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Diplomarbeit. Pharmakokinetische Aspekte in der perioperativen Schmerztherapie bei Neugeborenen und Säuglingen

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Diplomarbeit

Pharmakokinetische Aspekte in der perioperativen Schmerztherapie bei Neugeborenen und Säuglingen

eingereicht von

Anita Teresa Semlitsch

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktorin der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt am

Institut für experimentelle und klinische Pharmakologie unter der Anleitung von

ao. Univ.-Prof. Dr. med. univ. Josef Donnerer

Graz, 15. November 2017

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Graz, am 15.11.2017 Anita Teresa Semlitsch eh

(3)

Vorwort

„Die Therapie des Kindesalters bedeutet nicht lediglich eine Restriktion der Behandlung des Erwachsenen, sondern baut sich auf genaue Kenntnisse der Physiologie dieser Lebensepoche auf (…) Viel Unglück hat schon die Mathematik in der Medizin angerichtet, und eine einfache Berechnung der sogenannten refrakten Dosen für das Kindesalter aus der Gewichtsdifferenz können leicht ebenfalls ein solches anrichten“ (1).

Im Rahmen der Ausbildung zur Rettungsmedizinerin durfte ich eine Famulatur auf der Kinderanästhesie des Universitätsklinikums Graz absolvieren und kam dort intensiviert mit der Problematik von Medikamentenauswahl und -dosierung bei Kindern, im Speziellen bei Neugeborenen und Säuglingen in Berührung. Beim Versuch die zugrunde liegenden pharmakologischen und patho-/physiologischen Zusammenhänge zu verstehen stieß ich auf das oben angeführte Zitat von Rudolf Fischl, einem der Pioniere auf dem Gebiet der pädiatrischen Pharmakologie. Ich habe mir seinen Ausspruch zu Herzen genommen, mich weiter damit beschäftigt und beschlossen meine Diplomarbeit auf diesem Gebiet zu verfassen.

Der interessierten Leserin/dem interessierten Leser soll die vorliegende Arbeit einen Überblick über die pharmakokinetischen Besonderheiten des Neugeborenen und Säuglings über den Verlauf des ersten Lebensjahres im Hinblick auf perioperativ wichtige Wirkstoffgruppen geben.

(4)

Danksagungen

Aus tiefstem Herzen bedanken möchte ich mich bei meiner Familie, die mich durch das Leben und das Studium begleitet hat und in schönen wie schwierigen Zeiten immer an meiner Seite war.

Bedanken möchte ich mich auch bei allen Lehrenden und Mentorinnen/Mentoren für alle Inspiration und Begeisterung die ich erfahren durfte und euer Wissen &

Können welches ihr mit mir geteilt habt.

Ein weiterer tief empfundener Dank gilt meinen Freunden, ohne euch und eure Unterstützung; Zeit, Kaffee & Kekse wäre meine Studienzeit nur halb so schön gewesen.

Ebenso herzlich danken möchte ich Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. Josef Donnerer, der es mir ermöglichte meine Diplomarbeit über ein Thema zu schreiben das mich wirklich interessiert und begeistert und dessen fachkundige Anleitung das Verfassen wesentlich erleichterte.

Nicht zuletzt ein herzliches Dankeschön an meinen Lebensmenschen für all deine Unterstützung und Hingabe, deinen Wissensdurst, Humor und unerschütterlichen Optimismus: ich schätze mich glücklich dich in meinem Leben zu haben.

(5)

Inhaltsverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung ...II Vorwort………...III Danksagungen ...IV Abkürzungen ...VII–VIII Abbildungsverzeichnis ...IX Tabellenverzeichnis ...X Zusammenfassung ...XI Abstract ...XII

1. Einleitung ... 1

2. Material und Methoden ... 2

3. Physiologische Grundlagen von Schmerzempfindung und -verarbeitung ... 3

4. Besonderheiten der physiologischen Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung im Neugeborenen- und Säuglingsalter ... 6

4.1 Blut-Hirn-Schranke ... 8

4.2 Rezeptoren ... 9

5. Auswirkungen insuffizienter Schmerztherapie ... 9

6. Perioperative Schmerztherapie im Kindesalter ... 11

7. Grundlagen der Pharmakokinetik ... 18

8. Absorption ... 19

8.1 Physiologische Besonderheiten der Absorption im Neugeborenen- und Säuglingsalter ... 20

8.1.1 Gastrointestinaltrakt ... 20

8.1.2 Haut ... 23

8.2 Auswirkungen der Besonderheiten der Absorption im Neugeborenen- und Säuglingsalter bei ausgewählten Substanzgruppen in der perioperativen Schmerztherapie ... 23

(6)

9. Distribution ... 25

9.1 Physiologische Besonderheiten der Distribution im Neugeborenen- und Säuglingsalter ... 27

9.1.1 Körperkomposition ... 27

9.1.2 Plasmaproteinbindung ... 28

9.2 Auswirkungen der Besonderheiten der Distribution im Neugeborenen- und Säuglingsalter bei ausgewählten Substanzgruppen in der perioperativen Schmerztherapie ... 28

10. Metabolismus ... 31

10.1 Die Leber in ihrer Bedeutung für Metabolisierungsvorgänge ... 31

10.2 First-Pass-Effekt ... 32

10.3 Biotransformationsreaktionen... 32

10.4 Physiologische Besonderheiten des Metabolismus im Neugeborenen- und Säuglingsalter ... 33

10.4.1 Die Leber in ihrer Bedeutung für Metabolisierungsvorgänge ... 33

10.4.2 First-Pass-Effekt ... 34

10.4.3 Biotransformationsreaktionen ... 35

10.5 Auswirkungen der Besonderheiten des Metabolismus im Neugeborenen- und Säuglingsalter bei ausgewählten Substanzgruppen in der perioperativen Schmerztherapie ... 36

11. Elimination ... 39

11.1 Physiologische Besonderheiten der Elimination im Neugeborenen- und Säuglingsalter ... 40

11.1.1 Renale Exkretion... 40

11.1.2. Biliäre Exkretion ... 41

11.2 Auswirkungen der Besonderheiten der Elimination im Neugeborenen- und Säuglingsalter bei ausgewählten Substanzgruppen in der perioperativen Schmerztherapie ... 42

12. Diskussion ... 45

13. Literaturverzeichnis ... 47

(7)

Abkürzungen

AMG Arzneimittelgesetz ASS Acetylsalicylsäure ATP Adenosintriphosphat AUC area under the curve

bzw. beziehungsweise

Cmax Spitzenkonzentration

COX Cyclooxygenase

d. h. das heißt

e.g./eg exempli gratia, zum Beispiel et al. Et alii; und andere

fMRT funktionelle Magnetresonanztomographie GFR glomeruläre Filtrationsrate

MM molare Masse

MAA Methyl-Amino-Antipyrin NCA nurse-controlled analgesia NSAR Nichtsteroidale Antirheumatika

NSAID non-steroidal anti-inflammatory drugs PCA patient-controlled analgesia

PET Positronen-Emissionstomographie

VD Distributionsvolumen, Verteilungsvolumen

Vv. Venae, Venen

WDR wide dynamic range z. B. zum Beispiel

(8)

ZNS Zentralnervensystem

(9)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schmerzbahn zu kortikalen und subkortikalen Zentren…………..…..4 Abbildung 2: Synapse …..………...……..5 Abbildung 3: Entwicklungsbedinge Änderung der Distribution………...…27 Abbildung 4: Metabolisierung des Paracetamol….………..39 Abbildung 5: Clearance verschiedener Opioide in Abhängigkeit vom Lebensalter………...……….………42

(10)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Übersicht über die Entwicklung des Schmerzsystems bei Feten von Menschen und Ratten…..………..8 Tabelle 2: Zusammenfassung der pharmakokinetischen Unterschiede zwischen Kinder und Erwachsenen……….………...19 Tabelle 3: Altersabhängige Parameter welche die gastrointestinale Absorption beeinflussen………..……….……...22 Tabelle 4: Physiologische Variablen welche die Proteinbindung im Säuglings- und Kindesalter beeinflussen.….………...28

(11)

Zusammenfassung

Diese Arbeit befasst sich mit den physiologischen Besonderheiten von Neu- geborenen und Säuglingen. Wachstum und Entwicklung des Menschen stellen ein Kontinuum an biologischen Vorgängen wie die Zunahme von Körpermasse, die neurologische Entwicklung und die sozial- sowie verhaltensbezogene Reifung dar.

Diese Veränderungen mit ihren jeweiligen alters- und entwicklungsabhängigen Charakteristika haben Auswirkungen auf die Pharmakokinetik. Diese beschäftigt sich mit den Einflüssen des menschlichen Organismus auf ein Pharmakon und wird in der Literatur meist in einzelne Gebiete gemäß ADME Konzept unterteilt:

Adsorption/Resorption, Distribution, Metabolismus und Elimination. So werden die physiologischen Eigenheiten bezogen auf das jeweilige Gebiet dargestellt und die Konsequenzen abgeleitet, d. h. die Erkenntnisse werden übertragen auf den konkreten Fall des Einsatzes ausgewählter, häufig in der pädiatrischen perioperativen Schmerztherapie eingesetzten Substanzgruppen wie Opiate/Opioide, NSAR, Metamizol, Paracetamol und Saccharose.

