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BULLETIN 2013

ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK

Herausgeber:

Christian Nünlist und Oliver Thränert Center for Security Studies, ETH Zürich

BULLETIN ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 2013

CSS

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Das Bulletin sowie andere Publikationen des Center for Security Studies können über http://www.css.ethz.ch bestellt werden und sind dort auch im Volltext verfügbar.

Christian Nünlist und Oliver Thränert (Hrsg.) Center for Security Studies der ETH Zürich

© 2013 ETH Zürich

Center for Security Studies (CSS) Haldeneggsteig 4, IFW

CH-8092 Zürich

e-mail: css@sipo.gess.ethz.ch

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Center for Security Studies.

Die im «Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik» wiedergege- benen Auffassungen stellen ausschliesslich die Ansichten der betreffenden Autorinnen und Autoren dar.

Layout: Miriam Dahinden Lektorat: Sarah Schumacher

Schriftarten: The Sans und Adobe Caslon pro

Fotos auf Seiten 113 und 121: Schweizer Armee – ZEM

ISSN 1024-0608

ISBN 978-3-905696-42-4

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Vorwort 5 aKtUelle DIsKUssIOn

Perspektiven auf das Schweizer OSZE-Vorsitzjahr 2014 11 von Christian Nünlist

Partnerschaft mit Russland 43

von Jonas Grätz

Eine neue Schweizer Nordafrikapolitik 71

von Lisa Watanabe

Sicherheit im öffentlichen Raum 91

von Jonas Hagmann und Ilyas Saliba IntervIews

Ueli Maurer zur Sicherheitspolitik 2014 – 2020 113 Didier Burkhalter zum OSZE-Vorsitz 2014 121 GastmeInUnG

In gelockertem Griff: Citoyenneté aus Freiwilligkeit 129 von Johan Rochel und Stefan Schlegel

PrOjeKte Des css

Der Think-Tank des Center for Security Studies 139 von Oliver Thränert

CARIM: Die Mediation von Konflikten mit

religiösen Dimensionen 147

von Owen Frazer

Kurzangaben zu den Autorinnen und Autoren 153

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vOrwOrt

Grosse Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten weit voraus. Das

«Bulletin 2013» widmet sich deshalb bereits den grossen Herausforde- rungen, welche die Aussen- und Sicherheitspolitik der Schweiz im Jahr 2014 bestimmen werden. Mit der OSZE-Präsidentschaft übernimmt die Schweiz am 1. Januar 2014 die Gesamtverantwortung für die ein- zige Sicherheitsorganisation, die alle europäischen Länder plus die USA, Kanada und Zentralasien umfasst. Bern nimmt die Rolle des Amtie- renden Vorsitzenden (Chairman-in-Office) der OSZE nach 1996 bereits zum zweiten Mal wahr. Gleichzeitig werden im kommenden Jahr 200 Jahre diplomatische Beziehungen der Schweiz mit Russland gefeiert (die von 1918 bis 1946 auf Eis gelegt waren). Das Zarenreich hatte sich am Wiener Kongress 1815 für die Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz starkgemacht. Heute sind Russland und die Schweiz die bedeu- tendsten Staaten in Europa, die weder der EU noch der Nato angehören.

Seit 2007 sind die beiden Länder «strategische Partner». 2014 finden zudem im russischen Sotschi die Olympischen Winterspiele statt. Auf- grund der OSZE-Präsidentschaft und der Olympischen Spiele werden die Schweiz und Russland 2014 mehr internationale Aufmerksamkeit als sonst erhalten. Daher stehen die Schweizer OSZE-Präsidentschaft und die Beziehungen Schweiz–Russland am Beginn dieses Bulletins.

Das «Bulletin zur schweizerischen Sicherheitspolitik» erscheint seit 1991 jährlich. Für die Ausgabe «2013» haben wir uns Gedanken dazu gemacht, wie wir die etablierte Publikation noch attraktiver gestalten könnten. Neben den längeren Hauptartikeln und kurzen Beschrieben von Projekten des Center for Security Studies (CSS) – in diesem Jahr zum Think-Tank-Bereich des CSS und zu einem Projekt zur Rolle von Religion in Mediationsprozessen – werden dieses Jahr zwei neue Ge- fässe eingeführt: Interviews und Gastbeiträge. Sowohl Aussenminister Didier Burkhalter als auch Verteidigungsminister Ueli Maurer haben positiv auf unsere Anfrage reagiert, zu aktuellen aussen- und sicherheits- politischen Fragen Stellung zu nehmen. Der amtierende Bundespräsi- dent Maurer spricht über den Sicherheitspolitischen Bericht 2014/2015:

über künftige Kriege und darüber, was das veränderte geostrategische Umfeld für die Verteidigungspolitik der Schweiz bedeutet. Bundesrat

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Vorwort

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 6

Burkhalter, der 2014 sowohl Aussenminister und Bundespräsident als auch Chairman-in-Office der OSZE sein wird, äussert sich zur bevor- stehenden OSZE-Präsidentschaft der Schweiz und verrät, dass er vor allem im Westbalkan mit konkreten Fortschritten rechnet.

Die neue Rubrik «Gastbeitrag» lässt Stimmen ausserhalb des CSS zu Wort kommen: 2013 diskutieren zwei Mitarbeiter des aussenpoliti- schen Think-Tanks «foraus» die Freizügigkeit – ein Thema, das 2014 in der Schweiz ebenfalls hohe Wellen schlagen wird.

Der erste Beitrag des diesjährigen Bulletins hinterfragt die allgemeine Rede von der Krise der OSZE und wägt Risiken des Schweizer Vor- sitzes mit Chancen für die helvetische Aussenpolitik gegeneinander ab.

Es wird argumentiert, dass die Schweiz wie im «Helsinki-Prozess» im Kalten Krieg vor 40 Jahren dank kreativer vermittelnder Diplomatie 2014 zwischen den westlichen Demokratien und den post-sowjetischen Autokratien «östlich von Warschau» Vertrauen schaffen und beidsei- tig gesichtswahrende Kompromisse entwerfen könnte. Für die neutrale Schweiz ist die aktive Mitarbeit in der OSZE eine gute Möglichkeit, ihr selbstgewähltes politisches Abseitsstehen in Europa zu durchbrechen und ihre präventive Friedenspolitik und ihre bewährten Guten Dienste international sichtbarer zu machen.

Im zweiten Beitrag wird die strategische Partnerschaft Schweiz–

Russland kritisch hinterfragt. Akribisch sind Zahlen und Fakten der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und militärischen Be- ziehungen gesammelt worden. Zudem offeriert der Beitrag eine interes- sante Lesart der normalerweise stets hochgelobten Vermittlungstätigkeit der Schweiz zwischen Russland und Georgien. Es wird gewarnt, dass die Umsetzung des Georgien-Abkommens von 2011 für die helvetische Diplomatie auch mit Reputationsrisiken behaftet ist.

Ende 2013 ist die Zeit auch reif für eine nüchterne Analyse der Schweizer Nordafrikapolitik – knapp drei Jahre nach Ausbruch der arabischen Rebellionen. Wie der dritte Beitrag zeigt, hat die Schweiz ihre Politik gegenüber Ägypten, Libyen und Tunesien im März 2011 grundlegend neukonzipiert. Seither steht die Förderung der wirtschaftli- chen Interessen und die Schaffung von Arbeitsplätzen ganz oben auf der Schweizer Prioritätenliste. Im Unterschied zur Politik der EU knüpft die Schweiz zudem ihre Nordafrikapolitik an keinerlei Bedingungen.

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Der vierte Artikel widmet sich der Frage bezüglich Sicherheit im öffentlichen Raum. Ausgehend von drei Fallbeispielen in Zürich, Basel und Bern beschreibt der Beitrag die gewandelten gesellschaftlichen Ver- änderungen in Bezug auf öffentliche Begegnungsorte und analysiert, wie die Schweizer Sicherheitspolitik darauf reagiert hat. Der Artikel befasst sich auch mit dem Spannungsfeld zwischen mehr Sicherheit und frei- heitlich-demokratischen Idealen.

Wir freuen uns über Ihr Interesse an der Publikation und wünschen Ih- nen eine anregende Lektüre. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge. Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an Sarah Schumacher und Livio Pigoni für ihr sorgfältiges Lektorat so- wie an Miriam Dahinden für das Layout. Last but not least danken wir auch dem langjährigen Bulletin-Herausgeber Daniel Trachsler, der das CSS im August 2013 leider verlassen hat, aber das «Bulletin 2013» in der Anfangsphase noch mit der gewohnten Routine und Begeisterung entscheidend mitgestaltet hat – sowohl was die neuen Gefässe als auch die inhaltlichen Schwerpunkte betrifft.

Zürich, im November 2013

Christian Nünlist und Oliver Thränert

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Das schweIzer Osze-vOrsItzjahr 2014

von Christian Nünlist

2014 übernimmt die Schweiz zum zweiten Mal den Vorsitz der Organisa- tion für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Schweiz hat gute Erinnerungen an ihre aktive Mitwirkung in der OSZE in der Ver- gangenheit. Doch die OSZE hat im letzten Jahrzehnt an Relevanz verloren.

Eine neue Ost-West-Spaltung blockiert die Organisation. Die traditionellen Stärken der Schweiz als Brückenbauerin werden 2014 stark gefordert sein.

