• Keine Ergebnisse gefunden

5 Auswertung der im CIL IV edierten Graffiti

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "5 Auswertung der im CIL IV edierten Graffiti"

Copied!
28
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

5 Auswertung der im CIL IV edierten Graffiti

Mit diesem Kapitel beginnt die eigentliche Untersuchung des Materials, das in den beiden vorangehenden Kapiteln in seinen sozialen, räumlichen und kulturellen Kontext eingebettet und als Interaktionsform charakterisiert wurde. Es wird mit einer Einschätzung des CIL IV als Materialgrundlage eingeleitet (5.1), welche die methodo- logische Vorgehensweise dieser Arbeit stützen soll, gleichzeitig aber das CIL auch kri- tisch hinterfragen, auf seine Schwierigkeiten hinweisen und zukünftigen Forschern den Einstieg in die Arbeit damit erleichtern soll. Das nachfolgende Kapitel (5.2) beruht auf eigenen Auswertungen der im CIL enthaltenen Daten; dafür sind sowohl die Inhalte der pompejanischen Graffiti kategorisiert als auch sämtliche angegebenen Informationen zu den Anbringungsorten verwendet worden. Auch wenn Statistiken als objektive Methode gelten, sind die dafür nötige Selektion und Kategorisierung von Daten und nicht zuletzt deren Interpretation in einem gewissen Maße immer auch subjektiv.476 Die hier vorgenommene zahlenmäßige Auswertung der Inhalte und Ver- teilung der pompejanischen Graffiti geht deshalb Fallstudien voraus, die den ersten Hauptteil der Arbeit bilden und in denen die allgemeinen Beobachtungen vertieft und Trends überprüft werden sollen.

5.1 Das CIL als Forschungsgrundlage. Kritisches und Hilfreiches

Die wichtigste Grundlage für die pompejanische Graffitiforschung stellt der vierte Band des 1853 von der Berlin-Brandenburgischen (damals noch Königlich-Preußi- schen) Akademie der Wissenschaften in Angriff genommenen Corpus Inscriptionum Latinarum dar.477 Insgesamt sind im CIL IV ca. 6100 Graffiti aus den Vesuvstädten, davon ca. 5600 aus Pompeji ediert.478 Der von K. Zangemeister erstellte Hauptband des CIL IV erschien 1871; 1887, 1909, 1952, 1963 und 1970 erschienen unter der Her- ausgeberschaft Zangemeisters, Maus, Della Cortes und Ciprottis weitere Inschriften

476 So auch Bauer 2002, 156 in ihrer Studie zu modernen Toilettengraffiti.

477 Zur Geschichte des CIL s. Rebenich 2014.

478 Mouritsen 1988, 9 kommt auf geschätzte 5000 Graffiti, Solin 1979, 280 auf ca. 7400 Wandinschrif- ten im CIL IV, die Dipinti mitgezählt; Keegan 2006, 40 zählt 3292 im CIL IV aus Pompeji und anderen Orten edierte geritzte Inschriften, spricht aber in einem neueren Artikel (Keegan 2015, 257) von 11000 Graffiti, ebenso DiBiasie 2015, viii und Garraffoni/Laurence 2015, 125. Die unterschiedlichen Zahlen bedingen sich aus unterschiedlichen Zählweisen, da das CIL manchmal in einem Eintrag mehrere Graffiti – z. T. nur beiläufig erwähnt – zusammenfasst. Die hiesige Zählung orientiert sich dennoch an den CIL-Einträgen (Nummern- und Buchstabenzählung).– Für diese Arbeit wurden nur alle Graffiti aus dem Stadtgebiet Pompejis, d. h. exklusive der extra-urbanen Areale (Nekropolen, Villen), statis- tisch erfasst (ca. 5300, vgl. u. Kap. 5.2, S. 128).

© 2018 Polly Lohmann, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter der CreativeCom- mons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 Lizenz.

https://doi.org/10.1515/9783110574289-005

(2)

in drei Supplementen des CIL IV.479 Sämtliche nach 1956 in Pompeji dokumentierten Graffiti sind bisher nur über einzelne Artikel, die Année Épigraphique oder in den Notizie degli Scavi zu finden.480 Das erste Faszikel eines neuen Supplements (4,1) zu den bereits edierten Dipinti ist 2011 erschienen; der zweite Teil des Supplements, der Kommentare und Korrekturen zu den im Hauptband edierten Graffiti beinhaltet, ist noch in Bearbeitung durch Solin und Kruschwitz. Da ein Großteil der antiken Graffiti seit den Ausgrabungen der Witterung zum Opfer gefallen ist, ist die Arbeit mit dem CIL unabdingbare Grundvoraussetzung für die Beschäftigung mit den pompejani- schen Graffiti. Allerdings lassen sich die meisten Lesungen, die das CIL für die Graffiti vorschlägt, dementsprechend nicht mehr am Material selbst überprüfen.

Die Edition des CIL geht auf das Giornale degli Scavi zurück, das von der archäo- logischen Soprintendenz in Pompeji verwaltet wird und nur im Ufficio degli Scavi vor Ort und mit Sondergenehmigung einsehbar ist. Diese originalen Grabungsberichte, für deren technische Reproduktion man eine zusätzliche Genehmigung braucht, sind jedoch hauptsächlich Beschreibungen der durchgeführten Arbeiten, die zwar Funde und Graffiti auflisten, aber keine genaueren Angaben zu den Inschriften beinhalten.

Oftmals sind die Graffiti nur in schematischen Zeichnungen, ohne Charakteristika der Schriftbilder, wiedergegeben. Exakte Zeichnungen von Inschriften sind im Gior- nale degli Scavi unter den Fallstudien der vorliegenden Arbeit nur für die Casa del Menandro enthalten. Insofern sind die überarbeiteten Angaben im CIL i. d. R. wesent- lich wertvoller für das Studium der Graffiti. Die Grabungsberichte wurden zwar in Form der Notizie degli Scavi publiziert, die jedoch ebenfalls für die hiesigen Fallstu- dien gegenüber dem CIL keine zusätzlichen Informationen bieten; lediglich Della Cortes Bericht über die Inschriften aus der Casa di Paquius Proculus enthält immerhin Zeichnungen von einem Drittel der dort gefundenen Graffiti – mehr als das CIL.481 Das PPM bildet nur in seltenen Fällen Fotografien von Graffiti ab,482 doch publizierte die Soprintendenza Archeologica di Pompei, Napoli e Stabiae 2012 sämtliche Archivfotos von Graffiti – sortiert nach Fundorten – in zwei Sammelbänden, welche die Arbeit mit dem CIL unterstützen, jedoch nur einen Bruchteil der bei Ausgrabung dokumentier- ten Graffiti enthalten.483 In einigen Fällen können die Bände dort, wo das CIL keine

479 Für die pompejanischen Graffiti sind der Hauptband, der zweite und die ersten zwei Faszikel des dritten Supplementbandes von Bedeutung.

480 Franklin 1991, 78. S. z. B. Giordano 1966; id. 1974; Giordano/Casale 1991; Varone 2000.

481 Della Corte 1929.

482 Pompei. Pitture e mosaici (Rom 1990–2003). Ausnahmen darin enthaltener Fotografien von Graf- fiti stammen z. B. aus dem Oecus 22 der Casa del Criptoportico (I 6,2), dem Atrium der Casa dei Quattro Stili (I 8,17.11), dem Raum 5 der Casa di Successus (I 9,3), dem Cubiculum 3 der Tessitoria di Minucius (I 10,8), den Fauces der Casa degli Amanti (I 10,10–11), von der Fassade und aus der Latrine 37 der Praedia di Iulia Felix (II 4,3), aus dem Raum n der Casa dei Gladiatori (V 5,3), den Läden VII 6,34–35 und VII 7,18, dem Cubiculum z des Hauses VII 7,2, dem Lupanar (VII 12,18–20), der Latrine und dem Cubiculum 40 der Casa del Centenario (IX 8,3.6–7).

483 Varone 2012. Ein ebensolcher Sammelband von Archivbildern erschien bereits 2009 zu den Di- pinti: Varone/Stefani 2009.

(3)

Das CIL als Forschungsgrundlage. Kritisches und Hilfreiches  119

Zeichnung eines Graffitos enthält, mit ihren Fotos von praktischem Nutzen sein; sie bieten überdies z. T. neue Lesungen der Graffiti sowie Angaben zu deren Größe und Anbringungshöhe. Da diese Maße erst für die Publikation der Archivfotos genommen wurden, konnte dafür also nur das noch in situ vorhandene Inschriftenmaterial her- halten. Und wenn man davon ausgeht, dass der Herausgeber möglichst alle heute noch erhaltenen und vor Ort auffindbaren Graffiti des CIL IV mit Anbringungshöhen in die Bände aufgenommen hat, sind es nach dieser Zählung nicht viel mehr als 10% der bisher edierten pompejanischen Graffiti, die überlebt haben.484

Da das CIL IV also die zentrale, dabei aber eine durchaus mit Vorsicht zu behan- delnde Quelle für die Untersuchung pompejanischer Graffiti darstellt, soll der Aus- wertung der darin edierten Graffiti im nachfolgenden Kapitel hier nochmals eine ausführliche Bewertung des CIL als Materialgrundlage vorangehen, welche die Vorge- hensweise dieser Arbeit erklärt und rechtfertigt. Gleichzeitig soll dieses Kapitel dort als Hilfestellung dienen, wo sich bisher immer wieder jeder Graffitiforscher neu in das CIL IV einarbeiten musste, was zur Wiederholung der gleichen Fehler führt.485 Es wäre anmaßend zu behaupten, diese Arbeit sei über jeden Fehler erhaben, aber sie kann vielleicht helfen, zukünftige Irrtümer zu vermeiden. Denn das CIL IV muss als solches gleichsam erst einmal interpretiert, die Denkweise seiner Herausgeber verstanden werden, bevor man die Graffiti selbst angehen kann. Das vorliegende Kapitel soll deshalb auf die Eigenheiten der Gliederung des Inschriftencorpus’ (1.), der Wiedergabe der Inschriften und ihrer Anbringungsorte (2.–3.) hinweisen und die Grabungsgeschichte zu der Dokumentation von Graffiti ins Verhältnis setzen (4.).

