UND DAS PROBLEM IHRER ENTSTEHUNG,
DARGESTELLT AM BEISPIEL DER
SÄPriTISCHEN 'ADAB /1L-Q/4Z)/-LITERATUR
Von Irene Schneider, Köln
Das islamische Recht kennt fünf Kategorien, welche menschliches Han¬
deln in Bezug auf Gott reglementieren. Diese Fünfer-Skala, genannt
al-'ahkäm al-hamsa, soll in ihrer begrifflichen Entwicklung Thema dieses
Beitrags sein.
Die einzelnen Kategorien stellen sich wie folgt dar:
1. wägib/fard (,, verpflichtend"): eine Handlung, deren Ausführung be¬
lohnt und deren Unterlassung bestraft wird.
2. sunna^/mandüb oder mustahabb (,,empfehlenswert"): eine Handlung,
deren Ausführung belohnt, deren Unterlassung aber nicht bestraft wird.
3. mubä/f/gä'iz {,, erlaubt"): eine Handlung, deren Ausführung weder
empfohlen noch verworfen wird, die also vom religiösen Standpunkt aus in¬
different ist.
4. makrüh (,, verwerflich"): eine Handlung, deren Ausführung nicht
strafbar ist, jedoch mißbilligt wird. Dabei wird unterteilt in
a) al-makrühu karähata t-tanz'ihi: eine Handlung, die insofern mißbil¬
ligt wird, als ihre Unterlassung empfohlen ist;
b) al-makrühu karähata t-tahrimi: eine Handlung, deren Ausführung
so sehr mißbilligt wird, daß sie fast mit der folgenden Kategorie zu¬
sammenfällt, nämlich:
5. haräm/mahzür (,, verboten"): eine Handlung, deren Ausübung be¬
straft und deren Unterlassung belohnt wird.'
Die 1. und 5. Kategorie werden im folgenden auch als Muß-, die 2. und 4.
als Soll- und die 3. als Kann-Vorschrift bezeichnet.
Die Einstufung menschlicher Handlung in die 'oMäm-Kategorien hat den
' Nicht zu verwechseln mit der sunna des Propheten, dazu Juynboll:
Handbuch, S. 59 ff.
2 Hierher gehört auch haläl, s. u., S. 216; vgl. auch Juynboll: Handbuch,
S. 60, Anm. 2: demnach ist haläl nur auf Sachen und Personen, nicht
aber auf Handlungen zu beziehen; dagegen ist Gräf: Klassifizierung,
S. 395 der Meinung, haläl sei auch mit Handlungen in Verbindung zu
bringen.
3 Zu dieser Skala vgl. Juynboll: Handbuch S. 59 f.; Goldziher:
Zähinten, S. 66 ff.; Gräf: ÜbertragbarkeU, S. 149; Schacht: Intro¬
duction, S. 120.
Die Terminologie der 'ahkäm al-hamsa 215
für das islamische Recht spezifischen ihtiläf {„Meinungsunterschied") .so¬
wohl zwischen einzelnen Gelehrten, als auch zwischen den Rechtsschulen,
verursacht."
Obwohl damit den ahkäm eine bedeutende Rolle im islamischen Recht zu¬
fällt, ist ihre Entstehung bisher nicht wirklich geklärt. Dennoch haben sie als
Ausgangsbasis für einen eher ideologisch denn wissenschaftlich zu nennenden
Disput gedient, der, weniger mit Fakten als mit Hypothesen geführt, die prin¬
zipielle (und prinzipiell schwer zu entscheidende) Frage des griechischen Ein¬
flusses auf die arabische Wissenschaft zum Gegenstand hat. Denn van den
Bergh hat in einer Anmerkung zu seiner Übersetzung des Tahäfut at-Tahäfut
von Averroes behauptet, die 'ahkäm leiteten sich von entsprechenden stoi¬
schen Termini ab. So sei xaxÖQdwua/rtcit factum dem wägib/fard gleichzu¬
ordnen, nQojjyfievov/commoüum dem mandüb/mustafiabb, dSidcpoipov/
medium dem gä'iz/mubäh, äTtoTtgoTjypivov/incommodum dem makrüh und
d//deT7/^a/peccatum dem haräm. Seine Beweisführung beschränkt sich aller¬
dings auf diese Gegenüberstellung. Auf darüber hinausgehende Fragen nach
Form und Zeitpunkt der Übernahme bleibt van den Bergh die Antwort
schuldig.'
