Ausgabe 1 Seite 34 vom 05.01.1983
Wie man komplexe Verkaufsaufgaben kreativ angeht und dauerhaft gute Ergebnisse erzielt
Große Abschlüsse erfordern ein klares Konzept
Von Shapiro, Benson P.
Viele Unternehmen werden heutzutage neuartigen Verkaufssituationen konfrontiert - sie verkaufen Anlagen, die Millionenbeträge kosten und beim Kunden mannigfache Auswirkungen haben; sie arbeiten an Abschlüssen, deren Abwicklung möglicherweise Jahre in Anspruch nimmt; oder sie arrangieren Fusionen mit anderen Unternehmen. In diesem Artikel beschreiben die Autoren einige der Änderungen, die sich in der letzten Zeit im Verkauf und im Vertrieb ergeben haben - zum Beispiel den Trend zu komplexeren und größeren Abschlüssen - , Änderungen, die sowohl Käufer als auch Verkäufer
beachten sollten. Die Verfasser entwickeln dann einen systematischen Ansatz, der Unternehmen nicht nur den Abschluß erleichtern, sondern auch langfristige partnerschaftliche Beziehungen mit sich bringen kann. Ihr in acht Schritte gegliedertes Programm zeigt, wie man den ersten Kontakt herstellt, sich auf die erfolgversprechenden und sinnvollen Kontakte konzentriert, ein Profil der Bedürfnisse einer Kundenfirma und ihrer wichtigsten Repräsentanten erstellt, dem Käufer eine Rechtfertigung für den Kauf an die Hand gibt, die Ressourcen des eigenen Unternehmens mobilisiert, um ein attraktiveres Verkaufspaket zu präsentieren, den Kunden zum Kauf bewegt, den Verkaufsabschluß perfekt macht und schließlich die Beziehung zum Kunden aufrechterhält.
BENSON P. SHAPIRO ist außerordentlicher Professor für Business Administration an der Harvard Business School; er lehrt das Fach Verkaufsmanagement. RONALD S. POSNER ist Chairman und Gründer von National Trainings Systems Inc. in Los Angeles.
Während der letzten Jahre ist es immer deutlicher geworden, daß sich dem Verkäufer neue Aufgaben stellen, wenn er Investitions- oder Konsumgüter oder Dienstleistungen an andere Unternehmen verkaufen will. Deshalb müssen Verkäufer heute ganz
andersartige Leistungen erbringen. Fusionen und Aufkäufe von Unternehmen, der Erwerb von Firmenbestandteilen und neuartige Formen der Unternehmensfinanzierung sind immer häufiger an der Tagesordnung. Dadurch sind der Verkauf von Unikaten und der Einmalverkauf - zum Beispiel der Verkauf einer Zweigstelle oder eines ganzen
Unternehmens oder auch von Lizenzverträgen - viel wichtiger geworden. Das ist das eigentlich Neue;
solche Transaktionen hat es zwar schon immer gegeben, aber sie sind jetzt zahlreicher und bedeutsamer und ziehen allmählich die
Aufmerksamkeit der Vertriebsmanager auf sich.
Ferner sind Unternehmen größer (und zugleich komplexer) geworden, und das durchschnittliche Verkaufsvolumen hat zugenommen. In einigen Branchen sind diese Änderungen sogar dramatisch, vor allem in Hinblick auf die Entwicklung, ganze Systeme zu verkaufen und umfangreiche Verträge über Eigenmarken von Supermarktketten im Konsumgüterbereich abzuschließen. * Die Division
"Industrierohstoffe" eines großen
Chemieunternehmens verkauft seit langem
Schwefelsäure. Ihre bedeutenderen Jahresverträge haben ein Volumen von ein bis zwei Millionen Dollar und eine Laufzeit von mehreren Jahren. Vor kurzem entwickelte die Division ein System zur Begrenzung der Schadstoffemission für ein Unternehmen der Energiewirtschaft. Der Verkauf dieses Systems zog für den Käufer einen Kapitalaufwand von mehr als 20 Millionen Dollar nach sich, der sich auf viele Jahre verteilt. * Verträge über Eigenmarken bestimmter Konsumgüter sind weithin selbstverständlich geworden; während früher nur die großen
Handelsketten wie Sears Roebuck, J. C. Penney und Montgomery Ward Eigenmarken produzieren ließen, schließen heutzutage auch viele regionale
Supermarktketten, Discounter oder Warenhäuser solche Verträge ab. Überdies sind die vertraglich festgelegten Mengen durchweg stark gewachsen;
nicht selten geht es bei solchen Abschlüssen um zehn Millionen Dollar oder mehr. * Auch relativ kleine Unternehmen erzielen große Abschlüsse. Im
