Anfang Oktober hat die persische Nation die tausend¬
jährige Wiederkehr des Geburtstags ihres großen National¬
dichters Firdosi gefeiert (vgl. über die Anteilnahme der DMG
an dieser Feier den Bericht über die Bonner Tagung auf
S. * 5 *). Um die Anteilnahme der Deutschen an dieser Feier
zum Ausdruck zu bringen, veranstaltete der Wissenschaft¬
liche Ausschuß des kürzlich begründeten Deutschen Orient¬
vereins am 27. September d. J. in den Räumen des Archäolo¬
gischen Instituts des Deutschen Reichs eine Firdosifeier.
Diese Feier stand unter dem Protektorat des Reichserzie¬
hungsministers RusT. Nach dem Vortrag des ersten Satzes
des Es-Dur-Quartetts von Max Reger durch das Steiner-
Quartett begrüßte der Präsident des Archäologischen Insti¬
tuts, Staatsrat Dr. Wiegand, als Vorsitzender des Wissen¬
schaftlichen Ausschusses des Orientvereins die Erschienenen.
Er führte dabei u. a. aus:
„Im deutschen Volke ist, dank der Pflege der welt¬
geschichtlichen Überheferung, vieles von Persiens großer Ver¬
gangenheit bekannt. Wir kennen die hohe Ethik des persi¬
schen Volkes aus Herodot's Berichten, wir haben Ausgra¬
bungen gemacht an den Endpunkten der berühmten Post-
und Karawanenstraßen in Milet und Ephesos, Straßen, die
das iranische Hochland mit der Ostküste des Mittelmeers
verbanden. Wir erleben noch einmal die Heldenkämpfe
zwischen Hellenen und Persern, wenn wir einen Blick auf
den berühmten Alexander-Sarkophag der Königsnekropole
von Sidon werfen. Und wer hätte nicht noch die Erinnerimg
Zeitacbrift d. D.U. a. Neue Polge Bd. Xm (Bd. 88) 8
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an die gefürchteten parthischen Pfeilschützen, wie sie uns in der Poesie des Horaz entgegentritt?
Daß aber alle diese ritterliche Kampfestüchtigkeit ihren
Niederschlag in großen Heldengesängen durch einen Dichter
wie Firdosi gefunden hat, und daß diese Gesänge von den
Taten tapferer Iranierfürsten eine überraschende Überein¬
stimmung zeigen mit deutschen Heldensagen, das wird vielen
trotz der Übersetzungen des Grafen Adolf Schack und Fried¬
rich Rückert's unbekannt geblieben sein. Wir empfinden ein
Gemeinschaftsgefühl, wenn Rüstern und Suhrab Hiebe aus¬
teilen, wie wir sie von Hildebrand und Hadubrand kennen,
und wenn im erbitterten Streite zwischen Iran und Turan
gar mancher iranische Held verblutet, so wie einst Roland im
Tale von Roncesvalles unter der Übermacht seiner Gegner
dahinsank. So begrüßen wir das Epos Firdosi's als ein ehr¬
würdiges Denkmal der eigenen verwandten Jugendzeit unseres
germanischen Volkes."
In Vertretung des am Erscheinen verhinderten Ministers
RusT nahm Ministerialdirektor Prof. Dr. Vahlen das Wort
zu folgender Ansprache:
„Mit besonderer Freude hat der Herr Reichsminister Rust
das Protektorat über die heutige Veranstaltung zu Ehren des
persischen Nationaldichters Firdosi übernommen. Er benutzt
diesen Anlaß gern, um im Namen der Reichsregierung zu
erklären, welch hohen Wert das Deutsche Reich auf freund¬
schaftliche Beziehungen zu dem Kaiserreich Persien legt, und
um darzulegen, welch großer Wertschätzung sich persische
Kunst und Kultur in Deutschland erfreuen. Ich darf erklären,
daß auch wir den persischen Nationaldichter Firdosi, den
großen Schöpfer des Schahname, der vor nunmehr 1000 Jahren
geboren wurde, zu den größten Dichtern dieser Erde zählen,
und wir uns der hohen ethischen, moralischen und völkischen
Werte bewußt sind, die sein unvergängliches Werk enthält.