Dagegen verweist Jadaane auf die zahlreichen Synonyma der arabischen
Termini, also z. B. mustaliabb/mandüb/sunna oder fard/wägib, sowie dar¬
auf, daß sich die bekannte Fünfer-Skala offenbar erst recht spät, nämlich im
6./12. bzw. 7./13. Jahrhundert, in den Rechtstexten findet. Jedoch sind dies
eher Beobachtungen allgemeiner Art denn genaue Untersuchungen und Ver¬
gleiche der Quellen, so daß von Jadaane konzediert werden muß, daß seine
Vermutung, es handele sich hier um einen Entwicklungsprozeß der 'ahkäm-
Termini, einen stoischen Einfluß nicht völlig ausschließt.*
Daraus ergibt sich für die folgende Untersuchung die Frage, ob die 'ahkäm
Ergebnis einer Rezeption griechischer bzw. lateinischer Termini sind oder aber
als Produkt einer autoehthonen islamischen Entwicklung gelten können.
Als Grundlage für eine solche Untersuchung soll die 'adab al-qädi-
Literatur dienen, die formales Recht enthält, also berufsspezifische Anwei¬
sungen an den Richter und Prozeßrecht. Im vorliegenden Fall wurde die
'adab al-Qädi-Literaim nur einer, nämlich der säfi'itischen Rechtsschule,
ausgewählt.
Der älteste Beleg dieser Literatur findet sich bei Säfi'i (st. 204/820) in al-
'Umm und zwar in der Überlieferung von ar-Rabi' b. Sulaymän al-Murädi
(st. 270/884). Sinngleich und praktisch wortgetreu findet sich dieser Ab-
" Juynboll: Handbuch, S. 60 f.; Goldziher: Zähiriten, S. 70; Gräf:
ÜbertragbarkeU, S. 149; Schacht: Introduction, S. 120.
' VAN den Bergh: Averroes' Tahäfut al-Tahäfut. 2. S. 177 zu S. 196; aufihn bezieht sich auch Graf: Klassifizierung, S. 419. Ähnlich unbefriedigend Brunschvig, Hermeneutique, S. 237, zu Parallelen im jüdischen Recht.
* Jadaane: L'influence, S. 188 f.
schnitt jedoch auch in Muzanis (st. 264/878) al-Muhtasar, der hier heran¬
gezogen werden soll, da er gleichzeitig als Vorlage für ein späteres Werk
diente, nämlich für Abü 1-Hasan al-Mäwardls (st 450/1058) Kitäb 'Adab
al-qädi. Dies ist kein Abschnitt mehr in einem //<7/i-Kompendium, wie die
ersten beiden genannten Belege, sondern eine monographische Abhandlung
des Themas und hat dieses Charakteristikum gemeinsam mit dem jüngsten
hier benutzten Werk, nämlich Ibn AbT d-Dams (st. 624/1244) Kitäb 'Adab
al-qadä '.
Die Untersuchung beschäftigt sich zunächst mit der theoretischen Ausarbei¬
tung der 'ahkäm, wobei hier neben den eben genannten Texten noch Säfi'is
rechtstheoretisches Hauptwerk, die Risäla, und Muzanis terminologischer
Traktat Kitäb al-'Amr wa-n-nahy benutzt wurde (Abschnitt 1). Darauf folgt
ein Vergleich ausgewählter Textbeispiele (Abschnitt 2).