Dienstleistungsbereich der Gebäudereinigung und - pflege bewerben sich Unternehmen mit einem Jahresumsatz von nur zehn Millionen Dollar durchaus um Aufträge in Millionenhöhe. * Das Ergebnis von einigen wenigen großen Abschlüssen kann manchmal über das Wohlergehen eines Unternehmens entscheiden. Die niedrigen
Verkaufsziffern des Flugzeugs L 1011 gehören zum Beispiel zu den Hauptproblemen, mit denen sich Lockheed herumzuschlagen hat. In vielen Branchen sind die Konsequenzen eines Vertragsabschlusses oft viel weitreichender, als es die ursprüngliche Kaufverpflichtung selbst ist, beim Kauf komplexer Systeme kann die Beschaffungsentscheidung Auswirkungen auf das Grundkapital, die
Zulieferungen, die Rohstoffe und die Arbeitsabläufe haben. Der Kauf eines Computersystems kann
Verfahren und Unternehmenspolitik des Kunden über mehrere Jahre hin entscheidend beeinflussen. Die Methoden der Bilanzerstellung, das
Lagerkontrollsystem, die Fertigungskontrolle, das Marketing und der gesamte administrative Bereich können davon betroffen sein. So wie der Einkauf immer komplexer und die damit verbundenen Risiken immer größer geworden sind, haben sich auch die mit dem Verkauf und dem Kundenservice
verbundenen Kosten und Probleme vervielfacht. Im Investitionsgütersektor kostete der durchschnittliche Kundenbesuch schon vor fünf Jahren mehr als 70 Dollar, und die Abwicklung mancher
Verkaufsabschlüsse nimmt mehrere Jahre in
Anspruch. Größere Abschlüsse erfordern häufig den Einsatz spezieller Produkte und Dienstleistungen, und manchmal verlangt der Kunde sogar
Sonderanfertigungen. Zum Beispiel werden die meisten Produkte, die unter Eigenmarken vertrieben werden, ausdrücklich für nur einen Kunden
entworfen. Weil große Abschlüsse viele Abteilungen des Käufers beeinflussen, werden immer mehr Personen in die Entscheidungsfindung einbezogen;
die Kriterien für den Kauf werden immer ausgefeilter.
Selbstverständlich machen sich die
Entscheidungsträger beim Kunden Gedanken über derartige Transaktionen und müssen deren
Auswirkungen auf ihren Betrieb sorgfältig bewerten.
Deswegen müssen die Kontakte zu ihnen ständig gepflegt werden, sie brauchen vor allem mehr finanzielle Daten als üblich - zum Beispiel über die Kapitalrendite und detaillierte Kosten-Nutzen- Analysen. In diesem Artikel versuchen wir, ein Programm von Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln, das für Marketingfachleute in diesen beiden neuen Situationen von Nutzen sein kann.
Zunächst stellen wir ein Basisprogramm vor. Danach zeigen wir in acht Einzelschritten, was das
Management tun muß, um bei seinen
Verkaufsbemühungen größere und nachhaltige Erfolge zu erzielen. Schließlich stellen wir einige organisatorische Richtlinien auf, um Unternehmen bei der Umsetzung dieses Programms in allen ihren Aktivitäten zu helfen.
Das Basisprogramm
Große Abschlüsse, und zwar sowohl der einmalige Verkauf als auch die fortlaufende
Geschäftsbeziehung, bedürfen besonderer Behandlung: Sie sind komplexer, ihr potentieller Gewinn ist größer, und sie haben langfristige Auswirkungen auf Käufer und Verkäufer. Ein
systematisches Programm, das für beide funktioniert, ist das Konzept des strategischen Verkaufens. Dabei handelt es sich zum einen um einen sorgfältig geplanten, umfassenden Prozeß, der die Koordination des Käufers und des Verkäufers erforderlich macht, der die Bedürfnisse des Kunden identifiziert und zwischen ihnen und den Produkten des Verkäufers eine Beziehung herstellt.
Strategisches Verkaufen ist besonders relevant für Millionengeschäfte, weil nur ein hoher potentieller Gewinn die sorgfältige Planung und den großen Einsatz von Ressourcen rechtfertigen kann, die damit verbunden sind. Obwohl strategisches Verkaufen keine neue Technik darstellt, hat es in der letzten Zeit größeres Interesse geweckt, weil dadurch mehr Menschen, mehr Ressourcen und mehr
Informationen über die Bedürfnisse des Kunden in den Verkaufsprozeß integriert werden. Vor allem diese Eigenschaften lassen strategisches Verkaufen zur Bewältigung der Veränderungen geeignet erscheinen, die sich im Verkauf durchgesetzt haben.
Der Prozeß ist besonders effektiv, weil er zwei Ziele zugleich betont: den Abschluß zu erzielen und eine dauerhafte Kundenbeziehung zu entwickeln.