Ich möchte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen,
ohne einiges Grundsätzliche über die Einstellung des Natio¬
nalsozialismus zu der Kultur fremder Völker überhaupt zu
sagen.
Wie Sie wissen, ist der Nationalsozialismus vielfach mi߬
verstanden worden. Man hat in unserem bewußten Stolz auf
unsere arteigene, germanisch-deutsche Kultur eine Ablehnung
der Gültigkeit und des Wertes fremder Kulturen sehen wollen.
Man hat uns insbesondere unterstellt, daß wir den hohen
Kulturen der Völker des Orients ohne Verständnis gegen¬
überständen. Für uns Nationalsozialisten gilt vielmehr in
unserer Einschätzung der Völker ohne Einschränkung der
Grundsatz, den unser Führer zuletzt in seiner Ansprache
anläßlich des Empfanges des Diplomatischen Korps auf¬
gestellt hat. Der Führer hat ausdrücklich erklärt, daß unsere
Beziehungen zu den auswärtigen Mächten auf der Grundlage
der Gleichberechtigung, und auf dem Grundsatz der gegen¬
seitigen Wertschätzung der Leistung beruhen. Ich darf er¬
klären, daß wir, wie wir auf politischem Gebiet eine Gleich¬
berechtigung für Deutschland fordern, auch selbstverständ¬
lich die auf gegenseitiger Anerkennung beruhende Gleich¬
berechtigung aller Kulturen auf der Welt als gegeben ansehen.
Diese Auffassung bestimmt insbesondere auch unsere Haltung
gegenüber den Ländern des Orients.
Deutschland verfolgt bekanntlich keinerlei politische
Ziele im Orient. Wir wünschen hier, wie auch anderswo in der
Welt, Freundschaft mit allen Völkern zu halten, und mischen
uns nicht in ihre politischen Angelegenheiten. Auf dem Fuße
der Gleichberechtigung wollen wir den Austausch wirtschaft¬
licher und kultureller Güter mit ihnen pflegen, um in fried¬
lichem Wettbewerb das Unsrige zu der Fort- und Höher¬
entwicklung der Kultur der einzelnen Nation beizutragen.
Wir empfinden dabei Hochachtung vor den kulturellen und
zivilisatorischen Leistungen jeder einzelnen Nation und sind
uns dessen bewußt, daß jede Nation das Recht hat, ihre
eigenen bodenständigen Werte, als für sie bestimmt, für sich
als die höchsten anzuerkennen.
Der Grundsatz der Anerkennung der Leistungen fremder
Völker gilt für Deutschland wie seit jeher besonders auf
kulturellem Gebiet. Deutschland hat sich stets in ungewöhn¬
lichem Maße für die Kultur der orientalischen und islamischen
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Welt interessiert. In der Orientalistik der Welt ist es immer
mit an der Spitze gewesen. Zahlreiche deutsche Gelehrte
waren gerade in den letzten Jahren, wie seinerzeit bei der
Begründung der Orientalistik, so auch jetzt bei der Fort¬
führung der wissenschaftlichen Arbeiten, hervorragend be¬
teiligt. Ich erinnere hier daran, daß diese Arbeiten, die stets
nur aus Idealismus, um der Sache willen, geleistet wurden,
aber keinen materiellen Gewinn brachten, nicht möglich ge¬
wesen wären, wenn nicht in Deutschland und Preußen immer
wieder der Staat sich fördernd für sie eingesetzt hätte. Und
Sie können versichert sein, daß auch der nationalsozialistische
Staat in dieser Frage der Förderung der Orientalistik an den
deutschen Universitäten die wissenschaftliche Tradition be¬
wahrt hat und zu bewahren gedenkt, die uns auf diesem
Gebiet bisher auszeichnet. Ich weise Sie z. B. auf die Lei¬
stungen des Orientalischen Seminars bei der Universität
Berlin hin, und auf die neuaufgestellte islamische Abteilung
im Kaiser-Friedrich-Museum, Leistungen, die wir weiter zu
fördern und fortzusetzen gedenken.
