Peter Gautschi: Der Beitrag des Geschichtsunterrichts zur Entwicklung von Einstellungen. Innsbruck, 18.11.07 1
Wissensaufbau und Werturteilsbildung
Der Beitrag des Geschichtsunterrichts
zur Entwicklung von Einstellungen
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SVP
Schweizerische Volkspartei Die SVP setzt sich ein
- für eine eigenständige Schweiz mit weniger Vorschriften und
geringeren Steuern
- gegen den Missbrauch des Asylwesens und des
Sozialstaates
Die SVP erlangte in den letzten eidgenössischen Wahlen 26,7%
Wähleranteil und ist damit die stärkste Schweizer Partei
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Neonazistische Szene in der Schweiz 2007
• Haben die denn keine Geschichte gehabt?
• Kann Geschichtsunterricht Jugendliche vor der Vergiftung mit neonazistischen Gedanken bewahren?
• Kann Geschichtsunterricht etwas beitragen zur Vermeidung von menschenfeindlichen, rassistischen oder nationalistischen
Gedanken, Äusserungen, Emotionen oder Handlungen?
• Kann Geschichtsunterricht einen Beitrag leisten zur Entwicklung von Einstellungen?
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Wissensaufbau und Werturteilsbildung
Der Beitrag des Geschichtsunterrichts zur Entwicklung von Einstellungen
1. Ein theoretischer Blick auf Historisches Lernen und Einstellungen 2. Zwei praktische Beispiele zu „Nationalsozialismus“
und „Völkermord“
3. Einige empirische Erkenntnisse zu ausgewählten Aspekten des Geschichtsunterrichts
Handlungsmaxime:
Zwar weiss ich, dass der Geschichtsunterricht für Jugendliche nur eine (und vielleicht nicht einmal besonders wirksame) Möglichkeit zur Entwicklung von Einstellungen ist, aber ich handle so, als wäre der Geschichtsunterricht die einzige Möglichkeit dafür.
Ansprüche an Geschichtsunterricht im Lehrplan I
„Die nationale Aufgabe erfüllt der Geschichtsunterricht in unserem Vaterland dann, wenn er zum guten Eidgenossen erziehen hilft. Zum guten Eidgenossen gehört das
eidgenössische Bewusstsein. Dieses beruht auf einer
gewissen Kenntnis der Wesenszüge unseres Staates und unserer Geschichte, aber auch auf einem Empfinden der Unterschiede zwischen uns und anderen.“
Lehrplan für die Primarschule des Kantons Bern von 1947, gültig bis 1982
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Ansprüche an Geschichtsunterricht im Lehrplan II
„Was könnte die Jugend mehr zu jeglicher Tugend aneifern als die herrlichen Beispiele edler Selbstverleugnung,
unerschütterlicher Gerechtigkeitsliebe, treuherzigen
Biedersinns und freudiger Hinopferung für das Wohl des
Vaterlands, von denen die Schweizergeschichte uns erzählt.“
J. Marty, Direktor des Schwyzer Lehrerseminars, im Vorwort seiner Illustrierten Schweizergeschichtefür Schule und Haus, erschienen 1880
Kompetenzorientierung
Historisches Lernen geschieht in der Begegnung von Menschen mit dem Historischen Universum
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Bildquelle:
- ältere Fotografie - drei junge Männer - grösseres Gebäude - Winterlandschaft
Sachanalyse:
- November 1943
- Joseph Spring u. 2 Cousins - Jugendherberge
- La Cure, Waadtland
Quelle / Sach-
analyse
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Sachurteil:
- 16-jähriger jüd. Flüchtling - von Grenzbeamten
festgenommen
- über Grenze spediert - Auschwitz
- Spring überlebt
- wandert nach Australien aus - verlangt Schadenersatz
- Bundesrat lehnt ab
- Schweizer/innen sammeln - Spring lehnt ab
- Bundesgericht weist Klage ab - spricht hohe Entschädigung
Quelle / Sach-
analyse Sach-
urteil Wert-
urteil
Frage an die Geschichte
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Historisches Lernen: Inhalte und Kompetenzen
Die Schweiz und die Zeit des Nationalsozialismus
Darstellungskompetenz
Urteilskompetenz
Interpretationskompetenz Erschliessungskompetenz
Wahrnehmungskompetenz
Grundlegende Inhalte aus der Vergangenheit
Elementare Kompetenzen für historisches Lernen
Sinnbildungsmuster - traditionale Deutung
- exemplarische Deutung - kritische Deutung
- genetische Deutung
Triftigkeitskriterien - empirische Triftigkeit - normative Triftigkeit
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Einstellung: Definitionen - umgangssprachlich:
persönliche Meinung eines Menschen - wissenschaftlich:
Unter Einstellung wird in den Sozialwissenschaften die Erscheinung verstanden, dass Menschen in Bezug auf ein Objekt, eine Person, eine Situation oder eine Idee im Laufe ihrer Lern- oder
Erfahrungsgeschichte bestimmte Reaktionsbereitschaften entwickelt haben, d.h. eine Geneigtheit zeigen, auf die Reize in bestimmter
Weise sowohl kognitiv, wie auch affektiv-emotional, wie auch im Verhalten zu reagieren.
