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Aus Baki's Diwan 0.
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1) Herr Julius Zwiedinek von S ii d en hors t , erster Dolmetsch des k. k. Oeneralkonsulats in Smyrna , hat eine Ausgabe des gesammten , kritisch gesichteten Textes des Diwans von Baki nebst einer Auswahl von Uebersetzungs- proben vollendet, welche er durch den Druck zu veröffentlichen beabsichtigt, falls sich ein Herausgeber finden sollte. Obige zwei Kassiden sind dem zu Handen des Unterzeichneten befindlichen Manuscripte des genannten Hrn. Ver¬
fassers entnommen. O. v. Schlechta.
498 Bahts Diwan.
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Lobgedicht
auf ein vom Sultan Suleiman verfasstes Gedicht,
(dschihani madelet kian murüwwet chani)
Im Kreise der Gerechtigkeit Du milder Gnadenhort,
Vertheidiger des Glaubens Du, der Welten Zufluchtsort,
Suleiman! Du siegreicher Chan durch Edelsinn bekannt,
0 König Du der Könige, der Du beglückst das Land,
Wie reizend wird, o schauet nur! durch seiner Gnaden Spur
Mit äussrem Glanz, mit innrer Pracht verherrlicbt die Natur!
AtiS Baki's Diman. 499
Als Kaiser hast voll Weisheit Du durch Deiner Worte Macht
In neuer Regeln neu Geleis die Redekunst gebracht;
Als Dichter reihtest Perlen gleich zum Kranz die Worte Du, i)
Säh Hassan ihn, so rief er selbst Dir tausend Bravo zu ;
Der Buchstab, den Du schreibst, scheint uns ein winziger Saphir,
Und wie der Lilien weisses Kleid erglänzet das Papier;
Vielleicht, dass duftge Veilchen gar Dein Rohr geschaffen hat,
Vielleicht, dass die Narzisse hält umarmt das Rosenblatt?
Es glänzet wie der Morgen hell der Seite weisses Feld,
Die schwarze Tinte sich in's Aug' als Salbe streicht die Welt;
Und auf den dunklen Lettern sieh ! die Punkte zart und fein,
Sie scheinen die Plejaden mir in schwarzer Nacht zu sein;
Doch wenn wir gleich als Punkte nur mit unsrem Aug' sie seh'n,
Auf Ambramaale deuten sie den Männern, die's versteh'n;
Es rauscht Dein Vers wie Selsebil im Paradieseshain,
Ein duftend Gras aus Eden scheint mir Deine Schrift zn sein;
Das Versmaass Deiner Reime ist ein Meer fürwahr, bei Gott!
Denn für die Schöpfung wird darin so manche Perle flott;
Wie allerliebst ist Dein Gedicht, wie zuckersüss und mild,
So süss wie der Geliebten Mund, so reizend wie ihr Bild;
In Deiner Verse Spiegel hat Baki einstmals geblickt.
Ahmt Dich nun nach als Papagei mit seinem Lied geschickt;
Zu jagen nach dem Königsaar der Weisheit, schwerer Stand!
Wenn uns Dein königlicher Geist als Falke nicbt zur Hand;
Die Könige als sie erkannt Dein wundervoll Gemüth,
Da haben in den Staub vor Dir sie nieder sich gekniet;
Für Dich nur hat der Sterne Schaar, o Schah! am Himmelszelt
Auf blauem Grund aus reinem Gold die Krone aufgestellt;
0 gebe Gott dass immerdar Ihm auf dem Thron der Macht
Des Sieges lichte Ruhmeskron verleihe Glanz und Pracht;
Von allem Uebel möge stets das Schicksal ihn befrein,
Gott möge Seiner Grösse Hort und Sein Beschützer sein.
1) Sultan Suleiman war belcanntllch selbst Dichter, in welcher letzteren Eigenschaft ihn das gegenwärtige Gedicht preist.
2) Der Name des bekannten Panegyrikers des Propheten.
3) Eine Anspielung auf die goldenen Punkte ond Steme, welche den Text der Manuscripte zieren.
600 -Au» Bald's Diwan.
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Aus Baki's Diwan.
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Bd. XIX. 33
Aus Rak'is Diwan.
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Aus Jiahi's iJitmn. 503
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Trauergedicht
auf den Tod der Sultanin Tante Ismet Chatun.
(dschai asaisch olur sanma dschihani fani)
Glaube nicht, dass Ruh' zu finden
In der Welt voll Unbestand,
Suche nicht Dein Haus zu gründen
Auf Ruinen halbverbrannt.