1. Theorie
Eine Durchsicht der Risäla und des Kitäb al-'Amr wa-n-nahy enttäuscht die
Erwartung, daß hier ein ausgearbeitetes Konzept der 'ahkäm zu finden sei. Al¬
lerdings schließt dies nicht aus, daß zumindest in Ansätzen Terminologie be¬
nutzt worden ist. Dies beweist das in der Risäla auffallend häufig verwendete Begriffspaar haräm (,,verboten") — haläl (,, erlaubt"),'' wobei haläl synonym
zu mubäh verwendet wird.* Es handelt sich um Terminologie, weil die Benut¬
zung dieser Ausdrücke an strikte, von Säfi i angegebene Regeln gebunden ist:
All diese Ausdrücke haben auf Koran und sunna zurückzugehen, können dar¬
über hinaus jedoch auch durch methodische Deduktion aus diesen beiden
Quellen, also durch igmä' (,, Konsensus") und qiyäs (,,Analogie"), erschlos¬
sen werden.' Daneben kommt der ebenfalls auf Koran und sunna beschränkte
Begriff /orrf mehrfach vor.'° Jadaane meint aus diesem Befund schließen zu
können, daß sowohl für fard als auch für haräm — also für die beiden Muß-
Vorschriften — von koranischem Ursprung ausgegangen werden kann." Das
'' Säfi'i: Risäla (zitiert wird zunächst die Seitenzahl der Ed. Säkir, dann
die der Übersetzung von Khadduri) S. 17/64, 33/76, 92/120, 111/127,
173/157 etc; vgl. auch Jadaane: L'influence, S. 187.
8 Säfi'i: Risäla, S. 233/191, 300/220, 355/178.
9 Ibid. S. 39/78; für die frühen Hanafiten vgl. Ansari: Terminology,
S. 281.
10 Säfi'i: Risäla S. 21/67 f.— 24/70, 32 f./76, 41/80, 85/116, 92/120 etc.
Zu wägib vgl. S. 41/80, 115/129, 143/143, 158, 149, 165/152; qad
augaba Iläh: 200/168, 301/221; dazu auch Gräf: Klassifizierung, S. 391, 393 ff., 400, 405, 418; Jadaane: L'influence, S. 187.
" Jadaane: L'influence, S. 187.
Die Terminologie der 'ahkäm al-hamsa . 217
erscheint zumindest für SäfiT plausibel. Allerdings trifft dies genauso für den
Terminus haläl zu, der ja, wie festgestellt, synonym zu mubäh ist. Mubäh,
bzw. das entsprechende Verbalsubstantiv 'ibäfja, findet sich in Verbindung
mit 'irsäd (,, Rechtleitung") und 'adab (..Verhaltensregel") mehrfach in
der Risäla, und zwar eindeutig als Ausdruck der Indifferenz im Gegensatz
zur absoluten Verpflichtung der beiden Termini fard und harämß
Analog stellt sich die Situation bei Muzani dar, und das, obwohl derTitel
seines Traktates Kitäb al-'Amr wa-n-nahy (,,Buch über das Ge- und Verbot")
eher einen dichotomischen Ansatz vermuten lassen könnte. 'Ibäha wird auch
hier als indifferente Mitte gegenüber 'amr, der absoluten Verpflichtung, und
nahy, dem absoluten Verbot, verstanden."
Damit aber ist als Grundkonzept bei Säfi'i und Muzani eine Dreier-Skala
erkennbar, welches die beiden Muß-Vorschriften (negativ und positiv) und
die Kann-Vorschrift enthält. Es fehlen die Soll-Vorschriften der späteren
Fünfer-Skala, nämlich mustahabb und makrüh. Diese finden sich jedoch —
zumindest im Rahmen der hier benutzten Texte — erst bei Mäwardi, und
zwar als Erweiterung des von Muzani ausgearbeiteten 'ü'/77/'-«fl/?>'-Schemas.
Demnach besteht 'amr (,, Gebot") aus wugüb (,, Verpflichtung"), istihbäb (,, Empfehlung") und 'ibäha (, .Erlaubnis"), während sich nahy (,, Verbot")
in tahrim (,, Verbot"), karäha (,, Verwerflichkeit") und tanzih
(,, Fernhalten") untergliedert.'" Ibn Abi d-Dam schließlich nennt unter dem Oberbegriff furü' as-sari'a (,, Ableitungen des Rechts") haläl (,, erlaubt"), haräm (,, verboten") wägib (,, verpflichtend") und mandüb (, .empfohlen"),
nicht aber das von ihm im Text häufig benutzte makrüh (,, verwerflich") und
mustahabb (,, empfehlenswert ")."