Trotz der gewaltigen Herausforderungen bietet die OSZE-Präsidentschaft der Schweiz aber auch die einmalige Chance, eigene friedenspolitische Akti- vitäten international sichtbarer zu machen und sich in der europäischen Si- cherheitspolitik solidarisch zu zeigen.

eInleItUnG

Am 1. Januar 2014 übernimmt die Schweiz für ein Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Der Amtierende Vorsitz (Chairman-in-Office, CiO) ist das wichtigste Amt in der OSZE: Beim CiO und nicht beim Generalsekretär ist die Gesamtverantwortung und grösste Gestaltungskraft konzentriert. Je- weils der Aussenminister des Vorsitzlandes vermittelt während eines Kalenderjahrs in akuten Krisen, koordiniert alle Aktivitäten und reprä- sentiert als «Stimme der OSZE» die Organisation nach aussen.1 Die Schweiz ist das allererste Land, das – nach 1996 – bereits zum zweiten Mal den Vorsitz zugesprochen erhielt. Das ist alles andere als selbstver- ständlich, führten doch 35 von insgesamt 57 OSZE-Mitgliedern den

1 Kemp, Walter. The OSCE Chairmanship: Captain or Figurehead? In: Security and Human Rights Nr. 1 (2009). S. 9 – 12. Die Rechte und Pflichten des Amtierenden Vorsitzenden sind definiert in: OSCE. Role of the OSCE Chairmanship-in-Office, Decision No. 8. Dezember 2002.

MC(10).DEC/8 (Alle in diesem Beitrag zitierten OSZE-Dokumente finden sich auf http://

www.osce.org). Vgl. auch Vandewoude, Cécile. The OSCE Chairmanship-in-Office’s Elec- tion Procedure: Is There Need for Formalized Criteria? In: Security and Human Rights Nr. 1 (2011). S. 49 – 62.

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 12

1991 eingeführten Vorsitz noch nie.2 Die Schweiz hat sich nicht vorge- drängt, sondern wurde 2011 von westlichen Staaten hinter den Kulis- sen zu einer erneuten Kandidatur animiert. Die auf zwei Jahre ange- legte gestaffelte Doppelpräsidentschaft mit Serbien (2015) – eine weitere Premie re in der noch jungen Geschichte der OSZE – kommt dem Bun- desrat und dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angele- genheiten (EDA) allerdings durchaus gelegen.

Denn die OSZE ist für die Schweiz, die weder Mitglied der Nato noch der EU ist, nebst der UNO die bedeutendste internationale Sicher- heitsorganisation. Für die Schweizer Aussenpolitik bedeutet der OSZE- Vorsitz eine Herausforderung, bietet aber auch Chancen.3 Die Schweiz kann sowohl ihre etablierten friedenspolitischen Aktivitäten interna- tional sichtbarer machen als auch einen solidarischen Beitrag zur Sta- bilität im euroatlantischen und eurasischen Raum leisten.

Bei der Vorstellung der Prioritäten für 2014 bezeichnete Aussenmi- nister Didier Burkhalter die Schweiz als eine Art «Mini-OSZE» – wie die OSZE schliesse auch das politische System der Schweiz alle Kräfte ein und funktioniere konsensorientiert.4 In der Tat zeichnet sich die OSZE dadurch aus, dass hier 57 Staaten, darunter die USA, Ka- nada, Russland, die EU-Staaten, die Türkei, Georgien, Kasachstan, die Mongolei oder die Schweiz, formell gleichberechtigt über ak- tuelle Sicherheitsfragen debattie- ren. Die im Konsensverfahren gefundenen Kompromisse bilden den kleinsten gemeinsamen sicherheitspolitischen Nenner der gesamten nördlichen Hemisphäre ab – die OSZE repräsentiert über eine Milli- arde Menschen auf drei Kontinenten. Die Spielregeln der OSZE kom-

2 Bisherige OSZE-Vorsitze: Deutschland (1991), Tschechoslowakei (1992), Schweden (1993), Italien (1994), Ungarn (1995), Schweiz (1996), Dänemark (1997), Polen (1998), Norwegen (1999), Österreich (2000), Portugal (2002), Niederlande (2003), Bulgarien (2004), Slowe- nien (2005), Belgien (2006), Spanien (2007), Finnland (2008), Griechenland (2009), Ka- sachstan (2010), Litauen (2011), Irland (2012), Ukraine (2013).

3 Vgl. auch Trachsler, Daniel. Der OSZE-Vorsitz der Schweiz 2014: Herausforderung und Chance. In: OSZE-Jahrbuch 2014. Baden-Baden: Nomos, erscheint 2014.

4 EDA. Ansprache von Bundesrat Didier Burkhalter beim Ständigen Rat der OSZE, Wien. 2.7.2013.

Wie die OSZE schliesst

auch das politische System

der Schweiz alle Kräfte

ein und funktioniert

konsensorientiert.

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men der Schweiz entgegen: Der konstruktive Dialog, die Fähigkeit zum Kompromiss und die Suche nach einem tragfähigen Konsens gelten als Markenzeichen der Schweizer Politik.5

Der Wertekodex passt ebenfalls zur Schweiz. Die OSZE setzt sich mit ihren Feldmissionen, Institutionen und Werkzeugen für Demokra- tie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Vertrauensbildung ein und engagiert sich im Bereich Konfliktprävention und Wiederaufbau nach Kriegen. Sie definiert kooperative Sicherheit wie die Schweiz breit und umfassend und schliesst nebst politisch-militärischen auch ökonomische, umweltpolitische und menschenrechtliche Aspekte ein. Die OSZE ist zwar ein Kind des Kalten Kriegs, doch hat sie sich seit 1990 dem wan- delnden geopolitischen Umfeld angepasst und besetzt heute wichtige Nischen wie Wahlbeobachtung, Mediation, Stärkung von Grenzsicher- heit, Polizeireform, Bekämpfung von Korruption und Menschenhandel sowie Schutz der Medienfreiheit. Der Schweiz passen solche «weichen»

Aktivitäten besser als ein «hartes» militärisches Krisenmanagement.

Dieser Artikel erinnert in einem ersten Teil an die guten histori- schen Erfahrungen der Schweiz mit der OSZE. Im zweiten Teil wer- den die aktuellen Schwächen der Organisation analysiert, um die diffi- zile Ausgangslage für die helvetische Diplomatie hervorzuheben. Denn die OSZE steckt seit fast 15 Jahren in einer Krise. Selbst wohlgesinnte Kenner sprechen inzwischen von einem Bedeutungsverlust und einer be- drohlichen neuen Ost-West-Spaltung innerhalb der Organisation, wel- che Konsens verunmöglicht und Reformen blockiert.6 Im dritten Teil werden die kaum bekannten Hintergründe der Doppelkandidatur mit Serbien im Herbst 2011 aufgezeigt. Der vierte Teil stellt die von der Schweiz definierten Schwerpunkte für 2014 kurz vor. Im fünften Teil werden die Risiken und Chancen für ein erfolgreiches Schweizer Präsi- dialjahr gegeneinander abgewogen.

Dass die grossen Hürden bis zum 40. Geburtstag der «OSZE-Bibel»

– der Schlussakte von Helsinki von 1975 – übersprungen werden und die OSZE bis zum anvisierten Gipfeltreffen im Jahr 2015 reformiert

5 Egerszegi-Obrist, Christine. Vortrag gehalten an der Jahresversammlung der Schweizerischen Helsinki Vereinigung, Universität Bern. 21.1.2013.

6 Zellner, Wolfgang. Vortrag am International Security Forum (ISF) in Genf. 22.4.2013; Trachs- ler, Daniel. Die OSZE in Rücklage. In: CSS-Analyse zur Sicherheitspolitik Nr. 110 (2011).

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 14

oder zumindest konsolidiert werden kann, stellt für den Vorsitz 2014 eine gewaltige, wenn nicht unter den gegebenen Umständen eigentlich unrealistische Herausforderung dar. Die traditionellen Qualitäten der Schweiz als Brückenbauerin und ehrlicher Maklerin von Kompromissen werden jedenfalls einem ernsthaften Praxistest unterzogen.

1. DIe schweIz UnD DIe Ksze/Osze: eIne erfOlGsstOry

Für die Schweiz hat die OSZE eine besondere Bedeutung. Für den neu- tralen Kleinstaat war bereits die Mitwirkung in der Konferenz für Si- cherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im Kalten Krieg eine wertvolle aussenpolitische Erfahrung, die bis heute positiv nachhallt.

1.1 neUtraler vermIttler Im Kalten KrIeG

Die Schweiz ist eines der 35 Gründungsmitglieder der 1973 geschaffe- nen KSZE, der Vorgängerin der heutigen OSZE. Die Mitwirkung am

«Helsinki-Prozess», insbesondere als Gastgeber in Genf von 1973 bis 1975, prägte ein goldenes Zeitalter schweizerischer multilateraler Aus- senpolitik. Die aktive Schweizer Neutralitätspolitik wurde in Washing- ton, Moskau und anderen Hauptstädten mit Überraschung zu Kennt- nis genommen und weitgehend positiv gewürdigt. Die Schweiz agierte in den multilateralen Verhandlungen zusammen mit anderen neutralen und blockfreien Staaten (N+N-Staaten) als Vermittlerin zwischen Ost und West.7 Im Kern war die KSZE-Schlussakte von 1975 ein raffinier- ter, pragmatischer Kompromiss: Während sich der Westen über ausge- handelte Prinzipien wie Selbstbestimmung sowie über die kodifizierten Menschen- und Bürgerrechte freute, betonte die Sowjetunion die Sou- veränität von Staaten einschliesslich der Anerkennung ihrer territoria- len Integrität.