Ursächlich liegt der Literaturübersicht die Tatsache zugrunde, dass Studien zufolge Neugeborene und Säuglinge während medizinischer Interventionen und Operationen häufig inadäquat analgetisch versorgt werden und sich diese frühkindlichen Schmerzerfahrungen im späteren Leben negativ auswirken können. Die Bandbreite der möglichen Beeinträchtigungen reicht dabei von verstärkten und prolongierten Reaktionen auf erneute schmerzhafte Stimuli bis hin zu psychischen Problemen. Mit als Grund für die suboptimale Versorgung geben die Behandelnden selbst an, dass das Unwissen um die kindlichen pharmakokinetischen/-dynamischen Besonderheiten und die daraus resultierende Unsicherheit oft zu zurückhaltender und damit ungenügender Analgesie bei pädiatrischen Patientinnen und Patienten führt. Die vorliegende Arbeit soll nun einen Überblick über den derzeitigen Kenntnisstand liefern, Vor- und Nachteile der einzelnen Substanzgruppen aufzeigen und physiologische mit pharmakologischen Erkenntnissen verknüpfen um eine qualitativ hochwertige, adäquate perioperative Schmerztherapie im frühesten Kindesalter durchführen zu können.

(12)

Abstract

This paper deals with the physiological characteristics of newborns and infants with particular attention to their effects on the pharmacokinetics of selected active substances frequently used in pediatric perioperative pain therapy.

Reports show that newborns and infants are often supplied inadequately with analgesics during medical interventions and these early-onset pain experiences may have a negative influence in later days.

Physicians themselves often state that the reason for the suboptimal care are ignorance and consequential uncertainty about pharmacokinetic/-dynamic characteristics, and this often leads to restrained and thus inadequate analgesia.

In the present work, the basal physiological characteristics of newborns and infants are analyzed in detail according to the ADME concept (absorption, distribution, metabolism, elimination). Finally, these outcomes are evaluated on their influence on the pharmacokinetics of selected groups of substances in pediatric perioperative pain therapy such as opiates/opioids, NSAIDs, metamizole, paracetamol and sucrose.

(13)

1. Einleitung

Schmerzfreiheit stellt ein menschliches Grundbedürfnis und -recht dar (2).

Die International Association for the Study of Pain (IASP) beschreibt Schmerz als

"eine unangenehme, sensorische und emotionelle Erfahrung die auf tatsächlicher oder potenzieller Gewebeschädigung beruht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird” (3). Später erfolgte der Zusatz: ”Schmerz ist immer subjektiv und wird als körperliches Phänomen erlebt, ist somit nicht lediglich ein sensorischer Wahrnehmungsprozess” (2). Eine andere gebräuchliche Definition ist von McCaffery: ” Schmerz ist das, was der Patient als Schmerz angibt und was er als Schmerz definiert” (4).

Während bei Erwachsenen die individuelle Wahrnehmung lange Zeit unterschätzt wurde – und wird – gestand man Kindern lange Zeit überhaupt keine Schmerzempfindung zu (5,6). Das hat sich zwar geändert, trotzdem wird das Vorhandensein von Schmerz oder dessen Ausprägungsgrad oft nicht richtig eingeschätzt und/oder werden die kindlichen Patienten nicht mit der optimalen Wirksubstanz in adäquater Menge versorgt. So ergab eine von Kendlbacher et al.

durchgeführte Erhebung der Schmerzprävalenz an einem österreichischen Universitätsklinikum dass 79,5 % der 200 befragten Kinder und Jugendlichen Schmerzen hatten. Zu diesem Ergebnis kam man nach Auswertung von Fragebögen zum Vorliegen von Schmerzen innerhalb der letzten 24 Stunden (7).

Dass dies trotz an sich zur Verfügung stehenden strukturellen Voraussetzungen wie entsprechender Medikamente und Handlungsempfehlungen/Leitlinien geschehen kann hat seine Ursache darin, dass die perioperative Schmerztherapie bei Neugeborenen und Säuglingen auf mehreren Ebenen eine Herausforderung darstellt:

Zum einen gestaltet sich die Erhebung von Schmerzqualität und -quantität als Grundlage für eine adäquate analgetische Behandlung im Kindesalter aufgrund der äußerst individuellen Schmerzäußerungen und den mannigfaltigen Einflussfaktoren wie sozialer/geographischer Herkunft, kognitiver Reife, Geschlecht, Charakter und kulturellem Hintergrund auf das Schmerzempfinden als schwierig und erfordert adaptierte und korrekt angewandte altersentsprechende Messinstrumente (8,9).

(14)

Zum anderen vollziehen sich im Laufe des ersten Lebensjahres zahlreiche physiologische und damit einhergehend pharmakokinetische Änderungen die die Auswahl des optimalen Wirkstoffs in ebensolcher Dosierung erschweren (10).

Mengenangaben, die vereinfacht aus Daten von Erwachsenen extrapoliert werden entsprechen oft nicht dem tatsächlichen Bedarf (11). Zudem besteht die Befürchtung, dass durch das Auftreten von möglichen unerwünschten Wirkungen und Nebenwirkungen dem Patienten Schaden zugefügt wird.

Auch die Problematik des sogenannten „Off-Label-Use“ ist nicht außer Acht zu lassen: darunter ist zu verstehen dass Arzneimittel nicht pauschal sondern gemäß Arzneimittelgesetz (AMG) auf bestimmte Indikationen, Darreichungsformen und/oder Patientengruppen beschränkt zugelassen werden. Die solcherart ohne Zulassung, also „off-Label“ erfolgte Medikamentengabe stellt bei entsprechender Indikation und vorliegender Patienteneinwilligung auch rechtlich kein Problem dar und ist sogar geboten. Bei Kindern ist auf dahingehende Aufklärung der/des Obsorgeberechtigten zu achten.

In Zusammenschau können aber all diese Schwierigkeiten einen Nährboden für ein Umfeld bereiten, in welchem pädiatrische Patienten wider besseren Willens und Wissens in schmerztherapeutischer Hinsicht inadäquat versorgt werden (12,13).

In der vorliegenden Diplomarbeit wird nun mittels ausführlicher Literaturrecherche ein Teilaspekt der Herausforderungen in der perioperativen Schmerztherapie, nämlich die pharmakokinetischen Besonderheiten im Neugeborenen- und Säuglingsalter und deren Auswirkungen auf die wichtigsten Wirkstoffgruppen näher beleuchtet.

2. Material und Methoden

Allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten der Pharmakologie, insbesondere der Pharmakokinetik sowie die Charakteristika von Wirksubstanzen wurden Fachbüchern entnommen. Informationen zu den erhältlichen Applikationsformen und Zulassungsverfahren sowie Auszüge aus den Fachinformationen entstammen dem österreichischen Arzneimittelspezialitätenregister; abgerufen über das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen:

http://www.basg.gv.at/startseite/Wirkstoffbezeichnung. Die physiologischen

Gegebenheiten bei Neugeborenen und Säuglingen wurden mittels Fachbüchern

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recherchiert und mit einzelnen Artikeln aus Fachzeitschriften ergänzt.

Um die einzelnen Informationsteilstücke sinnvoll ergänzen und zusammensetzen zu können wurde in der bibliographischen Datenbank ”Pubmed“ mit den Worten

”pediatric“, ”pharmacokinetics“, ”pain management” gesucht. Die Ergebnisse wurden nach Prüfung auf Relevanz und Eignung noch um weitere gezielte Suchen ergänzt, wenn etwa Zusammenhänge nicht klar untersucht oder publizierte Resultate neue relevante Fragen aufwarfen.

3. Physiologische Grundlagen von Schmerzempfindung und -ver- arbeitung

Der Erfassung eines schmerzhaften Reizes zugrunde liegen sensorische Nervenfasern, die in der Lage sind per freien Nervenendigungen potentiell gewebeschädigende Reize wie starke mechanische Beanspruchung, Hypoxie, Temperaturextreme und chemische Substanzen zu detektieren. Dieser Vorgang wird auch als Nozizeption bezeichnet. So werden zum Beispiel im Rahmen eines Gewebetraumas über Mediatorstoffe inotrope oder metabotrope Ionenkanäle der Nervenenden aktiviert. Bekannte Mediatoren sind unter anderem die Kinine, Histamin, Serotonin, Kalium, Substanz P und die Prostaglandine. Die so entstehenden Signale werden in elektrische Impulse, die sogenannten Aktionspotentiale, umgewandelt und zum zentralen Nervensystem fortgeleitet. Ein noxischer Reiz kann nun je nach Genese von Mechanonozizeptoren, Thermonozizeptoren oder polymodalen Nozizeptoren angezeigt werden.