1. Das CIL unterscheidet verschiedene Inschriftengattungen bzw. Inschriftenträger, die in den einzelnen Bänden gemäß dieser Kategorisierung gruppiert sind.486 Innerhalb der jeweiligen Kategorie wiederum sind die Inschriften nach Anbrin- gungs- bzw. Fundorten angeordnet. Graffiti, Dipinti, beschriebene Wachstafeln und Gefäße von bzw. aus demselben Gebäude oder Raum sind also voneinander separat aufgeführt, und wer sich mit allen Inschriften eines einzelnen Gebäu- dekomplexes oder Straßenzuges beschäftigen will, muss dementsprechend die verschiedenen Inschriftengattungen erst wieder zusammenführen.487 Diese Eigenheit stellt freilich nur dann eine Unbequemlichkeit dar, wenn verschiedene Inschriftengattungen eines Kontextes vergleichend betrachtet werden sollen;

für die vorliegende Arbeit ist diese Art der Gliederung dagegen zunächst von Vorteil, wenn man davon absieht, dass Graffiti-Alphabete von den übrigen Graf- fiti getrennt aufgeführt sind.

484 Diejenigen Graffiti, die nicht mehr erhalten sind, für die jedoch Archivfotos oder Zeichnungen existieren, kennzeichnet der Band als „periit“. Solin 1973b, 259 und id. 1979, 280 schätzte schon vor über 40 Jahren die noch in situ auffindbaren Graffiti auf ein Zehntel des dokumentierten Materials.

485 Vgl. Milnor 2014, 15.

486  Vgl. o. Kap. 1.2, S. 12 f.

487 Franklin 2007, 518 f.; Keegan 2011, 168; Langner 2001, 16.

(4)

2. Von den insgesamt (d. h. inklusive der nicht in die nachfolgende Statistik aufge- nommenen, extra-urbanen) über 5600 darin enthaltenen pompejanischen graphio (in)scripta sind jeweils ca. 1700 im Hauptband, im zweiten Supplementband und im ersten Teil des dritten Supplements, weitere knapp 500 in dessen zweitem Teil ediert (Tab. 2). Der Großteil der Graffiti ist ohne Zeichnungen (Apographa) wiedergegeben, so dass es nicht immer möglich ist, Lesungen nachzuvollziehen oder Schriftbilder zu vergleichen. Und wo die Graffiti heute nicht mehr erhalten sind, bedeutet das, sich bei den Lesungen zwangsläufig auf das Auge von Zange- meister und seinen Kollegen verlassen zu müssen.488 Die anstelle von Abbildun- gen der Graffiti gedruckten Umschriften imitieren zwar teilweise die Schriftform, geben z. B. größere und kleinere Buchstaben oder verlängerte Hasten, senkrecht oder rückwärts geschriebene Texte und abgeriebene Textstellen an, sind dabei selbst aber nicht immer leicht zu entziffern, wenn beispielsweise fragmentarisch überlieferte Inschriften in halben Buchstaben wiedergegeben sind.489 Das betrifft besonders den Hauptband und den zweiten Supplementband, die nur selten Auf- lösungen der Inschriften anbieten. Erst mit dem Supplement 3 beginnen konstant die Auflösungen der Inschriften zusätzlich zu den Zeichnungen und Umschriften und die Angabe der Textlänge.490 Trotzdem gilt nicht: je später publiziert, desto besser die Edition und desto reicher die Information. Denn während der Haupt- band in einem separaten Tafelteil mehr als die Hälfte der Graffiti in Zeichnungen abbildet, enthalten die Einträge der Supplementbände nur zu 17% (2), 21% (3,1) und 27% (3,2) Apographa.

Tab. 2: (Gerundete) Anzahl edierter und in Umzeichnung wiedergegebener Graffiti pro CIL IV-Band.

Band Inschriften insg. Inschriften m. Zeichnung

HB 1730 900

S 2 1640 280

S 3,1 1700 360

S 3,2 490 130

Auch wenn sich die Grabungs- und Dokumentationsmethoden mit der Zeit ver- bessert haben, schlug sich das also nicht zwangsläufig auf die Inschriftenedition nieder. Zwar scheinen die später ergrabenen insulae z. B. der regio I sorgfältiger,

488 Vgl. dazu auch u. Kap. 8.1, S. 330 f.

489 Z. B. CIL IV 1786, 1796, 2077, 2138, 2439.

490 S. aber Solins 1973b, 259 Kritik an der Wiedergabe der Inschriften in Druckschrift auch im dritten Supplementband, in dem z. B. die kursiven Buchstaben „A“ und „R“ z. T. mit demselben Zeichen übersetzt werden.

(5)

Das CIL als Forschungsgrundlage. Kritisches und Hilfreiches  121

d. h. flächendeckender, auf Graffiti untersucht worden zu sein, doch sind diese im Supplement 3 weit seltener mit Zeichnung wiedergegeben als die früher ent- deckten und im Hauptband edierten Graffiti der regio VI. Das ist insofern pro- blematisch, als Della Corte als Herausgeber des dritten Supplements weit opti- mistischer – d. h. fantasievoller – bei bei der Lesung der Inschriften gewesen zu sein scheint als seine skrupulöseren Vorgänger Zangemeister und Mau.491 Als besonders problematisch erweist sich aber der zweite Supplementband, der bei verhältnismäßig wenigen Zeichnungen nur selten Auflösungen bietet, d. h. die Graffiti meist nur in Umschrift und ohne Auflösung darstellt.

3. Dass zwischen der Publikation der einzelnen CIL-Bände bis zu 43 Jahren lagen, resultierte nicht nur in uneinheitlichen Editionskriterien, sondern auch in der Nutzung unterschiedlicher Referenzsysteme bei der Angabe der Inschriften- fundorte. Bei Erscheinen des Hauptbandes 1871 hatte man Pompeji noch nicht in regiones eingeteilt, und dementsprechend existierte auch kein konsequen- tes Nummernsystem zur Bezeichnung von insulae und Gebäuden; stattdes- sen verfügt der Band über einen eigenen Plan der bis dahin ergrabenen Teile des Stadtgebietes, welche die späteren regiones VI, VII und VIII umfassen. 148 offensichtlich als wichtig eingestufte öffentliche Gebäude, Monumente, Wohn- häuser und Werkstätten erhielten Nummern, die sich auf dem Plan wiederfin- den lassen – alle anderen Gebäude sind mittels Beschreibungen angegeben, die sich an den namentlich bezeichneten Straßen orientieren und z. B. so lauten:

„Via Augustali, Südseite, zwischen der fünften und sechsten Tür vom Vico Euma- chiae aus nach Osten, auf weißer Wand.“ Den Großteil dieser Beschreibungen muss man also mühsam auf der Karte nachvollziehen, um die entsprechenden Gebäude mit ihren Graffiti lokalisieren zu können, und nicht immer sind die CIL- Angaben eindeutig, zumal wenn neuere Pläne mehr Eingänge in einer Fassade angeben als der alte Zangemeister-Plan.492 Mit dem zweiten Supplementband wird dann bereits die unter G. Fiorelli Ende des 19. Jhs. eingeführte Nummerie- rung sämtlicher Gebäude-Eingänge und insulae auf Grundlage der Einteilung Pompejis in neun regiones verwendet, welche die Zuordnung der Graffiti zu ihren Fundorten wesentlich erleichtert.493 Ärgerlich nur, dass insgesamt 45 Häuser- blöcke später neu benannt wurden, da sie entweder im Fiorelli-Plan noch keine Bezeichnung getragen hatten oder sich ihre Nummern durch neue Ausgrabungen

491 Vgl. Solin 1973b, 260–262; id. 2014, 95; Mouritsen unpubliziert, 1 f. Della Cortes Auflösungen der Inschriften fügen dem tatsächlich vorhandenen Textmaterial z. T. sehr willkürliche Zusätze bei, indem er z. B. den Graffito „Ceiu“ (CIL IV 8303) in eigenem Wunschdenken zu „[L.] Ceiu(s) (Secun- dus)“ ergänzt (Mouritsen 1988, 184 Anm. 82 zu S. 22). Zu problematischen Lesungen auch im Haupt- band s. aber Solin 2015, 129–134.

492 Das hat bereits zu mancherlei Fehler geführt; s. z. B. Solin 2014, 92 Anm. 4 über Huninks 2011 Lokalisierung der Graffiti.

493 Foss 2007, 34.

(6)

noch einmal verschoben, so dass sich das in den Supplementen 2 und 3 verwen- dete von dem heute gültigen Nummernsystem nach H. Eschebach stellenweise unterscheidet:494 Die in weiten Teilen erst im 20. Jh. ergrabenen regiones I und II z. B. waren mehrmals von Umbenennungen betroffen, was die Zuordnung der Graffiti erschwert und eine potenzielle Fehlerursache darstellt. Als regio I wurden ursprünglich nur die heutigen insulae I 1–10 und I 17–19 bezeichnet; alles östlich davon wurde zur regio II gerechnet (Abb. 28). In den 1950er Jahren verschob man die Grenze zwischen den regiones I und II dann weiter nach Osten, so dass die damaligen Häuserblöcke II 1–3 und II 13–18 gemäß der noch heute gültigen Auf- teilung der regio I zugeschlagen wurden. Von da an waren innerhalb der regio I die Nummern der heutigen insulae I 14–22 wiederum anders verteilt als heute;

während also die Häuserblöcke im westlichen Teil der regio I (I 1–10 ) immer die- selben Nummern behielten, hatten einige insulae im Ostteil seit ihrer Freilegung bis zu drei verschiedene Bezeichnungen.495 Die im CIL angegebenen Fundorte von Graffiti bedürfen also stets einer sorgfältigen Überprüfung, und die je nach Band unterschiedlichen Referenzsysteme sind vielleicht der Grund dafür, dass die Verteilung sämtlicher Graffiti aus Innenräumen und Fassaden bisher nie aus- gewertet und kartiert wurde.496

494 Eschebach 1993.

495 S. dazu auch die Konkordanz von Eschebach 1970, 115, in der die Umbenennung von I 11 in heute I 19 allerdings fehlt (Franklin 1991, 79), ebenso wie in Eschebach 1993, 6.

