Gebiete war das Bestreben der Babylonier, eine Harmonie zwischen himmlischem und irdischem Zeit- und Raummaß herzustellen, ohnehin klar. ,Es ist sicher bezeugt, daß die Babylonier in ihrem System die Maße der Zeit und des Raumes in Verbindung brachten. Die Entstehung und das Wesen des babylonischen Sexagesimalsystems, der Maße der Zeit und des Raumes, wird nicht eher als völlig geklärt und verstanden bezeichnet werden können, als bis diese Beziehungen unter Berück¬

sichtigung der naturwissenschaftlichen, namentlich der astronomischen Kenntnisse der alten Babylonier, begründet und klargelegt sind.' Mit diesen Worten hat der Ref. 1893 seine Untersuchungen über ,Das altbabylonische Maß- und Ge¬

wichtssystem' geschlossen und diese Forderungen alsdann in weiteren Unter¬

suchungen zu erfüllen versucht. Ebenso war besonders von Jensen in seiner Kosmologie betont worden, daß die babylonischen Tempel den Kosmos nach babylonischer Vorstellung darstellten. Aus diesen Wurzeln und im Anschluß

an eine Schrift von Troels-Lund (Himmelsbild und Weltanschauung im

Wandel der Zeiten, Kopenhagen 1898, deutsche Ubersetzung, Leipzig, Teubner, 0 *

(19)

II. Metrologisch-Assyr iologischcs. Von Lehmann-Haupt. 719

Was nun Herodot's Angabe über das Wertverhältnis

von Gold zu Silber angeht, so ist zu betonen, daß Herodot uns

annähernde Zahlenangaben statt der genauen wiederholt bietet, so,

wenn es heißt, daß die königliche Elle um drei Pinger länger ist

als die gemeine Elle, während das richtige S 1^ Pinger wäre (Actes 5

VIII. Or.-Kongr. S. 196 Anm.). Aber immerhin würde man sich nur

ungern dabei beruhigen , wenn wirklich das Verhältnis von Silber

zu Gold auf 13:1 statt auf 13 ^3 :1 angegeben wäre, wie es nach

dem Wortlaut bei Herodot III, 95 den Anschein hat. Und die

Sache wird dadurch noch bedenklicher, daß Herodot selbst, wie 10

sich bestimmt nachweisen läßt , für Zahlen und Maßverhältnisse

gar kein eigentliches Verständnis besaß; wo er selbst einmal aus

eigenem Derartiges bietet, ist es von einer rührenden oder er¬

schreckenden, wie man will, Kindlichkeit. So tut er sich (IV, 86)

ungeheuer viel darauf zugute, daß er bei den Maßangaben des 15

Pontus die Stadien schließlich in Orgyien umrechnet , d. h. nichts

weiter tut, als mehrmals mit 10 multipliziert. Alles ernstlich

Metrologische und Chronologische geht auf ältere, von Herodot

verwertete sachliche Quellen unter den ionischen Logographen zurück,

vor allem auf den ernstesten und bedeutendsten, Hekataios von 20

Milet und seinen Schüler und Anhänger Dionysios von Milet, dem

und denen eine Angabe, die das Gold um 1/ 39 zu niedrig bewertet,

kaum zuzutrauen ist. In der Tat verhält es sich denn auch nicht so.

An der betreffenden Stelle (III, 95) wird nämlich offenbar das

persische Goldtalent einfach dem euböischen Talente an Gewicht 25

gleichgesetzt, während beide Talente einander in Wahrheit an Ge¬

wicht nur nahekommen und der Entstehung nach gänzlich von ein¬

ander verschieden sind. Die euböische Mine ist entstanden als

4/ 5 -Gewicht der babylonischen Silbermine gemeiner Norm und be¬

trägt 436,6 g. Das persische Goldgewicht war die Goldmine könig- 30

licher Norm, entstanden aus der leichten Goldmine gemeiner Norm

durch einen Zuschlag. Von den drei Formen (A, B, C) dieses Zu¬

schlags, Erhöhung um 1/ 20 , um 1j ti und um l / S8l gilt die letztgenannte

im Betrage von 420 g für das persische Reichsgeld (Dareikos 8,4 g),

1900) hat Winckler dann jenes System der babylonischen Weltanschauung entwickelt, als dessen alleiniger Schöpfer er irrigerweise gilt, wiewohl seine ersten Äußerungen nahezu ein Jahrzehnt später fallen, als die vorgenannten Schriften, und das neuerdings unter der Flagge des Panbabylonismus segelt.

