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Nachdem der Arzneistoff das Gefäßsystem erreicht hat verteilt er sich mit dem Blutstrom im Körper. Ob und in welche Verteilungsräume er sich dabei begibt hängt nun vom Ausmaß der Perfusion, das heißt Durchblutung eines Gewebes einerseits und andererseits von Substanzeigenschaften wie Molekülgröße und Lipophilie sowie den Membranbeschaffenheiten ab. Relevante Verteilungsräume sind der intravasale, der interstitielle und der intrazelluläre Raum. Der intravasale Raum umfasst das zirkulierende Blutvolumen in den Gefäßen; der interstitielle entspricht dem Zwischengewebsraum. Zur Beschreibung der Vorteilungsvorgänge einer

Verteilungsräume, sogenannte Kompartimente, eingeteilt. Kompartimente sind beispielsweise Fettgewebe, Knochengewebe, Plasmaproteine und weitere. So werden skizzenhaft Ein-, Zwei-, Drei- und Mehrkompartimentmodelle unterschieden.

Generell findet nach der Anflutung der Substanzen in gut durchbluteten Organen ein Ausgleich durch Umverteilung in schlechter durchblutete Organe statt. Besitzen letztere für das gegebene Pharmakon eine hohe Speicherfähigkeit so kann dadurch die Wirkung der Substanz bereits beendet werden ohne dass sie aus dem Körper ausgeschieden wurde (45).

Der weitere Transport einer Substanz mit dem Blutstrom erfolgt in unterschiedlichem Ausmaß an Plasmaproteine gebunden. Basische Stoffe werden bevorzugt von saurem α-1-Glykoprotein, saure Pharmaka von Albumin gebunden.

Der solcherart gebundene Anteil ist für die Mehrzahl der Arzneistoffe in therapeutischen Dosisbereichen konstant und wird in Prozent angegeben. Er stellt quasi ein Reservoir dar, da er in Bindung die Gefäßwände und somit Kompartimentgrenzen nicht überschreitet und so einerseits nicht zum Wirkort vordringt und andererseits auch nicht eliminiert werden kann.

Das Ausmaß an Bindung ist von zahlreichen Faktoren abhängig: Nimmt beispielsweise die Konzentration an freier Substanz ab werden aus den Bindungen konsekutiv Stoffe freigesetzt. Bei Nieren- und Lebererkrankungen ist der Anteil an Proteinbindung generell geringer. Bei Tumorerkrankungen, Herzinfarkten und inflammatorischen Prozessen wird beispielsweise vermehrt saures α1-Glykoprotein gebildet. Dadurch sinkt der Anteil an frei wirksamer Konzentration. Zudem können sich Pharmaka gegenseitig verdrängen.

Als Maß für die Distribution einer Substanz im Organismus wird in der Pharmakologie das Verteilungsvolumen (VD) angegeben. Darunter ist das Flüssigkeitsvolumen, welches zur Lösung der gesamten Pharmakonmenge erforderlich wäre um dieselbe Konzentration zu erhalten wie sie im Plasma vorliegt, zu verstehen. Sie ist damit eine auf das Körpergewicht bezogene rechnerische Größe und wird in Litern pro Kilogramm Körpergewicht (l/kg) angegeben. Lipophile Substanzen können den Intravasalraum rasch verlassen und in das Gewebe übergehen, weshalb sie allgemein höhere Verteilungsvolumina als hydrophile Substanzen aufweisen (45).

9.1 Physiologische Besonderheiten der Distribution im Neugeborenen- und Säuglingsalter

Die Distribution, also Verteilung eines Pharmakons, wird bei Kindern durch eine Vielzahl an physikochemischen Faktoren beeinflusst, unter anderem spielen die Reife von Transportenzymen, der pH-Wert von Gewebe und Blut, das Ausmaß von Blut- und Gewebeproteinbindung, der Gehalt an Plasmaproteinen sowie das Ausmaß der Perfusion von Organen eine große Rolle (73,90).

