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Ein analytisches Schema zur Klassifikation von Politikinhalten

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Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung

FS HI 91-201

Ein analytisches Schema zur Klassifikation von Politikinhalten

Edeltraud Roller

Berlin, November 1991

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (WZB) Reichpietschufer 50, D-1000 Berlin 30,

Telefon (030) 25 49 1-0

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Auf der Grundlage von theoretischen Konzepten zur politischen Produktivität und Kon­

zepten aus der Policy-Forschung wird ein analytisches Schema zur Klassifikation von Po­

litikinhalten entwickelt. Das Schema umfaßt zwei Ebenen: Eine abstrakte Ebene von Handlungszielen, die von politischen Systemen realisiert werden sollten, und eine konkre­

tere Ebene von Handlungsbereichen, in die politische Systeme eingreifen, um diese Ziele zu verwirklichen. Durch die Anwendung des theoretisch gewonnenen Schemas sowohl auf Mikro- als auch auf Makrodaten wird versucht, seine empirische Brauchbarkeit zu demonstrieren.

Abstract

Based upon theoretical concepts on political productivity and policies, this paper suggests a typology which classifies the contents of politics. The typology consists of two levels:

First, on a general, more abstract level, the typology classifies long-range goals which po­

litical systems try to achieve. Second, on a more specific level, it classifies domains of ac­

tion into which political systems intervene in order to accomplish the more abstract goals.

Finally, the theoretically developed typology is applied to micro-data as well as to macro­

data to demonstrate its usefulness in empirical research.

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Ausgangspunkt für das Forschungsprogramm der Abteilung "Institutionen und sozialer Wandel" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sind die vielfältigen strukturellen und kulturellen Wandlungsprozesse, die in den 70er Jahren eingesetzt haben.

Diese Wandlungen, so die gängige These, haben zu neuen Problemlagen (z. B. Nebenfol­

gen des technisch-wirtschaftlichen Wachstums) und zu neuen Forderungen (demands) der Bürger an das politische System geführt. Diese Forderungen beziehen sich auf Inhalte (issue demands) und Formen der Politik (participant demands). Die vielfältig diskutierten Konsequenzen dieser Wandlungsprozesse für das intermediäre System der Politik stehen im Mittelpunkt des Forschungsprogramms der Abteilung "Institutionen und sozialer Wan­

del". Gleichzeitig soll das konkrete Funktionieren des intermediären Systems der Politik beschrieben werden. Der spezifische Zugang der Abteilung zu dieser Problemstellung be­

steht in einer die Mikroebene der Bürger und die Makroebene des politischen Systems um­

fassenden Perspektive, einer empirischen Orientierung und einer komparativen Perspek­

tive.

Für die Analysen auf der Makroebene ist die Frage forschungsleitend:

- Wie und in welcher Weise reagieren die Akteure des intermediären Systems der Politik (Interessengruppen, Parteien, Massenmedien und soziale Bewegungen) auf gesellschaft­

liche Problemlagen und auf Forderungen der Bürger?

Im Mittelpunkt der Analysen auf der Mikroebene steht die Frage:

- Wie beurteilen die Bürger die Akteure des intermediären Systems der Politik und deren Vermittlungsleistung?

Ziel dieser Analysen ist, einen Beitrag zur grundlegenden Frage der Adaptivität der In­

stitutionen des intermediären Systems der Politik in Hinblick auf gesellschaftliche Problemlagen und auf Forderungen der Bürger zu leisten.

Mehrere Autoren haben für verschiedene Forschungsbereiche darauf hingewiesen, daß eine Konzentration der Analyseperspektive auf die Input-Seite des politischen Systems die Gefahr in sich birgt, daß von einer einfachen Übersetzung der Inputs in entsprechende Outputs ausgegangen wird (Macridis 1968: 85, Heisler/Kvavik 1974: 35, Pe- ters/Doughtie/McCulloch 1977: 327-328, Sartori 1987: 152). Auf die Fragestellung der Abteilung bezogen bedeutet dieser Hinweis, daß eine Aufnahme von Problemen und For­

derungen durch das intermediäre System der Politik nicht notwendigerweise eine entspre­

chende Einlösung in konkretes Handeln der politischen Entscheidungsträger sicherstellt.

Diese Einlösung im konkreten Handeln (Outputs) und seine Folgen (Outcomes) sind aber

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zum einen eine entscheidende Quelle der Unterstützung des politischen Systems und damit seiner Stabilität (Easton 1965a). Zum anderen haben sie Konsequenzen für die weitere ge­

sellschaftliche Entwicklung und sind somit - über verschiedene Rückkopplungsprozesse vermittelt - wiederum eine wichtige Quelle für die Probleme und Forderungen, die vom intermediären System der Politik aufzugreifen sind. Aus diesem Grund wird die Output- Seite des politischen Prozesses ins Forschungsprogramm der Abteilung mit aufgenommen.

Weitere forschungsleitende Fragen - wiederum differenziert nach Makro- und Mi­

kroebene - sind deshalb die folgenden:

- In welchem Ausmaß wird den vom intermediären System der Politik aufgegriffenen Problemlagen und Forderungen der Bürger im Handeln der politischen Entscheidungs­

träger (Regierung, Parlament) entsprochen?

- Wie beurteilen die Bürger das Handeln und die Konsequenzen des Handelns der politi­

schen Entscheidungsträger?

Auch in bezug auf diesen Aspekt wird ein Beitrag zu einer grundlegenden Frage, dem Zusammenhang zwischen dem intermediären System der Politik und dem Handeln politi­

scher Systeme, angestrebt.

Zur Systematisierung der relevanten Untersuchungsobjekte, die auf unterschiedlichen Ebenen des politischen Prozesses angesiedelt sind, und zur Systematisierung der Bezie­

hung zwischen diesen, wurde für das Forschungsprogramm der Abteilung ein einfaches systemtheoretisch inspiriertes Modell des politischen Prozesses entwickelt (WZB 1990:

107). In einer Weiterentwicklung dieses Modells (Fuchs 1991) wird der politische Prozeß als Abfolge von Handlungsprodukten konzipiert (s. Schaubild 1). Auf der Input-Seite des politischen Systems sind die Handlungsprodukte der Umwelt des politischen Systems In­

teressen. Der Prozeß innerhalb des politischen Systems verläuft über Ansprüche, Streitfra­

gen, Entscheidungen, Verfahren, Maßnahmen zu Leistungen. Und diese Leistungen zeigen wiederum Folgen in der Umwelt des politischen Systems.

Die einzelnen Abteilungsprojekte untersuchen jeweils einzelne Handlungsprodukte oder unterschiedliche Prozesse der Transformation von Handlungsprodukten auf der Makro- und auf der Mikroebene. Auf der Makroebene werden beispielsweise im Rahmen des inter­

national vergleichenden Party Manifesto-Projekts Streitfragen der Parteien anhand der Wahlprogramme untersucht (Budge/Robertson/Hearl 1987). Im Rahmen dieses Projekts werden außerdem die Prozesse der Transformation von Streitfragen der Parteien in Maß­

nahmen untersucht, wobei die Maßnahmen über Staatsausgaben gemessen werden (Klingemann/Hofferbert/Budge/Petry, im Druck). Geplant ist außerdem die Analyse der Transformation von Interessen und Ansprüchen in Streitfragen der Parteien, wobei Interes­

sen vor allem mit Daten der amtlichen Statistik und Ansprüche mit Einstellungsdaten ge­

messen werden sollen. Auf der Mikroebene werden beispielsweise im Rahmen des inter-

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national vergleichenden Beliefe in Government-Projekts (Kaase/Newton 1988) Ansprüche der Bürger anhand von Einstellungsdaten untersucht. Ebenso wird es im Rahmen dieses Projekts ansatzweise möglich sein, auf der Mikroebene der Bürger die Transformation von Interessen in Ansprüche zu untersuchen.