7 Vgl. dazu das soeben erschienene Buch von Rosin, Philip. Die Schweiz im KSZE-Prozess 1972 – 82: Einfluss durch Neutralität. München: Oldenbourg, 2013. Siehe auch Fischer, Tho- mas. Neutral Power in the CSCE: The N+N States and the Making of the Helsinki Accords 1975.

Baden-Baden: Nomos, 2009; ders., Keeping the Process Alive: The N+N and the CSCE Follow- up from Helsinki to Vienna (1975 – 86). Zürich: Center for Security Studies, 2012; Renk, Hans-Jörg. Der Weg der Schweiz nach Helsinki: Der Beitrag der schweizerischen Diplomatie zum Zustandekommen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), 1972 – 75. Bern: Haupt, 1996.

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Schweizer Diplomaten beherrschten die Dossiers und verfügten über viel Handlungsspielraum, denn sie waren nicht ins Korsett blockinterner Konsultationen eingebunden wie Mitglieder der Nato, des Warschauer Pakts oder der Europäischen Gemeinschaft (EG). Der Schweizer «Mr.

KSZE», Edouard Brunner, verstand die KSZE-Verhandlungen zudem von Beginn an als politischen Anlass und wurde rasch zu einem zent- ralen Akteur im Gesprächsmarathon.8

Der Schweiz waren nebst ihrem Engagement für Menschenrechte zwei der retrospektiv wichtigsten visionären Errungenschaften des KSZE-Prozesses zu verdanken, deren Sprengkraft 1975 allerdings noch nicht absehbar war.9 Der erste Punkt betraf die Verknüpfung der ausge- handelten Bürger- und Menschenrechte mit dem sowjetischen Wunsch nach institutionalisierten Folgekonferenzen nach 1975. Im Westen war damals die Angst gross, dass die Sowjetunion weitere KSZE-Konfe- renzen als Propagandaforum nützen würde für die Zementierung des territorialen Status quo in Europa gemäss den Grenzen von 1945. Als dann nach 1975 die KSZE-Folgekonferenzen in Belgrad, Madrid und Wien zu Tribunalen der Menschenrechtssituation im Sowjetblock wur- den und Dissidenten-Gruppierungen die Umsetzung der KSZE-Prin- zipien in ganz Osteuropa forderten, ging hingegen Edouard Brunners Plan auf. Die Schlussakte von Helsinki war tatsächlich der «erste Sarg- nagel des Kommunismus», um ein späteres Bonmot des US-Präsidenten Gerald Ford zu bemühen.

Zweitens lobbyierte die Schweiz im politisch-militärischen Bereich erfolgreich für den Einschluss von Vertrauensbildenden Massnahmen.

Gerade die Ankündigung grösserer Manöver erwies sich als innovati- ver, konstruktiver Beitrag der KSZE zur Überwindung der Ost-West- Konfrontation. In den Stockholmer Verhandlungen (1984 – 86) billigte Sowjetführer Michail Gorbatschow erstmals Vorort-Inspektionen zu Land und aus der Luft – ein spektakulärer Durchbruch in den Abrüs- tungsverhandlungen im Kalten Krieg.

8 Widmer, Paul. Schweizer Aussenpolitik und Diplomatie. Zürich: Amman, 2003. S. 383 – 393.

9 Die folgenden zwei Absätze beruhen auf Nünlist, Christian. Expanding the East-West Dia- log beyond the Bloc Division. In: Wenger, Andreas / Mastny, Vojtech / Nünlist, Christian (Hrsg.). Origins of the European Security System: The Helsinki Process Revisited, 1965 – 75. Lon- don: Routledge, 2008. S. 201 – 21, S. 216f.

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 16

1.2 frIeDen für BOsnIen-herzeGOwIna

Auch nach dem Ende des Kalten Kriegs gab es in Europa Bedarf an ei- ner Organisation, die das Sicherheitsvakuum sowohl auf dem Balkan als auch in den Ex-Sowjetrepubliken füllen und für Stabilität sorgen konnte. Die Konferenz (KSZE) wurde deshalb 1995 in eine Organisa- tion (OSZE) umgewandelt und erhielt im Zuge der Institutionalisierung neue Organe und operationelle Fähigkeiten. Das Schweizer OSZE-Prä- sidialjahr 1996 war geprägt von den Bürgerkriegen in Ex-Jugoslawien.

Die Schweiz machte die Umsetzung des Dayton-Abkommens vom De- zember 1995 zum Schwerpunkt ihrer Aktivitäten. Mit der Durchfüh- rung von Wahlen in Bosnien-Herzegowina im Herbst 1996 leistete sie einen zentralen Beitrag zur Stabilisierung des Balkans. Die Schweiz entsandte knapp 70 «Gelbmützen» und 160 Experten in den Westbal- kan, darunter vor allem Wahl- und Menschenrechtsbeobachter. Dank den Guten Diensten der helvetischen Diplomatie übernahm die OSZE 1996 erstmals eine prominente, sichtbare Rolle bei der Friedenskonso- lidierung nach einem Bürgerkrieg.10

Insgesamt war das OSZE-Jahr 1996 für die Schweiz äusserst erfolg- reich. Die im Aussenpolitischen Bericht 1993 konzipierte aktive und präventive Friedensförderungspolitik wurde in die Praxis umgesetzt.

Der Schweiz gelang es dank der OSZE, ihr selbstgewähltes politisches Abseitsstehen in Europa zu durchbrechen.11

2. Das rInGen Der Osze Um eIne neUe strateGIsche vIsIOn Die Stärkung der OSZE entspricht auch heute noch den aussenpoliti- schen strategischen Interessen der Schweiz.12 Insbesondere das euroat- lantische Format wird dabei hervorgehoben sowie die Tatsache, dass in

10 Wenger, Andreas et al. Das schweizerische OSZE-Präsidialjahr 1996. In: Bulletin zur schwei- zerischen Sicherheitspolitik (1997). S. 4 – 46. Dem Schweizer Diplomaten Tim Guldimann ge- lang es zudem, die Konfliktparteien des Tschetschenienkonflikts an den Verhandlungstisch zu bringen. Vgl. zur OSZE in Bosnien-Herzegowina Sica, Mario. The Role of the OSCE in the Former Yugoslavia after the Dayton Peace Agreement. In: Helsinki Monitor Nr. 2 (1996).

S. 5 – 12.

11 Goetschel, Laurent (Hrsg.). Vom Statisten zum Hauptdarsteller: Die Schweiz und ihre OSZE- Präsidentschaft. Bern: Haupt, 1997.

12 EDA. Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur 2012 – 2015. 21.2.2012.

S. 10.

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der OSZE vier von fünf ständigen UNO-Sicherheitsratsmitgliedern so- wie sieben von acht G8-Staaten vertreten sind.13 Doch die OSZE von heute lässt sich mit der OSZE von 1996 nicht länger vergleichen. 2014 wird es für die Schweiz bedeutend schwieriger sein, innerhalb der OSZE Konsens zu schaffen und konkrete Fortschritte zu erreichen.

Die OSZE ist nämlich einerseits ein Opfer der erfolgreichen EU- und Nato-Osterweiterung geworden. Seither ist Brüssel statt Wien der Ort, wo politische Entscheidungen von strategischer Tragweite für die Sicherheit in Europa getroffen werden.14 Insbesondere die EU, aber auch der Europarat und die Nato sind in den letzten 20 Jahren in viele tradi- tionelle OSZE-Bereiche eingedrungen. Entsprechend ging das Budget der OSZE in den letzten Jahren stark zurück. Hatten sich die Ausgaben von 1997 bis 2000 von EUR 43,3 auf 202,7 Millionen noch fast verfünf- facht, beträgt das aktuelle Budget EUR 144,8 Millionen.15

Andererseits kritisiert Moskau nach einem kurzen Tauwetter in den frühen 1990er-Jahren die OSZE zunehmend als westliche Demokratie- export- und Menschenrechtsorganisation, die für russische Sicherheits- interessen kein Verständnis mehr zeige.

2.1 Der faKtOr rUsslanD

Einer der wichtigsten Vorteile der OSZE im Unterschied zur EU oder Nato, der Einschluss Russlands als gleichberechtigten Partner, erwies sich ab 1999 zunehmend als Belastung. Infolge der Tschetschenien- Kriege, des Kosovo-Kriegs ohne UNO-Mandat, der stetig fortschrei- tenden Osterweiterung der Nato (insbesondere den Aufnahmewünschen Georgiens und der Ukraine), der amerikanischen Pläne für eine Rake- tenabwehr mit Elementen in Osteuropa sowie der westlichen Anerken- nung des Kosovo verschlechterten sich die US-russischen Beziehungen.

Dies färbte auf das Klima in der OSZE ab. Russland fühlte sich vom

13 Bundesrat. Aussenpolitischer Bericht 2012. 9.1.2013. S. 1002.

14 Richter, Wolfgang. Sicherheitsgemeinschaft OSZE. In: SWP-Aktuell 17 (2013). S. 3.

15 http://www.libertysecurity.org/IMG/pdf_OSCE_Handbook.pdf, p. 112; www.osce.org/cio (Alle in diesem Artikel zitierten Internetquellen wurden am 22. Oktober 2013 abgerufen).