9.1.1 Körperkomposition

Einen entscheidenden Einfluss hat die Körperzusammensetzung, da sie die eingangs erwähnten Verteilungsräume definiert. So haben Früh- und Neugeborene einen wesentlich höheren Gesamtkörperwasseranteil als ältere Kinder und Erwachsene (91). Das Verhältnis von Intrazellulärraum zu Extrazellulärraum liegt bei Erwachsenen bei 2:1, bei Neugeborenen hingegen bei 1:1. Dies führt dazu dass eine körpergewichtsbasierte Dosierung geringeren Plasmakonzentrationen bei Säuglingen im Vergleich zu Erwachsenen entspricht. Vor allem hydrophile Stoffe sind davon betroffen (92). Auch für lipophile Stoffe ist ein höheres Verteilungsvolumen anzunehmen, da Säuglinge im Vergleich zu älteren Kindern relativ mehr Fettanteil haben. Bei Neonaten ist der Fettanteil hingegen reduziert, ein reduziertes Verteilungsvolumen ist die Folge.

Abbildung 3: Entwicklungsbedinge Änderungen der Distribution (74).

9.1.2 Plasmaproteinbindung

Von Bedeutung ist die niedrigere Gesamtproteinkonzentration im Plasma, wobei die unterschiedlichen Fraktionen Gesamtprotein, Plasmaalbumin, α1-saures-Glukoprotein und Plasmaglobulin bei Neonaten generell erniedrigt sind, während das Plasmaalbumin bei Säuglingen bereits Erwachsenenwerte erreicht (75).

Die Auswirkung einer erniedrigten Plasmaproteinkonzentration liegt darin dass der ungebundene, freie und damit wirksame Anteil einer Substanz relativ höher ist als bei physiologischen Bedingungen (77). Nicht nur Pharmaka sondern auch andere Substanzen nutzen Plasmaproteine für den Transport in der Blutbahn – die bei Neonaten in größerem Ausmaß vorliegenden freien Fettsäuren und die ebenso erhöhte Fraktion an unkonjugiertem Bilirubin konkurrieren mit anderen Stoffen um die Bindungsstellen. Sie sind aber nicht nur in der Lage zu verdrängen sondern können selbst auch wieder verdrängt werden: So erklärt sich beispielsweise der bei der Gabe von Sulfonamiden an Neonaten auftretende Kernikterus wenn sich das Bilirubin von den Bindungen löst um dem Sulfonamidmolekülen Platz zu machen.

Sulfonamid wird deshalb heutzutage bei Neugeborenen und Säuglingen auch nicht mehr eingesetzt.

Tabelle 4: Physiologische Variablen, die die Proteinbindung im Säuglings- und Kindesalter beeinflus-sen (7).

Parameter Neugeborenes Säugling Kind

Gesamtprotein Erniedrigt Erniedrigt Äquivalent

Plasmaalbumin Erniedrigt Äquvalent Äquivalent

Plasmaglobulin Erniedrigt Erniedrigt Äquivalent Saures α1

-Glykopro-tein

Erniedrigt Keine Daten ver-fügbar

Äquivalent

Freie Fettsäuren Erhöht Äquivalent Äquivalent

Unkonjugiertes Bilirubin

Erhöht Äquivalent Äquivalent

9.2 Auswirkungen der Besonderheiten der Distribution im Neugeborenen- und Säuglingsalter bei ausgewählten Substanzgruppen in der perioperativen Schmerztherapie

Opiate und Opioide

Morphin als hydrophile Substanz benötigt aufgrund des bei Neugeborenen höheren Verteilungsvolumens eine höhere Initialdosis um eine gewünschte Konzentration der Substanz im Blut zu erreichen (79). Es ist bei Frühgeborenen lediglich zu 20 % an Plasmaproteine gebunden, der frei wirksame Anteil ist so im Vergleich zum Erwachsenen mit 35-%-Bindung höher. Nach intravenöser Gabe verteilt es sich rasch, wobei aufgrund der Hydrophilie die Penetration der Blut-Hirn-Schranke eher zögerlich erfolgt. Die Wirkdauer insgesamt ist vom Ausmaß der Redistribution aus peripheren Geweben abhängig. Speziell nach schneller intravenöser Applikation ist in Verbindung mit einem Volumenmangel und damit geringerem Verteilungsvolumen die allgemein sehr gute kardiovaskuläre Verträglichkeit eingeschränkt, mit einem bradykarden Herzrhythmus sowie hypotonen Zuständen muss gerechnet werden (20). Ansonsten zeigt sich das Verteilungsvolumen des hydrophilen Morphins unabhängig vom Lebensalter und die Pharmakokinetik gleicht bereits im Alter von einem halben Lebensjahr der von Erwachsenen (33).