496 Publikationen wie Huninks Büchlein (Hunink 2011) zeigen, dass die Ortsangaben im CIL eine häufige Fehlerquelle sind.

Abb. 28: Regio I (dunkelgrau) und II (hellgrau): Verwendete Bezeichnungen der insulae bei wech- selndem Nummernsystem (aktuelle Nummern jeweils oben). Grafischer Maßstab: 100 m.

(7)

Das CIL als Forschungsgrundlage. Kritisches und Hilfreiches  123

4. Da die Grabungs- und Dokumentationsmethoden bzw. der Fokus der Fachwelt in der Frühzeit der Ausgrabungen Pompejis aus moderner Perspektive bekannter- maßen sehr kritisch zu bewerten sind, muss man sich die Frage stellen, inwie- weit das die Überlieferung der Graffiti betroffen hat und somit deren Aussage- wert schmälert. Es ist kein Geheimnis, dass bei den frühen Grabungskampagnen zumindest bei den Kleinfunden sehr selektiv vorgegangen wurde und Vieles, was damals unbedeutend erschien, nicht inventarisiert oder nicht einmal aufbewahrt wurde.497 Heute sehen wir uns deshalb mit einer z. T. spärlichen Dokumenta- tionslage konfrontiert; etliche Funde, die in den Grabungsberichten erwähnt werden, sind gar nicht mehr aufzufinden oder nicht zuzuweisen. Je früher ergra- ben, desto weniger Angaben gibt es i. d. R. über die unmittelbaren Fundkontexte.

Für Publikationen wie die Statistiken und Kataloge Allisons, die sich umfassend bestimmten Fundgattungen oder den Fundorten von Objekten widmen, sind monatelange mühsame Depotrecherchen notwendig;498 die sog. artefact distribu- tion analysis, welche anhand der Verteilung von Objekttypen die Funktionen ein- zelner Gebäude und deren Räume untersucht, ist deshalb ein methodisch nicht ungefährliches Feld, was Pompeji betrifft. Zu vielfältig sind die Störungen, die Pompeji als archäologischer Gesamtkontext erfahren hat, zu ungenau die Doku- mentation und zu wenig verlässlich dementsprechend die Ergebnisse. Auch bei den Wand- und Fußbodendekorationen der Häuser wurde kräftig selektiert: Aus- gewählte Wandsegmente mit Mythenbildern und Stillleben, teilweise auch ganze Wände, wurden ausgefräst, ebenso wie zahlreiche Statuen aus ihrem räumlichen Kontext gerissen und ins Nationalmuseum von Neapel verfrachtet wurden oder als Geschenke an europäische Fürstenhäuser gingen. Was in Pompeji blieb, war – mangels konsequenter Maßnahmen zum Schutz von Gebäuden – fortan Wind und Wetter ausgesetzt. Nur wenige Häuser, die ihre Dekoration behalten durften, wurden überdacht und haben sich dadurch ihren Wandputz inklusive der Graf- fiti erhalten (Abb. 29). Die qualitative Bewertung und Selektion von Funden und Befunden durch die verschiedenen Ausgräber legt nahe, dass ebenso mit den Inschriften verfahren wurde. Langner hat deshalb argumentiert, dass sich ver- lässliche Auswertungen von Inhalten und Anbringungsorten nur auf Grundlage der im Rahmen der Nuovi Scavi ab 1910 und im Wesentlichen unter Della Corte dokumentierten Graffiti erstellen ließen. Seine zahlenmäßigen Aufstellungen der Verbalgraffiti aus Pompeji beruhen dementsprechend nur auf dieser Auswahl, d. h. auf den im dritten Supplement des CIL IV edierten Graffiti.499

497 S. dazu o. Kap. 2.2, S. 51 f. m. Anm. 201.

498 Sigges 2000; Allison 2004.

499 Langner 2001, 22 f. Bei aller Kritik an Della Cortes teils zweifelhaften Lesungen garantierte diese Epoche die Aufnahme sämtlichen epigrafischen Materials, so Mouritsen 1988, 49.

(8)

Abb. 29: Kartierung der nach der Ausgrabung überdachten Gebäude (nach google earth; neueste Schutzmaßnahmen des Grande Progetto Pompei noch nicht miteinbezogen). Grafischer Maßstab:

100 m.

(9)

Das CIL als Forschungsgrundlage. Kritisches und Hilfreiches  125

Tatsächlich zeigt die Verteilung der im gesamten CIL IV edierten Graffiti innerhalb Pompejis erhebliche Differenzen, weil verschiedene Stadtteile in ganz unterschied- lichen Phasen der Grabungsgeschichte freigelegt wurden: Während die regiones VI, VII und VIII bereits zu Anfang, zwischen der zweiten Hälfte des 18. bis Ende des 19.

Jhs., weitestgehend ergraben wurden, begann im Anschluss, unter der Leitung Fio- rellis, in den regiones I und II zwar die Freilegung der Via dell’Abbondanza mit ihren Fassaden, das Innere der Häuser und ganze insulae wurden jedoch zum Großteil erst nach 1920 ausgegraben. Die regiones III, IV und IX schließlich, die das nord-östliche Viertel der Stadt ausmachen, sind bis heute, und aus guten Gründen, nur in Teilen ans Licht gebracht worden – denn solange das bisher Ausgegrabene nicht adäquat geschützt werden kann, wäre eine weitere Jagd auf Neues mehr als verantwortungs- los.500 Betrachtet man die Verteilung der edierten Graffiti vor dem Hintergrund der Grabungsgeschichte Pompejis (Abb. 30), fällt z.  B. auf, dass die jeweils innerhalb einer regio zuerst ergrabenen insulae weniger graffitibeschriebene Gebäude aufwei- sen als die zuletzt freigelegten.501 Alle nach 1956 durchgeführten Grabungen haben sich noch gar nicht im CIL niedergeschlagen und harren bis heute der Edition.502 Dass aus vielen Gebäuden gar keine Graffiti im CIL ediert sind, bedeutet also nicht, dass dort niemals dergleichen Inschriften existierten – es bedeutet lediglich, dass bei der Ausgrabung keine Graffiti dokumentiert wurden. Da die pompejanischen Häuser, und v. a. ihr Wandputz, heute zum Großteil in desolatem Zustand oder gar nicht mehr vorhanden sind, lässt sich jedoch nicht mehr nachprüfen, ob und wo in den auf der Karte (s. u. Abb. 31 u. 32) weißen Flächen bei der Ausgrabung (vor 1956) noch Graffiti vorhanden waren, die nicht im CIL angegeben sind. Dementsprechend hat es wenig Sinn, die Anzahl und Verteilung der Graffiti verschiedener regiones – die ja ohnehin künstliche, moderne Einteilungen sind – oder insulae miteinander zu vergleichen, wo doch manche Gebäude bei der Dokumentation von Graffiti schlicht ausgelassen worden zu sein scheinen. Das CIL überliefert Graffiti aus 23% der Gebäude – aus den restlichen 77% sind keine geritzten Inschriften bekannt.

500 Für einen Überblick über die Grabungsgeschichte s. Foss 2007.

501 Dies lässt sich z. B. an den regiones I und VI beobachten, wenn man die zuerst ergrabenen insu- lae I 1–5 oder VI 1–4 und 17 mit den zuletzt – bzw. im Falle der regio I zumindest später – freigelegten Häuserblöcken I 6–10 oder VI 13–16 vergleicht.

502 Das neueste CIL IV-Supplement (4,1) enthält Korrekturen und Zusatzinformationen der bereits edierten Dipinti, und ein ebensolches Supplement (4,2) ist derzeit in Vorbereitung. Es soll zeitnah zu dieser Arbeit erscheinen und Heikki Solin, dem die Endredaktion des Bandes obliegt, hat mir freund- licherweise Einblick gewährt, so dass Verweise auf seine neuen Lesungen bereits hierein einfließen konnten.

(10)

Abb. 30: Chronologie der Ausgrabung Pompejis. Grafischer Maßstab: 100 m.