Denn ein Wohnort voll der Lasten
Ist der Erde Saal fürwahr.
Keinen Winkel d'rin zu rasten.
Bietet er dem Wandrer dar;
Darnm lass Dich nicht umgarnen
Von der Schöpfung eitlem Schein,
Lass Dich von den Erben warnen
Die da ziehen aus nnd ein;
Feindlich ist das Loos den Frommen
Nur den Thoren gut gesinnt;
Sieh nur wie es mitgenommen
Jenes hohe Fürstenkind,
Jeder Farbenglanz muss weichen
Vor Chamsins giftschwangrem Hauch,
Macht wie dürres Blatt erbleichen
Jene holde Rose auch;
Wohin schwand der Schönheit Krone?
Wohin schwand des Glücks Juwel?
Deren Schwelle Gnadenzone,
Die Sultanin ohne Fehl?
Perle in dem Grossmuthsmeere ,
Die verwirrt die Herzen macht,
Kleinod reich an Glanz und Hehre
In der Liebe tiefem Schacht, Sonn' und Mond in Glückessphäre,
Leuchte in der Schönheit Land,
Fürstin, reich an Ruhm und Ehre,
Sultauin Ismet benannt;
Frühlingswolken, die geflossen
Anf der Rosen duft'gen Chor,
33»
Aue Baki's Diioan.
Regentropfen ausgegossen
Auf der Blüthen reichen Flor,
Flüsse die sich schlängelnd winden
An der Wiesen Saum hinan,
Tröpfchen Thau's, die Ruhe finden
Auf dem Anemonenplau ,
Sind nur Thränen, die da fliessen
Alle ohne Unterschied, Die die Himmlischen vergiessen
Weil die Fürstin ach! verschied.
Sieh, in Tranerkleider hüllet
Sich des Himmels weites Rund,
Macht den Schmerz, der ihn erfüllet.
So der ganzen Erde kund.
Von den Stacheln, von den Domen
Dieses Gau's sich zu befrein.
Ging der Körper der Verlomen
Seelig in das Eden ein.
Ans dem Staub' hat sie erhoben
Der an Edens Pforte wacht.
Hat im höchsten Himmel oben
Sie an heil'gen Ort gebracht,
Mit den Flügeln ihrer Gnade
Deckte sie die ganze Welt,
Ihre Grossmuth, ach wie schade!
Hat den Armen nie gefehlt;
Weinet darnm ihr Verwaiste, Weinet ihr Verlassnen all'.
Denkt der Fürstin, die euch speiste.
Die euch half von Fall zu Fall,
Schmückt' mit Teppichen die Gänge,
Denn das Fest des Bairams naht.
Zeig' 0 Fürstin Dich der Menge
Die Dein GlUck beglücket hat.
All des Reiches Grosse mögen
Nun zu ihrer Schwelle ziehn.
In den Staub auf ihren Wegen
Sich ala niedre Knechte knien,
Vor der Tante sich zn neigen
Nahen schon die Prinzen auch.
Froh nnd heiter sie sich zeigen,
Wie's bei solchem Feste Braach;
Aus Baki's Diioan. 505
Ach! dass all die Herrlichkeiten
Nnr ein Traum sind, der vergeht,
Denn verändert sind die Zeiten,
Himmelsrad hat sich gedreht;
Nicht am Thron mehr hat gefnnden
Sie der Freunde treue Schaar,
Um die Fürstin, die verschwunden Klagt der Himmel immerdar;
Harter Himmel , welch Verhrechen
Müssen heute büssen wir,
Dass uns in die Augen stechen
Pfeile aus dem Leidrevier;
Hülfe! Hülfe! o gewähret
Gnade unsrer Noth und Pein,
Die der Trennungsschmerz verzehret,
Finden Trost bei Gott allein;
Lasst an einem Ort' uns sammeln
Mit verwundetem Gemüth,
Lasst uns unsre Klage stammeln,
Thräne dann im Auge glüht;
Denn zum Spiele wie zum Scherze
Passet jetzt die Stunde nicht,
Lasst uns reden von dem Schmerze,
Der das bange Herz uns bricht;
An dem Grame musst' erkranken
Unser bart geprüfter Sinn,
Und verworren die Gedanken
Quälend uusern Kopf durchziehn;
Von der Wange uns der bleichen
Silberhell die Thräne rollt.
Kann Betrübten dar sie reichen
Als des Leides bittren Sold,
Siehl des Edens lichten Gauen
Hat die Flur es nachgemacht,
Zelte dort die Kämpfer bauen,
Würdig kaiserlicher Pracht ^) ;
Denn die Fluren hat geschmücket Gottes Güte tausendfach.