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 18

Westen übergangen und als sicherheitspolitischer Akteur in Europa zu wenig ernst genommen.16

Des Pudels Kern ist dabei der vermeintliche «Verrat von 1990»: Da- mals, so klagen der letzte Sowjetführer Michail Gorbatschow oder der aktuelle russische Aussenminister Sergei Lawrow bis heute, hätten die USA im Vorfeld der Wiedervereinigung Deutschlands versprochen, keine der damaligen Ostblockstaaten in die Nato aufzunehmen. Die Nato-Osterweiterung empfand Moskau deshalb später als Vertragsbruch.

Allerdings wurde im Februar 1990 nie über eine damals völlig abwegige Nato-Osterweiterung gesprochen, verhandelt wurde nur über die DDR, die als Teil Deutschlands Mitglied der Nato wurde, jedoch mit einem speziellen militärischen Status.17

2007 kam es zum offenen Bruch: Im Februar bezeichnete Präsident Wladimir Putin die OSZE in München als ein «vulgäres Instrument»,

mit dem westliche Interessen auf Kosten Russlands vorangetrieben wür- den.18 Er meinte damit die Wahlbe- obachtungs-Missionen der OSZE und ihre Feldmissionen zur Über- prüfung der Einhaltung von Men- schen- und Bürgerrechten. Diese werden von Moskau als unzulässige Einmischung in innere Angelegen- heiten und als ein Missachten der Souveränität von Staaten kritisiert.19

«Östlich von Warschau» stossen diese OSZE-Aktivitäten auch bei an- deren autoritären Regimes zunehmend auf Kritik. Im Dezember 2007

16 Lynch, Dov. The State of the OSCE. In: The EU-Russia Centre Review Nr. 12 (2009). S. 5 – 13, S. 5; Zellner, Wolfgang. Identifying the Cutting Edge: The Future Impact of the OSCE. In:

Core Working Paper Nr. 17 (2007). S. 14; Hopmann, P. Terrence. The Future Impact of the OSCE. In: OSCE Yearbook (2011). S. 75 – 90, S. 80f. Vgl. auch Kelin, Andrey. Russian and the OSCE. In: International Affairs 59, Nr. 1 (2013). S. 88 – 99.

17 Siehe Kramer, Mark. The Myth of a No-NATO-Enlargement Pledge to Russia. In: The Washington Quarterly 32, Nr. 2 (2009). S. 39 – 61. Insbesondere der westdeutsche Kanzler Helmut Kohl agierte im Februar 1990 äussert geschickt. Siehe Sarotte, Mary Elise. Not One Inch Eastward? Bush, Baker, Kohl, Genscher, Gorbachev, and the Origin of Russian Resentment toward NATO Enlargement in February 1990. In: Diplomatic History 34, Nr. 1 (2010). S. 119 – 40.

18 Putin, Wladimir. Rede an der Münchner Sicherheitskonferenz. 10.2.2007. http://de.rian.ru/

comments_interviews/20070213/60672011.html.

19 Vgl. dazu Hopmann, Future Impact of the OSCE, S. 79.

Im Februar 2007 bezeichnete Präsident Wladimir Putin die OSZE in München als ein

«vulgäres Instrument».

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setzte Russland zudem den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) von 1990 einseitig aus, da er nicht mehr dem aktuellen Sicherheitsumfeld in Europa entspreche.20

Den Höhepunkt der Entfremdung Russlands innerhalb der OSZE bildete schliesslich der Georgien-Krieg im August 2008. Sowohl Russ- land als auch Georgien verstiessen dabei eklatant gegen grundlegendste OSZE-Prinzipien. Dass in der Folge Russland übereifrig Südossetien und Abchasien als souveräne Staaten anerkannte und sich seither wei- gert, seine Truppen aus den beiden von Georgien beanspruchten Ge- bieten abzuziehen, trägt bis heute zu Misstrauen und Spannungen in- nerhalb der OSZE bei.

2.2 revItalIsIerUnGsversUche: BerlIn, KOrfU, astana

Etwas diplomatischer als Putin formulierte sein Nachfolger Dmitri Medwedew im Juni 2008 in Berlin die russische Kritik an der OSZE.

Er schlug einen pan-europäischen Gipfel zum Aushandeln eines neuen Sicherheitsvertrags vor, eines völkerrechtlich bindenden Nichtaggressi- onspakts, der nebst Gewaltverzicht auch das Prinzip der Unteilbarkeit der Sicherheit und die Fortführung der Abrüstung betonen würde.21 Die OSZE nahm den Ball dankbar auf. Aufgrund eines Aussenminister- treffens auf der Insel Korfu im Juni 2009 wurde die Reformdiskussion fortan als «Korfu-Prozess» bezeichnet.22 Dass es gelang, Medwedews Kritik an der OSZE in einen OSZE-internen Reformprozess zu über- führen, an dem sich auch Russland aktiv beteiligte, war ein schöner Er- folg des griechischen Vorsitzes von 2009.23 Dem Korfu-Prozess kam je- doch vor allem zugute, dass sich 2009 unter dem neuen US-Präsidenten

20 Kropatcheva, Elena. Russia and the Role of the OSCE in European Security: A Forum for Dialog or a Battlefield of Interests? In: European Security 21, Nr. 3 (2012). S. 370 – 94, S. 377f.

21 Zagorski, Andrei. The Russian Proposal for a Treaty on European Security: From the Med- vedev Initiative to the Corfu Process. In: OSCE Yearbook (2009). S. 43 – 59, S. 44.

22 Ackermann, Alice / Salber, Herbert. Der «Korfu-Prozess» der OSZE. In: OSZE-Jahrbuch (2010). S. 221 – 227. Vgl. auch Richter, Solveig / Schmitz, Andrea. Sicherheitsdialog oder Talkshop? SWP-Aktuell Nr. 15 (2010). OSCE. Ministerial Declaration on the OSCE Corfu Process, Athen. 2.12.2009.

23 Lynch, State of the OSCE, S. 12.

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 20

Barack Obama die Beziehungen der USA zu Russland zwischenzeitlich verbesserten – davon profitierte auch die OSZE.24

Die Diskussion darüber, die Raison d’être der OSZE voranzutrei- ben, war seither eine der Hauptaufgaben der Vorsitzländer. Mit Ka- sachstan stand 2010 erstmals ein zentralasiatisches Land, erstmals eine frühere Sowjetrepublik sowie erstmals ein Land mit muslimischer Be- völkerungsmehrheit der OSZE vor. Die Kandidatur hatte aufgrund des stark autoritären Charakters der Regierung im Vorfeld im Westen für viel Kritik gesorgt.25 Doch im Dezember 2010 fand nach elf Jahren wie- der ein OSZE-Gipfeltreffen statt. Die verabschiedete politische Ge- denkerklärung von Astana definierte als Ziel die «Vision einer freien, demokratischen, gemeinsamen und unteilbaren euroatlantischen und eurasischen Sicherheitsgemeinschaft von Vancouver bis Wladiwostok».

Zudem wurde darin betont, dass die bestehenden Menschen- und Bür- gerrechtsverpflichtungen sakrosankt und nicht verhandelbar seien.26

Ein achtseitiger Aktionsplan, welcher Schritte aufzeigen wollte, wie man die ambitionierte Vision in die Realität umsetzen konnte, scheiterte jedoch in Astana an Formulierungen zu Langzeitkonflikten in Geor- gien und Moldau. Laut Verhandlungsteilnehmern hatte man sich zwar in Astana auf 95 Prozent des Wortlauts im Aktionsplan geeinigt; doch die USA, Georgien und Moldau blockierten eine Annahme des Plans.27

2.3 eIne (nüchterne) BIlanz Der letzten DreI vOrsItze

Die hartnäckigen Langzeitkonflikte im ex-sowjetischen Raum um Transnistrien, Südossetien, Abchasien und Berg-Karabach, welche zwar nur eine klare Minderheit der OSZE-Mitglieder direkt betreffen, aber dennoch die Konsensfindung bei zentralen Diskussionen erschweren

24 Brichambaut, Marc. Six Years as OSCE Secretary General: An Analytical and Personal Re- trospective. In: OSCE Yearbook (2011). S. 25 – 48, hier S. 28f.

25 Zellner, Wolfgang. Das OSZE-Gipfeltreffen von Astana im Jahr 2010: Eine vorläufige Be- wertung. In: OSZE-Jahrbuch (2010). S. 23 – 31, hier S. 23; Ackermann/Salber, Korfu-Prozess, S. 225f.

26 OSZE. Gedenkerklärung von Astana: Auf dem Weg zu einer Sicherheitsgemeinschaft. 3.12.2010.

27 Zellner, OSZE-Gipfeltreffen, S. 26. Die USA beharrten dabei offenbar auf scharfer Kritik an Russlands Weigerung, seine Streitkräfte aus Georgien und Moldau abzuziehen, um die Ratifizierung des neuen Start-Vertrags im US-Senat nicht zu blockieren.

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oder verunmöglichen, sind auch von den letzten drei OSZE-Vorsitzlän- dern Litauen, Irland und Ukraine zum Schwerpunkt ernannt worden.