Schaubild 1: Modell des Politik-Prozesses (Ausschnitt)

Handlungs­

produkte Akteure Subsysteme

Interessen Umwelt

Ans )riiche Staatsbürger Publikum

Ansprüche Interessen­

gruppen Intermediär

Soziale Bewegungen

Parteien Intermediär

Streitfragen

Entscheidungen

Regierung

Parlament Regierung

P

O

L

I

T Y

Verfahren

Ministerial-

bürokratie Verwaltung

1

Maßnahmen

Lokale und regionale Bürokratien

Intermediär

P

O

L

I

T E S C H E S

s

Y S T E M

Leistungen Staatsbürger Publikum

I

_ l _____________________________________________________

Folgen Umwelt

Quelle: Fuchs 1991

Die einzelnen Handlungsprodukte und die Prozesse der Transformation von Handlungs­

produkten sollen auf einer konkreten Ebene von Inhalten wie Verteidigung, Ordnung und Außenpolitik analysiert werden. Das heißt, bei der Analyse von einzelnen Handlungspro­

dukten wie beispielsweise den Ansprüchen der Bürger werden Aussagen darüber ange­

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strebt, welche konkreten inhaltlichen Ansprüche die Bürger haben und wie hoch diese An­

sprüche sind. Bei der Analyse der Prozesse der Transformation von Handlungsprodukten interessiert beispielsweise welche konkreten inhaltlichen Ansprüche der Bürger als Streit­

punkte von den Parteien in ihren Programmen aufgegriffen werden und welche nicht. Für diese Analysen müssen die einzelnen Handlungsprodukte nach politischen Inhalten klassi­

fiziert werden.

Ziel des Forschungsprogramms der Abteilung "Institutionen und sozialer Wandel" sind möglichst generalisierende Aussagen zur Erklärung von Zusammenhängen zwischen Va­

riablen des Politikprozesses. Eine Voraussetzung dafür ist, daß mit systematischen Kon­

zepten und Typologien gearbeitet wird, die die verschiedenen Elemente und Ebenen des Prozesses integrieren können (für die Policy-Forschung dazu Scharpf 1977: 356-357).

Folgt man dieser Argumentation, dann setzt das Forschungsprogramm der Abteilung eine Klassifikation der unterschiedenen Handlungsprodukte nach den Inhalten der Politik vor­

aus, die nach den skizzierten Ausführungen zu diesem Programm folgende Kriterien er­

füllen sollte: Diese inhaltliche Klassifikation sollte umfassend sein, und zwar erstens in Hinblick darauf, daß sie auf alle Handlungsprodukte des politischen Prozesses anwendbar ist. Und zweitens in Hinblick darauf, daß sie sowohl für Analysen auf der Makro- und auf der Mikroebene anwendbar ist, d.h. sowohl die Handlungsprodukte selbst als auch die Ein­

stellungen zu diesen Handlungsprodukten sollten sich danach klassifizieren lassen. Und diese Klassifikation sollte gemäß der grundsätzlichen Orientierung des For­

schungsprogramms drittens in der empirischen Forschung anwendbar sein und ebenso viertens im internationalen Vergleich.

In allen Forschungsgebieten, die die verschiedenen Handlungsprodukte analysieren, wie beispielsweise die Policy-Forschung, die Wahl- und Einstellungsforschung oder die Me­

dienforschung, wird mit inhaltlichen Klassifikationen gearbeitet. Die am häufigsten getrof­

fenen Unterscheidungen sind offenbar die in Innen- und Außenpolitik sowie die in ver­

schiedene politische Ressorts. In der Regel wird aber die Konstruktionslogik solcher Klas­

sifikationen nicht erläutert, sie wird als selbstverständlich, in gewisser Hinsicht gar als na­

turgegeben vorausgesetzt. Wenn Erläuterungen gegeben werden, dann wird häufig auf intuitive Bedeutung verwiesen oder auf Konventionen, Wichtigkeit und Interesse der For­

scher; gängig ist auch das Argument der Verfügbarkeit von Daten (s. dazu auch Rose 1973, Zapf 1977). Nur selten werden die verwendeten Klassifikationen problematisiert oder hinterfragt. Ist dies dennoch der Fall, dann wird für das jeweilige Forschungsgebiet häufig das Fehlen einer systematischen Klassifikation bedauert (für unterschiedliche For­

schungsgebiete s. Klingemann 1973: 233, Rose 1973: 83-90, Flora 1974: 82, Pe- ters/Doughtie/McCulloch 1977: 328, Scharpf 1977: 356).

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Vereinzelt wurden für empirische Analysen bereits solche systematischen Klassifikatio­

nen erstellt (Rose 1976: 257-264, Kohl 1984: 185, Roller 1992: 85-90). Diese Klassifi­

kationen wurden aber nur zur Analyse einzelner Handlungsprodukte entwickelt, zudem konzentrierten sich die Analysen auf der Grundlage dieser Klassifikationen entweder auf die Mikro- oder auf die Makroebene [Ministerien (Rose 1976), Staatsausgaben (Kohl 1984), Einstellungen zu Ansprüchen und staatlichen Leistungen (Roller 1992)]. Die bis­

lang erarbeiteten systematischen Klassifikationen sind auch in bezug auf einen weiteren Aspekt unzureichend. Unter anderem bedingt durch den Anspruch auf Systematik klassifi­

zieren sie mehrheitlich auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau (z.B. innere Sicherheit, Wohlfahrt). Dies hat zur Folge, daß die Klassifikationen nur zwischen wenigen Inhalten unterscheiden und daß die Politikfelder entsprechend breit sind. Für Untersuchungsinteres­

sen, die sich auf eine relativ konkrete Ebene von Politikinhalten beziehen wie z.B. Krimi­

nalitätsfragen, sind solche Klassifikationen nicht ausreichend. Umgekehrt kann aber auch nicht auf einer konkreten Ebene von fluktuierenden Einzelthemen analysiert werden, da zeit- und ländervergleichende Analysen angestrebt werden, die eine gewisse Abstraktions- höhe erfordern. Deshalb muß die zu entwickelnde Klassifikation von Politikinhalten neben einer sehr abstrakten Klassifikationsebene auch eine "mittlere" Ebene umfassen, die zwi­

schen dieser allgemeinsten Ebene und konkreten fluktuierenden Einzelthemen vermittelt.

Systematische Klassifikationen auf dieser "mittleren" Ebene fehlen bislang jedoch.

Im folgenden soll ein den formulierten Kriterien entsprechendes analytisches Schema zur Klassifikation von Politikinhalten auf einer abstrakten Ebene von Handlungszielen (2) und einer nachgeordneten Ebene von Handlungsbereichen politischer Systeme (3) entwik- kelt und in Hinblick auf seine Anwendungsmöglichkeiten auf die genannten Handlungs­

produkte und Analyseebenen überprüft werden (4).

2. Handlungsziele politischer Systeme

Um zu der beabsichtigten Klassifikation von Politikinhalten zu gelangen, liegt es nahe an den Handlungen eines politischen Systems anzusetzen. Prototypische Ansätze zur Be­

stimmung der Handlungen politischer Systeme sind funktionalistische Ansätze. Diese be­

nennen die Funktionen politischer Systeme, die diese erfüllen müssen, um ihren Bestand zu erhalten. Der vorliegende Problemkontext setzt eine Klassifikation voraus, die diese Funktionen abstrakt, umfassend und systematisch bestimmt (s. 1); letzteres impliziert, daß die Klassifikation theoretisch begründbar sein sollte. Die innerhalb der Theorie des politi­

schen Systems von Almond und Powell (1978) entwickelte Klassifikation der Funktionen des politischen Systems erfüllt diese Kriterien. Weil diese Theorie den Anspruch hat, für

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alle politischen Systeme zu gelten, ist ihr Funktionskatalog notwendigerweise umfassend und abstrakt. Seine Systematik stellt vor allem auf bestandserhaltende Funktionen ab. Die bestandserhaltende Bedeutung der Funktionen liegt darin begründet, daß diese jeweils Stu­

fen politischer Entwicklung bilden, die sich wiederum in empirischen Analysen der Ent­

wicklung verschiedener politischer Systeme als fruchtbar erweisen haben (z.B. Pye 1968, Rokkan 1971). Neben diesen geforderten Merkmalen zeichnet sich dieser Ansatz zusätz­

lich dadurch aus, daß die unterschiedenen Funktionen zu Funktionsklassen zusammenge­

faßt werden, die sich auf unterschiedliche Ebenen des politischen Systems beziehen.