Dadurch, daß die Gewinne höher werden und der Absatz sich über längere Zeiträume erstreckt, steigt die Bedeutung des zweiten Ziels. Für wiederholte große Abschlüsse sollte das Ziel infolgedessen darin bestehen, langfristige Kundenbeziehungen zu entwickeln und nicht nur zu verkaufen. Der Lieferant mit einer guten Beziehung zum Kunden hat einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. Weil die Risiken hoch sind und sich Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer erst im Laufe der Zeit entwickeln, zögern Käufer, neue Lieferanten auszuprobieren, und neigen dazu, bei den bisherigen zu bleiben (es sei denn, daß die Beziehung unerträglich wird oder die Kosten sich unmäßig erhöhen). Viele Unternehmen glauben deshalb auch, daß ihre gegenwärtigen Kunden auch zukünftig ihre besten Kunden sein werden.
Computerfachleute behaupten zum Beispiel, an IBM- Statistiken zeige sich, daß sich die Umsätze mit jedem neuen Kunden alle sechs Jahre um den Faktor 8 erhöhten. Dies hieße aber, daß ein neuer Abschluß über 5000 Dollar im Monat in sechs Jahren ein Volumen von 40 000 Dollar im Monat haben würde.
Weil befriedigende Kundenbeziehungen jedem Vertriebsfachmann Vorteile bringen, hat der
Verkäufer zwei Aufgaben: 1. Die langfristigen Vorteile einer dauerhaften Vertragsbeziehung dem Kunden gegenüber hervorheben; 2. dazu beitragen, daß der Kunde ihm selbst und seinem Unternehmen vertraut und beide für glaubwürdig hält. Es macht einen großen Unterschied, ob man einem Kunden einen Kauf aufschwatzt oder ob man zu ihm eine
langfristige Beziehung entwickelt. Dieser Unterschied läßt sich an dem Phänomen des "Pyrrhus-Verkaufs"
demonstrieren, bei dem der Verkauf zwar zustande kommt, die Beziehung zum Kunden aber zerstört wird. In einer langfristigen Beziehung ist der Kunde jedesmal wieder in der Lage, über den Kauf des Produkts zu entscheiden. Dieser Umstand macht es erforderlich, daß der Verkäufer die Beziehung zum Kunden sorgfältig pflegt: Falls er den Abschluß eines Kaufvertrags bei einem unschlüssigen Kunden zu sehr forciert, wird dadurch häufig die Glaubwürdigkeit und zugleich auch die Gelegenheit für künftige Abschlüsse zerstört. Wenn aber der Verkäufer bereit ist, auf einen Abschluß zu verzichten, der nicht im
langfristigen Kundeninteresse liegt, kann er eine gute Beziehung zu diesem Kunden aufbauen. Zum Beispiel wird ein Verkäufer in der
Konfektionsbranche, der bereit ist, dem Kunden zu erklären, daß einige Artikel in seinem Angebot trotz ihrer offensichtlichen Attraktivität beim
Endverbraucher nicht so gut ankommen, diesem Kunden und auch sich selbst - langfristig gesehen - helfen. Oder stellen Sie sich die Antwort vor, die ein Kunde einem Verkäufer von Pumpen gibt, der zu ihm sagt: "Ja, wir bieten die besten Pumpen für Ihre Bedürfnisse A, B und C an, aber leider sind sie für den Zweck D nicht so gut wie die unserer
Konkurrenten." Der einmalige Verkauf ist eine etwas andere Situation, weil hier der Kunde noch
sorgfältiger auf die Wahrung seiner Interessen achtet. Der Verkäufer sollte stets bemüht sein, einen guten Eindruck zu machen, weil der Kauf sich in der Geschäftswelt, vor allem in der betreffenden
Branche, sehr wohl herumsprechen wird und weil auch nach dem Verkauf der Käufer und der
Verkäufer häufig noch miteinander zu tun haben. Oft werden zum Beispiel die Manager eines
aufgekauften Unternehmens die Angestellten der Käuferfirma. Daher möchten sie einen Kaufvertrag ausarbeiten, der zur Zufriedenheit aller Beteiligten ausfällt. Dies gilt auch für Lizenzvereinbarungen und andere Einmalverkäufe, die zu bleibenden
Beziehungen führen. Einer der interessantesten Aspekte des Einmalverkaufs besteht darin, daß sich normalerweise beide Partner gegenseitig etwas verkaufen. Zum Beispiel verwendet der Käufer oft sehr große Mühe darauf, den Managern der zu übernehmenden Firma die Vorteile der Fusion schmackhaft zu machen. Dies führt zu
Verhandlungen, die einer Eheanbahnung dadurch ähneln, daß beide Seiten zugleich Käufer und Verkäufer sind. Auf diese Weise können die
Methoden des strategischen Verkaufens nicht nur bei den beiden Typen großer Verkaufsabschlüsse, sondern auch von beiden Seiten eines
Einmalverkaufs eingesetzt werden.
