Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios'.
(Ptolemaios, Geogr. 6, 16 = Wilbeeg, 429, 10—431, 27)
Von H. W. Haussig, Berlin
Wenn Ptolemaios in seinem geographischen Werk eine Beschreibung
des Tarimbeckens gibt, könnte das zu der Annahme führen, daß er das
Tarimbecken selbst besucht hat. Das ist aber nicht der Fall. Weder P.
noch Marinos von Tyros, dessen uns nicht erhaltenes geographisches
Werk P. vorgelegen hat^, haben das Tarimbecken je gesehen. Die Grund¬
lage ihrer Beschreibung, die aus einer Karte und Bemerkungen bestand,
die Positionsangaben enthielten, waren Itinerare, die Marinos durch die
Agenten des griechischen Großkaufmannes Maes Titianus beschafft
wurden*. Diese Itinerare dürften etwa aus dem ersten Jahrhundert
n. Chr. stammen*. Das Bild, das P. um 170 n. Chr. vom Tarimbecken
zeichnet, gibt also die Verhältnisse des ersten Jahrhunderts n. Chr. wieder.
1 Vortrag gehalten am 29. 8. 57 beim XXIV. Internationalen Orien¬
talistenkongreß in München.
Für wertvolle Hinweise habe ich Herm Prof. P. Demt&ville, Paris, zu
danken, der die Arbeit auch durch die Beschaffung der wichtigsten Text¬
ausgaben des Shui-chüig-chu unterstützt hat. Herrn Prof. W. Fuchs, Berlin,
verdanke ich die Übersetzung der für die Untersuchung wichtigen Stellen
des Shui-ching-chu. Auch Herm Professor HuLSEWfe, Leiden, bin ich für
Hinweise zu Dank verpflichtet.
Die Geographie des Ptolemaios (im folgenden abgekürzt: P.) wurde in
der Ausgabe von Wilberg, Essen 1838, benutzt. Gegenstand der Unter¬
suchung ist Ptolemaios, Geogr. 6,16.
Für die Literatur wird auf die Zusammenstellung bei A. Hebbmann,
Atlas of China, 1935, p. 85 u. 86, verwiesen.
2 P. sagt von Marinos (Ptolemaios 1, 6,1): Mapivo; 6 Tüpio? öaTaToi; töv xaTa T-»]v Yvüatv ttjv v][jtETEpav laTopiijCTavTOjv „Marinos von Tyros, der letzte (jüngste) unserer Gewährsmänner"; gemeint ist „der letzte, der dar¬
über geschrieben hat. Zur Lesung und Interpretation dieser Stelle vgl. zuletzt
Hans Mzik, Des Klaudios Ptolemaios Einführung in die darstellende Erd¬
kunde, Teil I, Theorie und Grundlage der darstellenden Erdkunde, Wien 1938, 25, Anm. 2.
' Ptolemaios 1, 11, 6: MaYjv y&p 97)01 Tiva, töv xai TtTiavöv avSpa MaxeSöva xal Ix TtaTpö? £[j.7Topov, ouyYpa4'aCT{)-at z'q-j äva[jiETp7]aiv, 0Ü8'aÜTi>v l7CEX<>6vTa SiaTTEjjtiJjixfXEVov 8e Tivaq npbQ toij SYjpa?.
* Hierauf weist, daß Marinos wohl die Dakerkriege Tralaus (bis 107) ge¬
kannt hat, aber von den Partherkriegen des Kaisers (114—116 n.Chr.)
noch nichts wußte. Vgl. hierzu E. Honigmann, Marinos (Geograph), Real-
Enzykl. d. klass. Altertumswissenschaft, 2. Bearb., Bd. 14, Spalte 1768.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 149
Wer aber die Angaben des P. mit dem heutigen, besonders durch
die Forschungen Sven Hedins bekannt gewordenen geographischen
Büd des Tarimbeckens vergleicht, ist enttäuscht. Er findet weder die
charakteristische im Norden, Westen und Süden durch Gebirge ein¬
gerahmte Hochfläche noch den Tarim, der mit seinen Nebenflüssen
diese Hochebene in verschiedene Landschaften gliedert. Auch die im
Text des P. enthaltenen Positionsangaben der aufgeführten Gebirge,
Flüsse und Städte führen, wenn man sie auswertet, nicht zu einem Bild,
das den uns heute bekannten Formen des Tarimbeckens auch nur an¬
nähernd entspricht. Diese Feststellung hat auch Albert Herrmann
treffen müssen, der aus den Positionsangaben bei P. ein Kartenbüd
herzustellen versuchte. Er sah die Fehlerquelle des P. in der falschen
Umrechnung der Entfernungsangaben eines chinesischen Itinerars*. Die
Benutzung eines chinesischen Itinerars durch die Vorlagen des P. ist
aber nur eine Annahme A. Herrmanns, die durch keinen Hinweis ira
Werk des P. gestützt wird. Hinzukommt, daß die Positionsangaben des
P. auch mit den Korrekturen Herrmanns kein Büd vermitteln, das den
uns bekannten Formen des Tarimbeckens auch nur annähernd entspricht.
Im Text des P. muß aber wenigstens noch zu einem Teü die Beschrei¬
bung der von den Agenten des Maes Titianus gesammelten Itinerare
enthalten sein, wenn auch ihre Entfemungsangaben, die P. für seine
Positionsangaben verwendet hat, fehlen. Man muß also, wenn man die
Angaben des P. verwerten wül, auf die Positionsangaben, deren Fehler¬
quellen uns unbekannt sind, verzichten. Es güt demnach, aus den Text¬
angaben des P. die von Marinos benutzten Itinerare mederherzustellen.
Diese Itinerare müssen die verschiedenen Wege, die durch das Tarim¬
becken führten, beschrieben haben, und man darf wohl annehmen, daß
sie im großen und ganzen den gleichen Wegen folgten wie die heutigen
Karawanenstraßen, soweit allerdings die geographischen Voraussetzun¬
gen die gleichen geblieben sind. Diese Itinerare wiederherzustellen,
bedeutet aber, sie aus den vier Gruppen : Berge, Flüsse, Völker, Städte,
auf die P. das ihm vorliegende geographische Material verteüte, wieder¬
zugewinnen. Denn die Itinerare beschrieben ja die Wege, die über Berge
und durch Flußtäler, Städte und Gebiete verschiedener Stämme führten.
Um hier festen Boden unter den Füßen zu haben, muß man zuerst
die Namen derjenigen Berge, Flüsse, Städte und Völker zusammen¬
stellen, deren Lage aus anderen Quellen bekannt ist oder über die P.
selbst Angaben macht.
Man hat zunächst mit den Bemerkungen zu beginnen, mit denen P.
die Lage des Tarimbeckens und seiner Nachbarländer erläutert. Er
s Albert Herrmann, Das Land der Seide und Tibet im Lichte der Antike,
Leipzig 1938, 112—113.
150 H. W. Haussio
bezeichnet das Tarimbecken als „Serike", das Land der Serer'. Im
Osten von Serike wohnten nach P. die Sin (Sivai), also die Chinesen''.
Im Westen lag Skythien jenseits des Himaos, das zu einem großen Teil
dem heutigen Westturkestän entsprach, im Süden befand sich ,, Indien
jenseits des Ganges", und im Norden lag unbekanntes Land.
Hiernach hätte „Serike" das heutige Ostturkestan und Tibet umfaßt.
Wieweit das den Tatsachen entspricht, sollen die folgenden Ausführim¬
gen zeigen.
Von den aus anderen Quellen bekannten Gebirgen erwähnt P. die
Himaos, Himodos und Ottorokorra genannten Grebirgszüge. Alle drei
« Ptolemaios 6,16; 429, 11—27 Wilberg: 'H SyjpixY) Trepiopi^eTai ä.v:h (xev Suoeco? IxTÖ? 'Ifjtdcou öpou? SxuO^ia xaTiä: -u^v 4xTES-ei(x£v7iv ypai^ti^v derei
81 ÄpxTtov dtY^<»xiT'i> yfj....
imh 81 (xsaefxßpta? tö te Xoittm (jL^psi t^s Ixtö? T&xX'^^ *IvSix^? xaUn Stvai?.
Hieraus ergibt sich folgendes Bild :
Unbekanntes Land
N
Skythien jenseits -yy des Himaos
0 Sinai
S Indien jenseits
des Ganges
„Himaos" bezeichnet den Westteil des Tien-schan, nämlich Alai und Pamir¬
gebirge.
' Ptolemaios 6, 16; 429, 22 Wilbebg: ST vai. Außer St vai wird von P.
(Geogr., 7,3; ed. Nobbe, Bd. 2, 172, 3, auch die Bezeichnung ©ivai gebraucht, die sich auf das gleiche Gebiet bezieht, ©ivai bezeichnet bei P. wahrscheinlich
das Gebiet um die Hauptstadt Ch'ang-gan. Beide Bezeichnungen, Sivai und
©tvai, umschreiben das chinesische Wort Ch'in. Ch'in hieß das chinesische
Fürstentum, das am weitesten im Westen lag und seit dem 9. Jahrh. v. Chr.
bestand (O. Fbanke, Gesch. d. ehm. Reiches, Bd. 3, 1937, p. 366, u. A.
Hebbmann, Attas of China, 1935, Bl. 14/15). Noch üi dem Brief des
Sogders Nanai-vandak vom Jahre 313 bezeichnet Öinastan nicht Chüia,
sondem nur das Gebiet um Ch'ang-an, also das gleichnamige Fürstentum
(W. B. Henning, The Date of Sogdian Ancient Letters. BSOAS., 1948, XII/3,
606, Anm. 7). Von den beiden Bezeichnungen ©ivai und Sivai ist für ©Tvai
die Überlieferung etwas älter, denn dieser Name wird schon in dem Periplus
Maris Erythraei, der zwischen 80 und 89 n. Chr. entstanden seüi mag, für
Chüia gebraucht (ed. K. Mülleb, Oeographi Oraeci Minores 1, 303, 21). Die
von P. überlieferte Form Sivai weist auf sogdische Vermittlung, Sivai um¬
schreibt ein sogdisches Öin = Öinastan.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 151
Namensformen weisen auf Sanskritworte^. Das bedeutet, daß die drei
Bezeichnungen in Indien entstanden sind und aus Indien von griechi¬
schen Kaufleuten übernommen wurden. Nun bezeichnet P. mit Himaos
die Gesamtheit der Randgebirge des Tarimbeckens, mit Himodos und
Ottorokorra aber konkret zwei besondere Grebirgszüge, die man nach ihren
indischen Namensformen im Süden bzw. Südwesten des Tarimbeckens
zu suchen haben wird. Das wird durch Angaben des P. in den Völker¬
aufzählungen des Tarimbeckens bestätigt. P. erwähnt hier das Volk der
Bautai. Die Bautai sind mit den Bhautta der indischen und islamischen
Quellen identisch, die im Gebiet von Gilgit und Skardo beheimatet
waren*. Wenn also P. das VoUc der Ottorokorra südlicher als alle anderen
von ihm genannten Völker des Tarimbeckens ansetzt und zwar dicht
beim Himodos^", kann das gleichnamige Gebirge, das auch einen Fluß
in das Tarimbecken entsendefii, nur mit dem heute Karakorum genann¬
ten Gebirgszug identisch sein, während der Himodos, nach P. ebenfalls
» Die griechische Bezeichnung 'l]xa.oc, weist auf das Sanskritwort hima =
Schnee. So nannten die Inder die ihnen bekannten Randgebirge des Tarim¬
beckens. Von ihnen übernahmen die Griechen den Namen. Bei P. bezeichnet
'lixao? die Randgebirge des Tarimbeckens einschließlich des Tien-schan bis
zum Pamir im Süden.