Litauen definierte 2011 gleich Dutzende von Schwerpunkten, darunter Energiesicherheit und Pressefreiheit – am Ministerrat in Vilnius wur- den aber zwei Drittel der 30 (!) litauischen Entwürfe von Beschlussdo- kumenten von einzelnen Staaten, insbesondere von Russland, mit ei- nem Veto belegt.28

Irland ging seinen Vorsitz 2012 bescheidener an: Im Vordergrund standen die Langzeitkonflikte, welche die Iren dank ihrer Erfahrung mit dem Nordirlandkonflikt zu schlichten versuchten. Am Dubliner Ministerrat vergifteten Ende 2012 allerdings die ungelösten Territori- alkonflikte einmal mehr die Atmosphäre, und in keiner der drei OSZE- Dimensionen gab es Beschlüsse. Der Ministerrat produzierte einzig eine Erklärung mit dem Titel «Gute Regierungsführung und die Bekämp- fung von organisierter Kriminalität, Geldwäscherei und Terrorismus- finanzierung». Ferner vermeldeten die Aussenminister «leichten Fort- schritt» bei der Suche nach einer Lösung des Transnistrien-Konflikts.29

Insbesondere im Falle des Transnistrien-Konflikts machte sich die Ukraine Anfang 2013 als grösster Nachbar Moldaus und Garant des formalen OSZE-Verhandlungsprozesses Hoffnung auf Fortschritte. Die Ukraine definierte zudem die historische Aussöhnung zwischen Ost und West zu einem Schwerpunkt ihrer OSZE-Präsidentschaft – ein hochinteressantes Thema, das zur Vertrauensbildung und Überwindung des tiefsitzenden Misstrauens zwischen Ost und West zwingend nötig ist.30 Der ukrainische Aussenminister Leonid Koschara engagierte sich

28 Janeliunas, Tomas. The Lithuanian OSCE Chairmanship: Lessons and Dilemmas. In: Li- thuanian Annual Strategic Review 10, Nr. 1 (2013). S. 59 – 86; Kemp, Walter / Paulauskas, Rytis. Adapt or Die: «Smart Power», Adaptive Leadership, Lithuanian Chairmanship and the Evolution of the OSCE. In: OSCE Yearbook (2012). S. 110 – 129.

29 Richter, Sicherheitsgemeinschaft OSZE; Liechtenstein, Stephanie. Blogeintrag. 19.12.2012.

http://www.shrblog.org. Vgl. auch Ó Beacháin, Donnacha. Ireland’s Chairmanship of the OSCE: A Mid-Term Review. In: Irish Studies in International Affairs Vol. 23 (2012). S. 89 – 109;

Cogan, Frank. Reflections on Ireland’s Chairmanship of the OSCE, 2012. In: Security and Human Rights 24, Nr. 1 (2013). S. 17 – 27.

30 Rojansky, Matthew. An Opportunity for Ambition: Ukraine’s OSCE Chairmanship. In: The Carnegie Papers (January 2013). S. 14f.; Bloed, Arie. Ukraine at the Helm of the OSCE. In:

Security and Human Rights 23, Nr. 4 (2012). S. 357 – 360. Zum Transnistrien-Konflikt vgl.

Weisflog, Christian. Das explosive Erbe der Sowjets: Von Kaliningrad nach Kabul, eine politi- sche Reportage. Zürich: Orell Füessli, 2012. S. 71 – 84.

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 22

zwar aktiv in den «5+2-Treffen», bei denen die EU, die USA, Russland, die Ukraine und die OSZE den beiden Konfliktparteien Moldau und Transnistrien vermittelnd über die Schulter schauen.31 Allerdings blieb der Konflikt weiterhin angespannt, wie Ende September 2013 ein Auf- flackern des Grenzstreits demonstrierte.32 Im Hintergrund schwelt wei- terhin der geostrategische Streit zwischen der EU und Russland über die Zukunft Transnistriens. Während die EU Moldau mit einem Frei- handelsabkommen und assoziierter Partnerschaft lockt, sieht Russland in Transnistrien einen strategisch wichtigen Keil zwischen der Ukraine und Moldau und möchte zudem den Weg Moldaus in die EU blockie- ren.33 Das allererste 5+2-Treffen in Brüssel erreichte im Oktober 2013 immerhin einen kleinen Durchbruch: Moldau erklärte sich bereit, die Reisebeschränkungen für Transnistrier mit russischen oder ukrainischen Pässen im Parlament zu diskutieren. Beide Seiten sprachen optimistisch von nützlichen kleinen Schritten der Normalisierung der Beziehungen.34

2014 liegt es nun an der Schweiz, die Vorarbeiten Irlands und der Ukraine weiterzuführen und insbesondere die positive Dynamik im Transnistrien-Konflikt zu nutzen.

3. Der weG zUr DOPPelKanDIDatUr mIt serBIen

In der aktuellen Troika der OSZE (die aus dem letztjährigen, aktuel- len und künftigen Vorsitzland besteht) tanzt die Schweiz als «OSZE- Musterknabe» gewissermassen positiv aus der Reihe.35 Denn sowohl die Ukraine als auch Serbien sind kontroverse Vorsitzende – die Ukraine

31 Ukrainian Issues Embraced at OSCE Meeting in Warsaw. 25.9.2013. http://www.thenews.pl/1/

6/Artykul/148228,Ukrainian-issues-embraced-at-OSCE-meeting-in-Warsaw.

32 La Moldavie et la Transnistrie jouent des muscles. 30.9.2013. http://fr.ria.ru/presse_russe/20130930/

199430248.html. Der 2012 gewählte pro-europäische moldauische Präsident Nicolae Timofti will mit schärferen Zoll- und Einwanderungskontrollen die Grenze sichern, um im Gegen- zug ein liberaleres Visa-Regime mit der EU zu erhalten.

33 Rogozin Warns Moldova on EU Accord. 2.9.2013. http://www.euractiv.com/europes-east/

russia-keeps-threatening-neighbo-news-530198.

34 Bendavid, Naftali. Talks on Transnistria Come to Brussels, But Where Next? 4.10.2013. http://

blogs.wsj.com/brussels/2013/10/04/talks-on-transnistria-come-to-brussels-but-where-next.

35 Eine OSZE-Delegation kritisierte allerdings im Januar 2012 die mangelnde Transparenz in Sachen Wahlkampffinanzierung bei den eidgenössischen Wahlen 2011. http://www.osce.

org/odihr/87417. S. 9f.

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wegen der Inhaftierung der Oppositionsikone Julia Timoschenko; Ser- bien wegen seiner Kosovo-Politik.

Wie ist es überhaupt zur Doppelkandidatur der Schweiz mit Serbien gekommen? Die delikate Vorgeschichte ist kaum bekannt. Das Thema OSZE-Vorsitz war für die Schweiz bis zum Herbst 2011 überhaupt kein Thema. Hingegen hatte sich Serbien schon damals für den Vorsitz 2014 interessiert. Präsident Boris Tadic bestätigte im September 2011 in sei- ner Rede vor der UNO-Generalversammlung entsprechende serbische Ambitionen. Sein Argument für den serbischen OSZE-Vorsitz liess je- doch Diplomaten im Westen aufhorchen: «Wir interessieren uns aktiv für den Amtierenden Vorsitz in der OSZE im Jahr 2014 – dem 100. Jah- restag des Beginns des Ersten Weltkriegs. Die verbindende Symbolik des Jahres 2014 würde nicht nur helfen, die Bemühungen zu katalysieren, ungelöste Probleme auf dem Alten Kontinents zu lösen. Es würde auch das Ende einer Ära markieren, die noch nicht Zeuge der dauerhaften Stabilität im OSZE-Raum war.»36

Die serbische OSZE-Präsidentschaft 100 Jahre nach Sarajewo 1914 sollte demonstrieren, wie stark sich die europäische Sicherheitsarchi- tektur zwischenzeitlich verändert hat – auch dank der OSZE. Aber in westlichen Hauptstädten wurde befürchtet, dass Serbien sein OSZE- Jahr zu Propagandazwecken bezüglich 1914 missbrauchen könnte. Zu- dem kam es für Albanien nicht in Frage, Serbiens Kosovo-Politik mit dem OSZE-Vorsitz zu belohnen. Die Schweiz wurde deshalb von den USA, Deutschland und anderen westlichen Regierungen im Herbst 2011 diskret angefragt, ob sie nicht anstelle Serbiens den OSZE-Vor- sitz übernehmen würde. Nach den umstrittenen Vorsitzen Kasachstans (2010) und der Ukraine (2013) sollte 2014 ein westeuropäisches Land die OSZE präsidieren. Bern löste sich diplomatisch geschickt aus der heiklen Anfrage. Es machte klar, dass es keine Kampfkandidatur gegen einen OSZE-Partner lancieren würde. Die Schweiz erklärte sich aber bereit, zusammen mit Serbien eine Doppelkandidatur zu führen, für 2014 und 2015. Innerhalb der OSZE erforderte dies einiges an Über-

36 Tadic, Boris. Address before the 66th Session of the UN General Assembly, New York. 23.9.2011, http://gadebate.un.org/sites/default/files/gastatements/66/RS_en_0.pdf (Übersetzung des Autors).