Die einzelnen Schritte
Strategisches Verkaufen ist ein Acht-Schritte- Programm, das den Verkauf von der anfänglichen Entscheidung, bei einem erfolgversprechenden Kunden am Ball zu bleiben, über die angemessene Strategie für die Gewinnung des Kunden bis hin zum endgültigen Abschluß des Kaufvertrags gliedert. Weil sich strategisches Verkaufen auch mit der
Entwicklung einer Beziehung zum Kunden befaßt, gehört zu diesem Prozeß auch die Diskussion, wie man derartige Beziehungen aufrechterhält. Wir wollen diese Schritte im folgenden einzeln behandeln.
1. Start des Verkaufsprozesses
Bei der Vorbereitung eines Verkaufs sollte der
Verkäufer ausreichende Vorarbeit geleistet haben, um sich eine Vorstellung von der Wahrscheinlichkeit des Verkaufs und von der für den ersten Kontakt in Frage kommenden Person gemacht zu haben. Wenn er meint, daß es eine Chance für einen Verkauf gibt, besteht der nächste Schritt darin, den
Verkaufsprozeß zu "eröffnen", was oft telephonisch geschieht. Sein Ziel muß sein, genügend
Informationen von der ersten Kontaktperson zu erhalten, um entscheiden zu können, welche Personen für eine persönliche Begegnung in erster Linie in Frage kommen. Der beste Einstieg, vor allem bei Einmalverkäufen, wird manchmal durch einen Dritten arrangiert; dies ermöglicht dem Verkäufer, Anerkennung und Glaubwürdigkeit zu gewinnen, unangemeldete Anrufe, die für ihn nur unvorteilhaft wären, zu vermeiden und schließlich Informationen zu erhalten, ohne seine Absichten mitteilen zu müssen. Einige Unternehmen haben erprobte Dritte zu ihren "zweiten Verkaufsteams" gemacht. Einige Beispiele: * Ein junges Unternehmen in Los Angeles, das Dienstleistungen für Fernsehproduktionen verkauft, hat festgestellt, daß es viel leichter und effektiver ist, wenn es von seinem Kopierwerk weiterempfohlen wird. Diese Firma ist bereits seit 30 Jahren in der Branche tätig und verfügt über einen exzellenten Ruf und eine große, zufriedene Kundschaft. * Die Bank of America instruiert ihre Sachbearbeiter für Betriebsmittelkredite, vereidigte Wirtschaftsprüfer wegen einer Empfehlung an deren Klienten anzusprechen. Damit diese Eröffnungen und Empfehlungen durch Dritte kontinuierlich erfolgen, müssen beide Seiten etwas davon haben. Häufig funktionieren diese informellen Beziehungen für beide Seiten so gut, daß sie in einer Vereinbarung formalisiert werden, die eine Kommission oder Provision für jede Empfehlung vorsieht, die zu einem festen Auftrag führt.
2. Bewertung des potentiellen Kunden
Der nächste Schritt besteht darin zu bestimmen, ob der Abschluß eines Kaufvertrages möglich ist oder ob es sinnvoll ist, sich auf andere erfolgversprechende und sinnvolle Kontakte zu konzentrieren. Leider scheinen viele Unternehmen mehr Zeit mit
potentiellen Kunden zu verbringen, die in Wirklichkeit gar keine Kaufabsicht haben, als mit den Kunden, die zum Kauf bereit sind. Das alte Kriterium der hohen Zahl, das die Effektivität des Verkäufers an der Anzahl der Kundenkontakte maß, gilt nicht mehr;
worauf es ankommt, ist die Qualität des
Kundenbesuchs. Der Verkäufer sollte sich in etwa die folgenden Fragen stellen: * Hat der potentielle Kunde tatsächlich einen Bedarf für mein Produkt? * Wird dieser Bedarf vom Topmanagement erkannt? * Falls nein, habe ich eine Chance, das Topmanagement doch zu überzeugen? * Kann ich mein Produkt als eine Antwort auf diesen Bedarf darstellen? * Kann ich einflußreiche Einkäufer und andere, die bei der Kaufentscheidung mitzureden haben, identifizieren?
Alle diese Fragen lassen sich zu zwei gleich wichtigen Punkten zusammenfassen: 1. Kann mein Unternehmen dem Käuferunternehmen von Nutzen sein? 2. Kann ich die beiden Unternehmen
zusammenbringen? Zum Beispiel ist es für einen Verkäufer fast unmöglich, im Wettbewerb mit einem anderen stark interessierten Verkäufer zu siegen, der zu dem potentiellen Kunden eine besonders enge Beziehung etwa aufgrund familiärer Bindungen unterhält. Psychologisch ist dieser
Bewertungsprozeß für einen Verkäufer schwer zu akzeptieren, weil er in der Vergangenheit immer gelernt hat, daß der sogenannte Anknüpfungspunkt seine stärkste Waffe ist. Jetzt aber muß er lernen, daß er nicht über den Anknüpfungspunkt hinaus gehen soll, wenn ein Verkaufsabschluß nicht sehr wahrscheinlich ist - und daß er außerdem die Entscheidung über sein Potential selbst treffen muß.