(nach H. Göckel-Metz: Einstellungen und Werthaltungen in Organisationen. Essen 1996)
Einstellungserwerb und Einstellungsänderung
- Klassische Konditionierung: durch Verknüpfung mit Positivem - Operante Konditionierung: mittels Belohnung und Bestrafung - Modell-Lernen: durch Übernahme von Personen
- Kommunikative Persuasion: mittels Aufnahme und Akzeptanz von Informationen; dabei sind zwei Wege zu unterscheiden
> peripherer Weg: zufällige und wenig reflektierte Informationen > zentraler Weg: reflexive und kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen Informationen und Argumenten
Einstellungen, die mittels kommunikativer Persuasion auf zentralem
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Quelle / Darstellung
Sach- analyse
Sach-
urteil Wert-
urteil
Frage an die Geschichte
Entwicklung von Einstellungen im Geschichtsunterricht durch Kommunikative Persuasion:
2 Beispiele
- Hinschauen und Nachfragen - Vergessen oder Erinnern
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Wahrnehmungskompetenz (history awareness)
Aufmerksamkeit gezielt auf Vergangenes richten und dabei Quellen und
Darstellungen wahrnehmen
Hinschauen und Nachfragen
Erschliessungskompetenz
Das Wahrgenommene
erschliessen und beschreiben;
sich aus historischen
Zeugnissen eine Sachanalyse
erarbeiten
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Interpretationskompetenz Das Beschriebene in Bezug zu andern historischen
Zeugnissen setzen, es in
einen Zusammenhang von
Ursache und Wirkungen
einordnen; ein Sachurteil
erarbeiten
Urteilskompetenz
Eine Beziehung zwischen dem historischen Faktum und dem Eigenen,
Gesellschaftlichen oder
Gegenwärtigen herstellen,
ein Werturteil entwickeln
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Darstellungskompetenz
Den Prozess des historischen Lernens oder einzelne
Aspekte (z.B. das Sach- oder Werturteil) darstellen,
diskutieren und einen Beitrag
zur Geschichtskultur leisten
Was können wir aus der Geschichte der Schweiz
zur Zeit des Nationalsozialismus lernen?
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Maurice Bavaud
- Lehre als Technischer Zeichner - Seminar zum kath. Missionar - plante Attentat gegen Hitler - 1941 hingerichtet
Alfred Zander
- Matura, Volksschullehrer, Studium - gründete Frontistenorganisation - trat der Waffen-SS bei
- tauchte unter, lebte bis 1997
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Was können wir aus der Geschichte der Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus lernen?
Die Schweiz war während des Zweiten Weltkriegs sowohl abwehrbereit als auch mit dem national- sozialistischen Deutschen Reich verstrickt.
Verstrickung mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich:
Schweizer Firmen im Deutschen Reich
- Jüdinnen, Juden entlassen - Zwangsarbeiter/innen
- Aufkauf „arisierter“ Firmen - Produktion für Armee
Maggi als
„nationalsozialistischer Musterbetrieb“
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Was können wir aus der Geschichte der Schweiz zur Zeit des Nationalsozialismus lernen?
Die Schweiz hat die Bedeutung der Menschenrechts- gesellschaft (in der Nachkriegszeit) unterschätzt.
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Informationen über das Wesen von Genozid bereitstellen und Wahrnehmung schärfen für Phänomene, die Genozide kennzeichnen.
Auch bei grossen Themen erreichbare Ziele setzen: die Erschliessungskompetenz schulen, zum Beispiel den Umgang mit Bildern
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Den Ereignissen ihre Singularität nehmen und ihre Geschichtlichkeit geben: von der Sachanalyse zum Sachurteil z.B. mittels Vergleich
Schulfernsehfilm von Lekha Sarkar: Anne
Mitleid und Interesse erzeugen Neugier, und Neugier setzt einen Lernprozess in Gang.
Dieser darf nicht in der Betroffenheit stecken
bleiben, sondern muss zu einer reflektierten
Betrachtung der
Entwicklungszusammen- hänge führen.
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Entwicklung von Einstellungen im Geschichtsunterricht:
3 empirische Erkenntnisse - Zielorientierungen von
Lehrpersonen
- Interesse von Jugendlichen - Einstellung Jugendlicher zu Werten
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Kompetenzorientierung
Historisches Lernen geschieht in der Begegnung von Menschen mit dem Historischen Universum
Wissensaufbau und Werturteilsbildung
Der Beitrag des Geschichtsunterrichts zur Entwicklung von Einstellungen
- weniger, aber gründlicher - einfacher, aber anregender
- vorsichtiger, aber wirklichkeitsgerechter - bescheidener, aber bewusster
(Borries 2004, S. 423) Handlungsmaxime:
Zwar weiss ich, dass der Geschichtsunterricht für Jugendliche nur eine (und vielleicht nicht einmal besonders wirksame) Möglichkeit