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 24

zeugungsarbeit, bis schliesslich der Konsens aller damals noch 56 Mit- glieder erreicht werden konnte.37

Um allfälliger Kritik präventiv Wind aus den Segeln zu nehmen, legten Bern und Belgrad im Dezember 2011 ein einseitiges gemeinsa- mes Dokument über die «Prinzipien der Zusammenarbeit» vor. Darin wurden sechs Prioritäten für die Jahre 2014/15 vorgestellt (Institutio- nelle Reformen, Mediation in Krisen, Langzeitkonflikte, Transnationale Bedrohungen, Zivilgesellschaft und Zusammenarbeit von Region zu Region). Explizit erwähnt wurde bereits damals, dass der OSZE-Son- derbeauftragte für den Westbalkan ein Schweizer sein würde – also kein Serbe.38 Die damalige Aussenministerin Micheline Calmy-Rey warb am Vortag der Abstimmung nochmals mit dem Argument um Stimmen,

dass das Vertrauen der OSZE-Länder in Serbien zu einer weiteren Sta- bilisierung des Westbalkans führen werde.39 Insbesondere das Argument, dass mit einer Tandemkandidatur die Kontinuität der sonst auf zwölf Monate beschränkten Aktivitäten des jeweiligen Amtierenden Vorsit- zenden verbessert würde, erwies sich als überzeugend.40

Die Schweiz betont zwar inzwischen, dass jedes Land für sein Vor- sitzjahr die alleinige Verantwortung trage; doch aufgrund der 2011 lan- cierten Doppelkandidatur trägt die Schweiz eine politische Mitverant- wortung für den serbischen Vorsitz 2015 – dies wird auch von den USA, Albanien und anderen OSZE-Staaten so gesehen.

4. schweIzer PrIOrItäten

Nachdem bis zum 10. Februar 2012 keine Einwände gegen die Dop- pelkandidatur geäussert worden waren, galten die Schweiz und Serbien

37 Paneldiskussion der Schweizerischen Helsinki-Versammlung zum OSZE-Vorsitz der Schweiz, 21. Januar 2013, Universität Bern. Vgl. auch: Schweiz erhält den OSZE-Vorsitz. In: Tages- Anzeiger. 11. Februar 2012; Ein ‹heikles Tandem› mit Serbien in der OSZE. In: Neue Zürcher Zeitung. 13. Mai 2013.

38 OSCE. Principles of Cooperation. 7.12.2011. MC.DEL/62/11. Das Dokument wurde am 6. Dezember 2011 in Vilnius von der Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und dem serbischen Aussenminister Fuk Jeremic unterzeichnet.

39 OSCE. Statement by Ms. Micheline Calmy-Rey, Vilnius. 6.12.2011. MC.DEL/11/11.

40 Siehe dazu Trachsler, OSZE-Vorsitz der Schweiz.

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im so genannten «Schweigeverfahren» als gewählt.41 Eineinhalb Jahre später stellten die Schweiz und Serbien am 2. Juli 2013 an einer Sonder- sitzung der OSZE-Botschafter in Wien die Schwerpunkte ihrer kon- sekutiven Vorsitze vor. Aussenminister Burkhalter und sein serbischer Amtskollege Ivan Mrkic präsentierten den gemeinsamen Arbeitsplan.42 Vier der insgesamt zehn Prioritäten des Schweizer Präsidialjahrs unter

dem Leitmotiv «Eine Sicherheitsgemeinschaft im Dienste der Men- schen schaffen» (siehe Tabelle 1) erscheinen besonders erwähnenswert:

41 EDA. OSZE-Vorsitz 2014 geht an die Schweiz. 10.2.2012. Albanien hatte sich zunächst einen Einspruch gegen die serbische Kandidatur überlegt. Zuletzt drohte zudem noch ein skurriles Veto Litauens gegen den schweizerisch-serbische Doppelvorsitz. Litauen hatte sich inner- halb der Regionalgruppe Osteuropa um die Präsidentschaft der UNO-Generalversamm- lung 2012/13 beworben und mit der Nominierung seines Kandidaten fest gerechnet. In einer erstmals seit 1967 erfolgten Kampfkandidatur lancierte Serbien aber seinen Aussenminister Vuk Jeremic (der später auch gewählt wurde). Litauen überlegte sich deshalb Anfang 2012 ein Protest-Veto gegen die serbische OSZE-Kandidatur. Doch der irische OSZE-Vorsitz weigerte sich, ein entsprechendes E-Mail der litauischen Delegation zu behandeln. Litauen verzichtete in der Folge auf ein formelles Veto. Russell Lee, Matthew. Lithuania’s Block of Ser- bia for OSCE Withdrawn. 9.2.2012, http://www.innercitypress.com/unpga2osceposts020912.

html.

42 EDA, Ansprache Burkhalters, 2.7.2013 (siehe Fussnote 4).

Tabelle 1: Die zehn Schwerpunkte der Schweizer OSZE-Präsidentschaft 2014

werte sicherheit Freiheit Verantwortung

ziele Sicherheit und Stabilität

fördern Lebensbedungungen der

Menschen verbessern Handlungsfähigkeit der OSZE stärken schwerpunkte Versöhnung und

zusammenarbeit auf dem westbalkan

umsetzung der Ver pflichtungen in der menschlichen Dimension

weiterentwicklung der osze («helsinki+40») Dialog und Vertrauens-

bildung im südkaukasus sicherer umgang mit

naturkatastrophen erhöhung der Me- diationskapazitäten Modernisierung

wiener Dokument und Austausch zur konventionellen rüstungskontrolle

Bekämpfung von transnationalen Bedro- hungen (terrorismus, cyberbereich)

Verstärkter einbezug der zivilgesellschaft, insbesondere auch der Jugend stärkung der

Gouvernanz im sicherheitssektor

Quelle: EDA

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 26

1) Versöhnung auf dem Westbalkan; 2) Dialog und Vertrauensbildung im Südkaukasus; 3) Modernisierung der konventionellen Rüstungskon- trolle; und 4) Institutioneller Reformprozess «Helsinki+40».

4.1 versöhnUnG aUf Dem westBalKan

Wie 1996 ist der Westbalkan auch 2014 einer der Prioritäten der schwei- zerischen OSZE-Präsidentschaft. Für die Schweizer Aussenpolitik ist der Westbalkan seit den 1990er-Jahren, als viele Flüchtlinge aus dem Kosovo in der Schweiz Zuflucht fanden, eine traditionelle Schwerpunkt- region.43 Nachdem die Schweiz 2008 eines der ersten westlichen Län- der war, das die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannte, verspricht die enge Kooperation mit Serbien innerhalb der OSZE, die Glaubwürdig- keit der Schweiz als neutraler Vermittlerin im Westbalkan wiederher- zustellen. Der erfahrene Schweizer Diplomat Gérard Stoudmann wird 2014/15 als OSZE-Sonderbeauftragter für den Westbalkan die Nor- malisierung zwischen Serbien und Kosovo vorantreiben und zusammen mit der OSZE-Mission in Nordkosovo möglichst gute Voraussetzungen für die Parlamentswahlen in Kosovo 2014 schaffen.44 Auch in Bosnien- Herzegowina finden 2014 nationale Wahlen statt. Seit Herbst 2012 wird zudem die OSZE-Mission in Serbien vom Schweizer Peter Burkhard geleitet. Die Schweiz verfügt damit über wichtiges Know-how vor Ort.45

Die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo entwickelten sich knapp 15 Jahre nach dem Kosovo-Krieg 2013 zunächst in die richtige Richtung. Im April 2013 vereinbarten die beiden Parteien einen von der EU vermittelten «15-Punkte-Plan» zur Normalisierung der Bezie- hungen.46 Als wichtiger Testlauf für den Versöhnungsprozess galten die Kommunalwahlen in Kosovo vom 3. November 2013. Diese Wahlen wurden aber leider von Gewalt und Einschüchterungen in der mehr- heitlich von Serben bewohnten Stadt Nord-Mitrovica überschattet und

43 Die kosovarische Bevölkerung in der Schweiz besteht aus etwa 150 000 bis 170 000 Personen.

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Bundesamt für Migration. Die ko- sovarische Bevölkerung in der Schweiz. August 2010.

44 EDA. Die Schweiz verstärkt ihre Präsenz in der OSZE. 20.9.2013.

45 EDA. Peter Burkhard neuer Chef der OSZE-Mission in Serbien. 24.10.2013.

46 Einigung im Kosovokonflikt. In: Neue Zürcher Zeitung. 19. April 2013.

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stellten das Ziel einer institutionellen Annäherung zwischen dem Nor- den und Süden des Kosovo infrage.47

Mit dem OSZE-Vorsitz und der engen Kooperation mit Serbien trifft die Schweiz gleich mehrere Fliegen auf einen Schlag: Erstens sorgt sie für Sicherheit und Stabilität im Nordkosovo, dem heute noch letz- ten ungeklärten Territorialdisput auf dem Balkan, und trägt zur Ver- söhnung zwischen Serben und Kosovaren bei. Zweitens repariert sie – wie erwähnt – die angeschlagenen bilateralen Beziehungen zu Ser- bien. Und drittens hilft die Schweiz als «OSZE-Mentor» Serbiens dem Land auch bei seinem Weg aus der Isolation zurück in die internatio- nale Staatenwelt.