(11)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  127

Für das gesamte Stadtgebiet lassen sich also keine zuverlässigen Angaben zur Anzahl der zum Zeitpunkt des Vesuvausbruchs vorhandenen Graffiti machen, denn zum einen bleibt unklar, wie groß die Differenz der ursprünglich vorhandenen und der im Zuge der Ausgrabungen Pompejis überhaupt entdeckten Graffiti ist, zum anderen wissen wir nicht, inwieweit bei der Dokumentation bewusst selektiert wurde. Der Verlust bleibt eine unbekannte Größe, die Anzahl der ehemals präsenten Inschriften eine Dunkelziffer – und das gilt selbstverständlich nicht nur für die Graffiti, sondern genauso für die anderen im CIL IV publizierten Inschriftengattungen. Umso wich- tiger waren die Autopsien vor Ort, welche die Grundlage für die Fallstudien dieser Arbeit (Kap. 6) bilden. Anhand der Studien ließ sich exemplarisch prüfen, wie genau und vollständig die Graffiti zumindest einzelner Gebäude dokumentiert und im CIL wiedergegeben wurden. Dementsprechend dienten die Fallbeispiele auch dazu, die im nachfolgenden Kapitel (5.2) anhand der CIL-Angaben erhobenen Zahlen auf ihre Repräsentativität und Glaubwürdigkeit hin zu überprüfen. Und sie zeigen, dass zumindest in denjenigen Gebäuden, aus denen man überhaupt Graffiti dokumen- tierte, mit Sorgfalt vorgegangen wurde: Keines der Häuser, das als Fallbeispiel diente, wies signifikante Zahlen nicht im CIL edierter Graffiti auf.503 Jeweils der größte Teil der geritzten Inschriften, die autopsiert wurden, ist im CIL IV aufgeführt, und nur in Einzelfällen wurden Graffiti bei der Ausgrabung, ob bewusst (z. B. im Falle von Zeich- nungen) oder unbewusst (im Falle von fast unsichtbaren Ritzungen), offenbar nicht dokumentiert.504 Die im CIL angegebenen Anbringungsorte der Inschriften haben sich zudem mit wenigen, zu vernachlässigenden Ausnahmen als korrekt erwiesen.505 Was die Anzahl von Graffiti und ihre Verteilung innerhalb einzelner Häuser angeht, stellt das CIL also eine durchaus verlässliche Quelle dar, und anhand der Fallbeispiele lässt sich in situ und auf der Mikro-Ebene belegen, was für die Makro-Ebene nur auf dem Papier, anhand des CIL, postuliert werden kann.

Auch wenn wir nicht aus allen Gebäuden Pompejis Graffiti kennen, bieten also dennoch diejenigen Gebäude(typen), aus denen Graffiti ediert sind, eine Untersu- chungsbasis. Und wenn man Langners Ergebnisse zu den Inhalten und zur Vertei- lung der Graffiti aus dem dritten Supplementband mit den hier auf der Grundlage sämtlicher – d. h. auch der in früheren CIL-Bänden publizierten – Graffiti analysier-

503  So auch Mouritsen unpubliziert, 9 über die Casa del Menandro.

504 Z. B. sind zwei Strichreihen in der Casa dei Ceii nicht im CIL angegeben, fünf Zeichnungen und eine Strichreihe in der Casa di M. Lucretius Fronto, drei Zeichnungen in der Casa di Paquius Proculus, eine Zahl, zwei Zeichnungen und ein unverständlicher Text in der Casa degli Amorini dorati, eine Zeichnung in der Casa del Menandro, sechs Zeichnungen und vier Zahlen in der Casa delle Nozze d’argento.

505 Beispielsweise ist für CIL IV 4183 fälschlicherweise Säule 4 statt Säule 3 im Peristyl der Casa delle Nozze d’argento als Anbringungsort angegeben, was für die zahlenmäßige Auswertung der Verteilung von Graffiti nach Inschriftenträger (Wand oder Säule) und Raumtyp zu keinem verfälschten Resultat führt.

(12)

ten Daten vergleicht, weichen die Ergebnisse nicht erheblich voneinander ab. Bis auf die Graffitizeichnungen, die im CIL teilweise zu Gunsten der -texte vernachlässigt, aber von Langner aufgearbeitet wurden, sind die aus den Angaben zu sämtlichen im CIL IV erhobenen Daten zu den Graffiti innerhalb der Stadtmauern repräsentativ, wie der Vergleich zum einen mit den Eigenautopsien, zum anderen mit Langners Ana- lysen nur der im 20. Jh. publizierten Graffiti aus dem CIL IV zeigt. Trotz einer nicht abschätzbaren Dunkelziffer an uns nicht bekannten Graffiti ist dementsprechend davon auszugehen, dass die Unvollständigkeit unseres Samples die Statistik nicht verzerrt, d. h. keine der Kategorien von Graffiti-Inhalten oder -Anbringungsorten in besonderem Maße betrifft. Gegenüber (Klein)Funden haben die Wandinschriften außerdem den für die Forschung entscheidenden Vorteil, dass sie in situ gefunden und – bis auf Wandfragmente und die nach Neapel transferierte Sammlung – auf ihren unbeweglichen Inschriftenträgern vor Ort belassen wurden. Immerhin also ent- sprechen die Fundorte der Graffiti ihren antiken Anbringungsorten und lassen sich anhand der CIL-Angaben i. d. R. zuverlässig rekonstruieren. Insofern kann sich eine Untersuchung wie diese zur Verteilung der Graffiti in pompejanischen Wohnhäusern getrost, wenn auch nicht ausschließlich, auf das CIL stützen.506

5.2 Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti

Insgesamt beinhaltet das CIL IV ca. 5350 Einträge von graphio (in)scripta aus dem Gebiet innerhalb der Stadtmauern Pompejis,507 von denen 3% als Kohle- oder Kreide- Inschriften bezeichnet sind. Die Graffitizeichnungen sind in diese Angaben nicht mit- einbezogen, da das CIL ihnen keine eigenen Einträge widmet, sondern sie nur zusam- men mit benachbarten Buchstaben, Texten und Zahlen nennt.508 19% der Graffiti (inklusive der Zeichnungen) stammen von und aus öffentlichen Gebäuden,509 27%

506 Zu diesem Schluss kommen, sogar im Hinblick auf die Fassadeninschriften (für die sich die Ver- lässlichkeit des CIL IV kaum noch am Original überprüfen lässt), auch Viitanen/Nissin 2014, 1038.

507 Nicht miteinbezogen sind die im CIL IV ca. 760 edierten Graffiti aus Herculaneum und Stabiae, aus den Villen und Nekropolen vor den Stadttoren sowie Inschriften, deren Lokalisierung unklar ist, weil das CIL nur unzureichende und mehrdeutige Angaben bietet oder weil es sich um Graffiti auf Fragmenten von Wandputz handelt.

508 Vgl. Langner 2001, 16.

509 Bei den öffentlichen Gebäuden sind jeweils Innen- und Außenwände zusammengerechnet, da dort, wo Gebäude ohnehin einer Allgemeinheit zugänglich sind, eine Trennung zwischen Innen und Außen hinfällig bzw. eine Zuordnung z. B. des Theaterkorridors als Innenraum oder Fassade schwie- rig ist. Bei den nicht-öffentlichen Gebäuden wie den Wohnhäusern, deren Zugänglichkeit beschränkt und kontrollierbar war, sind dagegen die Graffiti der Fassaden und der Innenräume unterschieden worden. Letztlich zielt diese Kategorisierung darauf ab, zu zeigen, dass sich Graffiti an (theoretisch) frei zugänglichen Orten von halb-öffentlichen bzw. privaten Innenräumen in Inhalt und Anzahl un- terscheiden.

(13)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  129

von Fassaden und der größte Teil aus den Innenräumen nicht-öffentlicher Gebäude:

5% aus Läden (Typ 1), 4% aus kleinen Werkstätten und/oder Wohneinheiten (Typ 2), 11% aus großen (Typ 3) und 34% aus sehr großen domus (Typ 4).510 In insgesamt 292 – d. h. knapp 23% – der pompejanischen Häuser, Läden und Werkstätten wurden Graffiti gefunden,511 während es z. B. in Dura Europos, wo Baird ähnlich umfang- reiche Erhebungen zu den Graffiti durchgeführt hat, ganze 40% der städtischen Gebäude sind.512 Im öffentlichen Raum zeigt die Verteilung der Graffiti Analogien zu den Anbringungsorten der Dipinti, wie Viitanen, L. Nissin und K. Korhonen belegen konnten.513 Gemalte Wahlplakate und Spielankündigungen wurden vornehmlich an den Hauptverkehrsachsen und -knotenpunkten angebracht, wo ein größtmögli- ches Publikum garantiert war.514 Und die zahlreichen Passanten fungierten offen- bar nicht nur als Rezipienten der Dipinti, sondern betätigten sich auch als Schreiber von Graffiti. Ob sich die Graffitischreiber an vielfrequentierten Fassaden auch eine große – vielleicht durch die Nähe zu den Dipinti sogar noch vergrößerte – Leserschaft erhofften oder die Anbringungsorte einfach nur das Bewegungsverhalten der Schrei- ber, ohne Blick auf den möglichen Rezipientenkreis, widerspiegeln, lässt sich nicht eruieren.

510 Die Aufteilung in Fassaden, öffentliche und nicht-öffentliche Gebäude ist hier gewählt, weil die Fassaden sowie die öffentlichen Gebäude (zumindest theoretisch) allen offenstanden, während der Zugang zu den Häusern viel stärker reglementiert war. Unter die nicht-öffentlichen Gebäude sind auch Läden und Werkstätten aufgenommen, die z. T. Schlafstätten oder Hinterzimmer als Wohnräu- me besaßen und nicht alle in der Form wie öffentliche Gebäude von jedem betreten werden konnten.

Eine Ausnahme stellt vielleicht das Bordell (VII 12,18–20) dar, das – zumindest im Erdgeschoss – keine Rückzugsfläche vom kommerziellen Gewerbe bot.– Zu den hier verwendeten Kategorien nicht- öffentlicher Gebäude vgl. auch o. Kap. 3.1, S. 65.

511 Für die Gesamtanzahl nicht-öffentlicher Gebäude wird hier auf die Zählung Hodskes zurückge- griffen und werden die bei ihm als öffentlich, sakral und unbekannt eingestuften Gebäude ausgelas- sen (Hodske 2007, 23).

512 Baird 2016, 14.

513 Viitanen/Nissin/Korhonen 2013, 69; ihre Kartierung der programmata geht auf die Arbeit von Mouritsen zurück (Mouritsen 1988, Plan 3). Vgl. auch Laurence 1994, 96–100. Freilich ist nicht auszu- schließen, dass die nachgewiesenen Kumulationen von Graffiti in gewissem Maße auch das selektive Interesse bzw. die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen verschiedener Ausgräber reflektieren (s.

dazu o. Kap. 5.1, S. 125).