Er muß sich also nicht nur bohrende Fragen wie die oben erwähnten stellen, sondern er muß
möglicherweise auch eine freundschaftliche Beziehung abbrechen, wenn sie keinen geschäftlichen Erfolg zu versprechen scheint.
3. Entwicklung einer Verkaufsstrategie Beim strategischen Verkaufen sind so viele Aktivitäten erforderlich, so viele Informationen zu beschaffen, so vielen einflußreichen Leuten ist Aufmerksamkeit zu widmen, daß leicht wichtige Überlegungen übersehen werden. Wenn der Verkäufer einen Verkauf für möglich hält, braucht er einen Plan, um seinen Bemühungen eine Richtung zu geben und die Ressourcen seines Unternehmens so einsetzen zu können, daß es zum Abschluß des Kaufvertrages und zur Entwicklung einer
Kundenbeziehung kommt. Was wir als "Profil der strategischen Verkaufschance" bezeichnen, ist eine einfache Technik, mit deren Hilfe der Verkäufer eine Gesamtstrategie entwickeln und seine Bemühungen so organisieren kann, daß jeder Punkt bedacht wird.
Auf einem Vordruck kann der Verkäufer die Kontaktpersonen, die erhaltenen Informationen, seine eigenen Aktivitäten, seine Nachfolgeaktionen und die Resultate der Kontakte eintragen. Die Informationen, die er erhält, werden sehr unterschiedlich ausfallen. Es handelt sich um praktische Informationen (bestimmte Personen brauchen detaillierte Kostenvoranschläge und spezifische Daten über das Produkt und seine Anwendung), organisatorische Informationen (die andere Seite wird nur mit einer Person in einer entsprechenden Position beim Verkäufer verhandeln oder bedarf hinsichtlich ihrer Rolle der
Rückendeckung für die Kaufentscheidung) und persönliche Informationen (die andere Seite zieht Konzepte vielen Einzelinformationen vor oder kann keine Entscheidung treffen, wenn sie nicht von einem ihrer Geschäftspartner mitgetragen wird). Wenn der Verkäufer dieses Profil sorgfältig vervollständigt, es in regelmäßigen Abständen auf den neuesten Stand
bringt und jede Verkaufsaktivität bis zu ihrer Vollendung treibt, hat er größere Chancen, einen Auftrag abzuschließen. Das Profil kann auch wertvolle Informationen für die Produkt- und
Marketingplanung in der Zentrale beschaffen. Durch die Zusammenstellung der Daten aus allen Profilen auf nationaler Ebene können Planer Trends erkennen, so zum Beispiel neue
Anwendungsmöglichkeiten für ihre vorhandenen Produkte und den Bedarf an neuen Produkten und Dienstleistungen. Die Strategie des Verkäufers sollte auf den detaillierten Informationen beruhen, die er während und nach seiner Analyse des Käufers gesammelt hat. Wenn er die Idee des strategischen Verkaufens begriffen hat, wird er die richtigen Fragen stellen: Wird die Person, die ich jetzt besuchen werde, die eigentliche Entscheidung fällen? Was für ein Mensch ist er? Wie ist er innnerhalb seiner Organisation einzuordnen? Welche Erfahrungen hat er? Seine Strategie sollte auch garantieren, daß alle einflußreichen Käufer Beachtung, und zwar die angemessene Art von Beachtung finden (zum Beispiel das traditionelle Mittag- oder Abendessen mit dem Einkäufer, Finanzdaten für den
Finanzdirektor beziehungsweise technische Informationen für den technischen Direktor). Der Schlüssel zum strategischen Verkaufen sind
Besuche "ganz oben und breitgestreut" - etwas, was die meisten Verkäufer fürchten oder nicht verstehen.
Sie können relativ frei mit einem Einkäufer oder einem Betriebsleiter sprechen, aber die Vorstellung, einen Unternehmenschef oder ein Vorstandsmitglied zu besuchen, macht ihnen Angst. Sie wissen zwar, daß Kaufentscheidungen, bei denen es um viel Geld geht, an höchster Stelle getroffen werden, aber sie verkaufen häufig nur auf den niedrigeren Ebenen, wo sie sich sicherer fühlen, und lassen dann die
Kontaktpersonen im mittleren Management die Sache der Unternehmensspitze vortragen. Diese Vorgehensweise hat zwei Nachteile: Erstens geht ein Teil der Überzeugungskraft der Verkaufspräsentation bei der Übertragung verloren, zweitens, und das ist noch viel schädlicher, verliert der Verkäufer oft die Chance, eine Beziehung zu den Topmanagern zu entwickeln und selbst Informationen darüber zu sammeln, wie diese Manager bestimmte Situationen einschätzen. Immerhin sind Topmanager die Leute, die am meisten von großen Kaufentscheidungen betroffen sind, weil sie wahrscheinlich die
Unternehmenspolitik und die internen Abläufe ändern müssen, um für eine Anpassung an das neue
Produkt oder die neue Dienstleistung zu sorgen. Zum Beispiel verbrachte der Verkäufer für ein
Werkstoffbehandlungssystem drei Monate mit dem Westküsten-Direktor für den Betrieb der Lagerhäuser eines großen Industrieunternehmens aus New York.