Polymodale Nozizeptoren können sowohl auf mechanische, Hitze- und/oder auch auf chemische Reize reagieren. Die Impulse werden über Nervenfasern je nach deren Morphologie mit unterschiedlicher Geschwindigkeit weiter Richtung Zentralnervensystem übermittelt (14). A-δ-Fasern beispielsweise sind schnell leitend, C-Fasern eher langsam leitend. Im sogenannten Hinterhorn des Rückenmarks enden die aus der Peripherie über die Hinterwurzel kommenden sensorischen Nervenfasern.

(16)

Abbildung 1: Schmerzbahnen zu den kortikalen und subkortikalen Zentren.

Dort erfolgt an der Synapse, also jener Stelle wo eine Nervenzelle in Kontakt mit einer anderen Zelle kommt die Transmission des elektrischen Impulses auf ein zweites sensorisches Neuron.

1. Neuron: sensorischer Input wird aus der Peripherie über die Hinterwurzel zum Hinterhorn transportiert, dort Umschaltung auf 2. Neuron und Weiterleitung über Rückenmarksbahnen zu höheren schmerzverarbeitenden Zentren.

(17)

Abbildung 2: Synapse (15)

Dies geschieht auf elektrochemischem Weg mittels diverser Überträgerstoffe (Neurotransmitter) und Neuropeptide (16). Beachtenswert ist, dass die Anzahl der nachgeschalteten Neurone geringer ist als die Anzahl der primär eintreffenden:

diese sogenannte Konvergenz führt zu einem Zusammenschluss von kleineren rezeptiven Feldern zu einem größeren Feld und erklärt auch die Zusammen- schaltung von Reizen aus tieferen Körperregionen wie beispielsweise aus inneren Organen und der oberflächlichen Haut (siehe Abbildung 1). Solcherart ergibt sich die typische Schmerzausstrahlung in den linken Arm im Rahmen eines Myokardinfarktes.

Im Hinterhorn treffen neben den afferenten sensorischen Impulsen auch efferente Signale der deszendierenden Nervenbahnen ein und sorgen für eine Modifikation der synaptischen Übertragung. Dieses Konzept wird auch als „Gate control theory “ bezeichnet und ist hauptsächlich inhibierender Natur (17,18).

Sowohl peripher wie auch zentral kann es zu Sensitivierungsvorgängen kommen.

In der Körperperipherie geschieht dies dadurch, dass A-δ-Fasern bei wiederholter Stimulation schnell adaptieren und deshalb die Schmerzempfindung weniger wird, sie reagieren also gleichsam weniger sensibel auf denselben Reiz. Dieser Adaptionsmechanismus kann aber beim Vorhandensein von Gewebemediatoren wie beispielsweise Prostaglandinen und Zytokinen, die typischerweise bei inflammatorischen Zuständen vorhanden sind, aufgehoben sein – somit ist die

(18)

Reizschwelle gesenkt. Auch wird ein gewisser Anteil an physiologischerweise ruhenden Nozizeptoren nur im entzündeten Milieu aktiv, man bezeichnet sie auch als „schlafende Nozizeptoren“ (19).

Eine zentrale Sensitivierung kommt zustande, wenn durch permanente Stimulation der afferenten C-Fasern eine ebenso verstärkte Aktivierung nachgeschalteter Neurone bewirkt wird. Besonders die Aktivierung sogenannter WDR-Neurone geht auf molekularer Ebene mit einer Modulation von Funktion und Synthese intrazellulärer Proteine einher. Dieser Umstand führt dazu dass sich das Hinterhorn in einem permanent aktivierten Zustand befindet. Für die Betroffene/den Betroffenen bedeutet das eine Aggravierung der Schmerzsymptomatik. Dieser Vorgang ist auch als „Wind-Up-Phänomen" bekannt (20).

Die zweiten Neurone des Hinterhorns steigen schließlich im Tractus spinothalamicus des Rückenmarks zu den höheren schmerzverarbeitenden Zentren des Gehirns wie dem Thalamus auf. Dort enden oder schalten alle wichtigen sensorischen Bahnen um und stehen so unter anderem mit der Hypophyse, dem limbischen System und Kernen des Stammhirns in Verbindung.

So treffen die Schmerzimpulse schließlich im somatosensorischen Kortex ein und werden erst in Zusammenschau mit den anderen assoziativen Bahnen aus dem präfrontalen Kortex als Schmerz wahrgenommen. Dieser Vorgang wird als Perzeption bezeichnet. Somit zeigt sich, dass das überaus komplexe Schmerzsystem des Erwachsenen zwischen Nozizeption (Detektion eines potentiell schädlichen Reizes) und Perzeption (Wahrnehmung des potentiell schädlichen/schmerzhaften Reizes als solchen) unterschieden werden muss und dass ein schmerzhafter Stimulus bei adulten Individuen nicht automatisch zu einer Schmerzempfindung führen muss, da die exzitatorischen Potentiale einer Reihe von inhibitorischen Kontroll- und Modulationsmechanismen unterworfen sind (20).

4. Besonderheiten der physiologischen Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung im Neugeborenen- und Säuglingsalter

Die Ausbildung der anatomischen Substrate zur Schmerztransmission findet zum Großteil während des Reifen des Fötus und in den ersten Lebensmonaten statt (21).

So gleicht die Anzahl kutaner nozizeptiver Rezeptoren bei Neugeborenen jener im Erwachsenenalter. Die kutane Nozizeption beginnt in der 7.

(19)

Schwangerschaftswoche und hat sich mit der 20. Woche auf alle kutanen und mukösen Oberflächen ausgebreitet (22). Erfolgt beispielsweise in dieser Zeit ein schmerzhafter und damit potentiell schädlicher Reiz erfolgt eine Reflexhandlung in Form von Wegziehen der Extremität und damit ausweichendes/vermeidendes Verhalten. Dem ist die Synapsenentwicklung zwischen afferenten sensorischen Fasern und rezeptiven Neuronen im Hinterhorn vorausgegangen, letztere bilden sich üblicherweise in der 6. Gestationswoche aus. Erst später erfolgt die Bildung von Interneuronen und den zugehörigen Neurotransmittern, so dass erst ab der 30.

Woche von einem reifen medullären Hinterhorn gesprochen werden kann. Diese Zellen des Hinterhorns sind beim Säugling stärker erregbar als beim Erwachsenen.

Viele Aspekte der Rezeptorentwicklung sind aktivitätsabhängig, das heißt je öfter eine Erregung erfolgt desto stärker erfolgt die Synapsenentwicklung. Bezogen auf die Schmerzwahrnehmung bedeutet das, dass mit jedem fortgeleiteten Schmerzsignal die Weiterleitung eines zukünftig eintreffenden Impulses in verstärktem Ausmaß gewährleistet wird (23).

Das Fehlen einer peripheren Myelinisierung galt lange als Beweis für die Unreife des neonatalen Nervensystems und war Grundlage für das Argument dass Neonaten folglich auch nicht in der Lage seien Schmerzen verspüren zu können (24). Nozizeptive Bahnen im Rückenmark und Hirnstamm sind auch erst mit der 30.

Gestationswoche vollständig myelinisiert. Zum selben Zeitpunkt ist – mittels moderner bildgebender Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) oder Positronen-Emissionstomographie (PET) – eine Visualisierung der kortikalen Aktivität nach schmerzhaften Stimuli nachweisbar. Der zögerliche Myelinisierungsvorgang und langsamere Transmissionvorgänge durch unreife Ionenkanäle verursachen mit längerer Latenz behaftete und schlecht synchronisierte Reaktionen auf periphere Stimuli (25,26).

Außerdem sind – zumindest bei jungen Ratten – die rezeptiven Felder größer und werden erst mit zunehmendem Alter kleiner und besser organisiert (27). Zudem ist der Einfluss der deszendierenden inhibierenden Bahnen in den ersten Lebenswochen vermindert, was ein reduziertes endogenes Schmerzhemmungs- vermögen bedeutet (28). Diese großteils aus Studien mit Tieren (Ratten) gewonnen Daten können insofern plausibel auf den Menschen übertragen werden als dass die Reifungsprozesse bei jungen Ratten und menschlichen Säuglingen vergleichbar ablaufen (21,29).

(20)

Die Ratte hat mit E 20 (20. Tag der Embryonalentwicklung) bereits Geburtsreife erlangt (115-117).

(28) P.c. = post conceptionem.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass menschliche Neugeborene und Säuglinge über alle funktionellen und anatomischen Komponenten zur Wahrnehmung und Verarbeitung schmerzhafter Stimuli verfügen. Nachteilig wirkt sich die Imbalance aus verstärkter exzitatorischer Aktivität und verminderter inhibitorischer Aktivität aus. Dieses Ungleichgewicht führt in Summe dazu, dass Kinder im frühesten Lebensalter nozizeptiven Reizen anders und vermutlich in stärkerem Ausmaß als Erwachsene ausgesetzt sind (23,30).