Ich darf weiter erklären, daß es sich das Reichsministe¬
rium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wie bis¬
her, so auch weiter angelegen sein lassen wird, dafür zu
sorgen, daß auch die Studenten der orientalischen Länder
in Deutschland so aufgenommen werden, wie es Gäste unseres
Landes beanspruchen dürfen. Wir freuen uns, wenn fremde
Völker ihre Söhne an unsere Universitäten entsenden, um
hier deutsche Kultur und deutsches Wesen kennenzulernen.
Und ich werde es mir besonders angelegen sein lassen, daß
all diese Söhne fremder Völker sich in unserer Heimat so
wohlfühlen, wie irgendwo anders in der Welt.
In diesem Zusammenhang ist es mir daher eine beson¬
dere Genugtuung, meiner Wertschätzung für Persien, seinen
Souverän, sein Volk und seine Kultur Ausdruck geben zu
dürfen. Der persische Dichter Firdosi, zu dessen Gedenken
wir uns hier heute versammelt haben, ist gerade für uns ein
lebendiges Symbol der großen geschichtlichen Leistungen des
persischen Volkes, dem wir uns in Freundschaft verbunden
fühlen. Wissen wir doch, daß unsere Ahnen, die Germanen,
mit den alten Persern stammesverwandt waren, und daß die
beiden großen Völker zu ein und demselben Zweig der Ur-
völkerfamilie der Indogermanen gehören. Und* nirgend ist
dessen ein lebendigerer Zeuge, als der nunmehr seit über
900 Jahren in persischer Erde ruhende Dichter Firdosi, der
die Sammlung der alt-persischen Heldensagen, die uns so
lebhaft an das Nibelungen- und das Hildebrand-Lied er¬
innern, in eine unvergängliche dichterische Form gegossen
hat. Ist doch gerade dieser Dichter ein lebendiges Symbol der
ewigen Kraft der Völker, die diese aus dem Bewußtsein ihrer
Ehre, ihres Blutes und ihres Heimatbodens schöpfen.
Und wenn dem persischen Reich heute aus der Mitte
seines Volkes wieder ein großer Herrscher erstanden ist, so
dürfen wir in den Heroen des Schahname gewiß die leuch¬
tenden Vorbilder erblicken, die vor seiner Majestät Reza
Schah Pahlavi an der Spitze des persischen Volkes standen.
Sie alle wissen, welche gewaltige Leistungen dieser Souverän
des großen persischen Landes in den letzten 14 Jahren voll¬
bracht hat. Ich darf hier nur daran erinnern, daß es Reza
Schah Pahlavi zu verdanken ist, daß Hunderte von Volks¬
schulen gegründet worden sind, daß Hunderte von persischen
Lehrern in Europa ausgebildet worden sind, und daß Seine
Majestät jetzt daran denkt, in Teheran, der Hauptstadt des
großen persischen Landes, eine Universität zu errichten.
Ich brauche daher kaum die tiefen Gefühle der Freund¬
schaft und Bewunderung besonders hervorzuheben, die uns
in diesem Augenblick beseelen, da wir das Andenken des
größten aller persischen Dichter, Firdosi, feiern. Ich bitte
daher der Hoffnung Ausdruck geben zu dürfen, daß Seine
Majestät Reza Schah Pahlavi noch recht viel glückliche Jahre
zum Segen seines Volkes und zum Segen der Welt fortregieren
möge, und darf Sie bitten, mit mir einzustimmen in den Ruf :
Seine Majestät Reza Schah Pahlavi: Heil!
Es folgte die Festrede von Prof. H. H. Schaeder, „Firdosi
und die Deutschen", die unten vollständig abgedruckt ist.
und daran schloß sich die Ansprache des Kaiserlich Persischen
Gesandten, Sr. Exzellenz Abolghassem Khan Nadjm, der
in persischer Sprache folgendes ausführte:
„Die Feier des großen persischen Dichters Firdosi, zu
der uns heute der Deutsche Orientverein an dieser Stätte
versammelt hat, ist geeignet, Deutsche und Perser durch
gemeinsame geistige Beziehungen zu verbinden. Das Gedicht,
durch das Firdosi's Name unsterblich geworden ist, hat die
alte Sage des iranischen Volkes zum Gegenstand. Aber diese
Sage reicht in graue Vorzeit zurück. Sie trägt Züge der indo¬
iranischen Vergangenheit, ja noch ältere, die in die gemein¬
same Vergangenheit der indogermanischen Völker zurück¬
weisen. Der Name unseres Landes, Iran, bedeutet , Arier¬
land'; der Name der Arier ist bei den persisch und indisch
sprechenden Gliedern der alten Völkerfamilie bis zum heu¬
tigen Tage lebendig geblieben.