Während der ganzen Zeit versicherte dieser Kontaktmann dem Verkäufer, daß er alle
Entscheidungen für sein Gebiet treffe. Den Auftrag für alle vier regionalen Lagerhäuser erhielt allerdings ein Mitbewerber, weil er den zuständigen Manager in
New York für sich gewann, der die tatsächliche Entscheidungsbefugnis für alle neuen Lagersysteme hatte.
4. Rechtfertigung des Kaufs
Wenn ein Verkäufer erst einmal festgestellt hat, wen er (auf ausreichend hohem Level) kontaktieren muß, wird es Zeit, dem Kunden bei der Rechtfertigung der Kosten des Einkaufs zu helfen. Damit das
Unternehmen eine Entscheidung über einen
Millionen-Mark- Kaufvertrag für ein Produkt oder eine Dienstleistung fällen kann, muß jeder Topmanager genauestens verstehen, auf welche Weise der Kauf seinen Betrieb, sein Budget, seine Liquidität und seinen Personalbedarf beeinflussen wird. In diesem Stadium des strategischen Verkaufsprozesses muß der Verkäufer daher jeden einzelnen Topmanager treffen, der von der Kaufentscheidung tangiert wird, um dessen Position, dessen eigenständige
Bedürfnisse und dessen qualitative und finanzielle Kriterien zu bestimmen, die er für die Rechtfertigung großer Kaufentscheidungen benutzt. Das bedeutet, daß er vollständig im Bild sein muß über den Betrieb des potentiellen Kunden, ein ins einzelne gehendes Verständnis für seine Finanzsituation gewinnt und die Auswirkungen versteht, die die Produkte und
Dienstleistungen des Verkäufers auf diesen Betrieb haben werden. Alles in allem sollte der Verkäufer genausoviel über diese Punkte wissen wie einige der Topmanager des potentiellen Kunden - oder sogar noch mehr. Der Verkäufer dürfte eine größere Erfolgschance haben, wenn er die wenigen wirklich wichtigen Variablen versteht, die letztendlich die Kauffrage entscheiden. Dann kann er die Daten, die er braucht, auf genau diese Informationen und die Quellen für diese Informationen begrenzen. Da die Rechtfertigung der Kosten meistens auf bestimmten Schlüsselannahmen beruht, ist es wesentlich, mit den Entscheidungsträgern einen Konsens über jede einzelne Annahme zu erzielen. Selbst wenn der Verkäufer sich nicht sicher ist, wie der Kauf die Organisation beeinflussen wird, kann er Meinungen über potentielle Kostenvorteile einholen. Antworten auf solche Fragen wie "Glauben Sie, daß unsere Dienstleistung Ihre Umsätze innerhalb von zwei Jahren um zehn Prozent steigern kann?" oder
"Haben Sie in der Vergangenheit mit ähnlichen Maschinen einen fünfprozentigen Rückgang der Personalkosten erzielt?", von verschiedenen
Topmanagern eingeholt, können dem Verkäufer eine Möglichkeit bieten, den Kauf zu begründen oder zumindest alternative Lösungen für die Probleme des potentiellen Kunden zu testen. Das Ziel besteht darin, sich auf das zu konzentrieren, was nach Meinung des möglichen Kunden machbar ist, und seine Zahlen zu verwenden, nicht die Zahlen, die der Verkäufer für erreichbar hält. Wenn der Verkäufer die besten Argumente der einzelnen Manager
kombiniert, hat er eine höhere Chance, daß seine Begründung vom Käuferunternehmen akzeptiert wird.
Wenn der Verkäufer die Daten korrekt sammelt, wird er feststellen, wann für ihn der beste Zeitpunkt für den Verkaufsabschluß gekommen ist; denn während dieser Phase haben die Entscheidungsträger die beste Gelegenheit zu sagen: "Das ist es, was ich will"
oder "So etwas möchte ich kaufen."
