• Keine Ergebnisse gefunden

Gary W. Cox, Mathew D. McCubbins: Setting the agenda : responsible party government in the US House of Representatives

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Gary W. Cox, Mathew D. McCubbins: Setting the agenda : responsible party government in the US House of Representatives"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Gary W. Cox, Mathew D. McCubbins: Setting the Agenda. Responsible Party Government in the U. S. House of Representatives. Cam- bridge/New York: Cambridge University Press 2005, 336 S., £ 15,99.

Ulrich Sieberer

Jahrzehntelang wurde das Abstimmungsverhal- ten US-amerikanischer Kongressabgeordneter hauptsächlich mit deren individuellen Präfe- renzen und der ideologischen Prägung ihrer Wahlkreise erklärt. Seit Anfang der 1990er Jah- re nimmt die Forschung hingegen wieder ver- mehrt Parteien in den Blick, nicht zuletzt in Folge des 1993 erschienenen Bandes „Legisla- tive Leviathan“ vonGary W. CoxundMathew McCubbins. Dort erklärten die Autoren die Bil- dung von Parteien als Instrument zur Überwin- dung kollektiver Handlungsprobleme durch Delegation von Machtressourcen an eine zen- trale Parteiführung, ein Argument, das auch von europäischen Parteitheoretikern aufgegrif- fen wurde. Nun haben Cox und McCubbins mit „Setting the Agenda“ ein neues Buch vor- gelegt, das ihre früheren Arbeiten in wichtigen Punkten weiterführt. Neue Perspektiven für die Forschung bietet besonders der Fokus auf Agendakontrollrechte als Mechanismen, mit deren Hilfe die Mehrheitspartei im Kongress Politikergebnisse beeinflussen kann. „Setting the Agenda“ hat damit das Potenzial, den Schwerpunkt der Debatte von der generellen Frage „Do parties matter?“ in Richtung der konkreteren Frage „How do parties matter?“ zu verschieben.

Im Theorieteil des Buches (Kapitel 2 und 3) entwerfen die Autoren ihre „prozedurale Kar- telltheorie“. Demzufolge nimmt die Mehrheits- partei im Repräsentantenhaus vor allem durch die Monopolisierung von Agendakontrolle Ein- fluss auf die Ergebnisse des parlamentarischen Prozesses. Sie steuere so, welche Gesetzesvor- schläge im Plenum überhaupt zur Abstimmung kommen. Die direkte Beeinflussung des Ab- stimmungsverhaltens von Parteimitgliedern sei demgegenüber zweitrangig. Im empirischen Teil (Kapitel 4 bis 10) stellen die Autoren die Entstehung eines prozeduralen Kartells der

Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus im ausgehenden 19. Jahrhundert dar und überprü- fen Implikationen ihrer Theorie auf verschiede- nen Stufen des Gesetzgebungsprozesses.

In „Setting the Agenda“ konzeptionalisieren Cox und McCubbins die Parteiführung als So- zietät in Anlehnung an Kanzleien (partnership).

Innerhalb einer solchen Sozietät gibt es eine Reihe von relativ autonomen Seniorpartnern, die aber an einen treuhänderischen Mindest- standard (fiduciary standard) von Loyalität ge- genüber der gesamten Sozietät gebunden sind.

Die zentrale Machtressource in den Händen der Seniorpartner sei die monopolisierte Kon- trolle der legislativen Agenda. Die Autoren un- terscheiden zwischen negativen Agendakon- trollrechten, mit denen die Behandlung von Vorlagen im Plenum verhindert werden kann, und positiven Agendakontrollrechten, die ei- nen Akteur in die Lage versetzen, bestimmte Vorschläge auf die Tagesordnung zu setzen und möglicherweise zusätzliche Details ihrer Be- handlung festzusetzen.