Die beiden anderen Gebirgszüge tragen gleichfalls Namen, die auf San¬
skritworte weisen. So scheint tix 'HjxtoSdc, die Bezeichnung des Pamir, eben¬
falls das Sanskritwort hima zu enthalten und wahrscheinlich die gleiche
einheimische Bezeichnung wiederzugeben wie die chinesische Bezeichnung
Hsi-mO'ta-lo (* xji-mud-tät-lä) , die sich auf das gleiche Gebiet bezieht (Vgl.
A. Hebbmann, Die Hephthaliten und ihre Beziehungen zu China. Asia Major I,
(1925) p. 575).
Die Gebirgsbezeichnung 'OxTOpoxoppa umschreibt das Sanskritwort
Uttarakuru (O. Böhtlingk -R. Roth., Sanskrit-Wörterbuch I, St. Peters¬
burg 1855, 876. TrUcandaäega, 2,1,16.
9 Die Bautai (BaÜTai) werden sowohl in dem in Sanskrit geschriebenen
Werk Kalhanas wie in dem Indienbuch al Birünis erwähnt. Nach Birüni
{India, Übers. Sachau 1910, I, 207) bewohnte ein indischer Stamm, der
Bhauttawarijan genannt wurde und dessen König den Titel Bhautta Sah
führte, Gilgit, Asora imd Siljas. Die Wohnsitze der BaÜTai = Bhautta wären
damit im Gilgit-Tal und bei Skardo anzusetzen. Diese Nachricht wird durch
die Radschatarangini (Engl. Übers, u. Kommentar von M. A. Stein, Bom¬
bay, Leipzig 1901, IV, 165—168) des Kalhäna bestätigt. Kalhäna berichtet
hier von den Siegen des Königs Lalitäditja-Muktäpida von Kaschmir und
erwähnt in diesem Zusammenhang nach dem Sieg über die Tukharas (die
Bewohner des Wakhan-Tales) auch die Überwindung der Bhautta. Die
Chronik des Kalhäna bezeichnet die Bhautta auch an anderen Stellen als
Feinde der Könige von Kaschmir, was auf ein Kaschmir unmittelbar be¬
nachbartes Volk deutet (Radschatarangüii I, 313).
" Ptolemaios 9, 16; 431, 8—11 Wilbebg: ün6 Sz tou? 'lamfjSövai; 'AanoMo.- pai, xal Sti Üttö toutou;, BaÜTai, xal |xecni(xßpivcüTaToi Trapä Ta 'HtxcoSä xal StjpixA 'ÜTTopoxd^pai. " Ptolemaios 6, 16; 430, 21 Wilbebg.
152 H. W. Haussio
Quellgebiet eines Flusses des Tarimbeckens^*, dem Pamir entsprechen
muß. Die Identität von Himodos und Pamir bestätigt die Erdbeschrei¬
bung des Dionysios. Der Perieget Dionysios konnte als jüngerer Zeit¬
genosse des Marinos von Tyros vielleicht noch dessen Werke benutzen.
Nach ihm lagen aber die Quellen des Oxos (= Amu darya) im Himodosi^*.
Das bedeutet, daß der Pamir, in dessen südlichem afghanischem Teil die
Quellen des Wakhan, des oberen Teils des Amu darya, lagen, zur Zeit
des P. als Himodos bezeichnet wurde. Der Himodos war durch die über
seine Pässe nach Ostturkestan führende Handelsstraße schon sehr früh
in den Gesichtskreis der griechisch-römischen Welt getreten. So weist
die Bemerkung des Plinius, daß der Oxus aus einem See herabkämei^^,
auf die Kenntnis der Pamirseen und beweist damit, daß die über den
Himodos führende Karawanenstraße schon in der Zeit um Christi Geburt
von westhchen Kaufleuten benutzt wurde. Daraus erklärt sich auch die
genaue Vorstellung, die Plinius von den drei hier zusammenstoßenden
Gebirgszügen besitzt, dem Himodos (Pamir), Ottorokorra (Karakorum)
und den Paropanisadae (Hindukusch). Diese Gebirgszüge trennten drei
von ihm erwähnte Völker. So bewohnten die von ihm erwähnten Tocha¬
rer das Tal des Amu darya bzw. Wakhan, die Serer Ostturkestan und die
Ottorokorra das obere Industal (Chitral)!^''. Das Wissen um die über den
Himodos führenden Handelsbeziehungen mit den Völkern Ostturkestans
reicht bis in das erste Jahrhundert v. Chr. zurück, denn schon Apollo¬
doros von Artamita kannte die jenseits des Himodos wohnenden Sereri**.
1^ Ptolemaios 6, 16; 430, 22 Wilberg. Dionysios, Perieg.: 747 ed.
Müller, p. 151; ^i; ävä (ilaov eXtaacTai Icpoc "ü^o?, Sote Xittwv 'HiicdSiv öpoi; . . .
Plmius Secundus, Hist. nat. VI, 48; 240, 29 Detlevsen : Oxus amnis
ortus in lacu Oaxo. Hiemach scheint P. bzw. seüi Gewährsmann den aus
dem Viktoria-See kommenden Pamir-Fluß als den Quellfluß des Oxus
angesehen zu haben. Vgl. Anm. 58 u. 161.
i2<^ Plinius VI, 55; 242, Detlevsen: Ab Attacoris (Ottorokorrai bei
Ptolemaios) gentis Thuni et Fooari. Der Text ist hier in „Funi et Thocari"
zu emendieren. Weiter heißt es bei Plinius VI, 88; 249 Detlevsen : .. . ultra
montes Hemodos Soras quoque ab ipsis aspioi notos etiam eommercio,
patrem Rachiae commeasse eo, advenis sibi Soras occursare. Plinius zitiert
hier dann im folgenden den Bericht jenes Kaufmannes, der über die Pässe
des Pamü das Land der Serer besucht hatte. Das gleiche Gebiet, das Wakhan-
Tal im Westen und das des Zarafschan jenseits des Pamir im Osten, be¬
schreibt auch Dionysios in seiner Erdbeschreibung (Ttspiriy. 752 C. Muxler).
Hier heißt es: xal Töxapoi Opoüvol te xal £&vEa ßäpßapa Si^pciv. Die Opouvot
sind unmittelbar im Norden des Wakhan-Tales anzusetzen. Der Name be¬
gegnet auf einer von O. Hansen (Die Berliner Hephtalitenfragmente in:
Aus Spätantike und Christentum von F. Altheim, Tübingen 1951, 84, Anm. 1)
gelesenen Legende einer sogenannten Hephtalitenmünze in der Form $PONO.
Die Opoüvot wohnten am oberen Amu darya.
Strabo, Geogr. 11, 516, beschreibt die Ostgrenze des Reiches des
Demetrius wie folgt: Kal Sr^ \i-ix9'- 2T)pcöv xal Oauvöv I^^TEivav Tr)v apx^^jv.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 155
Ein anderes von P. erwähntes Gebirge trägt den Namen Kaschia}^.
Kaschia bezeichnet die heute Alai und Transalai genannten Gebirgszüge ;
das wird durch folgendes bestätigt. Einmal wird der den gleichen Namen
wie das Gebirge tragende Stadtstaat sowohl in chinesischeni* wie iranischen
Quellen^* erwähnt, zum anderen ist das Kaschia genannte Gebirge bei
P. wie der heutige Transalai Quellgebiet zweier Hauptflüsse des Tarim -
beckensi*. Dem heutigen Kaschgar darya entspricht der von P. Oichardes
genannte Fluß, und der Gez darya ist mit dem Bautisos identisch^'.
Auch ein weiterer von P. unmittelbar im Anschluß an das Kaschia-
Gebirge genannter Gebirgszug läßt sich mit Hüfe der in anderen Quellen
erwähnten Ortsnamen identifizieren. So ist der von P. erwähnte Orts¬
name Throana der sogdische Name für die chinesische Grenzstadt in der
Provinz Kan-su, Tun-huangi^. Wenn also P. den im Anschluß an das
Kaschia-Gebirge genannten Gebirgszug Thaguros östlich von Throana
ansetzt", ergibt sich daraus, daß es sich bei dem Thaguros um das Richt¬
hofengebirge in der heutigen chinesischen Provinz Kan-su handeln muß.
Es ist das Gebiet, das nach den chinesischen Quellen die kleinen Yüeh-
" Ptolemaios, 6, 16; 430, 1^—2, u. 430, 15, Wilberg: xä Kctcta ßpv].
» Chiä-she (AD 342 u. AD 893: *ka-si) T'ang-schu, Kap. 221, a, p. 9.
Chavannes, Documents sur les Tou-kiue (Turcs) occidentaux, St. Petersburg,
1900, p. 121. Chia-shih umschreibt also ein fremdes *Kaschi, auf das auch
die griechische Bezeichnung töc Kaata SpY) = Kasohi- oder Kasch-Gebirge
hinweist. Die Bezeichnung Khasa für Kaschgar ist im Sanskrit belegt
(s. Li;vi, La catalogue gdographique des Yaksa dans la Mahämäyüri, JAs
1915/1 p. 52 und 102. Nach Li;vi war dieser Name im Sanskrit allgemein eine
Bezeichnung der Bergstämme im Gebiet des Himalaya. Vgl. auch L^vi,
Notes chinoises sur rinde, BEFEO V (1905), p. 260—261.
1^ B. Honigmann u. A. Maricq, Recherches sur les Res Gestae Divi Saporis, Bruxelles 1953, 40: xal Sco? Ka? ScoSixTjvv)? „bis Kasch in der Sogdiana. Das Kasch des Tatenberichtes ist, wie W. B. Henning (BSOS., 54) nachgewiesen
hat, Kaschgar. Der heutige Name Kaschgar scheint den alten Namen Kasch
in Verbindung mit dem indischen Wort fiu Siedlung : sanskr. : grha, pakrit :
ghara zu überliefern.
" Ptolemaios 6, 16; 430, 15 u. 18—20 Wilbebg: a) -J) Si «ä? Irzi toi Käaia öpY) IxTpoTt-J) i-Kix^^ [Jiotpa; (gemeint ist der Oichardes) b) ^Tt Sh xal 6 xaXou^evo?
BaiiTiCTO? 7roTa[x6?, ou xal aÜTOÜrj [x^vTrpöi; ToT?Kaa[oi? Öpeat TTY^yY)IrclxEi [iotpai;.