Neben vielem Richtigen, z.T. Winckler's eigenem Scharfsinn und Weitblick zu Verdankendem — darunter besonders die Untorsi cbungen über die faamuStu (782), die Zeit von fünf Tagen, deren das sexagesimal!; Kundjahr von 360 Tagen 72 zählt (während die fünf Epagomenen eine 73. darstellen würden) — bietet es auch vieles zu Weitgehende und Unvertretbare." Trotz des eben hervor¬

gehobenen zeitlichen Verhältnisses ist es wiederholt vorgekommen, daß ich für mühevolle Ermittelungen, die ich lange Jahre, ehe Winckler sie berührte, veröffentlicht hatte, als von Winckler abhängig behandelt worden bin (vgl.

z. B. DLZ. 1904, Sp. 1428 f. [G. Beer] und Der alte Glaube, Literar. Beilage, 1905, Sp. 166).

(20)

720 Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

die zweite für die persische Provinzialprägung. In beiden Fällen

bleibt das Gewicht der königlichen Mine um soviel hinter dem der

euböischen Mine zurück, daß sich daraus die Angabe des Verhältnisses

13 1/ 3 : 1 statt 13 : 1 erklärt. Herodot's Quelle weiß also, daß in

5 Persien Gold und Silber nach verschiedenen Gewichten verwogen

wird, kennt auch die Silbermine königlicher Norm, Form C 560 g,

Form B 568,5 g, hält aber die Goldmine (in Wirklichkeit 420 g

Form C und 426 g Form B) für identisch mit der attisch-euböischen

Mine von 436,« g. Statt also bei dem ihm bekannten Verhältnis

io (10 Goldminen an Wert = 10 Silberminen) wie folgt zu errechnen

10 . 560 : 420 = 13,333 .... (oder 10 . 568,5: 426 = 13,333...) und

also zu sagen Gold : Silber wie lS 1 ^ : 1, sagt er entweder 10 .

560 : 436,6 = 12,83 (d. h. rund 13) : 1 oder 10 . 568,5 : 436,6 =

13,oi (d. h. so gut wie genau 13) : 1. Letzteres ist, wie man sieht, 15 das Wahrscheinlichere. Und daß die an der Küste gebräuchlichere

Form B der Erhöhung überhaupt vorherrscht, ergeben weitere Be¬

trachtungen. Im Texte des Herodot steht die Gleichung 70 Gold¬

talente = 60 Silbertalenten, die Herodot's Angaben direkt wider¬

streitet. Hier ist von Mommsen, Geschichte des römischen Münz-

20 wesens S. 23 ff. und Brandis S. 64 die 70 in 78 berichtigt worden, und dieses Verhältnis trifft, wie ich gezeigt habe 1), für die beiden

Größen, wenn man lediglich ihre organische Stellung im babylo¬

nischen Gewichtssystem der königlichen Form B in Betracht zieht,

zu. Die euböische Mine ist 4/ 5 , die königlich babylonisch-persische 25 Silbermine der Form B 25 / 24 der gemein-babylonischen Silbermine ...

4/ 5 : 26 /24 verhalten sich aber wie 60 : 78,125.

Aber, und auch darauf habe ich gleichzeitig schon vor Jahren

hingewiesen 1), selbst Herodot's Gleichung von 60 Silbertalenten mit

70 andern Talenten, so verkehrt sie in dem Zusammenhange ist, in

30 dem er sie bringt, liegt etwas Tatsächliches zugrunde. Denn es

gibt tatsächlich ein babylonisches Talent, das dem Gewicht von 70

euböischen Minen so gut wie gleichkommt : nämlich das Talent der

leichten königlichen babylonischen Gewichts mine. Letztere be¬

trägt 25 / 24 der leichten gemeinen Gewichtsmine, die euböische Mine 35 4 ,'5 der babylonischen Silbermine, die ihrerseits 10 / 9 der Gewichts¬

mine beträgt, d. h. 8 / 9 der leichten gemeinen Gewichtsmine. 8 / 9 ver¬

halten sich aber zu 25 / 24 wie 60 : 70,3i , also rund wie 60 : 70.