Mäwardi hat demnach eine Sechser-, Ibn Abi d-Dam eine Vierer-Skala, wo¬
bei daneben zahlreiche Synonyma benutzt werden. Eine Fixierung auf fünf
Kategorien ist auch im jüngsten der hier benutzten Texte noch nicht naehzu¬
vollziehen, und es scheint sich Jadaanes Behauptung zu bestätigen, daß die¬
selbe erst zu einer späteren Zeit Allgemeingut der Rechtsliteratur geworden
ist. '6
'2 Säfi'i: Risäla S. 41/79, 510/306.
13 Muzani: Kitäb al-'Amr wa-n-nahy. Ed. Brunschvig: Le Livre, S. 164.
'" Mäwardi: 'Adab al-qädi, Abschnitt (im folgenden abgekürzt als A.)
463 ff.
" Ibn Abi d-Dam: Kitäb 'Adab al-qadä', A.2.
Jadaane: L'influence, S. 187 f.
218
Muzani
2. Textbeispiele'''
Mäwardi Ibn AbT d-Dam
1.8,407: qäla s-Säfi'iyu:
'uhibbu li-l-qädi 'an yaqdiya Ji mawdi'in bärizin li-n-näsi
2. Ibid.: lä yaküna dünahü huggäbun
A.230: dto.
A.249: dto.
A.263: wa-'in nabara
baynahum fi därihi ...
gäza wa-lam yukrah
A.255: dto.
A.256: ... yukrahu li-l-qädi 'an yaküna
muhtagiban ...
A.257: iva-yukrahu 'an
yaküna lahü hägibun ...
A.260: (ih) ... yukrahu lid-qädi ttihädu l- hägibi fl zamäni l-isti-
qämati ... fa- 'ammä fi
zamäni l-ihtiläfi ... fa-
/-mustahabbu lahü an
yattahida hägiban .. .
A.26I: .. .fa-'ammä li-
l-'a'immati fa-lä yukra¬
hu lahumu ttihädu l-hägibi bal
yustahabbu lahum ...
A.39: qäla S-Säfi'iyu,
yanbagi lid-häkimi 'an
lä yattahida hägiban ... (ih) ... yustahabbu lahü 'an yattahida hägiban
Im folgenden wird eine Auswahl von Textbeispielen gegeben, welche ter¬
minologisch relevante Stellen enthalten. Dabei wurde als ältester Text Muzani gewählt, weil er als direkte Vorlage für Mäwardi gedient hat. Die entsprechende Stelle in der Überlieferung des Rabi' findet sich in Säfi'is
Al-'Umm 6, S. 214. Die Punkte 1—4 sind bei Muzani — und entspre¬
chend bei Mäwardi, der wörtlich zitiert, dem 'uhibbu (,,ich empfehle") von Punkt 1 untergeordnet. Zitiert wird bei Mäwardi und Ibn Abi d-Dam nach Abschnitten (A.). (Ih) bedeutet /A//7ö/(,,Meinungsverschieden¬
heit"), welche hier angeführt wird, wenn sie terminologisch interessant ist.
Die Terminologie der 'ahkäm al-hamsa . 219
3. Ibid.: wa-'an yaki fi gayri l-masgidi ...
A.264: dto.
A.265: 'ammä l-qadä'u fi l-masgidi fa-lä yukra¬
hu ß hälatayni ...
A.266: wa-'ammä mä
'adä hä tayni l-häla tayni
... /ö-makrühun 'inda
s-Säß ' iyi ... (ih) ... lä
yukrahu ... ß
karähatihi riwäyatäni ... wa- 'idä käna hädä min fi'li rasüli Ilähi ... lam yukrah
A.267: wa-dalilunä 'alä
karähatihi ... fa-dalla
'alä karähatihi mä
'adähumä ßhi ...
4. Ibid.: ß 'arfaqi l- 'amäkini bihi
5. Ibid.: Wa-'anä li- 'iqämati l-haddi ß l- masgidi 'akrahu
A.269: dto.