5. Aufbau der Präsentation
Die Präsentation faßt alle relevanten Informationen in Form eines Vorschlags zusammen. Falls die richtigen Leute anwesend sind, sollte der Verkäufer die
Präsentation als Gelegenheit benutzen, um einen Auftrag zu bitten. Es gibt zwar kein feststehendes Muster für die effektivste Verkaufspräsentation, das Verkäuferunternehmen sollte aber folgende Faktoren sorgfältig in Betracht ziehen: Elemente und Ablauf der Präsentation, Ortswahl, Timing, Teilnehmer. * Elemente und Ablauf der Präsentation: Die besten Verkaufspräsentationen bieten den Zuhörern keine neuen Informationen. Die Präsentation sollte nur die bereits vorher mit jedem Entscheidungsträger erzielten Absprachen zusammenfassen und auf diese Weise bereits vereinbarte Lösungen,
Kostenbegründungen und Implementierungszusagen verstärken. Menschen, die gewohnt sind, mit und in Ausschüssen zu arbeiten, werden diesen Ansatz vertraut finden: Die typische Vorgehensweise in einem Ausschuß besteht darin, einen Vorschlag jedem einzelnen Ausschußmitglied vor der Konferenz nahezubringen und dann während der Konferenz eine allgemeine Übereinstimmung zu erzielen. Zu beachten ist vor allem, daß die Präsentation grundsätzlich von der Aktion über die Analyse zur Implementierung verläuft. Die Zusammenfassung wird zuerst gebracht, weil sie die Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Untersuchung skizziert und weil sie den Zuhörern einen allgemeinen Überblick über die Richtung des Vorschlags bietet. * Ortswahl:
Marketing- und Vertriebsmanager beachten häufig nicht die vielen Möglichkeiten, die ihnen für eine Ortswahl offenstehen - zum Beispiel die Räume des potentiellen Kunden, Räume in einem Hotel oder einem Tagungszentrum, die eigenen Seminar- oder Ausstellungsräume, Einrichtungen, die für einen anderen Kunden installiert wurden, oder eine mobile Ausstellungseinheit, die in einem Wohnwagen oder Bus untergebracht ist. * Timing: Dies ist ein weiteres Element, das für die Effektivität der Präsentation von entscheidender Bedeutung ist. Falls der Verkäufer und der potentielle Kunde noch keine
Übereinstimmung über wesentliche Punkte wie die Analyse des Verkäufers erzielt haben, wäre eine Präsentation verfrüht. * Teilnehmer: Das
Verkäuferunternehmen sollte dafür Sorge tragen, daß alle Entscheidungsträger an der Konferenz
teilnehmen, und die Manager des eigenen Unternehmens einladen, von denen es in gesellschaftlicher und geschäftlicher Hinsicht am besten repräsentiert werden kann, das heißt Führungskräfte, die eine den eingeladenen
Managern des potentiellen Kunden entsprechende Stellung innehaben. Die Gesamtzahl der Teilnehmer sollte klein genug sein und eine intime
Arbeitsatmosphäre ermöglichen. Das
Verkäuferunternehmen muß auch dafür sorgen, daß gerade so viele Redner auftreten, um die
Präsentation interessant zu machen, ohne daß sie verwirrend wirkt. Einige Mitglieder des Teams können aktive Rollen übernehmen, andere können zur Unterstützung weitere Informationen beisteuern, und wiederum andere können in erster Linie aus formalen Gründen teilnehmen. Aus verschiedenen Gründen ist die Teilnahme des Verkäufer-Topmanagements gerechtfertigt und wird auch häufig vom
Käuferunternehmen verlangt. Erstens sind die Topmanager die einzigen, die vom
Käuferunternehmen geforderte Verpflichtungen (Preise, Lieferung, Produkteigenschaft, Qualität) übernehmen und dafür einstehen können. Derartige Verpflichtungen würden unglaubwürdig klingen, wenn sie vom unteren Management eingegangen würden.
Zweitens haben sie den angemessenen Status, um mit Topmanagern in Käuferunternehmen verhandeln zu können, die sich wohler fühlen, wenn sie mit Gleichrangigen umgehen. Drittens beinhaltet strategisches Verkaufen höhere Risiken und macht den Einsatz von Ressourcen erforderlich -
einschließlich effizienterer Verkäufer, besserer Programme und Verkaufshilfen - als herkömmliche Verkaufsprogramme. Nur das Topmanagement kann für die notwendige Disziplin sorgen, Ressourcen freimachen und hohe Standards garantieren, die so ein Programm erfordert. Außerdem muß es ständig um die Motivation der Verkaufsmannschaft bemüht sein, die durch die langen Vorlaufzeiten solcher Abschlüsse leicht entmutigt werden könnte. Das Interesse und Engagement der Topmanager kann nicht nur durch die Teilnahme an der Präsentation, sondern auch durch gemeinsame Manöverkritik mit den Verkäufern und eigene Besuche bei dem potentiellen Kunden demonstriert werden. (Beim Einmalverkauf ist ihre Beteiligung sogar noch entscheidender - nur sie können eine Änderung der eingespielten Politik und der üblichen Verfahren veranlassen, um für Aufmerksamkeit und Mobilisierung der Ressourcen zu sorgen, die bei einem Einmalverkauf benötigt werden.)
6. Koordination der Ressourcen und des Personals Während des Verkaufsprozesses ist der Verkäufer für den Einsatz der Ressourcen seines
Unternehmens verantwortlich. Dazu können das Personal und folgende Bereiche gehören: Finanzen, Produktion, Marketing und Geschäftsleitung. Bei einem Abschluß über Lieferung von Eigenmarken können zum Beispiel folgende Punkte eine Rolle spielen: spezielle Produktgestaltung
(Produktentwicklung und -design),
Produktionsvolumen (Produktion), Lagerungs- und Lieferungsspezifikationen (Vertrieb) sowie spezielle
Vereinbarungen über Kosten, Preise und
Zahlungsmodalitäten (Finanzen und Controlling).