Postnatal und weiterfolgend findet noch eine Feinabstimmung der sensorischen Modalitäten und intrakortikalen Bahnen statt, ebenso wie die Entwicklung der modulierenden deszendierenden Substrate. Dieser Reifeprozess ist Ausdruck der hohen neuronalen Plastizität; wobei immer zu bedenken ist, dass schmerzhafte Erfahrungen innerhalb dieser vulnerablen Phase die finale Architektur des erwachsenen Schmerzverabeitungs- und Wahrnehmungskonstruktes nachteilig beeinflussen können (31).

4.1 Blut-Hirn-Schranke

Von mittels Färbetechniken im Laufe des 20. Jahrhunderts gewonnenen Studienerkenntnissen ging man in der Fachwelt lange Zeit davon aus, dass die Blut-Hirn-Schranke des Kindes während der Fetalperiode und auch noch nach der

Mensch:

Woche p.c.

Ratte: Tag p.c. Entwicklung des Schmerzsystems

7.–8. E15 Reflektorische Bewegungen auf Stimulation, Beginn von Spontanbewegungen

10.–11. E16 Sensible Versorgung der Hand/Pfote

13.–14. E17 Gesamte Körperoberfläche sensibel innerviert, rezeptive Felder vorhanden

26. E19 Wegziehreflex auf noxische Stimulation

22.–34. Ab E19 Ausbildung der Projektionsbahnen vom Thalamus zum primären sensorischen Kortex

26.–31. Entfällt Grimassieren auf noxische Stimulation

Tabelle 1: Übersicht über die Entwicklung des Schmerzsystems bei Feten von Menschen und Ratten (107-109). (20).

(21)

Geburt unreif im Sinne von erhöhter Durchlässigkeit sei (71). So erklärte man sich beispielsweise das Auftreten von Kernikterus bei Neugeborenen (72). Auch das Nichtvorhandensein von Astrozyten im frühen Lebensalter wurde als Beweis für die Immaturität gewertet (73).

Diese Vorstellungen sind nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht haltbar und müssen revidiert werden, da sich herausgestellt hat dass die Art und Kraftanwendung der Farbeinbringung für die Ursprungsresultate (mit-)verantwortlich war. Sofern überhaupt Angaben dazu vorliegen welches Färbemittel zur Anwendung gelangt war dürften zu hohe Volumina beziehungsweise Konzentrationen des eingebrachten Farbstoffes die fragilen zerebralen Gefäße zerstört haben – die erhöhte Durchlässigkeit wurde also bei der Untersuchung derselben verursacht (74).

4.2 Rezeptoren

Zum Zeitpunkt der Geburt sind bei der neugeborenen Ratte, einem dem menschlichen Neugeborenen in seiner Entwicklung ähnelndem Modell, die Opioidrezeptoren noch nicht voll entwickelt. Während der weiteren Heranreifung nimmt die Anzahl der Opioidbindungsstellen explosionsartig zu. Die Rezeptordichte ist lokal unterschiedlich und führt dazu, dass Morphin in den früh entwickelten Regionen der Medulla und des Pons – welche das Atmungszentrum beherbergen – rasch hohe Konzentrationen erreicht und hierüber eine Atemdepression vermittelt.

Andererseits werden die analgetisch wirkenden Regionen erst dann in ausreichendem Maße versorgt wenn die Morphinkonzentration im Blut 4–5-mal höher als bei älteren Kindern ist (32,33).

5. Auswirkungen insuffizienter Schmerztherapie

Die Folgen schmerzhafter Ereignisse im Neugeborenen- und Säuglingsalter auf die weitere Entwicklung der kindlichen Patienten und insbesondere deren Schmerzwahrnehmung wurde verschiedentlich untersucht. So geschah dies bei- spielsweise anhand von Neonaten, welche eine perinatale Verletzung des Plexus brachialis erlitten (34). Hier konnte bei 24 Kindern eine vollständige Wiederherstel- lung der sensorischen Funktion sowie keine weitere Beeinträchtigung, vor allem

(22)

kein Einfluss auf die spätere Schmerzempfindung, festgestellt werden. Eine größere und damit aussagekräftigere Studie mit 280 Teilnehmern von McCann hingegen detektierte Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere regelmäßig selbstverletzendes Verhalten bei Kindern nach einer Verletzung samt operativer Rekonstruktion des Plexus brachialis (35).

Nach einer Zirkumzision bei männlichen Säuglingen wurde eine verstärkte und pro- longierte Schmerzreaktion bei einer 4 bis 6 Monate später erfolgten Immunisierung als intramuskuläre Injektion festgestellt (36). Ursprünglich ging es in einer früheren Untersuchung darum herauszufinden warum männliche Säuglinge eine stärkere Schmerzempfindung als weibliche Säuglinge zeigten – die Wissenschaftler kamen zum Schluss, dass nicht die Geschlechtszugehörigkeit per se sondern die eben nur bei Jungen durchgeführte Zirkumzision für die Reaktion verantwortlich war (37).

Auch andere Untersucher konnten feststellen, dass bereits ein auch für das Kind schmerzhafter Geburtsvorgang zu Reaktionen wie verstärktem Grimassieren bei späteren Reizen wie Lanzettenstichen zur Fersenblutabnahme führte (38).

Objektiv gemessen werden konnte eine verstärkte Cortisolausschüttung als Zei- chen der Aktivierung der neuroendokrinen Stressantwort als Reaktion auf schmerz- hafte Stimuli. War in Studien eine solche hormonelle Stimulation nachweisbar fand sich damit korrelierend eine erhöhte Morbidität im Säuglingsalter da sie den intra- thorakalen sowie arteriellen Druck beeinflussen, die Atmung beeinträchtigen und sogar zu intraventrikulären Blutungen und periventrikulärer Leukomalazie führen kann (39).

Das genaue Ausmaß der individuellen physischen und psychischen Reaktion hängt neben Schmerzintensität, -dauer und Wiederholung auch vom Alter des Kindes ab – je frühgeborener der Säugling und je öfter der Stimulus, desto geringer fällt die Antwort auf einen schmerzhaften Reiz aus, was auf einen Adaptionsmechanismus hindeutet (36). Trotz dieser Anpassungsleistung kommt es zu Einwirkungen auf Struktur und Funktion der neuronalen Konstrukte wie etwa einer verminderten Aus- bildung von weißer und grauer Substanz (40). Das bedeutet, dass sowohl die Ent- wicklung von Nervenzellkörpern als auch die der Nervenfasern beeinträchtigt ist.

Auch wenn die einzelnen Vorgänge von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig sind und sich die Untersuchungsergebnisse zum Teil widersprechen ist es unbe- stritten, dass nozizeptive Reize einen Einfluss auf die Schmerzverarbeitung im spä- teren Leben haben und nicht zuletzt neben der allgemeinen Selbstverständlichkeit

(23)

einer Schmerztherapie diese auch zur Verhinderung dieser Langzeitfolgen zu erfolgen hat (30,41).

6. Perioperative Schmerztherapie im Kindesalter

Um das Ziel – eine adäquate Analgesie mit so wenigen Nebenwirkungen wie möglich – zu erreichen wird meist ein multimodales Schmerzkonzept angewandt, das heißt dass unterschiedliche Wirkstoffe und Methoden kombiniert werden (42).

Additiv erkannte man in den letzten Jahren auch die analgetische Effektivität von nicht-pharmakologischen Maßnahmen wie der Känguru-Methode, Schnullern und Stillen. Des Weiteren trägt es zum Erfolg bei wenn die Behandelnde/der Behandelnde während der Intervention darauf achtet die pädiatrischen Patienten nicht zu ängstigen und ihr Schmerzerleben möglichst positiv zu beeinflussen: Dazu gehört die Schaffung von idealen Rahmenbedingungen wie eine alters- und kindgerechte Schmerzanamnese und Aufklärung, kindgerechte Räumlichkeiten und eine stressfreie, entspannte Atmosphäre. Bei noch nicht zur selbstständigen Entscheidung befähigten Kindern sind die Obsorgeberechtigte/der Obsorgeberechtigte ebenso in verständlicher und umfassender Weise über Notwendigkeit, Ausmaß und eventuell möglicher Nebenwirkungen der geplanten analgetischen Versorgung aufzuklären.