514 Mouritsen 1988, 47–52; Laurence 1996, 96–100.

(14)

Abb. 31: Kartierung der Gebäude, in deren Innenräumen Graffiti gefunden wurden. Grafischer Maßstab: 100 m.

(15)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  131

Abb. 32: Differenzierung der Gebäude nach Anzahl der Graffiti in ihren Innenräumen. Grafischer Maßstab: 100 m.

(16)

Graffiti aus Innenräumen scheinen auf den ersten Blick in verschiedenen Gebäudety- pen gleichermaßen vorzukommen (Abb. 31); die zahlenmäßige Verteilung offenbart allerdings Differenzen: Besonders große Konzentrationen sind in der Grande Palaes- tra mit über 300, in der Basilika, dem Lupanare (VII 12,18–20), der Casa dei Gladiatori (V 5,3) und Casa del Menandro mit jeweils über 100, in der Casa di Trittolemo (VII 7,5), der Casa delle Nozze d’argento, Casa di Paquius Proculus und in dem Haus IX 2,26 mit über 50 Graffiti zu finden (Abb. 32); aus dem Inneren vieler anderer Gebäude kennen wir dagegen nur ein bis fünf Graffiti. Unterscheidet man die nicht-öffentlichen Gebäude nach den in Kapitel 3.1 erläuterten vier Typen, so wird deutlich, dass die Größe der Einheiten mit der Anzahl von Graffiti korreliert, d. h. je größer ein Gebäude, desto mehr Graffiti finden sich dort, denn mit zunehmender Gebäudegröße sind zum einen die Graffiti auf mehr Räume verteilt und zum anderen in diesen Räumen zahlreicher (Tab. 3).515 Allerdings sind die Differenzen nicht so signifikant, wie man vielleicht in Anbetracht der mit zunehmender Gebäudegröße zur Verfügung stehen- den Vielzahl an beschreibbaren Räumen vermuten würde: Selbst in den größten Häusern (Typ 4) sind die Graffiti durchschnittlich auf nur drei Räume verteilt, und auch die Durchschnittsanzahl an Graffiti pro Raum scheint dort erstaunlich gering.

Das täuscht aber darüber hinweg, dass die Inschriften i. d. R. in ganz bestimmten Raumtypen sehr konzentriert, in anderen dagegen nur vereinzelt auftreten, wie noch zu zeigen sein wird. Die absoluten Zahlen von Graffiti der unterschiedlichen Gebäu- detypen weichen deshalb deutlich stärker voneinander ab als die Durchschnittswerte (Tab. 4): Während das Maximum an Graffiti (Texte und Zahlen) pro Gebäude in den tabernae (Typ 1) bei insgesamt 22, in kleinen Häusern und Werkstätten (Typ 2) sogar noch darunter und in größeren Häusern (Typ 3) wenig darüber liegt, besitzen einige der sehr großen, oben genannten Häuser (Typ 4) über 50 oder sogar über 100 Graffiti.

Ebensosehr schwanken die Maximalzahlen von Graffiti in einzelnen Räumen je nach Gebäudetyp; Graffitizeichnungen treten in einigen Fällen als dekorative Ausgestal- tungen sehr gehäuft in einzelnen Räumen auf,516 stehen aber durchschnittlich zu den alphanumerischen Graffiti in einem Verhältnis von 1:9 bis 1:20. Langner geht davon aus, dass die Menge der Graffiti mit der Größe der Räume, d. h. mit der jeweils zum Schreiben verfügbaren Wandfläche zusammenhängt.517 M. E. können die Zahlen aber nicht ohne den entsprechenden Personenverkehr aus Bewohnern und Besuchern erklärt werden, der in sehr großen Häusern natürlich stärker gewesen sein muss als in großen Häusern – oder in denjenigen Läden, die nur Straßenverkauf anboten, ohne dass man sich drinnen niederließ. Und da die Größe der Räume ohnehin schwerlich

515 Dass die durchschnittliche Zahl an Graffiti pro Gebäude und pro Raum für die Läden (Typ 1) fast identisch ist, hängt damit zusammen, dass die meisten tabernae und cauponae – bzw. die hier unter Typ 1 zusammengefassten architektonischen Einheiten – oft überhaupt nur einen Raum besitzen.

516 S. u. Kap. 7.3.2.

517 Langner 2001, 100.

(17)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  133

unabhängig von der Personenzahl des Haushalts und seiner Gäste betrachtet werden kann, lässt sich die höhere Dichte von Graffiti in den Räumen größerer Häuser dem- entsprechend sowohl mit einem erhöhten Personenverkehr als auch mit der entspre- chend angepassten Raumgröße erklären.

Tab. 3: Durchschnittswerte zur Verteilung alphanumerischer Graffiti (in Klammern: Graffitizeichnun- gen) in nicht-öffentlichen Gebäuden.

Gebäudetyp Gesamtanzahl

an Graffiti Durchschnittliche Anzahl an Graffiti pro Gebäude mit Graffiti

Durchschnittliche Anzahl an Räumen mit Graffiti pro Ge- bäude mit Graffiti

Davon durchschnittli- che Anzahl an Graffiti pro Raum mit Graffiti

Typ 1 277 (19) 2,6 (0,2) 1,0 (0,8) 2,5 (2,1) Typ 2 240 (11) 4,1 (0,2) 1,6 (0,6) 2,6 (1,6) Typ 3 581 (66) 6,5 (0,7) 1,9 (0,4) 3,4 (2,9)

Typ 4 1794 (160) 14,2 (1,28) 2,9 (2,3) 4,9 (3,1)

Tab. 4: Maximum an alphanumerischen Graffiti (in Klammern: Graffitizeichnungen) in nicht-öffentli- chen Gebäuden.

Gebäudetyp Maximum an Graffiti in einem Gebäude Maximum an Graffiti in einem Raum

Typ 1 22 (10) 22 (10)

Typ 2 19 (5) 12 (5)

Typ 3 24 (10) 21 (10)

Typ 4 150 (20) 123 (18)

Abb. 33: Verteilung der Graffiti in Häusern des Typs 3 und 4 (n = 2622).

(18)

Die Verteilung sämtlicher Graffiti innerhalb nicht-öffentlicher Gebäude bestätigt, was Mouritsen und Benefiel an Einzelbeispielen von Wohnhäusern beobachtet haben:518 Nicht nur sind die Graffiti auch in mittelgroßen und großen Häusern (Typen 3 und 4) auf jeweils wenige Räume beschränkt, auch handelt es sich dabei i. d. R. um Fauces, Atrien sowie Peristyle und Viridarien, d. h. die Eingangs- und großen Durchgangs- bzw. Verteilerräume der Häuser, während andere Raumtypen sehr viel seltener und nur unregelmäßig vertreten sind (Abb. 33). Gleichzeitig besaßen diese zentra- len Verteilerräume meist eine verhältnismäßig geringe Bildausstattung, während sich in Cubicula und Triclinia nach J. Hodskes Untersuchungen z. B. über 50% aller Mythenbilder befinden.519 Peristyle und Viridarien sind durchweg die mit Abstand meistbeschriebenen Räume, und in den Peristylen dienten v. a. Säulen als bevorzugte Schreibfläche.520 Während Benefiel argumentiert, dass man auf Säulen figürliche Dekorationen vermied, also mit Graffiti keine Wandmalereien störte,521 scheint mir vielmehr die Parallele zum öffentlichen Raum bedeutsam – denn man schrieb durch- aus in den Häusern gerne auf dekorierte Wände, aber eben dort, wo sie auch mono- chrome Freifläche boten.522 An den Säulen der Großen Palästra in Pompeji wurden Hunderte von Graffiti angeschrieben, und aus den literarischen Quellen wissen wir, dass offizielle Verkündigungen, aber auch Gesuche von Privatleuten an den Säulen öffentlicher Gebäude angeschlagen wurden.523 Gleichzeitig waren Säulen Anbrin- gungsorte, die sich optisch von ihrem Umfeld abhoben und sich präzise beschrei- ben ließen: Man hätte jemandem wohl leichter erklären können, dass man einen Witz an der Ecksäule beim Lararium angeschrieben hatte als „an der Längswand des Peristyls, im dritten roten Wandfeld von links, unter dem Vögelchen“. Auch Pilaster dienten, wohl weil sie sich visuell vom Rest der Wand unterscheiden lassen, viel- leicht auch, weil sie das Schreiben an Säulen evozierten, als beschreibbare Flächen, z. B. in den Fauces bzw. dem Atrium der Casa di Paquius Proculus, wo die Mehrzahl der Graffiti in die Eckpilaster zwischen den beiden Räumen geritzt wurde.524 Interes- santerweise wurden die Säulen in (tetrastylen) Atrien, bis auf Ausnahmen von fünf Häusern, aber nicht beschrieben.525 Die Wahl der Peristylsäulen muss also tatsächlich

518 Mouritsen 2011; id. unpubliziert; Benefiel 2010; id. 2011; id. 2014.

519 Hodske 2007, 69–71.

520 Vgl. auch DiBiasie 2015, 135 f. Dickmann 1999, 134 f. differenziert Peristyle und Viridarien bzw.

Rumpfperistyle anhand der Portiken (vier Portiken machen ein Peristyl). Langner 2001, 100 unter- scheidet „kleine Innenhöfe (bis 75 m2)“ und „größere Innenhöfe (ab etwa 90 m2).“ S. auch Wallace- Hadrill 1994, 84.

521 Benefiel 2014, 495; id. 2016, 99.

522 S. u. Kap. 7.3.1 und 7.3.2.

523 S. o. Kap. 2.2, S. 56 Anm. 215.

524 S. u. S. 179 Abb. 49.

525 CIL IV 10059–10061 in Haus I 13,1 (Portikus anstelle des Atriums); 4152 in der Casa delle Nozze d’argento (atrium tetrastylum); 1262 in Haus VI 7,3 (atrium tetrastylum); 4843–4853 in der Casa di A.