Wir, von herbem Schmerz bedrücket,
Trinken nnser Herzblut, achl
1) Es ist am Bairamfeste Sitte, auf Wiesen und freien PlStzen Bing- und Kampfspiele abzuhalten.
3 5
506 Aus Baki's Diwan.
Seht an ihrer Thüre Schwelle
Weinend jetzt die Engel stehn,
In Gewändern licht und helle
Zieht den Huris sie entge'n.
Gottes Huld und Gottes Gnade
Steht an ihrem Haupte Wacht,
Hat aus dieser Welt gerade
In das Jenseits sie gebracht;
Mög' im Himmel sie umschweben
Gottes Nachsicht immerdar,
All das GlUck sie dort umgeben;
Dessen hier sie würdig war;
Dort mit funkelndem Gewebe
Sei so reich sie ausgeschmückt,
Dass zn ihrem Bild erhebe
Engelschaar das Aug' entzückt;
Auf dem Weg znm Paradiese
Leuchte uns ihr Leichenstein,
Ew'gen Strahlenschimmer schliesse
Ihr erlauchtes Grabmal ein;
0 Baki! Von kurzer Daner
Ist die Herrlichkeit der Welt,
D'rum vergessen sei die Trauer,
Wenn der Schah sich uns erhält.
Mit der Tochter sein, der reinen,
Deren Stern das Glück stets bannt.
Nimmer darf die Venus scheinen.
Wenn ihr Blick uns zugewandt;
Auch die Perle der Vesire,
Die benannt Ahmed Pascha,i)
Ewig Gottes Gnade ziere,
Stets sei seine Huld ihm nah;
Wie am Zweig die Rosenkronen
Schützt ein grünes Blätterdach, Mög sie gnädig Gott verschonen
Mit der Dornen Ungemach;
Hülle auch in Dein Erbarmen
Gott! der Fürstin Schatten ein,
Lass im Paradies der Armen
Wächter Deine Engel sein.
1) Ahmed Pascha , Rustems Eidam , war bei der Eroberung Szigeth's vierter Wesir und später Grosswesir.
507
UeDer den Gewinn, den die Geschichtswissenschaft
aus dem Studium des religions-gesetzlichen (hala¬
chischen) Theiles der neuhebräischen Literatur des
Mittelalters zu erwarten hat.
Vorzugsweise
in Rücksicht auf die deutsche Geschichte nachgewiesen
von
Dr. M. Wiener, Oberlehrer zu Hannover.*)
Hochgeehrte Versammlung! Gestatten Sie, dass ich Ihre Auf¬
merksamkeit auf kurze Zeit für einen Zweig derjenigen Literatur
in Anspruch nehme, die, obwohl sie zu der orientalischen gehört,
bereits eine fast zweitausendjährige Existenz hat und im Laufe dieser
Zeit in fast allen civilisirten Ländern der Erde cultivirt worden ist,
dennoch in dem letzten Jahrhundert zum Nachtheile für die Wissen¬
schaft in dem Masse vernachlässigt wurde, dass, wo man sich aus
ihr Rath zu holen gezwungen war, man in der Regel zu Subsidiar-
werken seine Zuflucht nahm und sich somit solcher Krücken be¬
diente, die bei einer eingehenderen Forschung längst als schwach und
morsch hätten erkannt werden müssen. Ich nieine die neuhebräische
Literatur, fälschlich noch immer von Vielen die rabbinische ggjiannt,
welche das ganze hebräische nach bibli sehe Schriftenthum umfasst,
dessen einzelne Epochen von Zunz in seinem Buche „Zur Ge¬
schichte und Literatur" so meisterhaft geschildert und cbaracterisirt
worden sind. Bis vor etwa hundert Jahren entwickelten auch
christliche Gelehrte, insbesondere die Theologen, auf diesem Ge¬
biete eine sehr bedeutende Thätigkeit, wenngleich meistens nur zu
theologischen und polemischen Zwecken; seitdem sich aber die
Wissenschaft von der Theologie zu emanzipiren begann, nahm auch
der ehedem auf das Studium der neubebräischen Literatur verwandte
Fleiss immer mehr ab, weil man, wenn nicht Vorurtheile oder die
Scheu vor deu zu überwindenden Schwierigkeiten als Gründe für
die eingetretene Vernachlässigung jenes Literaturgebietes angenom-
*) Vortrag, gehalten in der Generalversammlung der D. M. GeseUschaft in Hannover d. 2. Sept. 1864.