Notwendig ist auch eine adäquate Organisation des Schmerzmanagements: Eine effektive Schmerztherapie ist im Regelfall nur durch eine multiprofessionelle Zusammenarbeit zu erreichen. Bei einem breiten Aufgebot an Berufsgruppen und Fachdisziplinen von der Anästhesie und Chirurgie über das Pflegepersonal bis hin zu Psychologen haben Verantwortlichkeiten klar festgelegt zu sein;

Handlungsanweisungen mit Substanzempfehlungen und gegebenenfalls Interventionsgrenzen bei Delegation haben vorzuliegen. Auch die Vorgangsweise beim Auftreten von Nebenwirkungen und entsprechende Behandlungsschemata oder eine gegebenenfalls notwendige Antagonisierung beispielsweise aufgrund massiver Atemdepression nach Opioidgabe müssen für alle Beteiligten transparent sein. Die Überwachung von Vitalparametern, wenn notwendig Interventions-

möglichkeiten zur Sicherung dieser und die Möglichkeit der Beiziehung von Supervisoren müssen gewährleistet sein (43). Um der Patientin/dem Patienten eine gewisse Autonomie bei trotzdem adäquater Schmerztherapie zu ermöglichen

(24)

empfiehlt sich die sogenannte patientengesteuerte Analgesie (PCA). Bei diesem Verfahren kann mittels einer „Schmerzpumpe“ ein Analgetikum intravenös oder über eine epiduralen beziehungsweise peripheren Schmerzkatheter von der Betroffenen/dem Betroffenen selbst angefordert werden. Die Höchstmenge und die Höhe der einzelnen Dosen werden vorab von der/dem für die Schmerztherapie Zuständigen festgelegt. Neben diesen Bedarfsanforderungen kann auch eine basale Rate eingestellt werden. Die Anwendung dieser Methode setzt kognitive Fähigkeiten von Seiten des Patienten voraus. Sind diese entwicklungs- oder altersbedingt bei pädiatrischen Patienten (noch) nicht gegeben kann auf die sogenannte „pflegepersonal-kontrollierte Analgesie“ (NCA) zurückgegriffen werden.

Dabei wird anstatt selbst auf den Abgabeknopf zu drücken das Pflegepersonal informiert, die dann nach vorgegebenen Schemata die Schmerzmedikation verabreicht (43).

Zur pharmakologischen analgetischen Therapie stehen Nicht-Opioid- und Opioidanalgetika zur Verfügung. Die Verabreichung erfolgt auf unterschiedlichstem Wege; im einfachsten Fall peroral, über die intravenöse Applikation bis hin zu Lokal- und regionalanästhetischen Verfahren. Nach der korrekten und altersadäquaten Erhebung des Schmerzausprägungsgrades wird graduell nach dem WHO- Stufenschema vorgegangen: bei leichtem bis mittlerem Schmerzausmaß kommt ein Nicht-Opioid-Analgetikum, z. B. ein NSAR, zur Anwendung. Reicht dieses nicht aus, wird zusätzlich ein schwaches Opioid wie beispielsweise Tramadol verabreicht. Die Stärke von Opioiden wird in Relation zur Referenzsubstanz Morphin angegeben;

Tramadol wirkt lediglich 0,1 x so stark wie Morphin. Ist auch das nicht genug wird mit einem starken Opioid kombiniert, zumeist werden dann Morphin oder Fentanyl verwendet (44).

Opiate und Opioide

Beim Opium handelt es sich um den getrockneten Saft der Schlafmohnkapseln, Papaver somniferum. Opiate im engeren Sinn sind Pharmaka, welche aus Opium gewonnen werden. Alle Substanzen; also endogene, exogene, peptidische und nichtpeptidische, welche morphinähnliche Wirkungen über Opioidrezeptoren induzieren können werden als Opioide bezeichnet. Das wesentlichste Merkmal für

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eine solcherart vermittelte Wirkung ist deren Reversibilität durch den Opioidantagonisten Naloxon.

Über µ-Opioid-Rezeptoren wirken Opioide stark analgetisch, emetisch und antitussiv und bewirken Euphorie und Sedierung. Als mögliche unerwünschte Nebenwirkungen können Atemdepression, Emesis und Muskelrigidität, Konvulsionen, Hypothermie, Bradykardie, verzögerte Magenentleerung und Obstipation auftreten. Nahezu alle Opioide wirken über diesen Rezeptor.

κ-Rezeptoren vermitteln Schmerzstillung ohne atemdepressiv zu wirken, δ-Rezeptoren hingegen wirken nur schwach analgetisch (45). In der vorliegenden Arbeit werden als Vertreter dieser Substanzgruppe Morphin und Fentanyl beschrieben.

Morphin ist die am besten untersuchte Substanz bei pädiatrischen Patienten und ein reiner Agonist an µ- und Κ-Rezeptoren (46). Es löst im Vergleich mit synthetischen Opioiden mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Muskelrigidität aus.

Nachteilig ist die starke, jedoch in ihrem Ausmaß interindividuelle endogene Histaminfreisetzung, die aufgrund des damit einhergehenden vasodilatorischen Effektes speziell in der Verbindung mit Volumenmangel zu bedrohlichen hypotonen Zuständen führen kann (20).

Fentanyl ist ein synthetisch hergestelltes Opioid mit im Vergleich zu Morphin als Referenzsubstanz 100facher analgetischer Potenz und das intraoperativ am häufigsten eingesetzte Analgetikum bei Kindern (47).

Die starke Wirksamkeit, Atemdepression und rasche zentrale Anflutung machen in der Regel eine intensivmedizinische Überwachung notwendig. Aufgrund seiner geringen Beeinflussung der Hämodynamik wird es auch in der Kinderherzchirurgie gerne eingesetzt (20). Die Pharmakokinetik von Fentanyl ist sehr stark altersabhängig (33).

NSAR

NSAR inhibieren zu unterschiedlichen Anteilen die Aktivität zweier Isoformen der Cyklooxygenase. Durch Hemmung von COX-1 und COX-2 entfalten sie ihre analgetischen, antipyretischen und antiinflammatorischen Effekte (45,48). Das kommt dadurch zustande weil die Cyclooxygenase 1 im Organismus prostaglandinabhängige Vorgänge vermittelt und die Cyclooxygenase 2 an

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inflammatorischen Prozessen beteiligt ist. NSAR verhindern so einerseits die basale Prostaglandinsynthese und andererseits auch die induzierte erhöhte Produktion infolge einer Gewebeverletzung oder Entzündung.

Das klassische NSAR, die Acetylsalicylsäure, hat in der Pädiatrie aufgrund äußerst schwerwiegender ASS-assoziierter Komplikationen wie dem Reye-Syndrom mit Ausnahme der Rheumatologie keine Bedeutung mehr und gilt bis zum 12.

Lebensjahr als kontraindiziert. Als Vertreter dieser Gruppe kommen beispielsweise in der Praxis an der für die pädiatrische Schmerztherapie zertifizierten Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz Ibuprofen und Diclofenac zur Anwendung und werden in der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet. Diclofenac kommt ab 25 kg Körpergewicht; Ibuprofen ab dem 3. Lebensmonat zum Einsatz (49).Die Auswahl eines bestimmten Wirkstoffes aus der Gruppe der NSAR erfolgt im Regelfall anhand von gewünschtem Dosierungsintervall, Wirkstärke und -dauer sowie der bevorzugten Verabreichungsart (20).

Perioperativ werden nichtsteroidale Antirheumatika vor allem prophylaktisch angewandt, das heißt noch bevor beispielsweise eine Gewebeschädigung im Rahmen einer Operation stattfindet. Mit ihrem Einsatz lässt sich auch eine Reduktion der notwendigen Opiat-/Opioiddosen und den mit dieser Substanzgruppe verbundenen Nebenwirkungen erreichen. Im direkten Vergleich mit Paracetamol sind NSAR weitaus besser analgetisch wirksam (50-52).

Als Kontraindikationen zu berücksichtigen sind unter anderem eine bekannte Blutgerinnungsstörung, eine Allergie auf den Wirkstoff, ein dehydriertes Zustandsbild sowie eine eingeschränkte Nieren- und/oder Leberfunktion. Speziell bei vorbestehender Niereninsuffizienz kann eine weitere Reduktion des renalen Plasmaflusses zu einem kompletten Nierenversagen führen. Zu beachten ist eine ebenso induzierte Thrombozytenaggregationshemmung und ein damit einhergehender blutgerinnungshemmender Effekt.

Mit einem bronchokonstriktorischen Effekt durch die vermehrte Leukotrienbildung und eine erhöhte Ulcusneigung in Magen und Duodenum ist auch zu rechnen (45).

Durch die Thrombozytenaggregationshemmung alleine ist das Risiko einer peri- oder postoperativen Blutung höchstwahrscheinlich nicht erhöht, bei lokalen Blutungsquellen wie nach einer Tonsillektomie ist aber trotzdem Vorsicht geboten (53). Bei Neonaten werden NSAR auch zum Verschluss des Ductus arteriosus Botalli eingesetzt.

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Metamizol

Ist ein nichtsaures antipyretisches Analgetikum und stammt aus der Gruppe der Pyrazolone; der genaue analgetische Wirkmechanismus ist nicht geklärt. Als wahrscheinlich gilt eine Aktivierung deszendierender inhibierender Bahnen in Hirnstamm und Rückenmark. Unter allen Nicht-Opioid-Analgetika hat es die beste schmerzstillende Wirkung, als Äquivalenzdosis für 10 mg Morphin werden 2,0–2,5 g Metamizol veranschlagt. Damit ist es dem schwachen Opioid Tramadol ebenbürtig und kann somit zur Opioideinsparung eingesetzt werden. Außerdem hat es eine hohe therapeutische Breite – d.h. es gibt eine große Sicherheitsspanne zwischen der therapeutischen Dosis und einem potentiell toxischen Effekt. Eine antiphlogistische Wirkung fehlt aufgrund des schwach basischen bis neutralen pH-Wertes. Man kann mit Metamizol oft noch einen antipyretische Wirkung erreichen werden wenn andere Maßnahmen bereits nicht mehr greifen (54).