1' Gegenwärtig mündet der Gez darya wie der Yarkänd darya in den Kysil
su oder Kaschgar darya. Der zum Yarkänd darya führende alte Hauptarm
des Gez darya versiegt heute 15 km vom Yarkänd darya bei Mogal. Vgl.
hierzu Sven Hedin, Southern Tibet (1917—22), Stockholm, Bd. 8, Karte 27,
und die Karte bei Babthold, Turkestan dovm to the Mongol invasion, transl.
Minobsky, 1928).
"Ptolemaios 6, 16; 431, 16, Wilbebg: ©poätva. Zu der entsprechenden
sogdischen Form Th^rwan, Srw'n im Brief des Sogders Nanai-vandak:
W. B. Henning, BSOAS XII/3, 615.
" Ptolemaios, 6, 16; 431, 7, Wilberg: ©pöavoi* elxa ünb (xiv toOtouc
oE ©äyoupoi.
154 H. W. Haussig
chih bewohnten. Nach dem Kaschia-Gebirge war der Thaguros die erste
Gebirgserhebung, die die von Kaschgar nach China führende Kara¬
wanenstraße berührte. Daraus erklärt sich die Zusammenstellung mit
dem Kaschia-Gebirge bei P.'"*.
Damit sind die von P. im Süden, Westen und Osten des Tarimbeckens
erwähnten Gebirge bekannt, es fehlen nur noch die nördlichen Rand¬
gebirge. Wenn aber P. die Auzak und Asmiraion^^ genannten Gebirgs¬
züge als Quellgebiete zweier Flüsse des Tarimbeckens nennt, können die
beiden Gebirge nur mit dem Kokschal tagh, dem Quellgebiet des Aqsu,
und mit dem Khalyk tagh, in dem der Khaidyk göl entspringt, identisch
sein. Offen bleibt somit nur noch die Entscheidung, welches der beiden
Gebirge der Kokschal tagh und welches der Khalyktagh ist. Diese Frage
kann aber nur in Verbindung mit der Identifizierung des letzten von
P. genaimten Gebirges, des Aimibos^*, gelöst werden. Dieses Gebirge lag
nach P. im Norden des Tarimbeckens, denn P. sagt, daß die nördlichen
Teile von Serike, also des heutigen Ostturkestan und seiner unmittelbar
im Norden angrenzenden Gebiete, von einem nomadischen Volk, den
sogenannten Anthropophagen, bewohnt wurde. Unterhalb des Gebietes
dieser Anthropophagen lag nach P. das Annibos-Gebirge**. Da dieser Ge¬
birgszug nach P. selbst keinen Fluß in das Tarimbecken entsendet und bei
zwei Völkeraufzählungen, die auf Straßenbeschreibungen zurückgehen,
vor anderen Gebirgen genannt wird**, die als Quellgebiete von Nebenflüs¬
sen des Oichardes erwähnt werden, kann er nicht zu den Randgebirgen des
Tarimbeckens gehört haben. Wenn man also dem für P. von Nordwesten
nach Südosten in das Tarimbecken führenden Karawanenweg folgt,
kann mit dem Annibos nur der Kungei-Atatau gemeint sein. Eine aus dem
lU-Tal in das Tarimbecken führende Straße muß, wie es die Völkeraufzäh¬
lung bei P. voraussetzt, oberhalb des Kungei-Atatau entlangführen.
Ptolemaios, 6, 16; 430, 1—3, Wilberg: .. . tüv Kaotwv t6 ävaToXixöv
\iipo<;, o5 TÖ TT^pai; kniysi (jioipai; p^ß "JIS xal TÖ ©istYoupov 6poi;
21 Ptolemaios, 6, 16; 429, 28—30, Wilberg: xal tüv Aü!^ax(cjvTÖävaToXtxöv iiipot;, o5 TÖ Ttipai; inixti [iolpa? p^e vS'xal Ta 'A(T[jn.paia opr) . . . .
" Ptolemaios, 6, 16; 429, 25—26, Wilberg: "Opr; 8k Sii^Mxe ty)v SripiXYiv Tdc TE xaXoufxeva "Avvtßa
23 Ptolemaios, 6, 16; 430, 25—27: Tä [xiv ouv äpxTixwTaxa xf;c, SYjpixrji;
JtaTavIjxeTat Sö-vt) 'AvöptoTtocpicYcav, ücp' oö? "Avvtßot S-8-vo? ÜTrlpxeiTa!, twv 6(i.tOVÜ(X<OV öpüv
2« In der Völkeraufzählung bei Ptolemaios, 430, 25—431, 2, wird das
Annibische Gebirge vor dem Auzak-Gebirge genannt, das P. als Quellgebiet des Oichardes bezeichnet (430, 12—^13). In einer sich hieran anschließenden
Völkeraufzählung (431, 2—3) wird das Annibisohe Gebirge aueh vor dem
mit Asmiraion bezeichneten Gebirgszug erwähnt, in dem ein anderer Neben¬
fluß des Oichardes entsprüigt (430, 13—14).
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 155
Die sich damit erhebende Frage, welcher der von P. überheferten
Namen Asmiraion und Auzak dem Khalyk-tagh und welcher dem
Kokschal-tagh zuzuordnen ist, wird dadurch entschieden, daß P. das
Auzak-Gebirge innerhalb einer Aufzählung von Völkern erwähnt, die
im Norden des Kungei-Atatau mit den Anthropophagen beginnt und
mit einem Volk am Oichardes abgebrochen wird*^. Die Aufzählung, in der
das Asmiraiongebirge erwähnt wird, begmnt dagegen erst am Ostrand
des Aimibos und endet mit dem Gebirgszug Asmiraion**.
Bei der ersten Aufzählung werden jene Völker erwähnt, die die erst am
Iii, dann am Kunges und jenseits des Gebirges am Kaidyk gol entlang¬
führende Straße berührte. Die zweite Aufzählung dagegen erwähnt die
Völker vom Ostrand des Kungei-Atatau im Tal des Tekes bis zur Pa߬
höhe des Kokschal-tagh. Demnach muß das Auzak-Gebirge dem Kha¬
lyk-tagh und der Gebirgszug Asmiraion dem Kokschal-tagh entsprechen.
Damit ist der Kranz der Gebirge, der das Tarimbecken von Süden,
Westen und Norden umgrenzt und den die verschiedenen Karawanen¬
wege unter Benutzung der Gebirgspässe überqueren, annähernd be¬
stimmt. Die Tatsache, daß die Kenntnis dieser Gebirge durch Itinerare,
also die Beschreibung von Wegstrecken nach Tagemärschen, vermittelt
wird, bestimmt auch die Darstellung des Flußsystems des Tarimbeckens
durch P. P. nennt zwei Hauptflüsse des Tarimbeckens : den Oichardes*'
und den Bautisos**. Er kennt also außer dem im Norden des Tarim¬
beckens von Westen nach Osten fließenden Tarim, den er Oichardes
nennt, noch einen zweiten Hauptfluß, der im Süden ebenfalls von Westen
nach Osten seinen Lauf nahm, den Bautisos. Dieser Südfluß wird auch
von den chinesischen Quellen erwähnt.
In dem in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. entstandenen
Shui-ching-chu*' wird der von P. unter dem Namen Bautisos erwähnte
" Ptolemaios, 430, 25—431, 2: Tä oOv apXTixcoTaxa t^? SiripiXTi?
xaTavIjjtETai, S-^vt] 'Av{>p£OTt09aY<ov, Ü9' oQ? "Avvißoi ^-ftvo? ÜTT^pxciTat tcöv 6(j.0)vüixtüv öpüiv (XETa5<j TOUTCov Xal TÜV Aü!^axt(i)v St^uy^? &Q-Joq, Ü9' ou?
Aäfivat, clTa IltäXaL ti^XP' '^o'J OlxäpSov TtoTajxoü, xal ÜTt' aÜTÖv öji (ivu[jtoi OlxäpSat.
2» Ptolemaios, 431, 2—5: IläXivSI; ävaToXtxtÖTepoi jjtlvTÜv'Awißtov Tapivaioi xal 'Paßßävai, ütc6 Bk toutou? ^) 'A<T|jnpala x&>pa üreip Tä 6(X(ivu[xa öpr).
" Ptolemaios, 430, 11—12: Aia^jtiouai Sk Suo (iäXtdTa 7TOTa|xol tö ttoXiI) ttj?
2r)pix^i; 6 TE OlxäpSri?
28 Ptolemaios, 430, 18: .... ^TiSk xal 6 jxaXoufiEvo? BaÜTioo? TtoTafiöi; ....
2» Das Shui-ching-chu, der Klassiker der Gewässer, ist wahrscheinlich in
der Zeit der Drei Reiche (220—265 n. Chr.) entstanden. Er wurde dann durch
Li Tao-yüan 527 mit einem Konunentar ausgestattet. Der Übersetzung liegt
der Text des Ho-ohiao shui-ching-chu des Wang Hsien-ch'ien (1842—1918)
zugrunde, der 1892 gedruckt wurde. Zur Frage der Textüberlieferung vgl.
L. Petech, Northem India according to the Shui-ching-chu, Rom 1950, 1—9.
156 H. W. Haussig
Südfluß sehr emgehend beschrieben. Es heißt hier: 5a „Das Wasser des
Flusses wird durch das Ts'ung-ling-Gebirge geteilt*". Nach Osten fließend durchquert er den Staat von Ch'ieh-she-lo*i. (Das Shih-shih Hsi-yü-chi*2
sagt: Dort gibt es einen Staat namens Ch'ieh-she-lo. Obwohl der Staat
klein ist, ist er allgemein der Knotenpunkt für alle Straßen. Man kann
es nicht umgehen). Im Süden der Stadt gibt es ein Gewässer, das nach
Nordosten fließt und bei den Bergen westhch von Lo-shüi-hsi C'lä-zjäi-
siei) herauskommt**. (Die Berge sind der Ts'ung-ling). Er passiert das
Ch'i-sha-Tal** ; sobald er aus dem Tal herauskommt, teüt sich der Fluß
in zwei Flüsse 5b*5. Einer fließt nach Osten und passiert den nördlichen
TeU des Staates Wu-lei*^ (und bewässert das [Gebiet] von Lu-ch'eng*'.
Die dortigen Sitten sind gleich denen von Hsi-yeh und Tzu-ho). [Der
andere Fluß] nun fließt nach Osten und passiert den Norden von I-nai**.
(Dies ist von P'u-li 540 li entfernt, und die Sitten sind mit denen von
Tzu-ho gleich). Das Wasser [dieses] Flusses wendet sich dann nach
Osten und passiert den Norden des Staates P'u-li** 6 a. (Er bewässert
das Tal von Man-li /P'u-li. [Dieser Staat] ist nach Norden von Kaschgar 550 li entfernt, und seine Sitten sind mit denen von Tzu-ho*" gleich). Der
Bei der Übersetzung wird der alte Kommentar in runde Klammem
gesetzt. Ergänzungen stehen in eckiger Klammer. Die Zahlen im Text
weisen auf die Kapiteleinteilung der chinesischen Ausgabe. Die Übersetzung beginnt mit Buch II, Kap. 5a, des Shui-ching-chu.