Die Funktionen und Funktionsebenen des politischen Systems werden in der Theorie des politischen Systems von Almond und Powell - legt man ihre letzte Formulierung in der zweiten Auflage von Comparative Politics zugrunde [Almond/Powell 1978: 13-14, zu älte­

ren Formulierungen s. Almond 1970a, 1970b (ursprünglich 1960, 1965); Almond/Powell 1966, Pye 1968] - folgendermaßen bestimmt: Die Funktionsebenen des politischen Sy­

stems sind die des Systems, des Prozesses und der Policy. Die Funktionsebene des Systems ist definiert über die Funktion der Aufrechterhaltung und der Anpassung des Systems, die Prozeß-Ebene umfaßt die Funktionen, die sich auf die Konversion von Inputs (Forderungen und Unterstützung) in Outputs beziehen, und die Policy-Ebene beziehungs­

weise Policy-Performanz-Ebene ist definiert über die Funktionen, die sich auf das Ver­

halten des politischen Systems gegenüber seiner Umwelt beziehungsweise anderen so­

zialen Systemen beziehen. Als konkrete Funktionen werden diesen drei Ebenen zugeord­

net: Rekrutierung, Sozialisation und Kommunikation (System-Ebene), Interessenar­

tikulation, Interessenaggregation, Policy Making und Policy Implementation (Prozess- Ebene) sowie die Produktion von Outputs und Outcomes (Policy-Ebene).

Dieser Funktionskatalog unterscheidet aber nicht inhaltliche Ziele von Politik, sondern zunächst einmal nur Arten von Handlungen politischer Systeme. Dieser Funktionskatalog reicht zur Klassifikation von Politikinhalten also nicht aus. Um zu einer Klassifikation von Politikinhalten zu gelangen, müssen die inhaltlichen Ziele dieser einzelnen Tätigkeiten deutlich werden. Inhaltliche Ziele, die auf diese Tätigkeiten bezug nehmen, können aus dem ebenfalls von Almond und Powell in der zweiten Auflage von Comparative Politics (1978: 391-424) entwickelten Konzept politischer Produktivität abgeleitet werden. Dieses Konzept ist mit dem Ziel entwickelt worden, politische Systeme aus einer externen Per­

spektive zu evaluieren, um sie auf dieser Grundlage vergleichen zu können (Almond/Powell 1978: 391). In Anlehnung an Pennocks Konzept politischer Güter (1966) bezieht sich die Bewertung auf die Produktivität des politischen Systems. In dieser Per­

spektive werden politische Systeme also als Produzenten von Gütern - sog. politischen Gütern - betrachtet. Die Produktivität wird dabei - ebenfalls in Anlehnung an Pennock - auf solche politischen Güter bezogen und beschränkt, die sich dadurch auszeichnen, daß

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sie "commonly sought by or expected of political systems and that they are widely acknowledged as the legitimate obligation of political systems" (Almond/Powell 1978:

394). Während bei Pennock politische Güter darüber definiert sind, daß sie "human needs"

wie Sicherheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlfahrt befriedigen, haben Almond und Po­

well die politischen Güter breiter definiert. Politische Güter im Sinne von Almond und Powell sind nicht nur definiert über die Befriedigung von "human needs", sondern auch - in der Terminologie von Pennock (1966: 420) - über die Befriedigung von "needs of the state as such". Ein solches 'Bedürfnis des Staates' wäre beispielsweise die Auf­

rechterhaltung seiner politischen Ordnung (Stabilität).

Auf der Grundlage von Studien zur Produktivität politischer Systeme und Studien, die als solche gelten können (u.a. Pennock 1966, Dahl 1971, Eckstein 1971), stellen Almond und Powell (1978: 398) eine Liste deijenigen zu produzierenden Güter zusammen, über die ihrer Ansicht nach ein Konsens besteht. Diese politischen Güter ordnen sie den bereits genannten drei Funktionsebenen des politischen Systems zu. Die politischen Güter auf der Ebene des Systems sind danach Aufrechterhaltung und Anpassung des Systems, auf der Prozess-Ebene sind es Partizipation, Befolgung von Gesetzen und Unterstützung des poli­

tischen Systems sowie prozedurale Gerechtigkeit, und auf der Po/icy-Ebene sind es Si­

cherheit, Freiheit und Wohlfahrt. Im Unterschied zum dargestellten Funktionskatalog nimmt diese Liste politischer Güter bezug auf inhaltliche Ziele einzelner Handlungen des politischen Systems. Auf dieser Grundlage ließe sich also eine erste Klassifikation von Po­

litikinhalten auf der Ebene von Handlungszielen politischer Systeme erstellen (s. Schau­

bild 2).

Für dieses Vorgehen, die Liste politischer Güter von Almond und Powell einer Klassifi­

kation von Handlungszielen politischer Systeme zugrunde zu legen, spricht in einem ersten allgemeinen Zugang, daß diese politischen Güter so abstrakt formuliert worden sind, daß eine begrenzte und handhabbare Anzahl von Politikinhalten unterschieden wird. Was die geforderte Systematik der Klassifikation anbelangt, so sind Almond und Powell (1977:

397) selbst der Ansicht, daß ihr Ansatz "a more systematic approach" sei als die bislang vorliegenden. Dies gehe darauf zurück, daß sie bei der Bestimmung der politischen Güter alle Funktionsebenen des politischen Systems - System, Prozess und Policy - berücksich­

tigt haben. Systematik wird nicht beansprucht für die einzelnen politischen Güter m- nerhalb der Funktionsebenen, denn diese sind qua Inspektion vorliegender Studien und Plausibilitätsüberlegungen (s. Almond/Powell 1977: 397) bestimmt worden. Da bei der Entwicklung der Liste politischer Güter nicht nur einseitig die Perspektive der Bürger (vgl.

Pennock 1966) oder die des politischen Systems (vgl. Dahl 1971, Eckstein 1971) verfolgt wurde, und alle drei Funktionsebenen des politischen Systems berücksichtigt worden sind, kann dem Ansatz auf dieser allgemeinen Ebene auch das Merkmal einer umfassenden

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Klassifikation zugeschrieben werden. Der gleichzeitigen Berücksichtigung der Mikroper­

spektive der Bürger und der Makroperspektive des politischen Systems kommt in unserem Problemzusammenhang besondere Bedeutung zu, weil die Klassifikation sich damit für Analysen auf der Mikro- und auf der Makroebene qualifiziert.

Schaubild 2z Handlungsziele politischer Systeme

Funktionsebene des

politischen Systems Handlungsziele politischer Systeme System-Ebene Aufrechterhaltung des Systems

Adaptivität des Systems Prozess-Ebene Partizipation

Befolgung von Gesetzen und Unterstützung des Systems Prozedurale Gerechtigkeit

Policy-Ebene Sicherheit Freiheit Wohlfahrt

Quelle: Almond/Powell (1978: 398)

Daß diese Klassifikation von Handlungszielen politischer Systeme tatsächlich umfassend ist, kann durch einen exemplarischen Vergleich mit zwei Klassifikationen demonstriert werden, die in anderen Kontexten formuliert worden sind und auf die sich auch andere Autoren in ihren Arbeiten beziehen. Merriam (1962: 31-64), auf den Easton (1965a: 357) in seiner Theorie des politischen Systems verweist, nennt als Ziele staatlichen Handelns äußere Sicherheit, innere Ordnung, Freiheit, allgemeine Wohlfahrt, wobei Wohlfahrt u.a.

Wachstum und eine minimale Güterversorgung umfaßt. Und Rostow (1961: 12-13), auf den sich Wohlfahrtsforscher wie beispielsweise Flora (1982: 356) beziehen, unterscheidet zwischen äußerer Sicherheit, Wohlfahrt und Wachstum sowie dem Erhalt der konstitutio­

nellen Ordnung. Der Erhalt der konstitutionellen Ordnung umfaßt die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung, Gerechtigkeit, Freiheit, geregelten Wandel und die Regelung der Be­

setzung von Herrschaftspositionen sowie die Regelung der Ausübung von Herrschaft. Der Vergleich dieser beiden Klassifikationen mit der von Almond und Powell macht zwei Dinge deutlich: Im Mittelpunkt der Klassifikationen von Merriam und Rostow stehen

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Ziele, die bei Almond und Powell der Policy-Ebene zuzuordnen sind, und in bezug auf diese Aspekte stimmen die Klassifikationen überein. Nur Rostows (1961) Klassifikation geht relativ eindeutig über die Policy-Ebene hinaus, indem er mit dem Erhalt der konstitu­

tionellen Ordnung auch Ziele wie beispielsweise geregelten Wandel anspricht, die der System- beziehungsweise Prozeß-Ebene zuzuordnen sind. Die von Almond und Powell vorgeschlagene Klassifikation konvergiert danach einerseits mit anderen, konkurrierenden Klassifikationen. Diese Konvergenz bezieht sich aber vor allem auf die Policy-Ebene. Die Klassifikation von Almond und Powell geht aber andererseits über diese vergleichbaren Klassifikationen hinaus, indem sie zusätzlich die Funktionsebenen des Systems und des Prozesses mit einbezieht. Die Klassifikation von Almond und Powell erweist sich danach als umfassender als andere, vergleichbare Klassifikationen.