4.2 DIalOG UnD vertraUensBIlDUnG Im süDKaUKasUs

Ein zweiter Schwerpunkt liegt im Südkaukasus, vor allem im Konflikt zwischen Russland und Georgien um Südossetien und Abchasien. Auch hier kann sich die Schweiz bereits auf ein jahrelanges Engagement be- rufen. Seit März 2009 vertritt die Schweiz durch Schutzmachtmandate die diplomatischen Interessen Georgiens in Moskau und die Interessen Russlands in Tiflis. Die Schweiz vermittelte in dieser Funktion unter anderem 2011 ein georgisch-russisches Zollabkommen und ermöglichte damit Russland die Aufnahme in die Welthandelsorganisation.48 Als etablierter ehrlicher Makler kann Bern nun auch mit dem OSZE-Hut die seit 2009 stattfindenden Genfer Gespräche vorantreiben. Ferner soll der Schweizer OSZE-Sonderbeauftragte für den Südkaukasus Angelo Gnädinger den Vertrauensbildungsprozess zwischen den Konfliktpar- teien in Genf und mittels Pendeldiplomatie im Kaukasus prägen. Der ehemalige IKRK-Generaldirektor Gnädinger wird auch an den regel- mässigen Treffen der Konfliktparteien teilnehmen, an denen Zwischen- fälle entlang der Waffenstillstandslinie diskutiert werden.49

47 Fuster, Thomas. Debakel in Kosovo. In: Neue Zürcher Zeitung, 4. November 2013.

48 Vgl. dazu Trachsler, Daniel. Schutzmacht Schweiz: Renaissance einer Tradition? In: CSS- Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 108 (2012). Siehe auch den Beitrag von Jonas Grätz in die- sem Bulletin, S. 43 – 70.

49 EDA. Offizieller Arbeitsbesuch der georgischen Aussenministerin in der Schweiz. 13.9.2013; EDA.

Bundesrat designiert Sonderbeauftragten für den Südkaukasus. 23.10.2013.

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 28

Ende 2012 stellte die Schweiz eine auf vier Jahre angelegte Koope- rationsstrategie für den Südkaukasus vor, die CHF 100 Millionen um- fasst.50 Dieser Schwerpunkt im Rahmen der OSZE-Tätigkeiten passt damit perfekt in die generelle aussenpolitische Strategie der Schweiz.

Zwischen den etablierten Schweizer Kooperationsprogrammen und den geplanten OSZE-Initiativen können sicherlich viele Synergien genutzt werden.

Fünf Jahre nach dem Krieg lassen sich Anzeichen einer Wiederan- näherung zwischen Russland und Georgien ausmachen. Im Dezember 2012 fanden in Genf erstmals seit dem bewaffneten Konflikt von 2008 direkte Gespräche zwischen den beiden Parteien statt.51 Die neue georgische Regie- rung erklärte jüngst, dass georgische Sportler im Fe- bruar 2014 an den Olympi- schen Winterspielen im russischen Sotschi teilnehmen werden. Russland versprach im Gegenzug eine Vereinfachung des Visaregimes und des Handels.52 Allerdings zeichnet sich trotzdem keine Lösung im Konflikt um die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien ab.

Die immer stärker ausgebaute rund 40 Kilometer lange videoüberwachte Grenzbefestigung gibt dabei Anlass zu Sorge.53

Auch im Langzeitkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach bietet die Schweiz ihre Guten Dienste an. Seit 2007 betreibt die Schweiz eine erfolgreiche Mediation im Konflikt zwischen Armenien und der Türkei. Die beiden Länder vereinbarten 2009 die Zürcher Protokolle über die Normalisierung ihrer Beziehungen. Die

50 Deza. Swiss Cooperation Strategy South Caucasus, 2013 – 2016. Dezember 2012.

51 Erster Direktkontakt zwischen Russland und Georgien seit 2008. In: Der Standard. 14. De- zember 2012.

52 Ballin, André. Medwedew verteidigt Krieg im Kaukasus. In: Der Standard. 8. August 2013.

Russland provozierte die Georgier aber gleichzeitig mit dem Entscheid, den russischen Mi- litärpiloten Iwan Netschajew, der 2008 Georgien bombardiert hatte, im Oktober 2013 als Träger der olympischen Fackel in Moskau einzusetzen.

53 Montik, Tatjana. Georgien: Stacheldraht soll neue Realität schaffen. In: Der Standard.

8. August  2013; Walker, Shaun. Russian «Borderisation»: Barricades Erected in Georgia, Say EU Monitors. 23.10.2013. http://www.theguardian.com/world/2013/oct/23/russia- borderisation-barricades-erected-georgia-eu.

Dieser Schwerpunkt im Rahmen

der OSZE-Tätigkeiten passt

perfekt in die aussenpolitische

Strategie der Schweiz.

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Schweiz unterstützt diesen Annäherungsprozess weiterhin, auch wenn die Parlamente beider Länder die Zürcher Protokolle noch nicht ratifi- ziert haben und der Friedensprozess seit 2011 nicht vorankommt. Die International Crisis Group hat im Herbst 2013 vor einer akuten militä- rischen Eskalation in Berg-Karabach gewarnt. Tatsächlich gab es auch 2013 in diesem Konflikt Dutzende von Toten.54 Im November 2013 wollten sich die Präsidenten von Armenien und Aserbaidschan aber immerhin persönlich treffen, um ihre jeweiligen Positionen im direkten Gespräch zu klären.55 Dennoch könnte das Pulverfass Berg-Karabach 2014 jederzeit explodieren und den OSZE-Vorsitzenden Didier Burk- halter als Krisenmanager fordern.

4.3 KOnventIOnelle rüstUnGsKOntrOlle In eUrOPa

In der politisch-militärischen Dimension setzt die Schweizer OSZE- Präsidentschaft ihren Schwerpunkt auf konventionelle Rüstungskon- trolle in Europa und insbesondere auf die Modernisierung des Wiener Dokuments (WD) über vertrauens- und sicherheitsbildende Massnah- men. Das WD regelt den gegenseitigen jährlichen Austausch von In- formationen über Streitkräfte, Verteidigungsplanung und grössere Mi- litäraktivitäten und Verifikationsmassnahmen sowie die Einladung von Beobachtern zu Manövern. Das gegenwärtig gültige WD 2011 wurde von der OSZE Ende 2011 angenommen. Es enthält im Vergleich zum WD 1999 jedoch nur technische und prozedurale Ergänzungen.56

Bezeichnenderweise fokussiert die Schweizer OSZE-Task-Force ihre Fortschrittsbemühungen fast ausschliesslich auf das WD. Sie gibt damit indirekt zum Ausdruck, dass sie nicht an einen Ausweg aus dem Stillstand in den Verhandlungen um eine Modernisierung des KSE-Ver- trags glaubt, den Russland Ende 2007 sistiert hat. Der KSE-Vertrag von

54 International Crisis Group. Armenia and Azerbaijan: A Season of Risks. 26.9.2013. http://

www.crisisgroup.org/en/regions/europe/south-caucasus/b071-armenia-and-azerbaijan-a- season-of-risks.aspx; A Festering Sore. 3.10.2013. http://www.economist.com/blogs/easter- napproaches/2013/10/nagorno-karabakh-conflict. Siehe auch Hess Sargsyan, Anna. Berg- Karabach: Hindernisse für eine Verhandlungslösung. In: CSS-Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 131 (2013).

55 OSCE. Press Release by the Co-Chairs of the OSCE Minsk Group. 5.11.2013.

56 Schmidt, Hans-Joachim / Zellner, Wolfgang. Confidence- and Security-Building Measures.

In: SIPRI Yearbook (2012). S. 447 – 451, hier S. 448ff.

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Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 30

1990 beschränkte die Anzahl schwerer konventioneller Waffensysteme in Europa und sah gegenseitige Vor-Ort-Inspektionen vor. Der Vertrag schuf ein stabiles Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau (72 000 Waf- fensysteme wurden nach 1990 zerstört) und beseitigte die Möglichkeit von Überraschungsangriffen und gross angelegten Militäroffensiven.57 Ende 2011 entschieden die Nato-Staaten, Russland auch nicht länger Inspektionen im Westen zu erlauben und ihre jährlichen Notifikatio- nen und Militärdaten nicht länger Moskau zur Verfügung zu stellen.58

Rüstungskontrollexperten gehen heute einig, dass der KSE-Vertrag klinisch tot ist und nicht wiederbelebt werden kann.59 Die USA und die Nato sowie Georgien und Moldau beharren immer noch auf dem Junk- tim zwischen Rüstungskontrolle und Territorialkonflikten. Konkret for- dern sie von Russland den 1999 in Istanbul versprochenen vollständigen Abzug seiner Truppen aus Südossetien, Abchasien und Moldau, bevor über eine Modernisierung des KSE-Vertrags oder ein neues Rüstungs- kontrollregime verhandelt werde. Die politische Blockade zwischen den USA und Russland in dieser Frage sowie das Desinteresse von Frank- reich machen Fortschritte 2014 höchst unwahrscheinlich. Womöglich könnte aber eine allfällige spätere polnische oder deutsche OSZE-Präsi- dentschaft ab 2016 das Thema zur Priorität machen. Die Schweiz könnte dafür, in enger Absprache mit Deutschland, bereits 2014/15 gewisse Vorarbeiten leisten.