3" Gemeint ist, daß der Fluß mehrere Zuflüsse besitzt, die im Ts'ung- ling-Gebirge (Alai und Transalaigebirge) liegen.
31 Ch'ieh-she-lo (*g'jia-Sia-ld) kann ein fremdes *KhaSara umschreiben.
KhaSara entspricht dem Kdtaia bei P. (Vgl. Anm. 14) und dem Ka; im Taten¬
bericht Schapurs I. (Vgl. Anm. 15).
32 Das Shih-shih Hsi-yü-chi, die geographische Kompilation eines bud¬
dhistischen Mönches, ist bis auf die Fragmente im Shi-ching-chu und im
Pien-i-tien nicht mehr erhalten. Vgl. hierzu Petech, a. a. O., p. 5.
33 Hiermit ist der heutige Gez-darya gemeint.
3* Ch'i-sha (*g'jie..sa). Es ist das Tal des Gez darya.
35 Zum Verständnis dieser Stelle muß Kap. 10a des gleichen Buches heran¬
gezogen werden. Das Shui-ching-chu sagt hier: „Der Nordfluß teüt sich
östlich von Ch'i-sha in den Südfluß.
3« Wu-lei (*mjiu-luät) ui der Mitte zwischen Kutscha und Qaräsahr.
3' Lu-ch'eng ist das Gebiet oberhalb von Korla am Bagrasoh-köl.
38 Gebirgsland westlich von Yarkänd an der Straße, die über das Gebirge im Westen in das Tal des Pamir-Flusses führt. I-nai (*.i-näi).
3" P'u-li (b'uo-liei), ein Gebirgsland, das an der Paßstraße liegt, die dem
Tal des Zarafshan folgend über die Gebirgspässe im Westen das Wakhan-
Tal erreicht. Das hier erwähnte P'u-li, das ein fremdes *Buri umschreibt,
kennt auch der Tatenbericht Schapurs I. Vgl. Anm. 162. Glosse eines Kom¬
mentators, die in den Text gemtsoht ist. Man-li und P'u-li ist eine graphische Variante.
*" Tzu-ho (*tsi-Yäp) südlich von Kargalik.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 157
Fluß fließt dann weiter und passiert den Norden des Staates P'i-shan*^.
(Er bewässert die Stadt P'i-shan, im Nordwesten davon ist [Yarkänd]
So-chü 380 h entfernt). (Die andere Quelle** entspringt in den Bergen
südlich von Khotan [Yü-tien], fließt nordwärts und vereint sich mit dem
auf dem Ts'ung-ling entsprungenen Fluß. Dann wendet sie sich nach
Osten und ergießt sich in das P'u-ch'ang-Meer (Lob-nor)**.
6 b Das Wasser vereint sich nun weiter östlich mit dem Khotan-Fluß**.
(Die südliche Quelle passiert die Berge im Süden von Khotan, und ge¬
wöhnlich nennt man sie Ch'ou-mo-chih-tzu-chih*** ; nordwärts fließend,
geht sie westhch an Khotan vorbei). 7a) Dann fließt sie nach Nord¬
westen und ergießt sich in den Ho [Tarim]). Dies drückt das [Shui-]ching
mit den Worten aus : Nach Norden ergießt er sich in den [vom] Ts'ung-
ling [kommenden] Fluß)*^. Der Südfluß geht dann ostwärts im Norden
des Reiches Khotan vorbei. (Im Shih-shih Hsi-yü-chi heißt es: Das
Wasser des Ho fließt ostwärts 3000 li; nach Khotan gekommen, macht
er einen Knick und fließt nach Nordosten. In der Beschreibung der
Westländer im Han-shu heißt es: Östlich von Khotan fließen alle Ge¬
wässer nach Osten)**. Der Südfluß geht dann nach Nordosten zu im
Norden des Reiches Yü-mi vorbei*'. Der Südfluß geht danach nach Osten
zu im Norden des Reiches Ching-chüeh vorbei**. 8 a) Der Südfluß geht
dann nach Osten zu im Norden des Reiches Chü-mo vorbei*'. Weiter
östlich vereinigt er sich von Westen her mit dem großen Wasser des
A-nou-ta^". (Im Shih-shili Hsi-yü-chi heißt es: „Im Nordwesten des
Gebirges A-nou-ta gibt es ein großes Wasser, welches nach Norden fließt
und sich in das Meer von Lao-lan ergießt). Dieses Wasser fließt nach
Norden und geht an den Südbergen von Chü-mo vorbei. Dann wendet
*i P'i-shan C'b'jie-san) ist mit dem heutigen Guma identisch.
*2 Der heutige Chotan-darya.
*3 Wie der folgende Satz : Das Wasser des Flusses vereint sich nun weiter
östlich mit dem Khotan-Fluß", zeigt, stammt diese Bemerkung aus dem
späteren Kommentar und ist durch die Abschreiber in den Haupttext ge¬
langt. Der Zusatz ist in Klammem gesetzt.
** Das Shui-ching-chu kennt also wie P. den vom Karakorum-Gebirge
kommenden Khotan-darya, der in den Südfluß/Bautisos mündet,
andere Aussprache: Ch'iu.
*5 Auch dieser Satz gehört, obwohl er in der vorliegenden Ausgabe im
Haupttext steht, in den Kommentar oder ist, wie das in Anm. 43 gekenn¬
zeichnete Stück, spätere Interpolation in den Haupttext.
*° Der Text läßt nicht erkennen, ob hier das Zitat zu Ende ist.
Yü-mi (*jiu-mjie), wahrscheinlich in der Nähe des heutigen Kerija.
*8 Ching-chüeh (*tsiäng-tsiat), wahrscheinlich in der Nähe des heutigen Nija.
*' Chü-mo C'ts'ja-muät), wahrscheinlich in der Nähe des heutigen Tschert- schen. ^ A-nou-ta (*.ä-n9u-d'ät) ist der Tschertschen-darya.
158 H. W. Haussio
es sich nordwärts und passiert den Westen der Stadt Chü-mo. (Ferner
heißt es [im Hsi-yü-chi]: „Der Chü-mo-ho (Fluß) fließt nach Nord¬
osten und geht nördlich von Chü-mo vorbei. Weiterfließend vereinigt
er sich von Osten her mit dem Südfluß"). 8B) Zusammenfließend, biegen
sie nach Osten um und büden zusammen den Chu-pin-Fluß^i. Der Chu-
pin-Fluß geht nun weiter ostwärts im Norden des Reiches Shan-shan^*
vorbei. 9B) Dieses Wasser ergießt sich im Osten in den Sumpf. Der
Sumpf liegt im Norden des Reiches Lao-lan bei der Stadt Yü-ni^*. Des¬
halb bezeichnet man dort gewöhnlich diesen Sumpf als Lao-lan-Meer.
(Im Shih-shih Hsi-yü-chi heißt es: Der Südfluß ist vom Osten von
Khotan bis zum Norden 3000 li lang und tritt bei Shan-shan in das
Lao-lan-Meer ein).
Nach dem Shui-ching-chu teüte sich aber der Südfluß. Der vom
Alai-Gebirge kommende Quellfluß, der heutige Gez-darya, muß damals
eine Verbindung zum Tarim besessen haben. Das Shui-ching-chu sagt:
II, lOA) „Der Nordfluß teilt sich östlich von Ch'isha in den Südfluß".
Mit der Darstellung des Tarimbeckens bei P. verglichen bedeutet das
vom Shui-ching-chu überlieferte Büd eine Weiterentwicklung. Während
bei P. Oichardes und Bautisos, Nord- und Südfluß, noch keine Verbin¬
dung miteinander besitzen, ist zu der Zeit, in der das Shui-ching ent¬
standen ist, diese Verbindung bereits vorhanden. Während bei P. Gez-
darya und Yarkänd-darya ineinander mündend zusammen den Süd¬
fluß büden und dann den Khotan-darya aufnehmen, besteht im Shui-
ching schon eine Verbindung zwischen Gez-darya und Kaschgar-darya.
Später muß dann jene Entwicklung eingetreten sein, bei der der Yar¬
känd-darya seinen Lauf veränderte und sich im Norden mit dem
Kaschgar-darya vereinigte, so daß der Gez-darya nicht mehr den Lauf
des Yarkänd-darya erreichen konnte und versickerte.
Es lassen sich also drei Phasen in der Entwicklung des Flußsystems
des Tarim unterscheiden. Bei der ersten, die P. in seinem geographischen
Werk festhält, sind Nord- und Südfluß, Oichardes und Bautisos, noch
getrennt. In der zweiten Phase, die das Shui-ching beschreibt, hat der
Südfluß bereits eine Verbindung zum Nordfluß hergestellt. In der dritten
Phase, in der wir noch heute stehen, wird der Südfluß nicht mehr durch
den Yarkänd-darya mit Wasser versorgt und ist daher ausgetrocknet,
so daß das Tarimbecken nur noch einen Nordfluß besitzt. So erklärt es
sich, daß der Name des alten Südflusses in der Zeit nach P. nicht mehr
" Chu-püi (*t'äiu-pjien), der Fluß, an dem heute Tscharchlik hegt.
82 Shan-shan (*ziän-ziän), ein Reich unmittelbar östlich von Tscharchlik.
53 Dieses Lao-lan (*läu-län) ist nicht mit der chinesischen Militärkolonie
gleichen Namens identisch. Hier ist das Reioh von Lao-lan gemeint, dessen
Hauptstadt südwestlich der chinesischen Militärkolonie lag.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 159
erwähnt wird, während der Nordfluß noch in der zweiten Hälfte des
6. Jahrhunderts den von P. überlieferten Namen Oichardes trug. Oichar¬
des setzt sich zusammen aus Oich, dem eigentlichen Flußnamen, und ard,
dem Wort für ,,Fluß". Ard kommt z. B. in der Bezeichnung der Flu߬
göttin Bag-ard in dem in parthischer Sprache geschriebenen manichä¬
ischen Turfanfragment vor**. Im Jahre 569 n. Chr. zog der oströmische
Gesandte Zemarchos auf dem Weg zur Residenz des südwesttürkischen
Qayans auf dem Ektay in der Nähe von Kutscha den Lauf des Tarim
entlang, der in dem Gesandtschaftsbericht Oich-Fluß = Oich-ard ge¬
nannt wird^^.
Die Beschreibung der Nebenflüsse des Oichardes vermag unsere
Kenntnis der damals vorhandenen beiden Hauptflüsse noch zu erweitern.