A.272: dto.
A.273 ... 'inna 'iqä¬
ma ta l-hudüdi ß l- masgidi makrühatun A.274: (ih) ... gayru makrühatin
A.43: nassa S-Säfi'iyu ... 'alä 'annahü yukrahu lahü l-gulüsu ß l-masgidi ... wa- nassaß mawdi'in
'alä 'annahü
lä yustahabbu ... (ih)
... lä yukrahu 'alä hädä n-nassi t-täni ...
wad-mashüru ß
madhabinä /-karähatu
'Ulä 'annahü tä hiläfa ß
'annahä karähatu tanzihin ...
6. Ibid.: wa-ma'qülun ß qawli rasüli Ilähi .. .:
,,lä yahkumu l-häkimu wa-lä yaqdi l-qädl bay¬
na tnayni wa-huwa gadbänu" ...
A.277: dto.
A.279: ... yanbagi lid-
qädi ...
A.46: ... fa-'innahü
yukrahu lahü an
yaqdiya wa-huwa gadbänu ... /a-kuriha
7. Ibid.: iva-'akrahu lahü l-bay 'a wa-s- sirä 'a ...
A.367: dto.
A.368: wa-'innamä ku-
riha lahü 'an yubäsira l-bay 'a wa-s-sirä 'a ...
(ih) wa- 'in lam yakun
karihahü Abü Hamfata
A.49: ... yukrahu lahü
mubäsaratu l-bay'i wa-
s-sirä'i ... wa-häkadä
yukrahu lahü wulügu l-
'aswäqi
8. Ibid.: wa-lä 'uhibbu 'an yahtalifa 'ani l-walimati ...
A.374: dto.
A.375: ... /fl-yagüzu 'an yugiba ...
A.378: (ill) fa-takünu l-'igäbatu 'alä l-waghi l- 'awwali fardan, ya'tamu bi-tarkihi,
wa-'alä l-waghi t-täni
mustahabbatan yukra¬
hu lahü tarkuhä ...
A.5I: 'ammä
l-walä'imu l-'ämmatu
fa-lä yukrahu lahü
l-'igäbatu 'ilayhä wa- walimatu l-'ursi
yustahabbu lahü
'ityänuhä ...
wa-ß wugübihä 'alayhi
waghäni ...
9. Ibid.: wa-ya'üdu l-mardä ...
A.387: dto.
A.389: wß-yagüzu lid-
qädi ß l-'iyädati ...
'an ya'umma
A.52: ... 'ammä 'iyädatu l-mardä ...
/fl-yustahabbu ... law
marida 'ahadu l-has- mayni hat yustahabbu lahü 'iyädatuhü?
A.53: (ih) ... gäza li-l- qädi 'an yad'uwahü
'ilä därihi
10. Ibid.: wa-'idä bäna lahü min 'ahadi l-hasmayni ladadun nahähu ...
A.392: dto.
A.395: ... fa-'innanä
nastahibbu 'an lä
yahlu wa maglisu hukmihi min suhüdin wa-fuqahä 'a ...
A.403: ... gäza 'an
yatagäwaza zawägira l-
kalämi 'ilä d-darbi wa- l-habsi ...
A.406: fa-'in gama' a ß
ladadihi bayna l- 'am- rayni gäza ...
II. Ibid: wa-yuSäwiru-
hum, qäla Uähu .. .:
,,wa-'amruhum sürä
baynahum" wa-qäla li-nabiyihi .. .:
,,wa-säwirhum ß
l-'amri".'^
A.408: dto.
A.409: 'ammä l-musä-
waratu /a-mandübun 'ilayhä ...