(19)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  135

etwas mit der Wahrnehmung nur des Peristyls als halb-öffentlicher Raum, als kleines Forum im Haus, zu tun haben – denn offenbar wurden Säulen nicht grundsätzlich und immer als beschreibbare Flächen genutzt. Wenn man auf der Mikro-Ebene noch einen Schritt weitergeht, lassen sich auch noch innerhalb der Peristyle typische Verteilungsmuster, mit gleichsam internen „loci celeberrimi“ feststellen: Im Peristyl der Casa del Menandro sind es die beiden Säulen der Nordportikus, gegenüber dem Durchgang vom Atrium durch den Korridor 9, die am dichtesten beschrieben sind;

in der Casa di M. Lucretius Fronto ist nur die westlichste Säule beschrieben, die den Verkehrsknotenpunkt in den Achsen zwischen Atriumtrakt und Viridarium sowie zwischen Küchenareal und dem Oecus e markiert. In der Casa degli Amorini dorati weisen die Nord- und Westportikus, die den vorderen Teil des Hauses auf schnellstem Weg mit der Dreiraumgruppe im Westen des Peristyls verbinden, die meisten geritz- ten Inschriften auf, während die Südportikus, an der auch (fast) keine Räume liegen, graffitifrei blieb (s. u. Abb. 54) – ebenso wie die Nordportikus der Casa del Menandro, zu der sich keine Raumfronten hin öffnen (s. u. Abb. 59).

Aus Wirtschaftstrakten, Lagerräumen und Küchen stammen nur sehr wenige Graffiti, und die Kommunikation unter Sklaven am Eingang zur Küche in der Casa del Menandro sowie die zahlreichen Zeichnungen im Küchentrakt der Villa San Marco in Stabiae bilden Ausnahmen in dem bekannten Material.526 Auch für Latrinen sind die Zahlen von Graffiti sehr klein, wohingegen die (öffentlichen) Toiletten heute eine Privatsphäre im öffentlichen Raum bieten, die viele Menschen zum Schreiben animiert. In nur neun Alae, 29 Tablina und 22 Triclinia sind durchschnittlich 2–2,4 Graffiti pro Raum vorhanden. Die Durchschnittsanzahl von Inschriften in Cubicula liegt nicht darüber, obwohl die Statistik zur quantitativen Verteilung den Eindruck vermittelt, dass aus diesem Raumtyp weit mehr Graffiti stammen. Allerdings wurden Graffiti zwar laut CIL in immerhin 66 Cubicula gefunden, doch relativiert sich diese Zahl dadurch, dass die Häuser jeweils mehrere Räume besitzen, die – z. B. im CIL – als Cubiculum bezeichnet werden. Insofern entsteht ein statistisches Ungleichge- wicht zwischen Raumtypen wie Tablina oder Triclinia, die grundsätzlich nur ein- oder zweimal im Haus vertreten sind, und den Cubicula, die i. d. R. mehrfach vorhanden sind. Dies gilt in noch stärkerer Weise für die Kategorie „Andere Räume“, die Räume zusammenfasst, deren Bezeichnungen wie „membrum“, „cella“ oder Oecus im CIL zu unspezifisch sind, um daraus einen eigenen Raumtyp zu bilden. Insofern können die Erhebungen für Cubicula und „Andere Räume“ nicht direkt mit den Zahlen der Fauces, Atria, Peristyle, Alae, Tablina und Triclinia verglichen werden.

Octavius Primus (VII 15,12–13, atrium tetrastylum); außerdem 10176a im „Atriolum“ mit Säulenreihe des Hauses II 8,6.

526 Kap. 6.2.3, S. 222. Zu den Graffiti aus der Villa San Marco s. Varone 1999; Baldwin/Moulden/Lau- rence 2015. Die im Diagramm angegebenen Zahlen vermindern sich noch dadurch, dass hier mehrere Räume unter dem Begriff „Küchenareale und Wirtschaftsräume“ zusammengefasst sind.

(20)

Es ist deutlich geworden, dass die Graffiti im Großen wie im Kleinen an den zentra- len Knotenpunkten und Routen des Personenverkehrs besonders zahlreich kumuliert sind: Im Stadtgebiet an den Hauptverkehrsachsen und in bestimmten öffentlichen Gebäuden; innerhalb der Häuser wiederum sind sie in den wichtigsten Eingangs-, Durchgangs- und Verteilerräumen konzentriert – mit anderen Worten in den Räumen, die jeder zwangsläufig durchqueren musste, der das Haus betrat und sich innerhalb des Hauses bewegte. Die geritzten Inschriften können also als Gradmesser für die Frequentierung von Räumen innerhalb der Häuser verstanden werden.527 Können sie aber auch als Indikatoren für die Verweildauer in den jeweiligen Räumen gelten, wie Langner annimmt?528 Letzteres postuliert auch Mouritsen und versteht die Graffiti deshalb als Inschriften wartender Klienten und Gäste, die sich mit Kritzeleien ihre Zeit vertrieben; dass die Peristyle viel mehr Graffiti als die Atrien aufwiesen, muss er dementsprechend mit einer Funktionsverlagerung vom Atrium ins Peristyl als Emp- fangs- bzw. Warteraum für Besucher erklären.529 Die in den Texten genannten Namen können keine Auskunft darüber geben, ob es sich bei den Schreibern um Hausbe- wohner oder Gäste handelte. Mouritsens Kliententhese lässt sich auf diese Weise also weder verifizieren noch widerlegen. Doch ein Blick auf die Inhalte und Verteilung der Graffiti mag Aufschluss geben.

Insgesamt bestehen über ein Drittel der pompejanischen Graffiti aus bloßen Namen und nur 8% aus Grußworten und 2% aus tituli memoriales; die gar so belieb- ten erotischen Texte machen 5% des Inschriftenmaterials aus, literarische Zitate, Verse und Sentenzen 2%.530 Sie sind in der Forschung überproportional repräsen- tiert, was über ihre vergleichsweise kleinen Zahlen hinwegtäuscht. 19% an länge- ren Nachrichten oder Ankündigungen, die keinem bestimmten Schema folgen und sich keiner der übrigen Kategorien zuordnen lassen, sind hier zusammengefasst, da eine kleinteiligere Kategorisierung der Inhalte m. E. nicht möglich ist.531 Neben den

527 Vgl. auch Langner 2001, 100 f.

528 Langner 2001, 100 f.

529 Mouritsen 2011, 280.

530 Vielleicht ist nicht jede (zweideutige) Bemerkung für uns als erotische Anspielung zu erkennen, was ja ebenso für politische Kommentare gilt (s. dazu o. Kap. 1.1, S. 9), denn dazu fehlt uns als Außen- betrachtern das Insiderwissen. Laut Keegan 2006, 47 benutzen aber 15,49 % aller erhaltenen Graffiti und 5,19 % aller Inschriften ein „sexualisiertes Vokabular“. Milnor 2014, 189 meint von den literari- schen Graffiti auf den Gesamtbestand schließen zu können: „The fragments’ use of amatory langua- ge, however, underscores one of the strange paradoxes of the graffiti poetry, namely that they are both strong evidence of, and a clear contribution to, the fact that eroticism was the common language of wall writing in Pompeii.“

531 Die inhaltlichen Kategorien (Namen, Grüße/Glückwünsche, Nachrichten/Mitteilungen/Berich- te, tituli memoriales, Erotisches, literarische Zitate/Sentenzen, Alphabete, Zahlen/Daten/Preise/

Strichreihen/Listen, Zeichnungen) sind so allgemein wie möglich gefasst, denn die z. B. bei Langner so klar erscheinenden Kategorien erzwingen eine Zuordnung, die nicht für alle Graffiti-Texte möglich ist. So trennt Langner 2001, 22 f. beispielsweise Namen wohl realer, lebender Menschen von mythi-

(21)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  137

genannten Namen und Texten bilden Alphabete 5%, Zeichnungen sowie Zahlen, Daten, Preise und Listen jeweils 11% des Graffiti-Gesamtbestandes.532 Wenn man Namen, die zumeist kurzen formelhaften Grüße sowie Alphabete, Zahlen und Zeichnungen zusammenrechnet, wird deutlich, dass nur ein kleiner Teil der Graffiti überhaupt mehr als ein bis drei Wörter enthält – ein Grund dafür, dass die geritzten Inschriften in ihrer Gesamtheit immer sehr stiefmütterlich behandelt wurden und sich Forschung und Populärwissenschaft lieber auf hübsche Verse und Derb-Eroti- sches stürzten.533 Griechische Graffiti (inklusive lateinischer Texte in griechischen Buchstaben) sind mit insgesamt 3% in allen Kategorien vertreten, des Weiteren gibt es einen verschwindend geringen Anteil an oskischen Graffiti sowie einen semiti- schen Text.534 Überhaupt ist der griechischsprachige Einfluss im pompejanischen Graffitivokabular erstaunlich unbedeutend, wie N. Horsfall mit Blick auf die benach- barte Griechenstadt Neapolis und auf die Wortwahl der Protagonisten in der Cena Trimalchionis Petrons feststellt, der vermutlich nahe Puteoli lebte.535 – Die Zeichnun- gen ließen sich ebenfalls in verschiedene Kategorien einteilen, doch da Langner sie bereits erschöpfend behandelt hat, soll hier nur kurz auf seine Ergebnisse verwiesen werden. Wie in der gesamten antiken Welt gehörten auch in Pompeji Schiffe, Tiere, menschliche Köpfe und die in römischer Zeit beliebten Gladiatorendarstellungen zu den häufigsten Graffitimotiven. Insgesamt sind die Graffitizeichnungen wie die -Texte auf bestimmte Raumtypen konzentriert. Aber während zwar alle Motive überall vor- kommen können, zeigt sich in den Peristylen und Viridarien häufig der ambientale Bezug der Zeichnungen, die Vögel, Gefäße und Statuen zeigen. Und in Triclinien, die nur selten verbale Graffiti aufweisen, finden sich z. T. mehrfigurige Darstellungen als gleichsam sekundärer Wandschmuck.536

schen Namen, obwohl z. B. aus Rom eine Vielzahl mythischer oder mythisierender Namen als Skla- vennamen bekannt sind (Solin 1996, 23–30, 265–359); Namen historischer Persönlichkeiten, wie z. B.

den des Menander, ordnet Langner 2001, 23 Anm. 103 dagegen als „einzelnes Wort anderen Inhalts“

ein; und in Langners Kategorie „Inschriften erotisch diffamierenden Inhalts“ fallen auch Texte wie

„Lucius amat“, die nicht zwangsläufig als Beleidigung gemeint gewesen sein müssen.