Nach P. lagen die Quellen sowohl des Oichardes wie des Bautisos in
dem Kaschia genannten Gebirge^*. Das Kaschia-Gebirge ist, wie wir
gesehen haben, mit den heute Alai und Transalai genannten Gebirgs¬
zügen identisch. Das bedeutet, daß der hier entspringende Oichardes den
heute Kaschgar-darya genannten Quellfiuß des Tarim bezeichnet, wäh¬
rend der gleichfalls im Kaschia-Gebirge entspringende Bautisos mit dem
Gez-darya, einem Nebenfluß des Yarkänd-darya, identisch ist. Beide
Flüsse, der Kaschgar-darya und der Yarkänd-darya, vereinigten sich aber
in dieser Zeit, wie der Bericht des P. zeigt, nicht, sondern flössen ge¬
trennt nach Osten weiter. Das ergibt sich aus den Nebenflüssen, die von
P. nur soweit erwähnt werden, als an ihnen Straßen entlangführten. So
wurde das Tal des Kaschgar-darya ebenso wie das des Gez-darya in der
Zeit, aus der das von Marinos benutzte Itinerar stammt, von einer Straße
benutzt*'. Eine andere Straße, die aus Nordostafghanistan durch das
" Andbeas-Henninq : Mitteliranische Manichaica aus Chinesisch Tur¬
kestan II. SBAW. 1933, p. 305: Bag-Ard. Ard in der Bedeutung „Fluß"
kommt auoh in Verbindung mit der alten Bezeichnung für den Amu darya,
vxS, die von den Griechen mit ''O.Z.oc, umschrieben wurde, vor. So bezeichnete man die Göttin dieses Flusses auch als ArdvzL
Menander, Exc. de legat., 452, 29 de Boor : Stä toö Xsyo(x£vou TroxaptoO ' ß^jx
" Vgl. Anm. 16.
" Ptolemaios (I. 12, 7—8) gibt eine genaue Beschreibung des Weges von
Baktra Bäxxpa (Balch) bis Kasch Ka; (Kaschgar). Hiernach führte der Weg
von Baktra zunächst in östlicher Richtung, bog dann zum Bergland der
Komeden (x^; xüv K(i)|jf/)8üv opcivYji;), dem heutigen Huttal, nach Norden
ab und folgte von dort in südlicher Richtung einer Schlucht bis zu dem
sogenannten Steinernen Turm (JttI xoü At-&tvou Hüpyou). Bei dem Steinemen
Turm handelt es sich wahrscheinlich um das am Eingang des Alai-Tales
liegende Dara'ut Kurgan (2435 m). Die Fortsetzung dieser Straße auf chi¬
nesischem Gebiet wird im Hou Han schu (E. Chavannes, Les pays d'Oc-
cident d'apres le Heou Han chou, T'oung pao 1907, 207) beschrieben. Hier
heißt es nach der Übersetzung von Chavannes: Partant de Su-16 l*si^o-l3k) si on va vers le Nord-Est, on passe par Wei-t' ou (♦.«'gi-dg'w, Säfar-Bai),
160 H. W. Hatjssig
Wakhan-Tal über den Himodos, den Pamir, nach Ostturkestan führte,
benutzte im Tarimbecken das Tal des Zarafschan und Yarkänd-darya**.
Ein anderer Karawanenweg folgte dem Khotan-darya flußaufwärts,
der damals noch ein Nebenfluß des Südflusses, des Bautisos, war, bis
fast zur Quelle im Karakorumgebirge und erreichte dann über die Pässe
Ladakh und damit das Indus-Tal*'. Wenn P. bei seiner Aufzählung der
einzelnen Völker, die von den Karawanenwegen berührt werden, unter
den am weitesten südhch wohnenden Völkern die im Gilgit-Tal wohnenden
Wen-su (*.udn-siuk, Baröuk), Ku-mo (*kuo-'m9k, Aksu), Kuei-tzu (AD 462
u. AD 1094: *kjH-tsi-) et on arrive ä Yen-ch'i (AD 243 u. AD 340: *-iän-g'ji, Karasohahr).
58 Ptolemaios, 430, 23, Wilbebg. Die Benutzung dieses Karawanenweges ist dureh andere westliehe Quellen gleichfalls fiu das 1. Jahrhundert n. Chr.
bezeugt. So wurden nach dem Bericht des Periplus Maris Erythraei (1, 303, 23
Müller) die Importe aus der Stadt Thin (Ts'in) auf dem Landwege über
Baktrien nach dem nordindisohen Hafen Barygaza gebracht. Der Bericht
sagt: TtapaKEiTai ev aü-rfj nöXiq y-zaoytioz (XEytax?) XEyof-svr) ©ivai, 1x9' ^ii; t6 te Epiov )cal TÖ v?i(ia xal tö öS-övtov tö Srjpixöv ei; tix Bapuya^a Siix BäxTpcov TTE^^ ipIpETai.
Mit der Stadt Thüi ist hier das Gebiet um die Stadt Ch'ang-an gemeint, auf das sich auch die Bezeichnung Öinastan des sogdischen Briefes bezieht (Vgl. Anm. 7).
Weiter kann man der Bemerkung in der Erdbesohreibimg des Periegeten
Dionysios, nach der die Quelle des Oxus im Himodos-Gebirge liegt, ent¬
nehmen, daß zu seiner Zeit (um 100 n. Chr.) die durch das obere Wakhan-
Tal zu den Pamir-Pässen führende Straße für den Karawanenverkehr nach
dem Tarimbecken benutzt wurde (Vgl. Anm. 12a). Auch den chinesischen
Quellen ist diese Karawanenverbindung schon fiu- die ersten Jahrhimderte n. Chr. bekannt (Chavannes, Wei-lio, p. 529).
Am ausführlichsten wird die dem Oxus folgende Karawanenstraße
im Shui-ching-chu geschildert. Die Beschreibung begümt an den Quellen
des Flusses und folgt dann seinem Lauf bis üi den Aralsee. Es heißt im Shui- ching-chu II, la) : Die erste Quelle entspringt im Westen im Reiche Indien, 1 b) oben auf dem Ts'ung-ling. Die Quelle des Flusses kommt an verborgener Stelle dieses [Ts'ung]-ling hervor und teilt sich in zwei Wasser. (Gemeint
sind der Amu darya und einer der Quellflüsse des Südflusses im Tarim¬
becken). 2a) Das eine Wasser geht nach Westen zu im Süden des Reiches
Hsiu-hsim vorbei und geht dann nördlich des Reiches Nan-tou vorbei. Das
Wasser des Flusses geht dann nach Westen zu im Norden des Reiches Kasch¬
mir (Chi-pin) vorbei. Das Wasser des Flusses geht danach nach Westen zu
im Süden des Reiches der Yüeh-shih entlang. 2b) Dann geht es nach Westen
zu im Süden des Reiches An-hsi (Buchara) vorbei. Das Wasser des Flusses
ergießt zusammen mit dem Wasser des Ni-lo-ch' i-ti (Jaxartes) in das Lei-
chu-Meer (Aralsee).
58 Ptolemaios 430, 21 Wilberg. Auch dieser Karawanenweg wird im
Wei-lio erwähnt (Chavannes, a. a. O., p. 538). Nach Yü-t'ien (Khotan)
nennt die chuiesische Beschreibung als nächste Station Chi-pin (Kaschmir).
Zu diesem Karawanenweg vgl. auch die Karte bei Minobsky, Hudüd al
'Älam, 261, Karte IV.
Die Beschreibung dos Tarimbeckens boi Ptolemaios 161
Bautai und die Ottorokorra von Chitral erwähnt, weist dieser Teil
seiner Beschreibung auf den südlichen Abschnitt der aus dera Tal des
Khotan-darya nach Ladakh führenden Straße.
Wie der Bericht des Shui-ching-chu erkennen läßt, hat der Bautisos
auf seinem Weg nach Osten den Keriya darya, Niya darya, Tscher-
tschen darya und noch weitere vom Transhimälaya kommende Neben¬
flüsse aufgenommen, die jetzt im Sand der Wüste versickern'".
Auch die Nebenflüsse des Oichardes, des Tarim, werden von P. nur
soweit erwähnt, als sie durch Karawanen wege, die an ihnen entlang¬
führten, bekannt waren. So erwähnt P. außer dera Kaschgar-darya noch
zwei Nebenflüsse des Oichardes. Er kennt den vom Asmiraion-Gebirge,
dem heutigen Kökschal tagh, kommenden Aqsu'i, dessen Tal die vom
Bedel-Paß in das Tarimbecken hinabführende Straße benutzt, und den
Kaidj'k gol, an dera eine von den Pässen des Kalyk tagh aus dera Ili-
Tal komraende Straße entlangführt'*.
Von den Straßen, die an den beiden Hauptflüssen des Tarimbeckens,
dera Oichardes und Bautisos, entlang in Richtung auf Throana (Tun-huang
führten, wird nur die erste ira Rahraen einer Aufzählung der von
ihr berührten Völker beschrieben, denn bei dieser Aufzählung wer¬
den zwischen dera Reich von Kaschia und dera Gebiet von Throana nur
die Issedonen erwähnt'*. Aus einer anderen Völkeraufzählung des P.
geht aber hervor, daß ara Unterlauf des Oichardes keine Issedonen,
sondern ein nach diesem Fluß Oichardai genanntes Volk wohnte'*.
Daraus ergibt sich, daß mit der Völkeraufzählung: Kaschia, Issedonen,
Throana nur der südliche ara Bautisos entlangführende Karawanenweg
beschrieben wurde, der etwa der sogenaraiten Südroute der Seiden¬
straße entsprach. Andererseits geht aber aus der Beschreibung der in
den Oichardes einraündenden Flüsse und der Erwähnung des an seinera
Unterlauf wohnenden Volkes, der Oichardai, hervor, daß auch der
nördliche am Oichardes entlangführende Karawanenweg P. durch ein
Itinerar bekannt war.
Damit ist sowohl das Fluß- als auch das Gebirgssystera des Tarim¬
beckens, wie es die von Marinos benutzten Itüierare gesehen haben, dar-
" Vgl. Anm. 42 bis 50.
'1 Ptolemaios 430, 13—^14, Wilbebo. Auch dieser Karawanenweg ist den
chinesischen Itineraren nicht imbekannt gewesen. Vgl. hierzu die Beschrei¬
bung des Teilabschnittes von Aq su über den Bedel-Paß bis zur Hauptstadt
der Wu-sim (Chavannes, Documents, 9).
'2 Ptolemaios 430, 12—13, Wilbebg.
'3 Ptolemaios 431, 5, Wilbebg: üttö Se xauxa (Jtsxpi. xüv Kao[ci>v 'laaigSovE?
(jtEycx E-&VO;, xal ävaxoXixuxEpot auxcöv ©pöavot.
'* Ptolemaios 430, 29—431, 2: .... elxaHiaXai. [x^xP'' toü OlxapSou 7toxa[xoü, xal i)Tz' aux6v öfitövunoi OExäpSat.
11 ZDMG 109/1
162 H. W. Haussig
gestellt. Es kann daher jetzt darangegangen w erden, die von den Kara¬
wanenwegen berührten Völker und Stämme festzulegen. Das Mittel
dazu sind die dureh die Beschreibung der Gebirge und Flüsse bei P.
gefundenen Verkehrswege.
Die von Marinos benutzten Itinerare erwähnten anscheinend im
Norden des Tarimbeckens zwei Verkehrswege, die m das Tarimbecken
hineinführten. Der eine von ihnen benutzte das Tal des Iii und Kunges,
um schließlich über die Pässe des Khalyk tagh dem Khaidyk gol folgend
den Tarim und damit die Straße nach Tun-huang zu erreichen.