A.44; ... wa-l-musäwa- ratu mustahabbatun
Die Terminologie der 'ahkäm al-hamsa . 22\
Die Terminologie dieser Belege weist eine auffallend häufige Verwendung
derjenigen Kategorien auf, die im theoretischen Konzept Säfi'is und Muzanis
gefehlt hatten, nämlich makrüh und mustahabb. Allerdings findet sich die üb¬
liche, terminologisch fixierte Form, also yukrahu, makrüh, mustahabb etc.,
erst bei Mäwardi und Ibn Abi d-Dam. Hingegen formuliert Säfi'i, hier in
Muzanis Überlieferung, anders, nämlich persönlich: 'uhibbu (,,ich empfehle") und 'akrahu (,,ich verwerfe")." Derselbe Begriff einmal in persönlicher, ein
andermal in unpersönlicher Formulierung: Was kann das bedeuten? Mäwardi
selbst gibt einen Hinweis auf die Lösung des Problems, wenn er an anderer
Stelle Säfi'is 'uhibbu mit istihbäb gleichsetzt. 2" Was bei Säfi'i bloßer Aus¬
druck einer Empfehlung war, also nicht terminologisch fixiert ist, wird bei Mä¬
wardi und später bei Ibn Abi d-Dam zum Terminus im Rahmen der 'ahkäm:
An dieser Stelle wird Begriffsbildung transparent. Gleichzeitig ist hierin jedoch
auch der Grund dafür zu sehen, daß sowohl Schacht als auch Jadaane ver¬
merken, die beiden Termini mustahabb und makrüh wären Säfi'i noch unbe¬
kannt. 2' Das ist richtig für die ,, Termini", trifft jedoch für die zugrundeliegen¬
de Formulierung nicht zu.
Von den zitierten Belegen weisen jedoch die Punkte 6, 9, 10 und 11 bei
Muzani keine 'o/i/röw-Formulierung auf.^^ Dabei sind Punkt 9 und 10 im In¬
dikativ bzw. im Konditional konstruiert, beides Formulierungsmöglichkei¬
ten, die direkt der Rechtspraxis entnommen worden sind.^' Dagegen beruh¬
ten die beiden Punkte 6 und 11 auf der eigentlichen Basis des islamischen
Rechtes, nämlich den 'usül al-fiqh, den ,, Rechtsprinzipien": Punkt 6 geht
auf einen hadit zurück und Punkt 1 1 wird gleich durch zwei Koranverse be-
'8 Koran, übers, von Paret, Sure XLII, Vers 38 und Sure III, Vers 159.
" Einzige Ausnahme ist Mäwardi, Punkt 10, A.395: nastahibbu (,,wir
empfehlen"). Dies ist jedoch im gesamten Werk das einzige Mal, daß Mäwardi zu einer solchen Formulierung greift.
20 Mäwardi: Kitäb 'Adab al-qädi h..\12\; dagegen wird Säfi'is Formulie¬
rung ra'aytu (,,ich bin der Meinung") als istihbäb oder 'igäb verstan¬
den, vgl. ibid.; s. a. Gazzäh: Kitäb al-Mustasjä. 1. S. 66f., wo die Mei¬
nung vertreten wird, daß Säfi' i tahrim (,, Verbot") meine, wenn er 'akra¬
hu (,,ich verwerfe") sagt. Dies ist eventuell mit der Unterkategorie von karähat, nämlich karähatu t-tahrim (s. S. 214) in Verbindung zu bringen.
21 Jadaane: L'influence, S. 187; Schacht: Origins, S. 57 ff., 133 ff.; vgl.
dazu aber auch Säfi'i: Risäla, S. 49/93: nudiba S. 116/130: nuhibbu,
S. 345/144: 'ahabbu ilayya, S. 345/145: dass., S. 390/248: 'agaznä,
S. 544/323: karihahü Ibn Mas'üd.
22 Dies bedeutet jedoch nicht, daß nicht in den jüngeren Quellen diese Ter¬
minologie benutzt würde.
23 Vgl. Graf: Klassifizierung, S. 388, der Imperativ, Jussiv, Konditional
und Bejahung/Verneinung nennt. Obwohl nicht explizit von ihm ge¬
nannt, kann man dem den Indikativ hinzufügen; s. a. Reckendorf:
Syntaktische Verhältnisse, S. 60 f.