Vorderhand konzentriert sich die Schweizer Diplomatie aber auf das politische WD mit seinem Fokus auf grössere Transparenz – und nicht auf den KSE-Vertrag mit den rechtlich verbindlichen Obergrenzen und Anweisungen zur Reduzierung von Waffensystemen. OSZE-Staa- ten wie Deutschland, Polen, Dänemark oder Norwegen fordern weitere substanzielle Anpassungen des WD an die heutigen sicherheitspoliti-

57 Von Arx, Pierre. Jüngste Entwicklungen in den Bereichen Rüstungskontrolle und vertrau- ens- und sicherheitsbildende Massnahmen. In: OSZE-Jahrbuch (2011). S. 225 – 250.

58 Hayashi, Mika. Suspension of Certain Obligations of the CFE Treaty by NATO Allies: Ex- amination of the Response to the 2007 Unilateral Treaty Suspension by Russia. In: Journal of Conflict & Security Law 18, Nr. 1 (2013). S. 1 – 20.

59 Schulte, Paul. Conventional Arms Control and the Euro-Atlantic Security Environment. Paper presented at Wilton Park, 11 – 12 October 2012; Kühn, Ulrich. Conventional Arms Control 2.0. In: The Journal of Slavic Military Studies 26, Nr. 2 (2013). S. 189 – 202; Durkalec, Jaceb.

Rethinking Conventional Arms Control in Europe: A Transparency-Centred Approach. In:

Strategic File Nr. 7 (September 2013).

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schen Gegebenheiten. Dabei verlieren quantitative Aspekte zunehmend an Bedeutung, während kleinere, aber gut ausgebildete und hoch tech- nisierte Einheiten in den Transparenzmassnahmen wichtiger werden.

Auch die Berücksichtigung moderner Trägersysteme wie Drohnen oder Transportflugzeuge und -helikopter würde zur Vertrauensbildung bei- tragen. Experten stufen jedoch auch die Chancen, dass 2014 für subs- tanzielle Anpassungen des WD unter den 57 OSZE-Staaten Konsens gefunden werden könne, als gering ein.60

4.4 InstItUtIOnelle fraGen: helsInKI+40

Der «Korfu-Prozess» ist 2011 in den «V to V»-Dialog («Vancouver to Vladivostok via Vienna and Vilnius») überführt sowie Ende 2012 in den

«Helsinki+40»-Prozess umgetauft worden. Bis zum 40. Jahrestag der Ver- abschiedung der KSZE-Schlussakte von 1975 soll unter der Führung von Kiew, Bern und Belgrad die OSZE-Reformdebatte abgeschlossen wer- den. Weil in den zwei Jahren nach der Astana-Deklaration keine substan- ziellen Fortschritte erreicht werden konnten, wurde der Prozess verlän- gert und unter einem neuen Namen mit einer neuen Deadline versehen.61

Das Überwinden von scheinbar unüberbrückbaren Differenzen in einem multilateralen Verhandlungsprozess liegt der Schweiz. Wie im Kalten Krieg oder 1996 kann die helvetische Diplomatie mithilfe von Zusammenfassungen, Thesenpapieren, Fragebögen und Non-Papers ak- tiv Konsens schaffen und für beide Seiten gesichtswahrende Kompro- misse einbringen. 2012 lieferten eine Reihe von Think-Tanks konkrete Ideen für den Reformprozess.62

Die Erwartungen an den Helsinki+40-Prozess sind allerdings ge- ring. Der Ukraine gelang es 2013 nicht, den Reformprozess entschei- dend voranzubringen. Immerhin wurde eine informelle Arbeitsgruppe

60 Schulte, Conventional Arms Control.

61 Bieri, Matthias. Helsinki+40. 10.10.2013. http://www.isn.ethz.ch.

62 Watanabe, Lisa. Mapping of Current Studies on a Euro-Atlantic Security Community (unpubli- zierte Studie). Center for Security Studies, ETH Zürich, August 2013. Vgl. Euro-Atlantic Security Initiative (EASI). Toward a Euro-Atlantic Security Community. Februar 2012. http://

carnegie.org/fileadmin/Media/Publications/EASI_FinalReport_01.pdf; Initiative for the Development of a Euro-Atlantic and Eurasian Security Community (IDEAS). Towards a Euro-Atlantic and Eurasian Security Community: From Vision to Reality. Oktober 2012. http://

www.ideas-network.com.

(34)

Aktuelle Diskussion

BULLETIN 2013 ZUR SCHWEIZERISCHEN SICHERHEITSPOLITIK 32

gegründet und im Frühling eine strategische «Orientierungsdebatte»

mit Fokus auf neue Bedrohungen und Herausforderungen im OSZE- Raum durchgeführt. Es folgten thematische Diskussionen unter ande- rem zur zweiten Dimension (Ökologie und Ökonomie) sowie zur Ef- fektivität und Effizienz der OSZE.63 Die Lücke zwischen den hehren Zielen von Astana und einer Roadmap, wie man diese Vision konkret umsetzen könnte, ist aber nach wie vor gross. Die Aussicht auf einen OSZE-Gipfel 2015 könnte jedoch dem Prozess Momentum verleihen und die OSZE-Staaten unter Druck setzen, konkrete Resultate und ein neues politisches Grundsatzdokument auszuhandeln.

4.5 weItere schwerPUnKte64

In der ersten Dimension (Sicherheit) will die Schweiz zudem die Gou- vernanz im Sicherheitssektor stärken und dabei etwa einen Praxisleitfa- den zur demokratischen Kontrolle von Streit- und Sicherheitskräften er- arbeiten. In der zweiten, meist vernachlässigten Dimension (Wirtschaft und Umwelt) geht es der Schweiz 2014 prioritär darum, den «sicheren Umgang mit Naturkatastrophen» – so der sprachlich etwas kuriose Slo- gan – zu thematisieren: Gemeint ist damit die effizientere Prävention und Bewältigung von Naturkatastrophen im OSZE-Raum. In der drit- ten Dimension geht es vor allem darum, das Bestehende zu sichern und die Umsetzung bestehender Menschenrechtsverpflichtungen zu über- prüfen. Im Bereich der Bekämpfung von transnationalen Bedrohun- gen engagiert sich die Schweiz für den Ausbau von Kapazitäten und Fähigkeiten von Zoll-, Grenzwach- und Polizeibehörden im OSZE- Raum. Sie organisiert 2014 auch gemäss einem Ministerratsbeschluss von Dublin eine OSZE-weite Anti-Terrorismus-Konferenz. Aussen- minister Burkhalter hat zuletzt in mehreren Reden durchblicken lassen, dass dabei das Phänomen von erpresserischen Entführungen mit Löse- geldforderung in Millionenhöhe (Kidnapping for Ransom, KFR) beson- dere Aufmerksamkeit erhalten könnte.65

63 Liechtenstein, Stephanie. Blogeintrag. 23.9.2013. http://www.shrblog.org.

64 Gemäss EDA. Eine Sicherheitsgemeinschaft im Dienste der Menschen schaffen. Juli 2013.

65 Vgl. dazu Nünlist, Christian. Kidnapping for Ransom zur Terrorismusfinanzierung. In: CSS- Analysen zur Sicherheitspolitik Nr. 141 (2013).

(35)

Nebst den Bemühungen im Helsinki+40-Prozess möchte die Schweiz mit zwei weiteren Initiativen die Handlungsfähigkeit der OSZE stärken: Einerseits mit der Erhöhung der Mediationskapazi- täten etwa durch Einladungen von OSZE-Mitarbeitenden zu Kursen über Konfliktmediation in der Schweiz. Andererseits durch einen ver- stärkten Einbezug der Zivilgesellschaft, zum Beispiel Vertretern von NGOs, Think-Tanks und der Wissenschaft. Im Vorfeld des Ministerrats soll auch eine «Konferenz der Zivilgesellschaft» stattfinden. Ein Her- zensanliegen ist Didier Burkhalter zudem die Jugend. In einer «Modell- OSZE»-Serie werden 57 Jugendliche aus den 57 Mitgliedsstaaten aktu- elle Themen diskutieren.66

5. heraUsfOrDerUnGen UnD chancen Des schweIzer vOrsItzjahrs

Aussenminister Burkhalter betonte unlängst, er wolle keine grossen Er- wartungen schüren. «Die Spannungen innerhalb der OSZE sind real.

Es ist besser, nicht so zu tun, als würden während des Schweizer Vor- sitzes 2014 alle Probleme gelöst werden.»67 In der Tat scheinen zahlrei- che Herausforderungen eine Wiederholung der erfolgreichen Schweizer OSZE-Präsidentschaft von 1996 zu erschweren.

5.1 eIne sKePtIsche PersPeKtIve: Das Glas halB leer

Die aktuelle Ost-West-Spaltung erinnert an die späten 1970er- und frü- hen 1980er-Jahre, als in der KSZE ebenfalls Stillstand und Blockade vorherrschten. Doch darf daraus nicht direkt eine Identitätskrise der OSZE abgeleitet werden. Denn die aktuellen Probleme in der OSZE widerspiegeln schlicht die Probleme unter ihren Mitgliedstaaten. Die OSZE ist wie die UNO dann am handlungsfähigsten, wenn ihre Mit- glieder am selben Strick ziehen. Aufgrund des Konsensprinzips wirken sich Konflikte unter den Mitgliedern in der OSZE allerdings stärker auf

66 Siehe dazu auch das Interview mit Aussenminister Didier Burkhalter in diesem Bulletin, S. 121 – 126.

67 Burkhalter, Didier. Pressekonferenz in Strassburg. 23.4.2013. Aufgezeichnet von: www.euro- fora.net/newsflashes/new/swissoscepresidency.html.

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