Eine interessante Frage ist, warum sich die konkurrierenden Klassifikationen auf die Policy-Ebene beschränken. Es liegt nahe, die Erklärung dafür im unterschiedlichen Cha­

rakter der Funktions-Ebenen zu suchen. Wenn man die von Pennock (1966: 420) getrof­

fene Unterscheidung in "human needs" und "needs of the state as such" verwendet, dann sprechen die bei Almond und Powell (1978) als Policy-Güter klassifizierten konkreten Ziele "human needs" an, während die als System- und Prozeß-Güter klassifizierten sich stärker auf die "needs of the state as such" beziehen. Die ausgewählten "gängigen" Klassi­

fikationen von Politikinhalten haben also als Bezugspunkt vor allem die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger vor Augen, die zumindest in demokratischen politischen Systemen einen evidenten Bezugspunkt zur Analyse des Politikprozesses bilden. Das gilt auch für die bereits erwähnten systematischen Klassifikationen von Politikinhalten, die zu empirischen Analysen in verschiedenen Bereichen eingesetzt worden sind (Rose 1976, Kohl 1984, Roller 1992).

Bislang konnte nur gezeigt werden, daß die Klassifikation von Almond und Powell auf einer allgemeinen Funktionsebene umfassend ist. Ob sich dieses Urteil für die Ziele inner­

halb der einzelnen Funktionsebenen aufrechterhalten läßt, muß eine detailliertere Analyse der politischen Ziele zeigen. Im folgenden werden die einzelnen politischen Ziele entlang der Funktionsebenen diskutiert.

Die Po/icy-Ziele Sicherheit, Freiheit und Wohlfahrt spezifizieren Almond und Powell (1978: 398) näher in äußere und innere Sicherheit, Freiheit vor Regulierungen und Schutz der Privatsphäre; Wohlfahrt wird in wirtschaftliches Wachstum und Verteilungsgerechtig­

keit unterschieden. Wie bereits festgestellt wurde, ist das Ausmaß der Übereinstimmung mit anderen Policy-Klassifikationen hoch. Und wie die nähere Spezifikation der Ziele durch Almond und Powell zeigt, liegt diese Übereinstimmung in bezug auf Sicherheit als äußere und innere Sicherheit sowie Freiheit als Freiheit vor Regelungen und Schutz der Privatsphäre auch auf einer konkreteren Ebene vor. Etwas größer sind die Unterschiede

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dagegen in bezug auf die inhaltliche Bestimmung des Ziels Wohlfahrt (Roller 1992: 86- 87). Eine detaillierte Analyse des Ziels Wohlfahrt auf der Basis von Konzepten zum Wohl­

fahrtsstaat, die in der makrotheoretischen Wohlfahrtsstaat-Forschung (Flora et al. 1977, Flora/Heidenheimer 1981) entwickelt worden sind, präzisiert dieses Ziel in sozio-ökono- mische Sicherheit und sozio-ökonomische Gleichheit (als Ziele des Wohlfahrtsstaats) und in Wachstum (Roller 1992: 86-87). Da Wachstum ein "instrumental value" ist, die anderen Ziele aber den Charakter von "terminal values" (Rokeach 1973) haben, wird im folgenden Wachstum durch Wohlstand ersetzt. Als Policy-Ziele können danach äußere und innere Sicherheit, Freiheit, Wohlstand sowie sozio-ökonomische Sicherheit und sozio-ökonomi­

sche Gleichheit festgehalten werden. Diese Liste ist aber unvollständig, denn seit den 70er Jahren haben u.a. als Folge des Wertewandels neue Ziele Eingang in das Handeln politi­

scher Systeme gefunden (Inglehart 1977, Hildebrandt/Dalton 1977). Diese neuen Ziele können in Abgrenzung zu den anderen politischen Zielen als individuelle Entfaltung und Umweltschutz spezifiziert werden (Roller 1992: 87-88). Diese beiden in den 70er Jahren verstärkt in Erscheinung getretenen Ziele sind weder in dem vorgelegten Schema von Al­

mond und Powell (1978) noch in den Klassifikationen von Rostow (1961) und Merriam (1962) enthalten, weil diese im wesentlichen vor Mitte der 70er Jahre entstanden sind. Die bei diesen Autoren bestimmten Policy-Ziele sind also historisch gebunden und müssen an­

gesichts der realen Entwicklung um diese beiden neuen Ziele ergänzt werden. Die Liste der Handlungsziele politischer Systeme auf der Policy-Ebene nach der Präzisierung auf der Grundlage makrotheoretischer Konzepte des Wohlfahrtsstaats und dieser Aktualisierung ist in Schaubild 3 dargestellt.

Die System-Ziele, die mit Aufrechterhaltung und Adaptivität des Systems bestimmt sind, werden definiert als Regelmäßigkeit und Vorhersagbarkeit sowie als strukturelle und kul­

turelle Anpassungsfähigkeit in Reaktion auf Herausforderungen der Umwelt (Almond/Powell 1978: 398). Diese politischen Ziele ergeben sich aus der Definition der Funktionsebene des Systems; und diese Funktion der Stabilität oder Bestandserhaltung wiederum steht im Mittelpunkt aller systemtheoretisch inspirierten Funktionsbestimmun­

gen (siehe auch Easton 1965b). In diesem Zusammenhang ist positiv zu vermerken, daß Almond und Powell die Stabilität nicht als absolute Stabilität oder statisches Beharren de­

finieren, sondern als Aufrechterhaltung und Anpassung des Systems. Sie haben damit eine Vorstellung von Stabilität entwickelt, die - wie die inzwischen populären Stabilitätskon­

zepte von Easton (1965b) sowie Eckstein und Gurr (1975) - ebenfalls Elemente des Wan­

dels mit einschließen. Der Klassifikation von System-Zielen liegt danach ein Stabilitäts­

konzept zugrunde, dem nicht mehr eine Status quo-Orientierung vorgeworfen werden kann (Fuchs 1989: 6).

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Schaubild 3: Handlungsziele politischer Systeme auf der Policy-Ebene

Funktionsebene des

politischen Systems Handlungsziele politischer Systeme

Policy-Ebene Sicherheit (äußere und innere)

Freiheit Wohlstand

sozio-ökonomische Sicherheit und sozio-ökonomische Gleichheit Individuelle Entfaltung Umweltschutz

Quelle: Roller (1992: 89)

Die Diskussion der Prozess-Ziele Partizipation, Befolgung von Gesetzen und Unterstüt­

zung des Systems sowie prozedurale Gerechtigkeit ist schwieriger, weil hier vergleichbare Arbeiten fehlen. Bezugspunkt zur Ableitung dieser Ziele war für Almond und Powell (1978: 400) die Definition der Prozess-Ebene. Diese war definiert über die Funktionen, die sich auf die Konversion von Inputs in Outputs beziehen, und die im einzelnen die Funk­

tionen der Interessenartikulation, -aggregation, Policy Making und Policy Implementation umfaßt. Almond und Powell bestimmen die Prozess-Ziele darüber, daß sie solche Ziele su­

chen, die sich auf die angesprochene Input- und Outputphase der Konversion beziehen. In bezug auf die Inputphase, in deren Mittelpunkt die Formulierung von Policies steht, identi­

fizieren sie die Partizipation als politisches Ziel, während sie bei der Implementation von Policies als politische Ziele die Einwilligung und Befolgung von Gesetzen sowie die Un­

terstützung des politischen Systems und die Verfahrensgerechtigkeit identifizieren. Al­

mond und Powell (1978: 398) spezifizieren diese Ziele folgendermaßen: Partizipation um­

faßt die instrumenteilen Aktivitäten zur Erlangung von Outputs und die Aktivitäten, die di­

rekt das Gefühl von "Efficacy" und "Dignität" vermitteln. Befolgung von Gesetzen und Unterstützung des politischen Systems umfaßt instrumentelle Befolgung von Gesetzen und die Erfüllung von Pflichten und Leistungen; Verfahrensgerechtigkeit umfaßt Gleichheit vor dem Gesetz und gleiche Verfahren. Diese Ableitung der Prozess-Ziele scheint plausi­

bel und das konkrete Ergebnis befriedigend. Mit Partizipation und Gerechtigkeit sind die Ziele angesprochen, die neben den bereits ausgeführten Policy-Zielen wie Sicherheit, Frei­

heit und Wohlfahrt als politische Werte von verschiedensten Seiten formuliert worden sind

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(zu Gerechtigkeit s. Pennock 1966, zu Partizipation s. Pye 1968, Rokkan 1971, Hilde- brandt/Dalton 1977). Die Befolgung von Gesetzen und die Unterstützung des politischen Systems sind diejenigen Elemente, die in der Theorie des politischen Systems (Easton 1965a) und anderen Ansätzen (z.B. Lipset 1959) als zentrale Funktionsbedingungen aus der Perspektive des politischen Systems genannt werden. Almond und Powells spezifischer Beitrag besteht darin, diese in anderen Kontexten diskutierten politischen Ziele bezie­

hungsweise Güter systematisch auf der Prozess-Ebene des politischen Systems verortet zu haben.