Als erstes Volk, dessen Wohnstätte man sich nach der Beschreibung
des P. am oberen Iii zu denken hat, werden die Anthropophagen genannt.
Sie waren, wie P. sagt, Nomaden'*. Ihr Gebiet reichte nach seiner Be¬
schreibung bis zum Nordhang des Atatau. Der Atatau — nach P. das
Annibosgebirge — wurde von einem Volk gleichen Namens bewohnt.
Auch hier handelt es sich wahrscheinlich um kernen echten Volksnamen".
" Ptolemaios 430, 25—26: Tä ij.ev oJv äpxTixwxaTa ttj? Svjpix^i; xaravijie-ai
EÖvr) 'Av^ptoTTotpäycov. Die Bezeichnung Anthropophagen = ,, Menschen¬
esser" weist auf die von Herodot 1, 216, geschilderten Massageten. Die
Bezeichnung wird von P. antikisierend für die am unteren Iii wohnenden
nomadischen Völker gebraucht. Es handelt sich bei den von P. als Anthro¬
pophagen bezeichneten nomadischen Völkern wahrscheinlich um kirgisische
Stämme, die zusammen mit Teilen der Nord-Hsiung-nu hier eingewandert
waren. Sie wurden von den Chinesen Chien-k'un (AD 369 u. AD 466: *kien-
kuan) = *Qirqhun genannt (Chavannes, Wei-lio, a. a. O., 559: Le royaume
de Chien-k'uen est au Nord-Ouest du K'ang-chü (*k'äng-kji^o). Chien-k'un
deutet auf das altaische Wort *qirqhun (Vgl. H. W. Haussig, Die Quellen
über die zentralaaiatische Herkunft der europäischen Awaren, Central Asiatio
Joumal II, 1 (1956), 23, Anm. 9). Da die Kirgisen wahrscheinlich Indo¬
germanen waren, die erst später türkisiert wurden (Vgl. O. Fbanke, Gesch.
d. chines. Reiches, Bd. 3, 1937, 361), weist der Name vielleicht auf die Be¬
zeichnung durch em altaisches Nachbarvolk, also vermutlich durch die
Nord-Hsiung-nu.
" Ptolemaios 430, 25—27, Wilbebg : Ü9' oö; "Avvtßoi eövo; xjizipv.zLxxi tüv 6[xwvu[j.(dv öpüv. Die Bezeiehnung "Avvißot weist nach Tomaschek Pauly- Wiss. I, 2259, auf iranisch a-naiba, anev = unschön, mißgestaltet. Wenn die
Etymologie Tomascheks sich bestätigen sollte (Das Wort ließ sich bisher
im Ostiranischen nieht nachweisen), könnte man hierin einen Hinweis auf
die zu jener Zeit in diesem Gebiet geübte Sitte der künstlichen Schädel¬
deformation sehen, die sich mit der alanischen Westwanderung nach Europa
verbreitete (Vgl. F. Altheim, Archäologie des Attilareiches in: F. Altheim
und H. W. Haussig, Die Hunnen in Osteuropa 1957, 42). Die Sitte wird von
Strabo (11, 11) bei diesen Völkern erwähnt: Tivä; S'£7tiT/]S£üetv tpaalv,
ÖTTu; ü; [iaxpoxcqjaXcÖTaToi 9avoüvTat, xal TrpoTTETr-ojxÖTE; Tot; hetütcoii;
ü; ö^'ÖTtEpxÜTt-ötv TÜV yeveIcov. Sein Bericht wird durch die in den letzten Jahren in Kenkol durchgeführten Ausgrabungen bestätigt (A. N. Bebnstam,
KenkoVskij mogiVnik, Arch, ekspedicii gos. Ermita2a Vyp. IL L. 1940).
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 163
Das Tal des Kunges wurde von den Sizygern bewohnt". Die Gebirgs¬
täler des Khalyk tagh, des Auzak-Gebirges, gehörten zum Gebiet der
Auzakier**. Jenseits des Gebirges, im Tal des Khaidyk göl, kennt P. die
Danmer und Pialer''. Den Abschluß der Aufzählung der von dieser
Straße berührten Völker bilden die Oichardai. P. setzt sie dort an, wo
der Khaidyk göl in den Tarim, den Oichardes, einmündet".
Die zweite von P. im Rahmen einer Völkeraufzählung des Tarim¬
beckens beschriebene Straße zweigte von der ersten am Ostrand des
Annibos-Gebirges ab, um dem Tal des Tekes folgend über den Bedelpaß
das Tarimbecken zu erreichen'^. Nach der Beschreibung des P. gehörte
das Tal des Tekes zum Gebiet der Garinaioi und Rabbanoi. Dann be¬
rührte die Straße das Reich der Asmiraioi. Das Gebiet der Asmiraioi
entspricht dem der Wu-sun in chinesischen Quellen. Beide Namen,
Wu-sun und Asmiraioi, bezeichnen ein wahrschemlich ossetisches Volk,
von dem Teile' nach Westturkestän und Südrußland ausgewandert
waren'*.
8' Ptolemaios, 430, 28: {leToI^u 8e toütcov ('Avvtßo!.) xal töv Aü^axitov
Sl^uyE? g*vo;. Vgl. Anm. 51.
«9 Ptolemaios 430, 29: Ü9'oui;(i;it;uYE(;) AäjAvai, stTalltaXai. |j.£/piToö Ol/äpSou 7TOTa[xoü. Die griechische Volksbezeichnung IlidXat weist auf einen Stadt¬
namen riiäXa (Ptolemaios 431, 14). In IliixXa kann man vielleicht die Um¬
schreibung einer *Piliala bzw. *Pihara lautenden Ortsbezeichnung sehen.
*Pihara würde dem von Fbye (Harvard Journal of Asiatic Studies, Bd. 19
(1956), 108, Anm. 9, und p. 109) aus dem Sanskritwort vihära abgeleiteten
sogdischen Wort ßry'r bzw. *pry'r = *Pihar entsprechen. Da viMra im
Sanskrit die Bezeichnung für einen buddhistischen Tempel bzw. ein bud¬
dhistisches Kloster ist, könnte man, wenn Fryes Form sich nachweisen
ließe, in der Bezeichnung Piluda lliäXa bei Ptolemaios einen Hinweis
auf ein damals bei Karasohahr schon bestehendes buddhistisches Heilig¬
tum seben. Das Vorkommen von Formen mit /, wo in anderen ein r zu
finden ist, läßt sich auch bei der Uberlieferang anderer Namen im ostirani¬
schen Raum feststellen.
'"Ptolemaios 431, 1—2, Wilbebg: xal üti' aütöv (Ol^äpSy)!;) 6|X(ivu(Aot
OlxäpSat. Die Bezeichnimg weist auf den besonderen völkischen Charakter
dieser Bewohner des Tarimbeckens.
'1 Ptolemaios 431, 2: lläXtv 8^ ävaToXixwTspot [i£v töv 'Avvtßuv Faptvaioi xal 'Paßßävai, 6^6 8s toutou? y) 'Aajxtpaia X"P* "Trep tol 6[ic!)vu[J.a 8pT).
'2 Über die Lage des Gebietes der Wu-sun : Chavannes, Documents, p. 9, der die im T'ang shu, Kap. 43 b, enthaltenen Itinerare übersetzt. Das chinesische Itinerar bezieht sich auf die gleiche über den Bedel-Paß führende Straße,
deren Beschreibung auch der Völkeraufzählung bei P. zugrunde liegt. Nach
der f)T3erschreitung des Bedel-Passes orreichte man nach dem chinesischen
Itinerar nach einem Weg von 50 li die Hauptstadt der Wu-sun. Die chine¬
sische Bezeichnung Wu-sun, in mittelchinesischer Aussprache (AD 1288
u. AD 833) *uo-su3n, kann, wie G. Haloun (Zur Üe-Ti#i-Frage, ZDMG, 91,
1937, 314, Anm. 1) bemerkt, auch *A-sun ausgesprochen worden sein. Die
altchinesische Aussprache (GS 61 a u. GS 434a) *o-sw3n, deutet also, da
11*
164 H. W. Haussig
Südlich des Reiches der Asmiraioi erwähnt P. die Issedonen'*. Das
Gebiet der Issedonen reichte nach ihm im Westen bis zum Kaschia-
Gebirge, also dem Alai bzw. Trans-Alai, im Süden bis zu den Aspakara'*
und im Osten bis Throana. Demnach gehörte die vom Bautisos ge¬
bildete Kulturlandschaft, vor allem die Städte an der Südroute der
Seidenstraße wie Guma, Chotan, Niya und Miran, zum Gebiet der
Issedonen. Dagegen war die nördliche Hälfte des Tarimbeckens — etwa
von einem Punkt östlich von Maralbaschi längs des Tarim bis zum
Lopnor — von den Oichardai bewohnt ; denn aus der bereits erwähnten
Völkeraufzählung des P., die sich auf die am Kaidyk göl zum Tarim
hinabführende Straße bezieht, geht hervor, daß an dem von diesem
Karawanenweg berührten Teil des Tarim die Oichardai wohnten'*.
Es erhebt sich damit die Frage, um was für ein Volk es sich bei diesen
Issedonen handelt. Legt man die Angaben Herodots zugrunde, die sich
vor allem auf die Issedonen in Westturkestän beziehen, so waren die
Issedonen wahrscheinlich ein iranisches Volk, das durch seüi Eindringen
das finale n sowohl ein fremdes r wie l vertreten kann, auf eine *Aswul bzw.
*Asjal lautende fremde Form. *Asfal ist die ossetische Form von Spala, das
uns als Stammesbezeichnung der nach Südrußland ausgewanderten Alanen
überliefert ist (Plin., Hist. Nat., 6, 22, u. Jordanes, Get., 28; 61, 2 Mommskn).
Die ossetische Bezeichnung *A8fal ist in dem offenbar von einem alanischen
Stamm übernommenen ältesten Namen der Ungarn Säßap-roi. dtatpaXoi er¬
halten (H. W. Haussig, Theophylakts Exkurs über die skythischen Völker,
Byzantion 23, Brüssel 1953, 427). Demnach darf angenommen werden,
daß es sich bei den Wu-sun überwiegend um alanische Stämme gehandelt
hat. Was die chinesische Quelle als ,,Land der Wu-sun" bezeichnet, kennt P. als 'Aajitpaia x^P*- Auch diese Bezeichnung deutet auf einen alanischen Stammesnamen. Die As ("Aaiot) gehörten zu jenen von Nordosten kommen¬
den Nomadenvölkcm, die nach den griechischen Quellen die sakische Süd¬
wanderung vom Jaxartes nach Baktrien auslösten, die 127 v. Chr. zum
Untergang des griechisch-baktrischen Reiches führte (Strabo, Geograph. 11,
8, 2; 718, 6, Meuieke. Hierzu: Haussig, a. a. O. 420ff.). In Südrußland
werden die As und Alan schon bald nach Christi Geburt unter der Bezeich¬
nung 'Aaatoi erwähnt (Ptolemaios, 5, 8, 16). Die von P. für das Gebiet der
Wu-sun überlieferte Form Asmiraia könnte daher auf einen einheimischen
Volksnamen *Asmir weisen, der sich aus As, dem Volksnamon, und mir =
iranisch = Herr zusammensetzen würde. 'Aofxipata X'^P'^ wäre also das
Land der Fürsten der As. Diese As sind vielleicht mit den Az identisch, die
in der Inschrift für Kül tegin (E 19—21: Az budun und E 38 Az tutuq,
ATG, 252 u. 254) und im Hudüd al 'Älam (99 u. 302 Minorsky) in dem
gleichen Gebiet erwähnt werden.