Das ist für die Kritik des Herodot von Bedeutung.

Steht ohnehin fest, daß Herodot bei seinen metrologischen An-

40 gaben fast nirgends auf eigenen Füßen steht, so erkennen wir hier,

daß er, wie so häufig auch in anderem Zusammenhange, nicht zu¬

sammengehörige Angaben seiner Vorlage mißverständlich zusammen¬

fügte. Es liegt hier also nicht etwa ein Fehler der Handschriften,

sondern ein äußerst belehrender Lapsus des Herodot selbst vor.

45 Soviel über die »babylonischen' Währungsgewichte.

1) Hermes XXVII, 1892, S. 551 Anm. 1.

(21)

II. Metrologisch- Assy riologisches. Von Lehmann-Haupt.

Für die Beurteilung des Nebeneinanderbestehens von gemeiner

und königlicher Norm 1) ist es, wie stets in Fällen, wo es auf die

Ermittelung subtiler Differenzen ankommt, von Wert, wenn Ge¬

wichtsstücke möglichst hoher Nominale verglichen werden können.

In diesem Sinne sind die Nummern 6 und 7 von Weißbach's 5

Liste, die beide 30 leichte Minen leichtes Talent) darstellen

und die in ihrem ursprünglichen Bestände (s. S. 722) um mehr als

ein halbes Pfund differieren, von Interesse. Es liegt auf der Hand,

daß eine Abweichung um reichlich 1 Pfund Goldes oder Silbers auf

das Talent nicht einer zufälligen Ungenauigkeit, sondern einer be- io

absichtigten Normdifferenz ihren Ursprung verdanken muß, noch

dazu, wenn beide Gewichte, wie We iß bach mit Recht annimmt,

einer und derselben Zeit, der achten Dynastie, angehören. Um so

wichtiger ist die Feststellung der beiderseitigen Gewichtsbeträge:

für Nr. 6 war Klarheit darüber bisher nicht erzielt, und auch is

Weißbach hat sie nicht gewinnen können.

Das führt mich zu einem wesentlichen Mangel, der Wei߬

bach's im übrigen sehr dankenswerten Liste der Gewichte anhaftet.

Weißbach hat Vollständigkeit angestrebt, soweit Veröffent¬

lichungen über die Gewichte vorlagen. Die unveröffentlichten Be- Be¬

stände, namentlich an unsignierten Gewichten (S. 399 f. sub c), wie

sie besonders im Britischen und im Berliner Museum vorhanden

sind, hat er nicht mit einbezogen. Daß es auch in der Beschrän¬

kung, die er sich auferlegt hat, nicht leicht war, Vollständigkeit

zu erzielen , hat er mit Recht betont und begründet. Aber eine 25

sehr wichtige, wenn auch nicht ganz leicht zugängliche veröffent¬

lichte Quelle, auf die ich in meinem auch von ihm verwerteten

Bericht über „Metrologische Forschungen im Britischen Museum"

hingewiesen habe, hat Weißbach nicht konsultiert: sie ist ihm,

soweit ich sehe, nur durch die Vermittlung von Johns, wo dieser so

sie verwertet, bekannt. Das ist Chisholm's „Ninth annual report

of the Warden of the Standards" (Parliamentary Paper XXVII,

1875, On the Ancient Standard Weights of Babylon Assyria &c,

now in the British Museum). Und dadurch sind ihm einesteils

bedeutsame Angaben über die von ihm behandelten Gewichte ent- ss

gangen, andererseits ist seine Liste nunmehr, auch in der von ihm

beabsichtigten Beschränkung, was die seit langem bekannten Ge¬

wichte anlangt, unvollständig (S. 722).

Das Gewichtsstück Weißbach Nr. 6 — um zu diesem zurück-

1) Das römische Pfund gehört zum System der gemeinen Norm, es ist seinem Betrage nach (327,45 g) genau '/ a schwere (982,4 g), 2/ 3 leichte (491,2 g) Gewichtsmine oder was rechnerisch auf das Gleiche hinauskommt: 3/ s (3/ 10) leichte (schwere) babylonische Silbermine gemeiner Norm. S. zuletzt Haeberlin's und meine Ausführungen Zeitschr. f. Numismatik XXVII (1909), S. 8 ff., 120 ff.