Nach dieser Analyse scheint mit Ausnahme der Policy-Ebene die Klassifikation politi­

scher Ziele auf der Grundlage politischer Güter von Almond und Powell auch auf einer konkreten Ebene der einzelnen Ziele umfassend zu sein. Die auf der Policy-Ebene präzi­

sierte und ergänzte Klassifikation von Almond und Powell erfüllt die geforderten Kriterien und bietet sich danach zur Klassifikation von Politikinhalten auf der Ebene der Hand­

lungsziele politischer Systeme an.

Die Klassifikation politischer Güter von Almond und Powell ist mit dem Ziel konzipiert worden, die vom politischen System produzierten Güter zu identifizieren. Das schließt nicht-politische Güter aus, und d.h. Inhalte oder Ziele, die nicht Eingang gefunden haben in den politischen Prozeß. Diese Konzentration auf politische Ziele hat zur Folge, daß auf der Grundlage dieses Konzeptes sich vollständig nur die Handlungsprodukte des politi­

schen Prozesses klassifizieren lassen, die innerhalb des politischen Systems identifiziert worden sind (Ansprüche, Streitfragen, Entscheidungen, Verfahren, Maßnahmen, Leistun­

gen s. Schaubild 7). Das Handlungsprodukt der Interessen, das außerhalb des politischen Systems in dessen Umwelt lokalisiert wurde, ist damit nur in Hinblick auf die politischen, nicht aber die nicht-politischen Inhalte zu klassifizieren.

Zur umfassenden inhaltlichen Klassifikation des Handlungsproduktes Interessen müßte die vorliegende Klassifikation danach um nicht-politische Ziele ergänzt werden. Da die politischen Ziele als Werte politischen Handelns formuliert sind, könnte sich eine solche Klassifikation in der Werteforschung finden lassen. In der Werteforschung stellt sich aber das Problem, daß die Frage des Umfangs des Werteraumes bislang "nicht überzeugend gelöst" ist (Kaase 1985: 1141). Eine weitere Anschlußmöglichkeit müßte sich eigentlich in der Sozialindikatorenforschung finden lassen, die empirisch die Einlösung von gesell­

schaftlichen und individuellen Zielen auf objektiver und subjektiver Ebene untersucht (z.B.

Zapf 1977, Glatzer/Zapf 1984). Aber auch diesen Forschungen liegen keine systemati­

schen Klassifikationen zugrunde (Westle 1982). Der Forschungsstand in den Gebieten, in denen eine solche Klassifikation nicht-politischer Ziele oder politische und nicht-politische Ziele umfassende Klassifikation hätte entwickelt werden müssen, ist also nicht be­

friedigend; eine politische und nicht-politische Ziele umfassende Klassifikation des

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Handlungsproduktes Interessen deshalb nicht möglich. Die vorgelegte Klassifikation be­

zieht sich also nur auf Po/zfz£inhalte - Inhalte, die in den politischen Prozess Eingang gefunden haben.

3. Handlungsbereiche politischer Systeme

Die entwickelte Klassifikation von Politikinhalten ist, da diese auf der Basis allgemeiner Ziele beziehungsweise Werte klassifiziert werden, sehr abstrakt. Diese Abstraktionshöhe ist eine Voraussetzung für eine relative Systematik und einen umfassenden Charakter. Ein analytisches Schema zur Klassifikation von Politikinhalten, das sehr breite Felder von Politikinhalten festlegt, ist aber nicht ausreichend. Neben dem bereits angesprochenen Sachverhalt, daß zur Analyse spezifischerer Fragestellungen eine Klassifikation von Poli­

tikinhalten auf einer "mittleren" Ebene zwischen der abstrakten Ebene der Handlungsziele und einer konkreten Ebene von fluktuierenden Einzelthemen erforderlich ist (s. 1), ergibt sich die Notwendigkeit für eine solche Klassifikation auch aus einem weiteren Grund. In vielen Indikatorensammlungen werden die Daten nicht für die unterschiedenen Hand­

lungsziele, sondern für konkretere Kategorien ausgewiesen. Staatsausgaben werden bei­

spielsweise klassifiziert in Bildung, Gesundheit, Wohnen, Landwirtschaft usw. (s. Statisti­

sches Bundesamt Wiesbaden 1991). Bei Analysen auf der Basis solcher Daten stellt sich zum einen die Frage, in welcher Weise sich diese konkreteren Kategorien auf die allge­

meinen Handlungsziele politischer Systeme beziehen lassen, d.h. welchem Handlungsziel sie jeweils zuzuordnen sind. Und wenn eine solche Zuordnung erfolgt ist, stellt sich als weitere Frage, in welchem Ausmaß die dem Handlungsziel jeweils zugeordneten Katego­

rien das jeweilige Handlungsziel repräsentieren. Kann auf der Basis der dem Handlungs­

ziel jeweils zugeordneten Kategorien eine allgemeine Aussage zu dem Handlungsziel ins­

gesamt formuliert werden oder repräsentieren die dem Handlungsziel zugeordneten Kate­

gorien nur einen Ausschnitt aus den Handlungen des politischen Systems, das dieses zur Erreichung des spezifischen Ziels durchführt? Zur Beantwortung dieser Fragen ist pro Handlungsziel eine umfassende und möglichst systematische Klassifikation von Politikin­

halten auf einer nachgeordneten Ebene notwendig.

In der Regel werden Politikinhalte auf einer "mittleren" Ebene zwischen abstrakten Zielen und konkreten Einzelthemen nach Kategorien wie Bildung(spolitik) und Woh- nung(spolitik) klassifiziert; Kategorien, die in der Policy-Forschung als

"Nominalkategorien" (Windhoff-Heritier 1987: 22) bezeichnet werden. Solche Kategorien wie Bildungspolitik sind auf einer konkreteren Ebene anzusiedeln als beispielsweise das Ziel der Gleichheit, das mit der Bildungspolitik realisiert werden soll. Und Bildungspolitik

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ist wiederum abstrakter beziehungsweise allgemeiner als konkrete Issues wie beispiels­

weise Gesamtschule oder reformierte Oberstufe, die in diesem Kontext diskutiert werden.

In einer von Andrews und Whithey (1976) im Kontext der Forschungen zur Lebensqualität getroffenen konzeptuellen Unterscheidung nehmen solche Nominalkategorien wie Bildung in Abgrenzung zu Werten wie Gleichheit Bezug auf Bereiche. In der Konzeption von An­

drews und Whithey (1976:11) unterscheiden sich Bereiche von Werten - oder allgemeiner:

Kriterien - systematisch darin, daß sie im Lichte von Kriterien beurteilt werden können, und Kriterien sind diese Beurteilungsdimensionen. Bereiche umfassen Plätze, Dinge, Aktivitäten, Personen und Rollen, aber auch soziale Institutionen und Akteure; und Krite­

rien schließen Werte, Standards, Erwartungen und Ziele ein. Auf der Grundlage dieser konzeptuellen Unterscheidung wird die "mittlere" Ebene zwischen abstrakten Handlungs­

zielen und konkreten Issues im folgenden als Ebene der Handlungsbereiche konzipiert.

Der Zusammenhang zwischen Handlungszielen und Handlungsbereichen stellt sich in Analogie zu Andrews und Whitheys Konzeption folgendermaßen dar: Das politische Sy­

stem greift in Bereiche wie beispielsweise Wohnen und Bildung ein, um spezifische ab­

strakte Ziele oder Werte wie beispielsweise Gleichheit oder Sicherheit zu realisieren. Zur Klassifikation von Politikinhalten auf der Ebene der Handlungsbereiche müssen danach im folgenden pro Handlungsziel die Bereiche identifiziert werden, in die das politische Sy­

stem eingreift, um das jeweilige Handlungsziel zu realisieren.