532 18 % sind entweder unlesbar oder als Wörter/Texte nicht verständlich, d. h. sie können keiner der Kategorien zugeordnet werden.

533 Vgl. dazu o. Kap. 2.1, S. 42 mit Literaturverweisen in Anm. 146.

534 Zu oskischen, etruskischen und semitischen Graffiti s. knapp Solin 2012b, 98 mit weiteren Ver- weisen. S. auch Crawfords 2011 Sammlung oskischer Inschriften aus Pompeji, darunter 24 Graffiti in Putz und Stein (ibid., 719–745). Über die griechischen Graffiti Pompejis arbeiten derzeit Olivia Elder (Cambridge) und Sandra Cruz Gutiérrez (Salamanca) als einem Aspekt jeweils ihrer Dissertation. Zu griechischsprachigen Graffiti in lateinischen Buchstaben und lateinischen Texten in griechischen Buchstaben s. o. Kap. 3.3, S. 93–95 und u. Kap. 6.1.2, S. 169.

535 Horsfall 2003, 52.

536 Langner 2001, 111 f.

(22)

Vergleicht man öffentliche Gebäude, Fassaden und Innenräume nicht-öffentlicher Gebäude, bewegen sich die Graffiti überall in dem gleichen inhaltlichen und moti- vischen Spektrum, mit nur jeweils kleinen zahlenmäßigen Verschiebungen.537 Die verschiedenen Typen der nicht-öffentlichen Gebäude verdienen jedoch genauere Betrachtung, da sie untereinander beträchtliche Differenzen aufweisen: Während tituli memoriales, Erotika, Literarisches und Alphabete überall schwach vertreten sind, kommen Namen, Grüße und Zeichnungen in den Gebäudetypen 3 und 4 deut- lich häufiger vor als in 1 und 2 (Abb. 34). Dafür sind umgekehrt in den Läden und Werkstätten bzw. kleinen Wohnabteilen Zahlen, Daten, Preise und Listen mit 35 und 44% sehr prominent vertreten. Es ist wahr, dass wir die genaue Bedeutung vieler Zahlen und Strichreihen nicht kennen, dass wir nicht wissen, was hier notiert und welche Einheit gezählt wurde, aber die Behauptung von Harris und Horsfall, es gebe nicht viele „utilitarian graffiti“, lässt sich mittels des pompejanischen Materials klar widerlegen,538 und auch dass Graffiti in kleinen Gebäudeeinheiten selten vorkämen, stimmt demzufolge nicht.539 Stattdessen zeigen die geritzten Inschriften funktionale Bezüge zu ihren Anbringungsorten: Hielt man in kommerziell genutzten Räumlich-

537 Ebenso bestehen die Graffiti aus den Hanghäusern 1 und 2 in Ephesos und aus einer domus in Bolsena (mit Wandgestaltung aus severischer Zeit) zu einem großen Teil aus Namen (Taeuber 1999, 526 f.; Castrén 1972).

538 Harris 1989, 199 f. und Horsfall 1991, 66 f. zählen zu den „utalitarian graffiti“ vielleicht aus- schließlich Zahlen mit Angabe einer Währung oder Notizen zum Verkauf oder zur Produktion von Waren, wie z. B. CIL IV 10067, 10106, 10117, 10150.

539 Harris 1983, 106.

Abb. 34: Verteilung von Inhalten nach Typen nicht-öffentlicher Gebäude (Prozentsatz pro Gebäude- typ).

(23)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  139

keiten hauptsächlich praktische Notizen – Zählungen, Zahlungen, Rechnungen, Termine – fest,540 spiegeln die Graffiti mit zunehmender Häusergröße mehr und mehr den Aspekt des otium wider, wenn man, wohl zum Zeitvertreib, aus Spaß oder Lan- geweile, geritzte Namen, Grußworte und Bilder hinterließ. Der Zusammenhang zwi- schen dem Inhalt der Graffiti und der Funktion ihrer Anbringungsorte zeigt sich nicht zuletzt im Lupanar, das mit einem Anteil von 16% der erotischen Graffiti die größte Ballung an Obszönem in Pompeji beherbergt, und in einigen der seltenen Toiletten- graffiti, die Fäkales beinhalten.541

Wenn wir nun aber zurück zur Frage nach den Machern der Graffiti kommen wollen, ist für die vorliegende Untersuchung v. a. bemerkenswert, dass sich die Arten von Graffiti je nach Raum innerhalb der Wohnhäuser unterschieden. Dies lässt sich am besten anhand der großen und sehr großen Häuser (Typen 3 und 4) zeigen, die über- haupt, mit unterschiedlichen Trakten und einer Vielzahl an Zimmern für verschie- dene Anlässe, die Möglichkeit einer räumlichen Differenzierung boten. Hier belegen

540 Vgl. Keegans Auflistung möglicher Funktionen solcher Graffiti (Keegan 2006, 38). Auch wenn die genaue Bedeutung von Zahlen, Strichreihen und Daten oft unklar ist, d. h. wir nicht wissen, welche Mengen, Waren oder Termine damit gemeint waren, legt ihre Konzentration in kommerziell genutzten Raum- und Gebäudetypen einen inhaltlichen Zusammenhang nahe (so auch Langner 2001, 121; Mou- ritsen unpubliziert, 17). Für eine Untersuchung zu Preislisten in pompejanischen Graffiti s. Santamato 2014.

541 Z. B. CIL IV 3146, 5242. Dazu Levin-Richardson 2015a; zu skatologischen Graffiti s. auch Varone 2016. Vgl. auch o. Kap. 3.1, S. 75 zu einem weiteren Fäkalgraffito mit Raumbezug (CIL IV 5244). Vgl.

auch CIL IV 10619 aus der Latrine der Casa della Gemma (ins. or. 1,1) in Herculaneum: „Apollinaris medicus Titi Imp(eratoris) hic cacavit bene“; dazu Zadorojnyi 2011, 112.

Abb. 35: Vergleich von Graffiti-Inhalten je Raumtyp (Prozentsatz pro Raumtyp).

(24)

die Inschriften eine funktionale Trennung des Atriums und des Peristyls (Abb. 35):

Während man in den Peristylen bevorzugt Namen, Nachrichten und Zeichnungen hinterließ, weist die (inhaltliche) Zusammensetzung der Graffiti in den Atrien mit einem großen Anteil an Zahlen und Strichreihen von 24% Parallelen zu den Inschrif- ten aus Läden (Typ 1) auf. Diese praktischen Notizen lassen sich aber nicht plausibel als Gästeinschriften deuten, sondern eher als Aufschriebe der Hausbewohner, die aus dem Tagesgeschehen hervorgingen. Dafür spricht auch die Ballung numerischer Graffiti im Arbeitsareal der Villa San Marco in Stabiae.542 In den Fauces findet sich eine prozentual ähnliche Zusammensetzung an Graffiti-Inhalten wie in den Peri- stylen, mit einer leichten Überzahl an Grüßen; für Alae, Tablina, Triclinia, Küchen und Latrinen ist die Materialmenge zu klein, um verlässliche Aussagen treffen zu können, weil einzelne Graffitiansammlungen in solchen Räumen einen zu großen Ausschlag auf die Statistik haben.543 Die Inschriften aus den Atrien aber bezeugen:

Graffiti lassen sich nicht pauschal, sondern höchstens teilweise als Besucherinschrif- ten ansprechen. Zudem ist die Anzahl von Inschriften pro Gebäude, auch wenn sie auf den ersten Blick groß wirkt, selbst in Häusern wie der Casa del Menandro mit über 100 Graffiti für einen Zeitraum von mehreren Jahren sehr klein, wenn man annehmen möchte, dass dort täglich – oder mindestens mehrmals wöchentlich – Klienten und/

oder Gäste ein- und ausgingen. Dieses rein rechnerische Argument spricht zumin- dest dagegen, dass ständig jeder Besucher seine Schreibereien irgendwo hinterließ.

Man schrieb, zumindest in den Wohnhäusern, nicht inflationär und überall, sondern nahm offenbar doch zu einem gewissen Grad Rücksicht bzw. verhielt sich anders als im öffentlichen Raum, wo Fassaden wie die der Casa dei Ceii mit Dutzenden Graffiti beschrieben wurden. Da diese Inschriften an den Fassaden der Casa dei Ceii, Casa degli Amorini dorati und anderer domus, die Bänke neben dem Eingang besitzen, ebenso wie diejenigen in den Atrien und Peristylen der Häuser als Inschriften warten- der Klienten gedeutet wurden,544 soll hier noch darauf hingewiesen werden, dass sich keine Korrelation zwischen den Graffiti an der Fassade eines Hauses mit denjenigen im Innenraum beobachten lässt: Namen, die an Fassaden genannt sind, tauchen nur in seltenen Fällen in den Innenräumen der entsprechenden Häuser auf und umge- kehrt.545 Hier deutet also nichts darauf hin, dass die Leute, die außen an ein Haus schrieben, auch zu dessen Besuchern gehörten. Ob in Pompeji überhaupt salutatio- nes stattgefunden haben, ist zudem unklar, denn F. Goldbeck hat darauf hingewie-

542 Baldwin/Moulden/Laurence 2015, 156.

543 Insgesamt stammen nur 21 Graffiti aus Alae, 58 aus Tablina.

544 Viitanen/Nissin/Korhonen 2013, 74–76; Seiler 1992, 93. Dagegen Goldbeck 2010, 134: Die Bänke könnten von Klienten genutzt worden sein, seien aber sicherlich nicht zu diesem Zweck allein ange- legt worden.