Aufgrund spasmolytischer Eigenschaften wird es gerne bei krampfartigen Beschwerden wie auch beim Kolikschmerz eingesetzt (45). Als Kontraindikationen für die Anwendung gelten unter anderem eine Allergie auf den Wirkstoff, Knochenmarkfunktionsstörungen sowie eine allergische Diathese (49). Das anaphylaktische Potential ist hoch.

Bei zu schneller intravenöser Verabreichung muss mit einem Blutdruckabfall gerechnet werden, vor allem wenn hohe Dosierungen verwendet werden oder ein Volumenmangel vorliegt. Deshalb empfiehlt sich die Verabreichung in einer Kurzinfusion. In vielen Ländern wird Novalgin aufgrund seines Nebenwirkungsprofils nur selten oder zumindest nicht bei Kindern angewandt (55).

Die am meisten gefürchtete Nebenwirkung stellt die Agranulozytose dar, wobei bis heute nur ein Fallbericht zu einem betroffenen Kind vorliegt (56). Dabei ist zu bedenken dass es sich bei der Agranulozytose um eine allergische Reaktion Typ II nach Coombs & Gell handelt, bei der Antikörper gegen pyrazolontragende Granulozyten gebildet werden. Somit ist das Auftreten im Einzelfall nicht vorhersehbar. Diese Nebenwirkung tritt im üblichen Fall etwa 7 Tage nach Anwendungsbeginn auf und das Risiko dafür korreliert mit der Einnahmedauer (48,55). So empfiehlt sich eine regelmäßige Blutbildkontrolle bei längerer Anwendung um eine Neutropenie möglichst frühzeitig erkennen und die Absetzung des Metamizols veranlassen zu können.

(28)

Paracetamol

Ist ein nichtsaures Analgetikum, kann deshalb nicht in Entzündungsgebiete vordringen und ist so nur schwach antiphlogistisch wirksam. Es wirkt sehr gut antipyretisch. Der Wirkmechanismus dieses Anilinderivates ist nicht vollständig bekannt. Postuliert wird, dass das Abbauprodukt 4-Aminophenol im Gehirn mit Arachidonsäure reagiert wodurch die zerebrale Cyclooxygenase gehemmt wird.

Nach der Gabe von 1 g Paracetamol an gesunde Probanden konnte vor allem eine der Wirkung selektiver COX-2-Hemmer vergleichbare Inhibierung der COX-2 erreicht werden (52). Paracetamol hat eine geringe analgetische Potenz und wird gerne prophylaktisch (beispielsweise als Suppositorium bei Narkoseeinleitung) oder als Alternative bei NSAR-Unverträglichkeit eingesetzt. Bei periprozeduralen Schmerzen von Neugeborenen etwa im Zuge einer Zirkumzision oder von Lanzettenstichen bei Fersenblutabnahmen zeigte sich Paracetamol wirkungslos (57). Bei bestimmungsgemäßer Anwendung und Dosierung ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen geringer als bei der Verabreichung von Acetylsalicylsäure. Paracetamol ist eine sogenannte „Pro-Drug“, das heißt erst seine Metaboliten dürften nach der Verstoffwechselung die Wirkung vermitteln. Die Pharmakokinetik bei Kindern ist gut erforscht und für unterschiedliche Applikationswege wie die orale, rektale und intravenöse Route beschrieben (44,58). Vorteilhaft sind die fehlenden renalen und gastrointestinalen Nebenwirkungen und die Nichtbeeinträchtigung der Thrombozytenfunktion. Es liegen zahlreiche Publikationen zu einem eventuell ursächlichen Zusammenhang zwischen frühkindlicher Paracetamolexposition, unter Umständen bereits vorgeburtlich im Mutterleib, und dem Auftreten von obstruktiven Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale vor. Auch eine Kausalität zur Entwicklung einer Rhinokonjunktivitis, ekzematösen Hautveränderungen und erhöhten Ig-E-Spiegeln wurde postuliert. Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht vollständig geklärt, dürfte aber darin liegen, dass Paracetamol nicht nur in der Leber sondern auch in der Lunge eine Glutathionspeicherreduktion bewirkt.

Dadurch werden deren Abwehrkräfte gegen übermäßigen oxidativen Stress wie beispielsweise durch die pulmonal gehäuft auftretenden Sauerstoffradikale gemindert. Zusätzlich kann der niedere Glutathionspiegel eine gesteigerte und überschießende Immunantwort hervorrufen (52).

Die Ergebnisse der Studien sind aber widersprüchlich: So konnte in einer 2016

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publizierten Kohortenstudie die Assoziation zwischen in der Schwangerschaft bzw.

in den ersten 6 Lebensmonaten erfolgter Paracetamolgabe und der Diagnose Asthma im 3. und 7. Lebensjahr der Kinder bestätigt werden (59). Die Wissenschaftler legen Wert darauf dass die Assoziation unabhängig von der Indikation sei weshalb die Mutter das Medikament bekommen habe: so wäre es ja beispielsweise im Falle eines Einsatzes bei einem respiratorischen Infekt möglich dass diesem ein bis dato unentdecktes maternales Asthma zugrunde gelegen habe.

Hätte sie es wegen Schmerzen eingenommen, so sei es denkbar dass eine in der Regel mit Schmerzen einhergehende Stressreaktion für die Asthmaentstehung des Kindes (mit-)ursächlich sei (66). Dieser Zusammenhang, also jener zwischen Schmerz und Asthmaentstehung, war auch ohne Paracetamoleinnahme nachweisbar.

Am deutlichsten zeigte sich die Korrelation wenn die schwangere Mutter Paracetamol in mehr als einer Indikation einnahm. Als Limitierung muss gesagt werden dass Asthma prinzipiell eine Erkrankung mit multifaktorieller Genese darstellt: das reicht vom Ausmaß des pränatalen Kontaktes mit beispielsweise Mikroorganismen oder anderen potentiell allergenen Substanzen und damit einhergehender Ausprägung des Immunsystems über die Häufigkeit von respiratorischen Infekten im Kindesalter bis hin zu genetischen Prädispositionen:

wo und wie genau Paracetamol hier zusätzlich eingreift und in welchem Ausmaß es eine entscheidende Rolle spielt bleibt weiterhin nicht vollständig geklärt. Außerdem war es schwierig im Nachhinein genau nachzuvollziehen weshalb und in welcher Dosierung Paracetamol verordnet wurde (60).

Andere Wissenschaftler hingegen konnten keine Korrelation zwischen Paracetamoleinnahme der schwangeren Frau und der Diagnose Asthma im Kindesalter feststellen – wie etwa in der prospektiven Studie von Kang et al. (61).

Auch eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes bei bereits bestehendem leichtem Asthma wurde nicht nachgewiesen (62).

Aufgrund der uneinheitlichen Datenlage soll der Einsatz von Paracetamol gründlich überlegt und begründet werden, zumal analgetisch wirksamere Substanzen wie NSAR zur Verfügung stehen.

(30)

Saccharose

Saccharose ist ein Disaccharid und allgemein als Kristallzucker bekannt. Sie ist ein Kohlenhydrat und besteht aus je einem Molekül Fructose und Glucose (63). Obwohl die genauen Mechanismen der Analgesie und Beruhigung durch die Geschmacksqualität „süß“ nicht bekannt sind, ist deren Wirksamkeit eine der am besten durch Studien untersuchte. Vermutlich wirken verschiedene süß schmeckende Stoffe – in dieser Arbeit exemplarisch Saccharose – über eine endogene Opioidrezeptoraktivierung (64-67). Die Wirkstärke ist allerdings bescheiden und nur von kurzer Dauer, auch die optimale analgetische Saccharosedosis ist nicht bekannt.

7. Grundlagen der Pharmakokinetik

Unter Pharmakokinetik versteht man die vielfältigen Einwirkungen des Organismus auf Pharmaka. Sie wird in die Einzelvorgänge Absorption/Resorption, Distribution, Metabolismus und Elimination unterteilt. Diese Reaktionen beginnen nach Einbringen einer Substanz auf unterschiedlichsten Applikationswegen in den Körper und lassen sich vereinfacht in parenterale und enterale Formen unterscheiden (68).

Parenteral bedeutet dass der Darm als Resorptionsort umgangen wird und bezieht sich meist auf die intravenöse Verabreichung, dazu gehören aber auch andere gebräuchliche Anwendungsformen wie die intramuskulär, subkutane und intraarterielle Applikation wie auch die Stoffaufnahme über Lunge oder (Schleim-)Haut. Mit enteral hingegen wird die Stoffaufnahme aus dem Verdauungstrakt bezeichnet und umfasst alle Abschnitte von der Mundhöhle über Magen und Darm bis hin zum Rektum. Peroral ist die häufigste Verabreichungsform im Kindesalter; bei in der Schluckfähigkeit eingeschränkten, erbrechenden oder bewusstlosen Neonaten und Säuglingen bzw. wenn Eltern und/oder andere betreuende Personen (Notfalls-)medikamente verabreichen müssen wird bevorzugt die rektale Applikation angewandt. Die höchste Bioverfügbarkeit bietet hingegen die intravenöse Verabreichung (69). Darunter versteht man jenen Anteil eines Stoffes, der dem systemischen Kreislauf in unveränderter Form zur Verfügung steht. In der perioperativen Schmerztherapie wird die intravenöse Applikation meist intraoperativ angewandt, prä- und postoperativ wird oral oder rektal behandelt (70).