Eine Spezifikation der Po/icy-Handlungsziele auf der Ebene der Bereiche kann in vielen Fällen auf der Grundlage von Konzepten und Definitionen erfolgen, die in der Policy-For- schung entwickelt wurden. Innerhalb der Policy-Forschung ist das wohl ausgereifteste Konzept in Hinblick auf den Wohlfahrtsstaat - also den Zielen sozio-ökonomische Sicher­

heit und sozio-ökonomische Gleichheit - vorgelegt worden. Diese Ziele werden auf einer nachfolgenden Ebene in verschiedene Bereiche unterteilt. Konkret werden die Lebensbe­

reiche spezifizert, in die der Staat mit dem Ziel der sozio-ökonomischen Sicherheit und so- zio-ökonomischen Gleichheit eingreift. Im einzelnen werden die Bereiche Einkommen, Gesundheit, Sozialarbeit, Wohnen, Bildung und Arbeit/Beruf genannt (Flora et al. 1977:

725-726, Flora/Heidenheimer 1981: 26, Alber 1988: 452). Diese Unterscheidung in Ziele und Bereiche des Wohlfahrtsstaats hat ihren systematischen Grund darin, daß die konkre­

ten Wohlfahrtsstaaten historisch und national in starkem Ausmaß variieren. Historisch stand beispielsweise in Deutschland im Mittelpunkt des Wohlfahrtsstaats die Einkom­

menssicherung, die sich in der Einführung der Renten-, Kranken-, Unfall- und Ar­

beitslosenversicherung manifestierte. Im Unterschied dazu zählen heute zu den wohlfahrts­

staatlichen Aktivitäten nicht mehr nur die Einkommenssicherung; es sind weitere Bereiche hinzugekommen, in die der Staat mit dem Ziel der Herstellung sozio-ökonomischer Si­

cherheit und sozio-ökonomischer Gleichheit eingreift wie beispielsweise der Bereich

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Wohnen (Wohngeld, sozialer Wohnungsbau) und Arbeit (Arbeitsbeschaffungs­

maßnahmen). Und es werden - wenn man die Theorien zur weiteren Entwicklung der Wohlfahrtsstaaten betrachtet (wie beispielsweise Luhmann 1981) - vermutlich weitere Be­

reiche hinzukommen. Die Entstehung des Wohlfahrtsstaats bestand danach in der Auf­

nahme der Ziele sozio-ökonomische Sicherheit und sozio-ökonomische Gleichheit in staatliches Handeln, seine weitere Entwicklung hat sich auf einer konkreteren Ebene der Ausdifferenzierung der Bereiche vollzogen. Auf der Grundlage dieser Arbeiten könnte damit das Handlungsziel sozio-ökonomische Sicherheit und sozio-ökonomische Gleichheit in die Handlungsbereiche Einkommen, Gesundheit, Sozialarbeit, Wohnen, Bildung sowie Arbeit/Beruf aufgeteilt werden.

Wenn man die verschiedenen Definitionen zum Ziel Wohlstand betrachtet, dann scheint eine solche Aufgliederung auch für dieses Ziel möglich zu sein. Zu den Handlungen des politischen Systems, die Wohlstand sichern sollen, werden auf einer ersten Ebene die Bereitstellung von Infrastruktureinrichtungen wie beispielsweise Straßenbau sowie Maß­

nahmen zur Steuerung privatwirtschaftlicher Produktionsprozesse und des gesamten wirt­

schaftlichen Kreislaufes gezählt (z.B. Habermas 1973: 52-54, King 1983: 8). Die konkre­

ten Infrastruktureinrichtungen werden nur beispielhaft benannt (s. auch Rose 1976). Ver­

gleicht man die einzelnen Listen der Infrastruktureinrichtungen miteinander, dann können als Handlungsbereiche die folgenden vorgeschlagen werden: Ver-/Entsorgung, Energie, Transport/Verkehr, Kommunikation und Forschung. Eine vergleichbare Klassifikation für die Kategorie der globalen Staatseingriffe wäre die Unterteilung in verschiedene Wirt­

schaftssektoren. Vorgeschlagen werden Landwirtschaft sowie Industrie und Handel.

Definitionsangebote liegen zusätzlich noch für das Handlungsziel Umweltschutz vor. Als

"Grundbereiche des Umweltschutzes" werden Luft, Wasser, Boden, Pflanzen und die Tierwelt angegeben (Wicke 1982: 6). Im Mittelpunkt der inneren Sicherheit stehen zwei Bereiche, die Bekämpfung von Verbrechen und die Herstellung der öffentlichen Ordnung, worunter die Abwesenheit politischer Unruhen verstanden wird (Almond/Powell 1978:

409, Blankenberg 1983: 160). Bei der äußeren Sicherheit werden neben der Verteidigung auch internationale Beziehungen als Handlungsbereiche angegeben (Pryor 1968: 319). Of­

fen bleiben damit noch die Handlungsziele Entfaltung und Freiheit. Auf der Grundlage der Literatur zum Wertewandel (u.a. Hildebrandt/Dalton 1977: 231) können der Entfaltung die Handlungsbereiche Kultur, Erholung und Sport zugeordnet werden. Dem Handlungsziel Freiheit, die als Freiheit vor Regulation und Schutz der Privatsphäre definiert wurde (Almond/Powell 1978: 398), ist in Einklang mit entsprechenden Ausführungen von Al­

mond und Powell (1978: 411) der Handlungsbereich des Rechts zuzuordnen.

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Schaubild 4: Ein analytisches Schema zur Klassifikation von Politikinhalten

Funktionsebene des politischen Systems

Handlungsziele politischer Systeme

Handlungsbereiche politischer Systeme System-Ebene Aufrechterhaltung des Systems

Prozess-Ebene

Adaptivität des Systems Partizipation

Kombination von Handlungsbereichen auf der

Policy-Ebene Befolgung von Gesetzen und

Unterstützung des Systems

Policy-Ebene

Prozedurale Gerechügkeit

Äußere Sicherheit Verteidigung

internationale Beziehungen Innere Sicherheit Kriminalität

öffentliche Ordnung

Freiheit Recht

Wohlstand Ver-/Entsorgung

Energie

Transport/Verkehr Kommunikation Forschung Landwirtschaft Indus trie/Handel sozio-ökonomische

Sicherheit und sozio-ökonomische Gleichheit

Einkommen Gesundheit Sozialarbeit Wohnen Bildung Arbeit/Beruf

Entfaltung Kultur

Erholung Sport

Umweltschutz Luft

Wasser Boden

Pflanzen und Tiere

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Konkretere Handlungsbereiche sind für die Policy-Ziele also auf der Grundlage entspre­

chender Konzepte aus der Policy-Forschung abzuleiten. In bezug auf die System- und Pro­

zeß-Handlungsziele fehlen solche Konzepte, die analog zu den Policy-Konzepten die Handlungsbereiche spezifizieren, in die das politische System unter der spezifischen Ziel­

perspektive eingreift. Das Fehlen solcher Konzepte hat sicherlich mit dem unterschiedli­

chen Charakter der Handlungsziele von Policy-Zielen auf der einen sowie System-und Prozeß-Zielen auf der anderen Seite zu tun. Handlungsziele auf der System- und Prozess- Ebene wie die Aufrechterhaltung des politischen Systems oder die Befolgung von Geset­

zen und Unterstützung des Systems sind im Unterschied zu den Handlungszielen auf der Policy-Ebene weniger umgrenzte Ziele. Ihre Realisierung ist Resultat vielfältig miteinan­

der verwobener Prozesse - vor allem auch der Realisierung von Handlungszielen auf den nachgeordneten Ebenen des politischen Systems -, und weniger das Resultat spezifisch an­

gebbarer Handlungen. Eine Klassifikation der System- und Prozess-Ziele auf einer kon­

kreteren Ebene der Handlungsbereiche ist aufgrund deren Komplexität demnach nicht möglich.