545 Z. B. wird das cognomen Rufus an der Fassade, der Name Lollius Rufus im Peristyl der Casa di Paquius Proculus genannt (CIL IV 8061, 8128). Aufgrund der hohen Frequenz des cognomens ist nicht einmal in solchen Fällen gesichert, dass es sich um dieselbe Person handelt, zumal sich die Lesung nicht überprüfen lässt.

(25)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  141

sen, dass sich über salutationes außerhalb von Rom keine Aussagen treffen lassen,

„obwohl dies praktisch die gesamte Forschung praktiziert“.546

Unterschieden sich die Graffiti also je nach Anbringungsort in ihrer Anzahl und ihren Inhalten, befanden sie sich stets in für erwachsene Menschen zum Schreiben gut erreichbaren und zum Lesen gut sichtbaren Höhen an Säulen und Wänden (Abb. 36), wie auch im Hanghaus 2 in Ephesos.547 Selbst ohne genaue Kenntnis der durchschnitt- lichen Körpergröße in römischer Zeit mag man sich erlauben zu behaupten, dass die durchschnittliche Anbringungshöhe der Graffiti von 1,40 m, von der es kaum größere Abweichungen gibt, sich im Blickfeld ausgewachsener Römer befunden haben muss, da sie selbst für uns größere, moderne Menschen gut einsehbar ist. Lediglich 9% der Inschriften befinden sich in Höhen von unter 1 m oder über 2 m.548 In der Casa del Menandro beispielsweise ist für die Graffiti an den Säulen, im Zwickel zwischen Säule und Pluteum, auch eine Anbringung im Sitzen vorstellbar; denn wo man sitzend verweilen konnte, finden sich oft Konzentrationen von Graffiti, wie im Umkreis der erwähnten Bänke vor den Häuserfassaden. Dasselbe Phänomen konnte Taeuber in der Wohneinheit 4 im Hanghaus 2 von Ephesos konstatieren, in deren Hof (21) Graffiti

546 Goldbeck 2010, 128.

547 Taeuber 2005b, 133; id. 2010a, 123; id. 2014a, 332.

548 Eine der größten Anbringungshöhen besitzt der Graffito CIL IV 6792 aus der Casa di M. Lucretius Fronto (Kat. Nr. B23. S. 175 Abb. 47).

Abb. 36: Anbringungshöhen pompejanischer Graffiti mit Durchschnittswert von 1,40 m (ermittelt aus sämtlichen bei Varone 2012 mit Anbringungshöhe dokumentierten Graffiti der regiones I–IX; n

= 728).

(26)

nahe den gemauerten Sitzbänken kumuliert sind.549 – Über die Größen der Graffiti kann an dieser Stelle nichts gesagt werden, da sie nur mittels der Autopsien vor Ort zuverlässig erfasst werden konnten; sie werden deshalb erst im Zusammenhang mit der Sichtbarkeit der Inschriften und der Wahrnehmung des Wohnhauses und seiner Dekorationen anhand der Fallstudien herangezogen werden.

Es ist offensichtlich, dass statistische Untersuchungen immer insofern subjektiv sind, als die Ergebnisse davon abhängen, wie man die Daten selektiert, kategorisiert und welche Fragen man überhaupt daran stellt. Ich habe deshalb darauf verzichtet, mich hier in Detailstudien zu einzelnen Werten zu verlieren, und stattdessen größere Trends aufgezeigt. So belegen die Analysen des Materials, dass man Graffiti keines- falls, wie von Weeber und Anderen behauptet,550 beliebig überall „hinschmierte“, sondern dass sie innerhalb der Stadt, der Wohnhäuser und sogar der Peristyle auf bestimmte Areale konzentriert sind und zudem inhaltliche Bezüge zur Raumfunk- tion zeigen. Zum größten Teil in bequemer Schreib- und Lesehöhe eines stehenden Erwachsenen angebracht, unterschieden sich die Graffiti inhaltlich je nach Gebäude- und Raumtyp. Die vielen rein praktischen Inschriften in den Atrien machen deut- lich, dass die Graffiti nicht nur von Gästen, sondern auch von Hausbewohnern im Alltag angebracht wurden, so wie auch die tabernae-Besitzer ihre Rechnungen und Notizen vielleicht selbst in die Wände ritzten. Inwieweit sich die hier präsentierten Ergebnisse für Pompeji auf andere Kontexte übertragen lassen, ist nicht pauschal zu beantworten, weil einerseits das Beispiel Herculaneum zeigt, dass dort offenbar sig- nifikant weniger Graffiti im Stadtgebiet und auch innerhalb der Häuser angebracht wurden. Andererseits sind auch schon in griechischen Wohnhäusern klassischer Zeit die Graffiti in den zentralen Räumen konzentriert und finden sich z. B. in Dura Europos und im Hanghaus 2 in Ephesos generell ähnliche Inhalte wie z. B. Namen, praktische Notizen, Zeichnungen, Alphabete. In Dura Europos sind außerdem, wie in Pompeji, gleiche Inhalte an denselben Orten kumuliert, weil schon vorhandene Graffiti andere Graffiti inspirierten. Dennoch scheint Dura Europos selbst ein Spezial- fall zu sein, da sich dort besonders viele religiöse Texte und Horoskope finden, unter denen die sog. mnesthe-Graffiti mit 12% die größte Gruppe bilden. Möglicherweise bedeutet dieser Befund aber auch, so Baird, dass solche Texte weiter verbreitet waren als wir wissen und sich nur andernorts nicht erhalten haben. In Ephesos jedenfalls finden sich mnesthe-Graffiti zwar nicht als religiöse, aber als Erinnerungsinschriften wohl an Freunde.551 In Analogie zu Heiligtümern und zu der Synagoge von Dura, wo Graffiti rund um die heiligsten Orte, d. h. Altäre und Kultnischen, versammelt sind, schrieb man auch in den Wohnhäusern von Dura Europos oft an Eingänge und Tür-

549 Taeuber 2005b, 133.

550 S. o. Kap. 2.1, S. 40.

551 Z. B. Taeuber 2014b, GR 223, 229.

(27)

Inhalte und Anbringungsorte der Graffiti  143

rahmen.552 Die religiösen Graffiti stellen, bei ansonsten vielen inhaltlichen Ähnlich- keiten, ein krasses Unterscheidungsmerkmal von ihren pompejanischen Pendants dar. In Ephesos sind in dem Inschriftenmaterial neben den auch für Pompeji übli- chen Textinhalten und figürlichen Motiven zahlreiche Rätsel und Horoskope vertre- ten. Auch die Verteilung der Graffiti in den Wohneinheiten des Hanghauses 2 deckt sich nur teilweise mit dem pompejanischen Inschriftenbefund: Während die geritzten Inschriften der Wohneinheit 4 hauptsächlich in deren zentralem Hof (21) konzentriert sind, lassen sich für die Wohneinheiten 1, 2 und 6 keine Muster in der Inschriftenver- teilung erkennen.553

552 Baird 2016, 21.

553 Taeuber 2005b, 133; id. 2010a, 123; id. 2014a, 332.

(28)

Abbildung

Tab. 2: (Gerundete) Anzahl edierter und in Umzeichnung wiedergegebener Graffiti pro CIL IV-Band.
Abb. 28:  Regio I (dunkelgrau) und II (hellgrau): Verwendete Bezeichnungen der insulae bei wech- wech-selndem Nummernsystem (aktuelle Nummern jeweils oben)
Abb. 29: Kartierung der nach der Ausgrabung überdachten Gebäude (nach google earth; neueste  Schutzmaßnahmen des Grande Progetto Pompei noch nicht miteinbezogen)
Abb. 30: Chronologie der Ausgrabung Pompejis. Grafischer Maßstab: 100 m.
+7

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Hauptschule, Realschule, Gymnasium: Konzepte, Arbeitsblätter, Kopiervorlagen, Unterrichtsentwürfe c OLZOG Verlag GmbH... Die einzelnen Unterrichtsschritte im Überblick:

 Die Einleitung des Abwassers aus der Fassadenreinigung in den öffentlichen Schmutz- oder Mischwasserkanal ist dem Stadtentwässerungsbetrieb Paderborn (STEB) per

N icht für sozialistische I deen, bei denen eine zentrale Planung von Pro- duktion und Verteilung traditionell als wichtig empfunden werden, son- dern auch für solche U topien,

oder Glas = mittels Spray oder Tüchern Graffiti entfernen Entfernung durch abwischen des Graffiti. auf glatten Flächen aus Kunststoff, Metall oder Glas = mittels Spray oder Tüchern

Das Projekt „Graffiti - Kunst im öffentlichen Raum“ führt Jugendliche und junge Erwachsene mit der Leidenschaft der Graffiti Gestaltung aus der Illegalität in die

Anlässlich des 20-Jahr Jubiläums des Einkaufszentrums Novaseta führt die Thurgauer Kantonalbank Arbon (TKB) zusammen mit der Kinder- und Jugendarbeit Arbon den

Teilt der Senat die Auffassung, dass eine beispielsweise im Rahmen eines Wett- bewerbs einmalig zu gestaltende Fläche sowie die Zielsetzung touristischer Zwe- cke oder Bekämpfung

Welche legalen Flächen zur Realisierung von Graffiti-Projekten gibt es im Land Bremen (bitte für Bremen und Bremerhaven getrennt auf- listen) und hält der Senat diese für