'* Ptolemaios 431, 5, Wilberg: ünö Sk xaijTa ('Aa[iipa£a X'!>P*) V-^'/J?^ '^'^^
Kaottdv 'IctctyiSövsi; (isya S^voq, xat ävaxoXtxcüTcpoi aÜTcöv ©poavof '* Ptolemaios, 431, 8—9: ütiö Se tou; 'laavjSova; 'AoTraxäpai
" Ptolemaios, 430, 29—431, 2: elTaHidtXai \xix9<- toü OtxäpSou 7TOTa[i.oü, xal hit' aÖTÖv 6(j.&)vu(jtot OlxäpSat.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 165
in Westturkestän um 750 v. Chr. die skythische Westwanderung nach
Südrußland und in die ungarische Tiefebene auslöste".
In dem Gebiet, in dem Herodot in Westturkestän die Issedonen er¬
wähnt, kennt Trogus die Serer". Die Serer wohnten nach Ptolemaios
aber auch im Tarimbecken. Nach seiner Beschreibung war es zum
größten Teil von Serern bewohnt'*. Da die Serer in Westturkestän in dem
" Herodot, Historien, IV, 13. In einem zweiten, wahrscheinlich aus akka¬
discher Quelle stammenden Bericht gebraucht Herodot für die Issedonen
die Bezeichnung „Massageten" (Herodot IV, 11). Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die Skythen und die ihnen verwandten Völker, wie die Sigyn-
ner, aus Westturkestän nach Westen ausgewandert waren. Die Sigynner
wußten nach ihrer eigenen bei Herodot zitierten Wanderungssage nooh von
ihrer Herkunft aus Medien (Herodot, V, 9). Tatsächlich erwähnt Strabo
(Geograph. XI, 12) die Sigynner unter den skythischen Völkern Westtur¬
kestäns und berichtet bei ihnen von den gleichen Sitten wie bei ihren nacb
Europa ausgewanderten Stammesgenossen. Die Angaben Strabos und
Herodots werden indirekt durch die chinesischen Quellen bestätigt. So
kennen die T'ang-Annalen (Chavannes, Doc, p. 162) schon die den gleichen
Volksnamon wio das griechische Siyüvvat enthaltende Bezeichnung eines
Gebietes in Nordostafghanistan, Shih-ch'i-ni (*si-k'ji-nji). Die gleiche
Bezeichnung wird auch in den islamisohen Quellen für dieses Gebiet ge¬
braucht (Minobsky, Hudüd al-'Älam, p. 505). Über die Issedonen in West¬
turkestän vgl. Herodot I, 201, und Plüiius, Nat. Hist. VI, 17; 241, 15. In
dem von Herdot, IV, 13, benutzten Bericht werden wahrscheinlich die in
das Tarimbecken eingewanderten Issedonen erwähnt. Vgl. hierzu Herodot,
Historien, deutsche Gesamtausgabe, übersetzt von A. Hobneffeb, heraus¬
gegeben und erläutert von H. W. Haussig, 2", 1959, p. 687, Anm. 25.
" .Jordanes, Getica 31, der hier auf Trogus beruht, beschreibt das Gebiet der Skythen wie folgt : habet ab Oriente Seres, in ipso sui principio ad litus Caspii maris commanentes.
'* Ptolemaios (429, 11) bezeichnet das Tarimbecken als SyjpiJt;/], das Land
der Serer; eine derartige Namensgebung wäre undenkbar, wenn die Serer
nicht wenigstens den westlichen Teil des Tarimbeckens bewohnt hätten,
mit dem die Griechen bzw. ihre aus Westturkestän oder Indien stammenden
Gewährsleute zunächst in Berührung gekommen waren. Dieser Teil des
Tarimbeckens war aber nach P. in der Hauptsache von den Issedonen be¬
wohnt. Aus dem Bericht des Plhiius (Nat. Hist. VI, 21, 88; 249, 21, Det¬
levsen) gewinnt man den Eindruck, daß die Serer schon um Christi Geburt
auch das Gebiet westlich von Yarkänd besetzt hatten. Denn hier heißt es:
ultra montes Hemodos Seras quoque ab ipsis aspici notos etiam eommercio,
patrem Rachiae commeasse eo, advenis sibi Seras occursare, ipsos vero
excedere hominum magnitudinem, rutilis comis, caeruleis oculis, oris sono
truci, nullo eommercio linguae. Die Beschreibung der Serer durch Plinius
paßt auf die chinesische Beschreibung der Wu-sun. Schwierigkeiten aus der
Verständigung ergaben sich aus dem damals eben erst in Gang gekommenen
Handelsverkehr über die Pamirpässe. Der Handelsverkehr war kein stummer
Tauschhandel. Die Preise standen auf den Seidenballen. Das berichtet eine
Scholle, die sich auf die Erwähnung der SripEi; bei dem Periegeten Dionysios
bezieht (C. Mülleb, Oeographi Oraeci minores, II, 1861, p. 453, 18). Hier
166 H. W. Hatjssig
gleichen Gebiet erwähnt werden wie die Issedonen, liegt es nahe, ent¬
weder an eine Identität beider Völker oder an das Bestehen einer sehr
engen Verbindung zwischen ihnen zu denken. Vielleicht ist es auf diesem
Wege möglich, etwas Klarheit über Herkunft und Volkstum der Isse¬
donen zu gewinnen.
Die Serer werden nicht nur in Westturkestän und im Tarimbecken,
sondern auch im eigentlichen China erwähnt. P. kennt in China einen
Ort, den er als Sera Metropolis, die Hauptstadt der Serer, bezeichnet'*.
Nach den Angaben, die P. über die Entfernung zwischen Baktra und
Sera Metropolis macht, muß diese Stadt etwa in der Nähe von Ch'ang-an
gesucht werden*". Wenn P. außerhalb Westturkestäns und des Tarim¬
beckens auch noch im eigentlichen China eine Stadt kennt, die der
Hauptort des Gebietes der Serer war, muß man also drei verschiedene
Landschaften annehmen, in denen Serer gewohnt haben. Das würde
bei einer Gleichsetzung der Serer mit den Issedonen bedeuten, daß die
von Herodot erwähnten Issedonen (Serer) aus dem eigentlichen China
kommend und über das Tarimbecken Westturkestän erreichend dort die
Westwanderung der Skythen ausgelöst hätten. Es wäre aber voreilig,
nur auf der Tatsache, daß P. Wohnsitze der Serer in China, im Tarim¬
becken und in Westturkestän kennt, diese Hypothese aufzustellen.
Nun läßt sich aber nicht nur die Erwähnung der Serer in China und
Westturkestän mit einer Westwanderung der Issedonen in Verbindung
bringen. Kommt doch in Westturkestän neben dem Namen der Serer
auch die Bezeichnung SinjSin für China vor und zwar nicht nur als
Name einer Stadt, sondern auch eines größeren Gebietes. Sin geht auf
Ch'in, die Bezeichnung des westlichsten der alten chinesischen Fürsten¬
tümer zurück*^. Sin wird wahrscheinlich schon bei P. als Ortsname in
Westturkestän erwähnt**. Es folgen mittelpersische und frühislamische heißt es: Ol Si Hr^psq oötoi rb aiQptxöv tkoXoüvtei; aTToxpoiovTai t6 Tl[j.v)[i.a
tetYpätf/avTE«; -roT; aaxxloii;, xal 6 ^[jiTropoi; imypoifrjt; Troieixai xa; ÜTTOxptoEK;.
Derartige Preisangaben, die den Seidenballen beigegeben waren, haben
sich in der Form von Holztäfelchen in Lou-lan gefunden (A. Herrmann,
Lou-lan, 1931, p. 120). " Ptolemaios 431, 27: Sripa [xyixpottoXk;.
Bei Sera Metropolis, d. h. der Hauptstadt der Serer, handelt es sich
nieht um eine Stadt des Tarimbeckens oder der Provinz Kan-su (A. Herr¬
mann, a. a. O., p. 143, denkt an Liang-chou), sondern um eine Stadt, die
ungefähr dort lag, wo der Ching-ho in den Wei-ho mündet. Das läßt sich
aus der Angabe der Entfernung und der Beisedauer entnehmen, die P. für
die Strecke vom sogenannten Steinernen Turm (heute Dara'ut Kurgan
am westlichen Eingang des Alai-Tales) bis Sera Metropolis angibt. P. gibt
die Entfernung mit 36200 Stadien an und erwähnt eine Reisedauer von
sieben Monaten. Er sagt (Ptolemaios, Geogr. I, 11, 3; p. 23, 26): . . .xal xy]v tknb xoü AidivouHupYOU \J.ixP'- STjpa; XY); xöiv Srjpcöv [XTjxpoTTÖXeox; 68ou \j.kM [xirivüv ETTxä, (jxaSttov Si xpia[Xijpt(ov 45axiaj(tXlajv Staxoatcov. . . .
«1 Vgl. Anm. 7. ptolemaios 417, 7: Stvlxa u. 418,11 Svjva.
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 167
Quellen, die mit Sin das Gebiet der Sogdiana und die Stadt Samarkand
bezeichnen**. Sin war in dieser Zeit aber auch gleichzeitig der Name für
China. Daher hat man für Sin als Bezeichnung für Samarkand auch
zeitweise die türkische Bezeichnung für China, Tabyar-, gebraucht. Dieser
Brauch ist schon für die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts bezeugt**.
Beide, Sin und Seres, müssen in China und Westturkestän zunächst
das gleiche Volk bezeichnet haben, denn der über die Sogdiana herr¬
schende türkische Khan wird sowohl als Silgibu {*Sir§ibuY^ wie als
83 Als Bezeichnung der Stadt Samarkand bei dem persischen Tabari
(Übers. Zotenberg, Bd. 2, p. 158).