Die für die jeweiligen Handlungsziele identifizierten Handlungsbereiche sind im Schau­

bild 4 im Überblick zusammengestellt. In diesem vorgelegten analytischen Schema zur Klassifikation von Politikinhalten bedarf die Beziehung zwischen Handlungszielen und Handlungsbereichen einer weiteren Klärung. Das Schema legt nahe, daß einzelne Handlungsbereiche immer eindeutig spezifischen Handlungszielen zuzuordnen sind, und läßt außer acht, daß Handlungsbereiche multifunktional in Hinblick auf die Verfolgung von Zielen sind. Die Handlungsbereiche Transport/Verkehr und Kommunikation bei­

spielsweise sind einerseits wichtige Grundlagen des Wohlstands, sie dienen aber gleich­

zeitig auch der sozio-ökonomischen Sicherheit und der sozio-ökonomischen Gleichheit der Bürger. Multifunktional ist auch die Bildung. In ihr wird ein Mittel zur Erhöhung der Chancengleichheit gesehen, weshalb sie den wohlfahrtsstaatlichen Zielen sozio-ökonomi- sche Sicherheit und sozio-ökonomische Gleichheit zuzuordnen ist (Flora/Heidenheimer 1981). Wie in der aktuellen Diskussion des Wertewandels zum Ausdruck kommt, wird in ihr gleichzeitig ein wesentliches Element der individuellen Entfaltung gesehen (Hildebrandt/Dalton 1977). Das Faktum der Multifunktionalität hat zur Folge, daß - tech­

nisch formuliert - in der Zuordnung von Konstrukten (Handlungsziele) zu Indikatoren (Handlungsbereiche) eine Vielzahl "schmutziger Pfeile" vorliegen. Da die Handlungsbe­

reiche ausgehend von den Handlungszielen konzipiert wurden, liegt dem vorgeschlagenen analytischen Schema die Idee zugrunde, pro Handlungsziel jeweils die primären Handlungsbereiche - technisch: die jeweils dominantesten Pfeile - identifiziert zu haben. In Abhängigkeit von jeweils spezifischen Fragestellungen sind auch andere Zuordnungen zwischen Handlungsbereichen und Handlungszielen denkbar.

(20)

4. Anwendungsbeispiele

Die entwickelte Klassifikation von Politikinhalten ist als Vorschlag zu verstehen, der einen Leitfaden für empirische Untersuchungen abgeben kann. In Hinblick auf die Güte der Klassifikation ist die entscheidende Frage, ob sich dieses analytische Schema in empiri­

schen Analysen als fruchtbar erweist. Die Durchführung solcher empirischen Analysen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Abschließend soll aber die Brauchbarkeit des analytischen Schemas geprüft werden, indem das Schema auf bereits bestehende Datensammlungen an­

gewendet wird. Geprüft werden soll, ob diese Datensammlungen sich in befriedigender Weise auf die Kategorien des analytischen Schemas beziehen lassen, und ob das analyti­

sche Schema tatsächlich so umfassend ist, daß es auf alle Handlungsprodukte des poli­

tischen Prozesses, für Analysen auf der Makro- und auf der Mikroebene und für empiri­

sche Analysen im internationalen Vergleich anwendbar ist (s. 1).

Da die Prüfung der Anwendbarkeit nur exemplarischen Charakter haben kann, werden zentrale Datensammlungen von Makro- und Mikrodaten der Abteilung "Institutionen und sozialer Wandel" ausgewählt, die sich jeweils auf ein Handlungsprodukt der Input- und der Outputphase des politischen Prozesses beziehen, und die in mehreren Ländern erhoben worden sind. Für die Makroebene wird auf der Input-Seite für das Handlungsprodukt der Streitfragen das inhaltsanalytische Kategorienschema der Manifesto Research Group des European Consortium for Political Research ausgewählt (Budge/Robertson/Hearl 1987);

für die Output-Seite das Handlungsprodukt der Leistungen, für die ebenfalls im Rahmen dieses Projektes Daten zu Staatsausgaben zusammengetragen wurden. Herangezogen wird im folgenden nicht die Auswahl von Staatsausgaben wie sie in den empirischen Analysen dieses Projekts zum Zusammenhang zwischen Wahlprogrammen und staatlichem Ausga­

beverhalten verwendet wird (beispielsweise Hofferbert/Klingemann 1990), sondern eine alle Staatsausgaben umfassende Datensammlung (Hofferbert 1990). Für die Mikroebene wird auf der Input-Seite das Handlungsprodukt der Ansprüche und auf der Output-Seite das der Leistungen auf der Grundlage entsprechender Daten aus Einstellungsstudien analy­

siert. Zur Überprüfung der Anwendbarkeit des analytischen Schemas werden die in den vier Datenquellen jeweils ausgewiesenen Kategorien den Handlungszielen und den Handlungsbereichen des analytischen Schemas zugeordnet (für die Makrodaten s. Schau­

bild 5 und Schaubild 6, für die Mikrodaten s. Schaubild 7). Geprüft werden soll die An­

wendbarkeit sowohl auf der Dimension der Handlungsziele als auch auf die Dimension der Handlungsbereiche. Auf die Zuordnung der Kategorien im einzelnen kann dabei nicht ein­

gegangen werden.

Bei der Zuordnung der inhaltsanalytischen Kategorien der Wahlprogrammdaten (s.

Schaubild 5) zu den Handlungszielen des entwickelten analytischen Schemas wird deut-

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Schaubild 5: Klassifikation von inhaltsanalytischen Wahlprogrammdaten

Analytische Klassifikation

Kategorien Handlungsziele Handlungsbereice

Externe Beziehungen

Spezifische Beziehungen zum Ausland Anti-Imperialismus

Militär Frieden

Internationalismus Europäische Gemeinschaft Freiheit und Demokratie

Freiheit und Menschenrechte Demokratie

Konstitutionalismus Dezentralisierung

Effizienz des Staates und der Bürokratie

Politische Korruption Politische Autorität Ökonomie

Freies Unternehmertum Anreize

Marktregulierung Ökonomische Planung Korporatismus Protektionismus

Ökonomische Ziele allgemein Keynes ökonomisches Management Produktivität

Technologie und Infrastruktur Kontrolle der Ökonomie Nationalisierung Ökonomische Orthodoxie Wohlfahrt und Lebensqualität

Umweltschutz

Kunst, Sport, Erholung und Medien Soziale Gerechtigkeit

Expansion des Wohlfahrtsstaats Expansion der Bildung

Nationale Lebensart Traditionelle Moral Ruhe und Ordnung Soziale Harmonie Multikulturalismus Soziale Gruppen

Arbeiter

Landwirtschaft und Farmer Mittelstand und Professionen Unterprivilegierte Minderheiten Nicht-ökonomische demographische

Gruppen

äußere Sicherheit äußere Sicherheit äußere Sicherheit äußere Sicherheit äußere Sicherheit äußere Sicherheit auch: Freiheit auch: Partizipation auch: Freiheit

Aufrechterhaltung des Systems Aufrechterhaltung des Systems Aufrechterhaltung des Systems Wohlstand

Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Wohlstand Umweltschutz Entfaltung

sozio-ökonomische Sicherheit + sozio-ökonomische Gleichheit sozio-ökonomische Sicherheit + sozio-ökonomische Gleichheit sozio-ökonomische Sicherheit + sozio-ökonomische Gleichheit auch: Freiheit

innere Sicherheit

auch: Aufrechterhaltung des Systems

auch: Freiheit

sozio-ökonomische Sicherheit + sozio-ökonomische Gleichheit Wohlstand

Wohlstand

sozio-ökonomische Sicherheit + sozio-ökonomische Gleichheit sozio-ökonomische Sicherheit + sozio-ökonomische Gleichheit

internationale Beziehungen internationale Beziehungen Verteidigung

Verteidigung

internationale Beziehungen internationale Beziehungen

auch: Forschung, Kommunika­

tion, Transport

alle Bereiche alle Bereiche

alle Bereiche, außer Bildung

Bildung Verbrechen

Landwirtschaft Industrie/Handel

Quelle: Manifesto Research Group des European Consortium for Political Research (hier:

Budge/Robertson/Hearl 1987: 459-465 Appendix B und Volkens/Hearl 1990:55-66)

(22)

lieh, daß die Programmdaten sich auf Handlungsziele aller drei Funktionsebenen des poli­

tischen Systems beziehen. Von den vier ausgewählten Datentypen sind dies die einzigen Daten, bei denen dies der Fall ist. Die Programmdaten sind andererseits auch die einzigen, bei denen nicht alle (inhaltsanalytischen) Kategorien den Handlungszielen zugeordnet werden können (beispielsweise Dezentralisierung) und bei denen manche (inhaltsanalytischen) Kategorien den Handlungszielen nur teilweise zuzuordnen sind (beispielsweise Freiheit und Menschenrechte). In den Wahlprogrammen kommen danach nicht nur Themen zur Sprache, die auf die politische Produktivität zu beziehen sind, son­

dern andere Dimensionen wie Merkmale des politischen Systems oder des politischen Pro­

zesses betreffen. In bezug auf die Ebene der Handlungsbereiche des analytischen Schemas ist auffällig, daß vor allem bei dem Ziel Wohlstand für viele Kategorien keine Zuord­

nungen möglich sind. Betrachtet man die entsprechenden inhaltsanalytischen Kategorien zum Handlungsziel Wohlstand (beispielsweise Anreize oder Keynes ökonomisches Mana­

gement, Nationalisierung), dann wird deutlich, daß sich die Programmdaten auf einer kon­

kreteren Ebene häufig nicht direkt auf (Handlungs-)Bereiche beziehen, in die das politi­

sche System eingreift um bestimmte Ziele zu realisieren. Stattdessen werden Mittel (Outputs) wie beispielsweise verschiedene Formen politischer Regulierung benannt;