Das Agendakontrollkartell entsteht, indem innerparlamentarische Amtsträger – besonders der Speaker, das mit der Festlegung der Tages- ordnung betraute Rules Committee und die Ausschussvorsitzenden – als Seniorpartner mit speziellen Agendakontrollrechten ausgestattet werden und die Mehrheitspartei sich einen überproportionalen Anteil dieser Ämter si- chert. Cox und McCubbins nehmen als Loyali- tätsstandard an, dass diese Seniorpartner keine Vorschläge auf die Tagesordnung setzen, die von einer Mehrheit ihrer Partei abgelehnt wür- den. Solches Verhalten würde mit der Abwahl durch die Partei bestraft. Sie erwarten hingegen nicht, dass Seniorpartner immer dazu ver- pflichtet werden könnten, ihre Vorrechte aktiv zur Durchsetzung von Zielen der Mehrheit zu nutzen. Solch ein stärkerer Standard ließe sich nur bei großer innerparteilicher Präferenzho- mogenität durchsetzen. Einfache Abgeordnete sollten sich nach der Theorie zumindest bei prozeduralen Abstimmungen loyal gegenüber ihrer Parteiführung verhalten, da sie durch das prozedurale Kartell letztlich wichtige indivi- duelle Ziele besser erreichen können.

Diese Grundlogik wird in Kapitel 3 in ein idealisiertes räumliches Modell überführt. Die- sem stellen die Autoren ein rein präferenzba- siertes Modell gegenüber, in dem die Agenda vom Parlamentsmedian bestimmt wird. Im em- 506

Zuerst ersch. in: Politische Vierteljahresschrift ; 47 (2005), 3. - S. 506-507 http://dx.doi.org/10.1007/s11615-006-0085-z

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-163124

(2)

pirischen Teil werden die Implikationen dieser Modelle gegeneinander getestet, wobei teilwei- se idealisierende Annahmen aufgegeben werden (z. B. werden in Kapitel 6 auch die Kosten des Einsatzes negativer Agendakontrolle themati- siert).

In Kapitel 4 betonen die Autoren den epo- chalen Einschnitt, den die Geschäftsordnungs- reformen des späten 19. Jahrhunderts (gipfelnd in den nach Speaker Thomas Reed benannten

„Reed’s Rules“) für die Verteilung von Agenda- kontrollrechten im Repräsentantenhaus darstel- len. Mit diesen Reformen verlor die Minder- heit Blockademöglichkeiten, und die Mehr- heitspartei wurde in die Lage versetzt, über das von ihr dominierte Rules Committee sowie über privilegierte, d. h. mit besonderen Agen- dakontrollrechten ausgestattete Ausschüsse ihre Gesetzesentwürfe nach Belieben auf die Plenar- agenda zu setzen. Diese Machtressourcen der Mehrheitspartei sind seitdem erhalten geblie- ben.

Die Autoren verwenden zwei zentrale Indi- katoren zur Überprüfung ihrer Theorie: einmal die so genannteroll rate, definiert als Anteil der Abstimmungen, bei denen die Mehrheit einer Partei erfolglos gegen die Annahme eines Vor- schlags stimmt. Cox und McCubbins erwarten, dass die Mehrheitspartei aufgrund von Agenda- kontrolle keine rolls erleiden sollte, während die Minderheit keine Möglichkeiten hat, solche zu verhindern. Der zweite zentrale Indikator ist die Richtung, in die ein Gesetz den Status quo verändert. Aufgrund ihrer Agendakontrollrech- te kann die Mehrheitspartei Veränderungen des Status quo in eine für sie ungünstige Richtung verhindern. Entsprechend erwarten Cox und McCubbins, dass in Zeiten demokratischer (re- publikanischer) Mehrheiten der Großteil der Gesetze den Status quo nach links (rechts) ver- ändern wird.