Fentanyl verteilt sich aufgrund seiner Lipophile rasch in gut durchblutete Gewebe wie Lunge, Nieren und Gehirn; wobei die Lunge bei den ersten Passagen als Pufferorgan dient und es nach und nach wieder abgibt (93).

Die Plasmaproteinbindung liegt bei 80 %. Die Lipophilie bedingt eine bevorzugte Aufnahme von Fentanyl ins Fettgewebe. Es kann somit nicht zu den kurzwirksamen Opioiden gezählt werden, vor allem wenn es in der Langzeitsedierung eingesetzt wurde und somit eine lange kontextsensitive Halbwertszeit, also Halbwertszeit in Relation zur Anwendungsdauer, vorliegt und dabei ausgeprägte Redistributionsphänomene auftreten (20). Damit ist gemeint, dass beim Vorliegen von höheren Konzentrationen eines lipophilen Medikaments im Fettgewebe in Relation zu dessen Konzentration im Plasma dieses wieder dem Gradienten zurück ins Plasma folgt.

Allgemein besteht aber bei allen Opiaten/Opioiden kein enger Zusammenhang zwischen Plasmaspiegel und analgetischer Wirkung (20).

NSAR

NSAR liegen bei physiologischem pH-Wert weitgehen ionisiert vor und haben so als hydrophile Substanzen im Neugeborenen- und Säuglingsalter ein höheres relatives Verteilungsvolumen, woraus zur Erzielung vergleichbarer schmerzstillender Effekte höhere Initial- und Erhaltungsdosen als beim Erwachsenen notwendig sind (20).

Ibuprofen hat eine Plasmaproteinbindungsrate von 99 % mit den Konsequenzen dass – da ja die gebundenen und nicht gebundenen Anteile in einem Fließgleichgewicht stehen – bei einem Abfall der freien Anteile welche aus der Bindung freigesetzt werden. Außerdem können andere Wirkstoffe Ibuprofen aus den Bindungsstellen verdrängen, bei nur 1 % als aktiven freien Anteil bedeutet eine weitere Freisetzung von einem Prozent bereits eine Verdoppelung der verfügbaren Wirkstoffkonzentration. Die Plasmaproteinbindung von Diclofenac ist ebenso hoch;

es tritt außerdem in die Synovialflüssigkeit über und eignet sich deshalb besonders gut zur Behandlung von Gelenkbeschwerden.

Metamizol

Die Plasmaproteinbindung beträgt je nach Metabolit 14–58 %; aufgrund seiner nicht-sauren Konstitution ist es nicht in der Lage in entzündetes Gewebe vorzudringen und wirkt deshalb nicht antiphlogistisch. Bei pädiatrischen Patienten ist allgemein zwischen dem 3. und 11. Lebensmonat die intramuskuläre Applikation vorgesehen, davor orale Verabreichung in Form von Tropfen. Da die intramuskuläre Injektion in der Regel schmerzhaft und somit für das Kind unangenehm ist wird meistens davon abgesehen (94).

Nach oraler Verabreichung ist das Medikament in dieser Form zu 85 % bioverfügbar; maximale Plasmaspiegel werden nach 1–2 Stunden erreicht. Die intramuskuläre Verabreichung ergibt eine ähnliche Bioverfügbarkeit; bei rektaler Gabe beträgt dieser Wert aber nur etwa 54 %.

Paracetamol

Paracetamol hat nur eine geringe Proteinbindung und verteilt sich rasch (95).