(31)

Tabelle 2: Zusammenfassung der pharmakokinetischen Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen (80).

8. Absorption

Die Begriffe Absorption und Resorption werden häufig synonym verwendet und bezeichnen die Aufnahme eines Pharmakons in den Organismus. Um eine

Entwicklungs- bedingte Veränderung

Pharmakokinetische

Konsequenz Beeinflusste Substanzen Absorption ↓Intestinale

Transitzeit

↓gastraler pH- Wert

↓Intestinale Gallen- konzentration

↓Cmax und ↓AUC

↑Cmax für schwache Säuren

↓Cmax für schwache Basen

↓Cmax und ↓AUC

Schlecht lösbare Substanzen,

Substanzen mit verzögerter Wirkstofffreisetzung Schwache Säuren Schwache Basen Schlecht lösbare Substanzen Distribution Körper-

zusammen- setzung

↓Plasmaprotein

<–>VD (Neugeborene haben verhältnismäßig weniger Fettanteil, Säuglinge hingegen einen relativ höheren Fettanteil;

extrazelluläres Wasser ist bei Neugeborenen höher)

↑ freier Anteil von Substanz im Plasma

↑VD

Liphophile Substanzen:

↓VD bei Neugeborenen und ↑VD

bei Säuglingen Hydrophile Substanzen:

↑VD bei Säuglingen im Vergleich mit Neugeborenen

Substanzen mit hohem Proteinbindungsanteil

Metabolis-

mus Verhältnismäßig große

Lebermasse Entwicklung der Leberenzyme Bakterielle Besiedelung des Darmes

↑hepatische Clearance

<–>hepatische

Wirkstoffmetabolisierung

↑Cmax und ↑AUC

Substanzen mit starker hepatischer Metabolisierung Substanzen mit spezifischen Abbauwegen

Substanzen die im Darm metabolisiert werden

Elimination Verhältnismäßig große Nieren

Entwicklung der tubulären Transporter

↑Renale Clearance bei Säuglingen und Vorschulkindern

<–>Renale Clearance von Substanzen

Substanzen die unverändert im Urin ausgeschieden werden

Substanzen die durch tubulären Transport eliminiert werden VD: Distributionsvolumen, Verteilungsvolumen

AUC: Area under the curve Cmax: Spitzenkonzentration im Blut

↑ Erhöht, ↓ Erniedrigt, <-> unverändert

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physikalische, chemische und biologische Barrieren überwinden um in das Blutsystem zu gelangen. Dies kann entweder durch direkte intravenöse oder intraarterielle Injektion geschehen; bei allen anderen Verabreichungsmethoden müssen zunächst ein- oder mehrschichtige Zellverbände durchdrungen werden.

Deren Zellmembranen bestehen im Regelfall aus einer Lipiddoppelschicht mit eingelagerten Proteinen, die von apolaren, also lipophilen und damit nicht- ionisierten Substanzen einfach zu durchdringen sind. Polare, hydrophile Substanzen können dies nur, sofern in der jeweiligen Gewebeart Poren dafür vorhanden sind. Die Permeabilität ist besonders dann von Bedeutung wenn es um gewollte Schutzfunktionen wie die der Blut-Hirn-Schranke geht. Hirnkapillaren sind durch besonders eng aneinander gelagerte Endothelzellen und zusätzlich durch eine dicht abschließende Schicht von Gliazellen geschützt, so dass diese Barriere in der Regel ausschließlich von lipophilen Substraten durchdrungen werden kann.

Für die vom Gehirn benötigten hydrophilen Substanzen wie Glucose und Aminosäuren sind grundsätzlich spezielle Transportmechanismen, derer sich auch Pharmaka bedienen können, notwendig.

Für den Schutz des Ungeborenen ist auch die Plazentaschranke von Bedeutung.

Sie wird ebenso wie die Blut-Hirn-Schranke vor allem von lipophilen Pharmaka rasch durchquert. Hier ist für die Unpassierbarkeit hydrophiler Stoffe vor allem deren Molekülgröße ausschlaggebend: ab einer molaren Masse von 1000 wird der Permeabilitätsprozess verlangsamt bzw. bei höheren Werten gänzlich verhindert.

Neben der Beschaffenheit der biologischen Membranen beeinflussen auch die physikochemischen Eigenschaften und die Galenik, also die pharmazeutisch-technologische Verarbeitung eines Pharmakons die Resorption (45).

8.1 Physiologische Besonderheiten der Absorption im Neugeborenen- und Säuglingsalter

8.1.1 Gastrointestinaltrakt

Die Absorption aus dem Magen ist von der dortigen Verweilzeit des Pharmakons abhängig. Bei Neonaten ist die gastrale Entleerung verzögert, was einen ebenso verspäteten Transport in das Intestinum, also jenen Ort an dem die Mehrheit der Absorptionsvorgänge stattfindet, bedeutet. So dauert es länger bis eine wirksame

(33)

Konzentration des Wirkstoffes erreicht wird, die Höchstkonzentration ist ebenso vermindert. Die sogenannte Area under the curve (AUC), ein Berechnungsverfahren mit dem sich feststellen lässt inwiefern sich die Bioverfügbarkeiten unterschiedlicher Applikationsformen desselben Wirkstoffes unterscheiden, ist in den meisten Fällen aber unverändert (71).

Die Oberfläche des Darms und die daraus resultierende Gesamtabsorptionsfläche sind in den ersten Lebensjahren vermindert. 2–3 Wochen nach der Geburt ist der Blutfluss in den Splanchnikusgefäßen großen Schwankungen unterworfen und hat über Änderungen im Konzentrationsgradienten über die Darmmukosa Einfluss auf die absorbierten Mengen. Zusätzlich spielt auch die Unreife der intestinalen Mukosa, konkret die der sich in der Darmschleimhaut befindlichen arzneistoff- metabolisierenden Enzyme und Transportenzyme eine Rolle. Aufgrund der reduzierten Motilität ist die gesamte Darmpassage bei Säuglingen ebenso verlängert. Im Alter von etwa einem Jahr ist sie dann – wie auch die Magenentleerungszeit – verkürzt, was sich vor allem bei Retardpräparaten, das sind Arzneimittel mitverzögerter Wirkstofffreisetzung, unvorteilhaft auswirken kann (72).

Komplexer sind die Auswirkungen des veränderten pH-Wertes im Magen: bei der Geburt ist dieser aufgrund des reduzierten Säureproduktionsvermögens und des allgemein erniedrigten gastralen Sekretionsvolumens praktisch neutral und sinkt dann in den sauren Bereich ab. Es erfolgt ein neuerlicher Anstieg in den neutralen Bereich und wird in den ersten 10 Lebenstagen so beibehalten. Erst im 2.

Lebensjahr werden Werte wie beim Erwachsenen erreicht. Bei Frühgeborenen werden diese Schwankungen nicht beobachtet – sie scheinen innerhalb der ersten zwei Lebenswochen über keine bzw. nur eine äußerst geringe Säureproduktion zu verfügen (73,74). Änderungen des pH-Wertes haben einen bedeutenden Einfluss auf die Stabilität und damit Ionisierungsgrad eines Pharmakons. Sie sind entscheidend dafür welcher Anteil des verabreichten Medikamentes für die Absorption zur Verfügung steht, wie bereits beschrieben sind nur apolare, lipophile Stoffe in der Lage Membranen durchdringen: dazu dürfen sie allerdings nicht in ionisierter Form vorliegen. Allgemein gilt: Je stärker die Ionisation desto geringer die Resorption (45). Im Umkehrschluss werden also schwache Säuren aus saurem Milieu wie im Magen und schwache Basen im alkalischen Milieu des Dünndarms besonders gut aufgenommen.

Konkret bedeutet das, dass schwach saure Substanzen wie das Antibiotikum

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wegen des sehr niedrigen pH-Wertes im Magen höhere Spitzenkonzentrationen (Cmax) im Blut aufweisen als dies vergleichsweise bei älteren Säuglingen und Kleinkindern der Fall ist. Umgekehrt liegen bei schwach basischen Substanzen wie dem Itraconazol, einem Antimykotikum, verringerte Konzentrationen im Blut vor da der niedrige gastrale pH-Wert zu einem hohen Ionisierungsgrad und damit verminderter Aufnahme führt (75).