8* Thoophylaktos Simokattes, 261, 16—19, de Boor. Die Nachricht über
Taugast (Tabyaö = Samarkand) findet sich bei Theophylakt im Anschluß
an eine Beschreibung des Landes Taugast (Tabyaö = Nordohina). Der
byzantinische Historiker hat sich in den verschiedenen Bedeutungen des
Namens „Taugast" nicht zurechtgefunden. Welches Taugast gemeint ist,
zeigt abgesehen von dem Zeitpxmkt der Gründung, die nach diesem Bericht
Alexander der Makedonier nach der Eroberung Baktriens und der Sogdiana
vorgenommen hat, die Erwähnung der Naehbarschaft Indiens (Theophy¬
lakt, 257, 22). Wie der Bericht an anderer Stelle hinzufügt, werden aber
auch die im Norden des eigentlichen Indien, also im heutigen Afghanistan, wohnenden Völker, die eine weiße Hautfarbe besitzen, als Inder bezeichnet
(Theophylakt, p. 262, 6—8). Auch unter den Qarachaniden wurde die Sog¬
diana mit Tabya& bezeichnet (Vgl. die Zusammenstellung bei Barthold,
Turkestan down to the Mongol Invasion, GMS, 1928, Engl. Übers, von
V. Minobsky). Diese Bezeichnung Tabyaä ist ebenso wie das ,, Taugast"
Theophylakts die türkische Übersetzung eines Sin oder Cin lautenden ein¬
heimischen Namens. Dieser einheimische Name ist als Name der Sog¬
diana z. B. bei Ibn al-Faqih (Markwabt: A Catalogue of the Provincial
Capitals of Eranshahr, ed. Messina, Rom 1931, p. 33) belegt. Zu Taugast vgl.
auch Peter A. Boodberg, Marginalia to the history ofthe Northem Dynasties,
HJAS III, p. 239—243, der allerdings den Unterschied zwischen dem Tau¬
gast in Westturkestän und dem nordchinesisehen Taugast nicht sieht.
85 a) Griech. Erwähnung: Menander, Exc. de legat., p. 207,14, de Boor:
SiXt^lßouXo; Silgibul. Zusammengesetzt aus Sil (Volksname), gibu (Clans¬
name) und wla (Tocharisch A : König). Titel des in der Sogdiana residierenden
nordwesttürkisohen Khans (vgl. H. W. Haussig : Central Asiatic Journal,
Vol. 2, 1956, 31—32).
b) Arabische Erwähnung: Muhammad i 'Ayfi bei Barthold, Turkestan v
ipochu mongol'skago naSestvija 1900, Bd. 2, p. 15): Silgibu. Zusammengesetzt aus Sil (Volksname) und gibu (Clansname). Titel des nordwesttürkisohen Khans (vgl. Haussig, a. a. O., p. 31—32).
Statt der bei Ptolemaios überlieferten Form des Volksnamens, die er mit
Srjpe; umschreibt, wird hier die parthische Form des Namens gebraucht. Sie
begegnet als Bezeichnung des Syr darya, des Sererflusses, schon bei Plinius.
Plinius (Nat. Hist. VI, 16; 241, 6, Detlevsen) sagt: includente flumine
laxarte, quod Scythae Silim vocant. Silis geht auf ein wahrscheinlich par¬
thisches *Sil zurück. Auoh in der Kephalaia Manis, die in koptischer Gestalt erhalten ist, wird das Reich der Serer nicht, wie man erwarten würde, in der
Form CipeCDC erwähnt, sondern als CI\6<DC bezeichnet (Keph., p. 188, 32
Böhlig). Auch Mani gebrauchte also die parthische Form.
168 H. W. Haussig
Sin^ibu bezeichnet**. Auf die Bedeutung des zweiten Teils des Titels, die
Bezeichnung öibu, wird noch zu kommen sein*'. Aber Sin bezeichnet
nicht nur ein Gebiet in Westturkestän und im eigentlichen China, auch
in der Turfanoase gab es eine Stadt, die nach Sin Chinanjkath genannt
wurde( kath ist die iranische Bezeichnung für Stadt)**. Wenn Sin (Stvai) ,
Seres (S^pe?) und Issedones das gleiche Volk bezeichnen, würden sich
folgende Stationen für die Westwanderung der Issedonen ergeben: In
China als erste Station das Gebiet von Ch'ang-an, dann die zweite
Station in der Turfanoase, die dritte im Tarimbecken und die vierte in
Westturkestän.
Für die Identität der Serer, Sin und Issedonen sprechen aber auch noch
andere Gründe. So wird in dem engeren Gebiet der Sin und Seres in
China (Fürstentum Ch'in) eine Stadt erwähnt, die auch in dem mit dem
gleichen Namen bezeichneten Gebiet in Westturkestän vorkommt. Es
ist Khumdan, das nach einem bei Theophylakt Simokattes erhaltenen
Bericht, der sich auf die Verhältnisse der zweiten Hälfte des 6. Jahr¬
hunderts bezieht, in unmittelbarer Nähe von Taugast (= Tabyaö = Sin
= Samarkand) liegt*'. Khumdan ist nach diesem Bericht wi^ das nur
88 a) Mittelpersische Erwähnung : Geographische Liste der Städte Irans
bei Markwabt, Wehrot und Arang, Leiden, 1938, p. 143—144. Sin^epük-
xäkan. Bezeichnung des nordwesttürkischen Khans.
b) Neupersische Erwähnung: Sahnämer«d. Mohl, Vol. VI, p. 311, 1816.
Khakan de la Chine. Bezeichnung des nordwesttürkisohen Khans.
c) Arabische Erwähnung: Tabari, Annales, od. M. J. de Goeje passim.
Singibu. Bezeichnung des nordwesttürk. Khans.
d) Armenische Erwähnung: Seb6os, übers. Maeler, p. 52 u. Anm. 4.
Cepetux von Cenastan. Bezeiehnung des nordwesttürkischen Khans.
Alle vier Erwähnungen beziehen sich auf einen türkischen Fürsten, der in
der Sogdiana residierte.
8' Dsehebu, womit sowohl bei den in Anm. 85 wie 86 zusammengestellten
Formen des Herrschertitels der über die Sogdiana herrschenden Khane die
Volksnamen Sin und *Sir (Sil) zusammengesetzt sind, kommt auch ohne
Verbindung mit einem der beiden Volksnamen als Titel des nordwest¬
türkischen Khans vor.
a) Griechische Erwähnung: Theophanes, CArono3mp/i.,p. 316, 11, de Boor:
ZtIßrjX = Öebil. Für den Lautwert von ? vgl. die überlieferten griechischen
Umschreibungen persischer Namen. So wird z. B. bei Theophylakt Öuwanoe
mit Zoaväß und Öämdsf mit Za(ji,a(j9-i5<; umschrieben. Öebil könnte sich aus öebu -f (türk.) il = Herrschaft zusammensetzen.
b) Armenische Erwähnung: Moses von Kagbankatuts bei Patkanian,
JA., 1866, p. 207: Dsehebu Khakan (qayan). Wie bei a auch bier Bezeich¬
nung des nordwesttürkischen Khans.
88 Über die Identität von Chinanjkath mit Kao-ch'ang vgl. Minobsky,
Hudüd al-'Älam, 1937, p. 271 und Anm. 1.
8' Theophylakt, p. 261, 26: Xöyoi; xal erlpav tov 'AXf^avSpov ScljjLaaöai TTÖXiv anh OYjiJiElfov 6X(ycov XoußSav övo[j.d?ou<Ti TaÜTrjv ol ßäpßapoi. Nachdem
gleichen Bericht unterhielten die Einwohner von Khumdan einen regen
Handelsverkehr mit Indien (Theophylakt, p. 262, 6—8).
Die Beschreibung des Tarimbeckens bei Ptolemaios 169
wenige Meilen entfernte Taugast (TabyaS) von Alexander dem Make¬
donier gegründet worden, nachdem er Baktrien und die Sogdiana unter¬
worfen hatte'". Taugast (Tabyaö) ist das bereits erwähnte Sin der isla¬
mischen Quellen, das nicht nur die Sogdiana, sondern auch Samarkand
bezeichnet'!. Taugast liegt nach dem gleichen Bericht aber auch Indien
benachbart'*. Mit Indien wird von dieser Quelle auch das nördlich an das
eigentliche Indien angrenzende Gebiet bezeichnet. Demnach würde
auch das heutige Afghanistan zu Indien zu rechnen sein'*. Die in China
liegende Stadt Khumdan, die in der Nähe einer anderen chinesischen
Metropole Sarag erwähnt wird, ist, wie G. Haloun nachgewiesen hat,
Hsien-yang, die alte Hauptstadt des Fürstentums Ch'in'*. Die heutige
nordchinesische Aussprache Hsien-yang weist auf eine altchinesische
Aussprache *g'zm-diang, die den fremden Namen Khumdan wiedergibt.
Die in China liegende Stadt Khumdan wird schon in dem sogdischen
Brief vom Jahre 313 n.Chr. des Nanai-vandak erwähnt'*. Auf Grund des
Nachweises der Identität von Khumdan mit Hsien-yang lassen sich die
alten Wohnsitze der Sin (Sivai), Serer und Issedonen in China in dem
Gebiet an der Mündung des Ching-ho in den Wei-ho ansetzen. ChHn, der
Name des chinesischen Fürstentums, dessen Hauptstadt Khumdan war,
weist demnach auf die später wie Khumdan im Westen nachweisbaren
Sin (Stvai). Khumdan kommt ähnlich wie die Bezeichnung Sin nicht nur
in China und Westturkestän, sondern, auch auf verschiedenen Stationen
jenes Weges vor, den diese Völker mutmaßlich auf ihrem Zuge nach
Westen benutzt haben*^.
" Theophylakt, p. 261, 10—19 und 26—28. " Vgl. Anm. 83.
«2 Theophylakt, p. 257, 22. Theophylakt, p. 262, 7—8.
»« G. Haloun bei W. B. Henning, BSOAS, 1948, p. 608, und Peter
A. Boodberg, a. a. O., p. 241.
95 W. B. Henning, a. a. O., p. 606, Zeile 18. Khumdan = sogd. 'xvmt' n
Syrische Erwähnung : Nestorianische Inschrift von Hsian-fu bei P. Y. Saeki, The Nestorian Documents and Relics in China, Tokyo. 1937, p. 69: Khumdan.
Später in den islam. Quellen allgemein Bezeichnung der jeweiligen chi¬
nesischen Hauptstadt. Vgl. Haussig, Byzantion, Bd. 23 (1953), p. 391,
Anm. 447.
9' Das gilt für die Bezeichnung ywmt' n in einem sogdischen Kolophon bei
R. Gauthiot, JA 1911, II, 657ff. Das beweist auch ein anderes sogdisches
Kolophon, wo der Fürst, unter dessen Herrsebaft die Handschrift in vwmt'
nöw (Khumdan) geschrieben wurde, als ßryß'r bezeichnet wird. (Benveniste, Textes Sogdiennes, 1940, II, p. 349). So wurde niemals der chinesische Kaiser
bezeichnet. Schließlich trägt die Residenz der Uigurenfürsten in der von
öuwaini (Mabkwart, Komanen, p. 58) überlieferten Stammessage den
Namen Qumlancu = Khumdan (sogd. ywmt' nöw). Auf dieses uigürische
Khumdan/Qumlancu weist vielleicht ein Fragment der sogdischen Version
der Inschrift von Qara-balgasun, das von O. Hansen yvymd' n gelesen wurde
(JSFOu., 44, 3, 1930, p. 36ff.).