222
gründet. An dieser Stelle lohnt sich jedoch ein Vergleich von Muzanis Text
mit der Überlieferung von Rabi' b. Sulaymän. Denn hier, in der ansonsten
praktisch wortgleichen Aussage, finden sich keine Koranverse.^" Da auch in
den Korankommentaren, etwa von Tabari^' der Bezug zum Propheten, even¬
tuell zu den Menschen allgemein, keinesfalls jedoch spezifisch zu den Rich¬
tern hergestellt wird und sich bei Rabr an dieser Stelle die Formulierung
'uhibbu findet, tritt der sekundäre Charakter der Koranverse an dieser Stelle
klar hervorSäfi'i, ansonsten als Begründer der Rechtstheorie bekannt, hat
hier also vornehmlich auf der Basis der Rechtspraxis argumentiert. Die feh¬
lende Koran- und st/nwo-Grundlage beweist dies ebenso wie die persönliche
Formulierung 'ufiibbu, mit der Säfi'i für sich — nicht jedoch unbedingt für
andere — anstehende Fragen der Prozeßpraxis entscheiden wollte.
Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß eine Vorform der späteren
'ahliäm bei Säfi'i und Muzani als eine Dreier-Skala vorliegt, welche die bei¬
den Muß- und die Kann-Vorschriften beinhaltet. Die Soll-Vorschriften wur¬
den erst später eingefügt, wobei eine Beschränkung auf fünf Kategorien im
Rahmen der vorliegenden Texte noch nicht nachweisbar ist.^'' Gleichzeitig
wird jedoch die Fixierung der Termini am Beispiel der Soll-Vorschriften
greifbar: Während bei Säfi'i die Formulierung in der ersten Person einen
individuellen Empfehlungscharakter trägt, sind die Soll-Vorschriften bei
Mäwardi und Ibn Abi d-Dam zu Termini geworden und werden als obliga¬
torische Handlungsanweisungen verstanden. Ein solcher Befund legt jedoch
— um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen — die Annahme
einer kontinuierlichen Entwicklung der 'ahlcäm nahe, wobei ein Teil der Ter-
^ Vgl. Säfi'i: Al-Umm. 6. S. 214 f.
« Tabari: Öämi'. 25. S. 356 f. (zu XL1I,38); vor allem aber 4. S. 152 ff. (zu 111,159).
2* Vgl. dazu Gräf: Gerichtsverfassung, S. 63 f., der allgemein die fehlende Koran- und iu/ina-Grundlage in frühen Rechtswerken mit der Schwierig¬
keit erklärt, vorkommende Streitfälle so zu analysieren, daß sie auf ein¬
schlägige Koranstellen zurückzuführen sind, sowie auf die Unsicherheit, inwieweit sich entsprechende Verse speziell auf den Propheten beziehen.
Dies ist vor allem für Sure III, Vers 159, zutreffend.
2' Damit ist jedoch die Existenz eines ausgearbeiteten Konzepts der 'ahkäm in der Frühzeit nicht denkbar. Das widerlegt Ansäri, der in seinem Auf¬
satz Terminology, S. 294 ff., behauptet hatte, ein Konzept etwa von
makrüh sei in seinem klassischen Sinne in den frühen Quellen (und hier bezieht er sich auf hanafitische Werke vor Säfi'i) durchaus bekannt ge¬
wesen, ohne daß diese Begriffe bereits als Termini benutzt worden wä¬
ren. Gerade für makrüh und mustahabb trifft das nach den hier gewon¬
nenen Ergebnissen nicht zu.
Die Terminologie der 'ahkäm al-hamsa . 223
mini koranischen Ursprungs, bzw. der Tradition entnommen ist (Muß-Vor¬
schriften, Kann-Vorschrift), während der Rest (Soll-Vorschriften) auf die
Rechtspraxis zurückgeht. Eine Übertragung der Termini aus dem Griechi¬
schen bzw. Lateinischen ist unwahrscheinlich, vielmehr muß von einem ge¬
nuin islamischen Prozeß der Begriffsbildung ausgegangen werden.
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DER EINFLUSS DES ISLAMISCHEN GESETZES
(SARI A) AUF DIE ÄGYPTISCHE RECHTSPRAXIS
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Von Gamal ad-Din Muhammad Mahmud, Kairo
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