Von Bedeutung ist auch das biliäre Funktionsausmaß: die von den Hepatozyten der Leber gebildete und in der Gallenblase gespeicherte Gallenflüssigkeit wird in das Duodenum abgegeben. Die darin enthaltenen Gallensalze haben die Aufgabe wasserunlösliche Substanzen wie Lipide für die Resorption aufzubereiten indem sie deren Oberflächenspannung herabsetzen. Gallensalze sind sogenannte

„konjugierte Gallensäuren“, das heißt sie liegen nicht frei, sondern in Form ihrer Amide mit Aminosäuren und aufgrund des alkalischen Charakters der Galle als Anionen in Form der Gallensalze vor. Der Konjugationsvorgang ist bei Säuglingen unreif, wie auch die Enzyme für die Übertragung der Gallensäuren auf Aminosäuren und die Transportmechanismen für die Abgabe der Galle selbst, so dass die Adsorption lipophiler Substanzen in eingeschränktem Ausmaß erfolgt. Bis zu 3 Wochen nach der Geburt liegen Gallensäuren also in vermindertem Ausmaß vor.

Die biliäre Sekretionsleistung steigt danach an und sinkt im Alter von 6 Monaten auf konstante Werte ab (76,77).

Tabelle 3: Altersabhängige Parameter welche die gastrointestinale Absorption beeinflussen in Relation zu Werten im Erwachsenenalter (4).

Unmittelbar

Neugeborenes Neugeborenes (1.Tag bis 1.

Monat)

Säugling

(ab Ende 1.Monat bis 2 Jahre)

Physiologische Variable

Gastraler pH-Wert Neutral –> 1 > 5 Wie bei Erwachsenen Gastrale

Entleerungszeit

Reduziert (variabel) Reduziert (variabel) Erhöht

Intestinale Oberfläche Reduziert Reduziert Wie bei Erwachsenen Intestinale Transitzeit Reduziert Reduziert Erhöht

Biliäre Funktion Sehr unreif Unreif Wie bei Erwachsenen

Bakterienflora Sehr unreif Unreif Wie bei Erwachsenen

Enzyme/Transporter-

Aktivität Sehr unreif Unreif Wie bei Erwachsenen

Pharmakokinetisches Resultat

Rate und Ausmaß der Adsorption

Variabel Variabel als bei Erwachsenen

Gastrointestinaler First-Pass-Effekt

Stark reduziert Reduziert Annähernd

Erwachsenenwerte

(35)

Bei der rektalen Verabreichung von Substanzen macht man sich die Tatsache zunutze, dass bei Einbringung direkt hinter den Analsphinkter die Aufnahme nicht über die Vv. rectales superiores erfolgt und damit der sogenannte First-Pass-Effekt umgangen wird (78). Die tatsächlich absorbierte Stoffmenge ist hier aber auch von der Träger- und Wirksubstanz wie vom Füllungszustand des Rektums abhängig und es besteht zudem immer die Gefahr einer vorzeitigen Ausscheidung (73). Insgesamt kann bei dieser Applikationsform nur schlecht abgeschätzt werden welche Wirkstoffmenge letztendlich dem Organismus zur Verfügung stehen wird (79).

Außerdem wird die rektale Verabreichung in einigen Kulturen und mit zunehmendem Kindesalter auch von diesen abgelehnt.

8.1.2 Haut

Die perkutane Aufnahme ist prinzipiell dem Feuchtigkeitsgehalt der Haut und der relativen Absorptionsoberfläche sowie invers der Dicke des Stratum corneum proportional (80). Reife Neugeborene haben zwar einen dem Erwachsenen entsprechenden Hautaufbau aber ein größere Ratio von Körperoberfläche zu Gewicht. Dies bedeutet, dass sie einem lokal verabreichten Wirkstoff in höherem Maße ausgesetzt sind als ältere Kinder oder Erwachsene.

Frühgeborene haben eine erhöhte Hautpermeabilität und damit ein ebenso erhöhtes Risiko für akzidentelle Überdosierungen. Andererseits bietet sich dieser Applikationsweg – sofern die richtige Dosierung gewählt wird – bei den für Frühgeborene üblichen schwierigen Venenverhältnissen als nicht-invasive Verabreichungsalternative an (77).

8.2 Auswirkungen der Besonderheiten der Absorption im Neugeborenen- und Säuglingsalter bei ausgewählten Substanzgruppen in der perioperativen Schmerztherapie Opiate und Opioide

Morphin liegt bei einem physiologischen Blut-pH-Wert von 7,4 weitgehend in der hydrophilen, ionisierten Form vor und kann so die Blut-Hirn-Schranke nur langsam überwinden. Die Verabreichung erfolgt als Tablette, Kapsel oder Lösung sowie

(36)

liegt lediglich eine Bioverfügbarkeit von 30 % vor. Zusammen mit der Tatsache dass die tatsächliche rektale Aufnahmemenge allgemein großen Schwankungen unterliegt und meist noch unter diesen 30 % liegt erklärt sich der Umstand dass Opiate/Opioide in dieser Applikationsform keine Anwendung finden (33).

Fentanyl ist eine ausgesprochen lipophile Substanz und hat dadurch ein ausgeprägtes Penetrationsvermögen und eine im Vergleich zu Morphin höhere Affinität zu zentralen Opioidrezeptoren (82). Dadurch wird die analgetische Wirkung rascher als mit Morphin erzielt und kann intravenös und buccal angewandt werden (83).

NSAR

NSAR werden nach oraler Einnahme rasch resorbiert.

Ibuprofen wird nahezu vollständig und großteils aus dem Dünndarm aufgenommen, weshalb es in therapeutischer Dosierung die geringsten gastrointestinalen Nebenwirkungen von allen NSAR verursachen soll (54). Es ist außerdem in der Lage die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und damit liquorgängig. Ibuprofen ist in Österreich zur oralen Einnahme in der Form von Dragees oder Tabletten bzw. als Suspension und als Schmelztablette verfügbar. Des Weiteren ist es als Zäpfchen zur rektalen Anwendung oder Gel zur lokalen Applikation erhältlich. Als Injektionslösung ist es lediglich für den Verschluss des Ductus arteriosus zugelassen (84).

Diclofenac liegt ebenso in denselben Verabreichungsformen vor. Als Infusionslösung ist es erst ab dem 14. Lebensjahr zugelassen. Es unterliegt einem ausgeprägten First-Pass-Effekt bei oraler Aufnahme. Durch eine rektale Applikation kann eine verbesserte Bioverfügbarkeit erreicht werden (85,86).

Metamizol

Metamizol ist eine „Pro-Drug” und wird nach oraler Gabe bereits im Magen- und Darmlumen hydrolisiert und vollständig resorbiert. Das Medikament ist so zu 85 % bioverfügbar, für die intramuskuläre Verabreichung gilt ähnliches. Rektal kann nur ein Wert von etwa 50 % erreicht werden. Es liegt als Tropfen, in Form von Tabletten, Suppositorien und als hydrophile Substanz auch als Injektionslösung als

(37)

Methansulfonsalz zur Verabreichung vor (87). Da es sich um eine schwach basische bis neutrale Substanz handelt reichert sie sich nicht im entzündeten Gewebe an, wodurch eine antiphlogistische Wirkung fehlt (54).

Paracetamol

Oral und rektal wird Paracetamol gut resorbiert, die Resorption erfolgt vor allem im Duodenum (45). Durch die beim Neonaten verlangsamte Magenentleerung ist der Wirkungseintritt verzögert. Die Serumkonzentrationen die für eine analgetische bzw. antipyretische Wirkung notwendig sind unterscheiden sich erheblich voneinander: Schmerzstillung erfordert 10 mg/l, für die Fiebersenkung reichen 5mg/l. Konkret bedeutet das, dass mit der rektalen Applikation in empfohlener Dosierung nur eine Konzentration von 5 mg/l erzielt und damit nur eine antipyretische, aber keine analgetische Wirkung erzielt werden kann (88). So ergibt sich im Umkehrschluss auch die Problematik, dass empfohlene Mengenangaben – welche auf einen ausreichenden schmerzstillenden Effekt ausgelegt sind – stark von den von Sicherheitsbedenken gestützten Empfehlungen der Fachinformation/Packungsbeilage abweichen (52).

Paracetamol ist zudem plazenta- und liquorgängig und wird auch mittels Muttermilch übertragen (88). Es liegt als orale, wie auch rektale und als intravenöse Applikationsform vor (89) und ist bereits ab dem reifen Neugeborenenalter zugelassen.

9. Distribution

Nachdem der Arzneistoff das Gefäßsystem erreicht hat verteilt er sich mit dem Blutstrom im Körper. Ob und in welche Verteilungsräume er sich dabei begibt hängt nun vom Ausmaß der Perfusion, das heißt Durchblutung eines Gewebes einerseits und andererseits von Substanzeigenschaften wie Molekülgröße und Lipophilie sowie den Membranbeschaffenheiten ab. Relevante Verteilungsräume sind der intravasale, der interstitielle und der intrazelluläre Raum. Der intravasale Raum umfasst das zirkulierende Blutvolumen in den Gefäßen; der interstitielle entspricht dem Zwischengewebsraum. Zur Beschreibung der Vorteilungsvorgänge einer

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