M. C. Soutzo rennt daher offene Türen ein, wenn er Les origines assyro- chaldeennes »des poids romains, Revue d'Histoire, d'Archeologie et de Philologie X, Heft 2, 1909 — ohne Erfolg — bemüht ist, das römische Pfund aus der Mine von 505 g (erhöhte Form C) abzuleiten.

(22)

722 Die Sonderformen des „babylonischen" Gewichtssystems.

zukehren — trägt nach meinen Aufzeichnungen aus dem Jahre 1890

die Signatur 48. 11—4. 128. Es wiegt nach Chisholm, der alle

Wägungen sowohl in grains wie in Gramm angibt , tatsächlich

14 589,5öig oder 225150 grains. Wenn Johns, worauf Weiß-

5 bach S. 395 hinweist, äußert, das Gewicht führe auf eine Mine

von 493 g, so ergibt sich die Erklärung dieser Abweichung aus

Chisholm, der einen Gewichtsverlust bei der Ableitung der

einzelnen Mine in Rechnung stellt. Seine Beschreibung des Ge¬

wichtes (in Entenform) lautet: "0/" alabaster; has lost part of

io its head, not exceeding 200 grammes, or 3086 grains; this loss

of weight allowed for in the stated derived weight of the mina."

Das ist nun außerordentlich wichtig, denn Chisholm, dem Johns

gefolgt ist , hat das Maximum des möglichen Gewichtsverlustes auf

200 g angesetzt und ist so zu einem gesamten Gewichtsbetrage

15 von 40 790 g und damit zu einer Mine von 493 g gekommen.

Nehmen wir aber nur ca. 3 / 4 des Maximums, so erhalten wir ein

halbes Talent der leichten Mine gemeiner Norm: 30 . 491,2 = 14736 g, und das ist offenbar tatsächlich das ursprüngliche Gewicht gewesen.

Die Differenz gegen Nr. 7, Gewicht nach Chisholm 15 0 60,552 g,

20 beträgt dann also 324 g, d. h. 10 g auf die Mine. Nr. 7 ist ein

halbes leichtes Talent der niedrigsten Form (C) der erhöhten Norm,

das hinter dem normalen Betrage um ca. 2 g auf die Mine, 60—90 g

auf das ganze Gewichtsstück, zurückbleibt, was, wenn das Stück auch

in excellent preservation (nach Chisholm) ist, sehr wohl großen -

25 teils auf Rechnung einer unmerklichen Abnutzung der Oberfläche

kommen kann. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß unter Nabü-

sum-libur Zahlungen an den König nach gemeiner, unter Erba-

Marduk aber nach „erhöhter" königlicher Norm geleistet wurden.

Den Gewichten gemeiner Norm wurde vielmehr in solchem Falle

so eben der Zuschlag in kleineren Gewichtsstücken hinzugefügt, und

erst aus der gemeinen Norm mit den Zuschlägen ist ja überhaupt

die erhöhte Norm erwachsen.

Ich schließe hieran weitere Bemerkungen zu den einzelnen

Nummern von Weißbach's Liste, wobei ich namentlich den mir

35 seit 1890 bekannten Bericht von Chisholm und meine damals

im Britischen Museum bei Untersuchung der Originalgewichte 1)

gemachten (besonders die Signatur, die Inschriften und die Zahl-

hezeichnungen durch Striche betreffenden) Beobachtungen verwerte.

Eine Ergänzung von Weißbach's Liste nach den bei Chisholm

40 veröffentlichten und den mir bekannten zahlreichen unveröffent¬

lichten Gewichten liegt außerhalb des Rahmens dieser Erörterung.

Bemerkt sei nur, daß schon Chisholm 31 Londoner Entengewichte

aufzählt, während Weißbach (S. 399) deren nur 12 kennt, und durch

die Voraussetzung, daß die Zahl wirklich nur so gering sei, auch

45 zu einer irrigen Identifikation (siehe unter Nr. 29) geführt wird.

1) Verhandl. d. Berl. Anthrop. Gesellsch. 1891, S. 516 sub A. 1, Abs. 1 a. E.

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