Mittel, die sich auf die Form beziehungsweise Art des Eingriffe politischer Systeme in spe­

zifische Bereiche beziehen, um spezifische Ziele zu realisieren. In diesem Sinn wäre beispielsweise Keynes ökonomisches Management eine Form des Eingriffe des politischen Systems in verschiedene wirtschaftliche Bereiche zur Verwirklichung des Ziels Wohlstand. Die Tatsache, daß im Party Manifesto-Projekt insbesondere in bezug auf die Ökonomie vor allem verschiedene Mittel vercodet worden sind, hat ihren Grund darin, daß auf der Grundlage dieser Inhaltsanalysen primär ideologische Positionen beziehungsweise Profile der Parteien beschrieben werden sollten. Und wie die Issueforschung gezeigt hat, kommen unterschiedliche Positionen (position issues) weniger in unterschiedlichen Zielprioritäten (goal defined issues) als in unterschiedlichen Mitteln zur Realisierung dieser Ziele (policy defined issues) zum Ausdruck (Butler/Stokes 1974: 276-295).

In bezug auf das entwickelte analytische Schema ist der Sachverhalt, daß einige inhalts­

analytischen Kategorien der Programmdaten nicht der Dimension der Handlungsziele zugeordnet werden können, nicht von Bedeutung. Das analytische Schema beansprucht nur politische Produktivität zu klassifizieren, nicht Kategorien wie Konstitutionalismus oder Dezentralisierung, die sich auf Merkmale des politischen Systems oder auf Merkmale des politischen Prozesses beziehen (s. dazu beispielsweise Lijphart 1984). Problematischer hingegen ist möglicherweise der Sachverhalt zu werten, daß einige inhaltsanalytische Kategorien der Programmdaten zwar auf der Ebene der Handlungsziele, nicht aber auf der Ebene der Handlungsbereiche klassifiziert werden können, weil die Kategorien auf Mittel

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bezug nehmen. Dieser Sachverhalt wird dann problematisch, wenn viele relevante Daten­

sammlungen die Daten nicht in bezug auf die konzipierten Handlungsbereiche, sondern in bezug auf Mittel klassifizieren. In einem solchen Fall wäre dann zu überlegen, ob man in die vorgelegte Klassifikation eine solche zusätzliche Klassifikation der Mittel einführt.

Almond und Powell (1978: 12) haben dafür die Unterscheidung zwischen extraktiven, dis­

tributiven, regulativen und symbolischen Mitteln vorgeschlagen (zu einem Klassifikati­

onsvorschlag der Mittel s. auch Voltmer/Weßels 1991).

Schaubild 6: Klassifikation von Ausgabedaten

Analytische Klassifikation

Kategorien Handlungsziele Handlungsbereiche

Politische Führung und zentrale

Verwaltung Aufrechterhaltung des Systems

Auswärtige Angelegenheiten äußere Sicherheit internationale Beziehungen

Verteidigung äußere Sicherheit Verteidigung

Öffentliche Ordnung (incl. Kriminalität) innere Sicherheit alle Bereiche Bildung/Forschung/kulturelle sozio-ökonomische Sicherheit

Angelegenhei ten + sozio-ökonomische Gleichheit Bildung

Wohlstand Forschung

Entfaltung Kultur

Wohlfahrt/soziale Sicherheit sozio-ökonomische Sicherheit

+ sozio-ökonomische Gleichheit Einkommen Gesundheit (incl. Sport, Erholung sozio-ökonomische Sicherheit

Umweltschutz) + sozio-ökonomische Gleichheit Gesundheit

Entfaltung Sport, Erholung

Umweltschutz alle Bereiche

Wohnen (incl. kommunale Gemein- sozio-ökonomische Sicherheit

Schaftsdienste) + sozio-ökonomische Gleichheit Wohnen

Wohlstand Ver-/Entsorgung

Landwirtschaft Wohlstand Landwirtschaft

Energie/Wasser/Gas Wohlstand Energie, Ver-/Entsorgung

Transport/Kommunikation Wohlstand Transport/Verkehr,

Kommunikation

Quelle: Manifesto Research Group des European Consortium for Political Research (hier: Hoffer- bert/KIingemann 1990, Hofferbert 1990)

Bei der Zuordnung der staatlichen Ausgabedaten (s. Schaubild 6) zu dem analytischen Schema ergibt sich ein anderes Bild. Auf der Ebene der Handlungsztefe sind alle Ausga­

bekategorien zuzuordnen, die vorgegebenen Kategorien beziehen sich dabei - mit einer Ausnahme - auf die Handlungsziele der Policy-Ebene des politischen Systems. Ein Pro­

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blem der Ausgabedaten besteht darin, daß in den Ausgabekategorien teilweise mehrere einzelne Handlungsziele angesprochen werden (beispielsweise enthält Gesundheit auch Sport, Erholung und Umweltschutz). Dies ist aber kein grundsätzliches Problem, denn die Ausgabedaten liegen jeweils auch für diese einzelnen Kategorien vor, so daß die Daten in bezug auf das analytische Schema organisierbar sind. Auch auf der Ebene der konkreten HandlungsfoereicAe sind die Ausgabekategorien auf das analytische Schema zu beziehen.

Festzuhalten ist außerdem, daß die Ausgabedaten nahezu vollständig die Policy-Ebene des politischen Systems abdecken. Auf der Ebene der Handlungsziele fehlt als einziges Ziel die Freiheit, was darin begründet liegt, daß sich hier staatliches Handeln nicht in monetä­

ren Einheiten dokumentiert. Auf der Ebene der Handlungsbereiche fehlen ebenfalls vornehmlich solche Bereiche, die sich dadurch auszeichnen.

In Hinblick auf die MiArodaten (s. Schaubild 7) ist die Sachlage vergleichbar mit den Ausgabedaten. Die für die Ansprüche und Leistungen ausgewählten Fragen nehmen - mit nur einer Ausnahme (s. Leistungen) - ebenfalls vornehmlich Bezug auf die Policy- Funktionen des politischen Systems. Die Itemformulierungen sind mehrheitlich eindeutig auf die Handlungsziele und Handlungsbereiche beziehbar. Nur bei einigen wenigen Hand­

lungsbereichen ist keine Zuordnung möglich, weil andere Dimensionen angesprochen werden (s. Kampf gegen die steigenden Preise bei Wohlstand). Das entwickelte analyti­

sche Schema ist also ohne grundlegende Einschränkungen ebenfalls zur Klassifikation von Mikrodaten anwendbar.

Die Prüfung der Anwendbarkeit des analytischen Schemas zur Klassifikation von Politi­

kinhalten kommt danach zu einem positiven Ergebnis. Es kann festgehalten werden, daß mit den vorgeschlagenen Handlungszie/e/z solche spezifiziert worden sind, die explizit oder implizit in zentralen Datensätze angesprochen werden; mit einer gewissen Einschrän­

kung - den inhaltsanalytischen Programmdaten - gilt dies auch für die Ebene der Hand- lungsbereiche. Die existierenden Datensammlungen lassen sich danach auf die Kategorien des analytischen Schemas zuordnen. Das analytische Schema hat sich außerdem als umfas­

send erwiesen, denn es konnte auf Daten angewendet werden, die sich auf verschiedene Handlungsprodukte des politischen Prozesses (Ansprüche, Streitfragen und Leistungen) als auch auf die Makro- und die Mikroebene beziehen. Bei der Anwendung des analytischen Schemas auf Daten der Makro- und der Mikroebene hat sich gezeigt, daß die mikroanalyti­

schen Einstellungsstudien sich typischerweise auf die Policy-Ebene beziehen, während die Makrodaten auch inhaltliche Kategorien enthalten, die der System-Ebene zuzuordnen sind.

Der Ansatz, bei der Konzeption der Ziele politischen Handelns nicht nur einseitig die Per­

spektive des Bürgers, sondern ebenfalls die Perspektive des politischen Systems zu be­

rücksichtigen, hat sich also als fruchtbar erwiesen.

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