Die Autoren untersuchenroll ratessowie die Richtung von Veränderungen des Status quo bei Endabstimmungen im Plenum (Kapitel 5, 6 und 9), im Rules Committee (Kapitel 7) und in den sonstigen Ausschüssen (Kapitel 8) und finden vielfältige Ergebnisse im Einklang mit ihrer Theorie. Erstens ist dieroll rateder Mehr- heitspartei seit Einführung von Reed’s Rules in der Tat konstant sehr niedrig (je nach Art der

Abstimmung 0 bis 2,5 Prozent). Zweitens wird der Status quo durch neue Gesetze tatsächlich ganz überwiegend in Richtung der Mehrheits- partei verschoben (in 81 % bzw. 84 % der Fäl- le unter demokratischer bzw. republikanischer Mehrheit). Drittens ist die roll rateder Mehr- heitspartei seit der Einführung von Reed’s Rules dauerhaft deutlich niedriger, die der Minderheitspartei hingegen deutlich höher als vorher. Ebenso stieg der Anteil der Gesetze, die den Status quo im Sinne der Mehrheitspartei verschieben, stark an. Viertens schneiden die Vorhersagen der Theorie im Vergleich zu rein präferenzbasierten Theorien durchweg besser ab.

Insgesamt ist „Setting the Agenda“ ein gro- ßer Wurf für die Kongressforschung. Die „pro- zedurale Kartelltheorie“ ist theoretisch über- zeugend und erweist sich empirisch als sehr er- folgreich. Theoretisch zentral ist die Erkennt- nis, dass die Mehrheitspartei über Agendakon- trolle weitreichenden Einfluss auf die Ergebnis- se des parlamentarischen Prozesses nehmen kann, ohne dass ihre Mitglieder dafür gegen ih- re eigenen inhaltlichen Präferenzen stimmen müssen. Wichtig ist weiterhin die Feststellung, dass die Mehrheitspartei über negative Agenda- kontrolle Veränderungen zu ihrem Nachteil grundsätzlich verhindern, ein eigenes Pro- gramm mittels positiver Agendakontrolle hin- gegen nur bei großer innerparteilicher Präfe- renzhomogenität durchsetzen kann.

Für Komparativisten interessant sind beson- ders die beiden Typen von Agendakontrollrech- ten sowie die Frage, wonach sich deren Mi- schungsverhältnis richtet. Cox und McCubbins verweisen auf erste vergleichende Überlegun- gen in diese Richtung. Lohnend wäre auch zu untersuchen, wie Agendakontrollrechte inner- halb der Gruppe von Seniorpartnern verteilt werden. Die Autoren klammern diese Frage ex- plizit aus, da zunächst nur die Relevanz von Parteien an sich gezeigt werden soll. Wenn de- ren Relevanz hingegen, wie in parlamentari- schen Systemen, generell anerkannt ist, ge- winnt die weiterführende Frage an Bedeutung, welche innerparteilichen oder innerkoalitionä- ren Gruppierungen über Agendakontrolle be- sonderen Einfluss auf Politikergebnisse nehmen können.

507

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dieses Makro geht davon aus, dass die gespeicherte Prozedur von MySQL/MariaDB einen Rück- gabewert hat, der aber leider nicht über eine Abfrage, sondern nur direkt über SQL auf

Dieses Makro geht davon aus, dass die gespeicherte Prozedur von MySQL/MariaDB einen Rückgabewert hat, der aber leider nicht über eine Abfrage, sondern nur direkt über SQL auf der

Dieses Makro geht davon aus, dass die gespeicherte Prozedur von MySQL/MariaDB einen Rück- gabewert hat, der aber leider nicht über eine Abfrage, sondern nur direkt über SQL auf

For some analysts, the most important challenge facing Pakistan is “the crisis of conscience and integrity of the ruling elite – civilian and military” whose entire aim is seen

Es soll entschieden werden an welchen Standorten und in welcher Periode Lager gebaut werden sollen.. Das bereits mehrfach benutzte Standortplanungsproblem für Lager setzte einen

Beijing is actively promoting regional infrastruc- tural development across Asia (the main Silk Road projects are supported by an array of small- er projects such as

The  Third  Plenum  of  the  18th  CCP  CC  is  nonetheless  a  major  attempt  at  boosting  China’s  economy  and  lifting  the  country  up  to  the  ranks 

Government agenda-setting rights in the Bundestag are weak. The theoretical part of this article discusses various aspects of agenda setting and their theoreti- cal relevance