Das neue Persien richtet unter der Führung seines großen
Monarchen, Sr. Majestät Reza Schah Pahlavi, in diesen
Tagen seine Gedanken auf den großen Dichter der persischen
Nation. In Mazenderän hat einst Firdosi bei dem Herrscher
des Landes, einem Abkommen des alten Königshauses der
Sassaniden, Aufnahme und Anerkennung gefunden. Aus
Mazenderän ist der Monarch des heutigen Persien hervor¬
gegangen, der sein hochherziges Interesse an Firdosi dadurch
bekundet, daß er zum Gedächtnis des Dichters eine Feier
veranstalten läßt, wie sie in Persien für einen Meister des
Wortes noch nie veranstaltet worden ist, und daß er das
Grabmal des Firdosi, das der persischen Nation heilig ist,
würdig und groß erneuern läßt.
Die persische Nation ist sich dessen bewußt, daß Firdosi
gerade in Deutschland seit 100 Jahren Freunde und Ver¬
ehrer gefunden hat. Deutsche Dichter haben sich um die
Übersetzung seiner Verse bemüht, deutsche Gelehrte haben
das Schahname durchforscht. Die persische Nation empfindet
in diesen deutschen Arbeiten das freundschaftliche Verständ¬
nis, das man in Deutschland dem persischen Geist und der
persischen Kultur entgegenbringt.
In seinem Ringen um Freiheit, Einheit und Frieden kann
das deutsche Volk auf die lebhaften und warmen Sympathien
der persischen Nation rechnen. Bei Gelegenheit dieser Feier
habe ich die Ehre, dem großen deutschen Volke den Aus¬
druck der Verbundenheit und Freundschaft zu übermitteln.
Erlauben Sie mir, diese Empfindungen zusammenzufassen in
dem Ruf:
Es lebe der Führer und Reichskanzler des deutschen Volkes!
Festrede, gehalten bei der Jahrtausendfeier zum Gedächtnis Firdosis
zu Berlin am 27. September 1934.
Von Hans Heinrich Schaeder.
Als der Sarg des großen Firdosi aus dem einen Stadttor
seiner Vaterstadt Tus hinausgetragen wurde, da zog durch
das andere Tor — so erzählte man sich — eine Karawane ein,
die Geschenke für den Dichter brachte. Der sie sandte, war
der mächtige Sultan Mahmud von Ghazna, der Begründer
des ersten türkischen Großreiches auf dem Boden des öst¬
lichen Islam, der Ostiran und Afghanistan unterworfen hatte
und seine Herrschaft in Indien auszubreiten im Begriffe stand.
Zehn Jahre vorher hatte ihm Firdosi, damals schon fünfund¬
siebzig Jahre alt, sein großes Gedicht, das Schahname, das
Werk von fünfunddreißig Schaffensjahren, zugeeignet. Erst
jetzt hatte sich der Sultan bereit fmden lassen, ihm gebührend
zu danken — aber der Dank kam zu spät.
Dies Zu spät ist der ironische Abschluß eines stillen und
reinen Dichterlebens, eines Lebens, das einem großen Werk
geopfert worden war. Der Dank, den der Dichter bei Leb¬
zeiten begehrt und nicht gefunden hatte, ward seinem An¬
denken reichlich zuteil. Trotz des gewaltigen Umfangs seines
Gedichtes — sieben Bände waren nötig gewesen, um es auf¬
zuzeichnen — verbreitete sich der Ruhm des Schahname in
wenigen Menschenaltern überall hin, wo persisch gesprochen
wurde. Das geschah zu einer Zeit, da das persische Volk,
nach einem Jahrhundert nationaler Kräftigung, der Fremd¬
herrschaft unterlag und seine staatliche Führung für Jahr¬
hunderte an Türken und Mongolen abgab. In diesem Nieder-