Weil der Verkäufer die wesentlichen Entscheidungen trifft und die wichtigsten Verpflichtungen eingeht, sollte er außerdem mit der Organisations-, Betriebs- und Kostenstruktur seines Unternehmens völlig vertraut sein. Zum Beispiel muß er wissen, welche Auswirkungen die Verpflichtung, eine große Menge eines bestimmten Produkts zu lagern, auf die
Fähigkeit des Unternehmens haben wird, mit Gewinn zu arbeiten. Er muß auch die übrigen
Funktionsbereiche seines Unternehmens verstehen und in der Lage sein, mit deren Angehörigen zusammenzuarbeiten. Ein interessantes Nebenprodukt, das sich daraus ergibt, daß der Verkäufer andere Ressourcen in das Unternehmen des potentiellen Kunden einführt, besteht in den neuen Kommunikationslinien, die sich zwischen dem Verkäufer- und dem Käuferunternehmen entwickeln.
Wenn die neuen Ressourcen effizient eingeführt und koordiniert werden, können sie dem Verkäufer dazu verhelfen, eine dauerhafte Beziehung zum Kunden aufzubauen, nachdem der Auftrag unterzeichnet ist.
Der Verkäufer muß einen großen Freiraum für seine Entscheidungen über den Verkauf haben. Wenn ein großer potentieller Kunde auf eine geringfügige Produktänderung Wert legt, muß er imstande sein, schnell darauf einzugehen, ob positiv oder negativ.
Wenn der potentielle Kunde ausweichende
Antworten erhält wie "Lassen Sie mich das mal mit meinem Chef besprechen, damit er diesen Punkt mit der Konstruktions- und Produktionsabteilung klären kann", ist er in der Regel so gut wie verloren.
Marketing als Primärressource
Der Verkäufer ist auf die Unterstützung der
Marketingabteilung angewiesen, und zwar in Bezug auf Produkte, Preise, Werbung, Verkaufsförderung und Verkaufshilfen. Viele Großkunden brauchen besondere Produkte oder Sonderfertigungen
vorhandener Produkte (etwa Eigenmarken, spezielle Verpackungen, produktbezogenen Service), und ihr Auftragsvolumen rechtfertigt oft die Berücksichtigung derartiger Wünsche. Zum Beispiel verpackt ein großer Hersteller von Verschlüssen seine Standardverschlüsse für größere Abnehmer in Spezialcontainer. Der Kunde kann so
hochmechanisierte Verpackungsautomaten
einsetzen, indem er den Container als Schüttbehälter benutzt. Wegen ihres Auftragsvolumens verlangen Großkunden oft weitgehende Preisnachlässe. In vielen Situationen wendet sich das
Käuferunternehmen nicht so sehr gegen den Preis selbst, als vielmehr gegen die Gesamtkosten der zu erwerbenden Waren und Dienstleistungen. Für das Käuferunternehmen sind besondere Liefer- und Zahlungsmodalitäten sowie andere Konzessionen wichtiger als der Preis als solcher. Gelegentlich sind Großkunden besonders an eigens für sie
entworfenen Werbe- und
Verkaufsförderungsprogrammen interessiert. Zum Beispiel finden große Einzelhandelsketten mit vielen Läden diejenigen Produzenten, die sich in der Verkaufsförderung stark engagieren, besonders attraktiv. Solche Lieferanten haben oft ein offeneres Ohr für die Wünsche des Verkaufsmanagers im Einzelhandelsunternehmen als dessen eigene Ladenmanager. Daher ist dem
Einzelhandelsunternehmen die Verkaufsförderung in den Läden mehr wert, als sie den Lieferanten kostet.
Alle Extraleistungen kosten jedoch Geld. Weil sie teurer und ausgefallener sind als bei normalen Verkäufen muß das Verkäuferunternehmen ihre Kosten und ihren Einfluß auf den Verkauf sorgfältig analysieren.
7. Abschluß des Kaufvertrags
Wegen der Komplexität des Verkaufsprozesses und der Dauer der Verkaufsverhandlungen ist der Abschluß der erste konkrete Beweis für den Erfolg des Verkäufers. Weil die Vertragsunterzeichnung irgendwann innerhalb von sechs Monaten und drei Jahren nach dem Beginn des Verkaufsprozesses erfolgen kann, sollte der Verkäufer bei jedem Besuch einen gewissen Teilabschluß erzielen, das heißt, er sollte mit dem potentiellen Kunden eine Vereinbarung über den Fortschritt der Verhandlungen bis zu
diesem Zeitpunkt erzielen. Weil Veränderungen in der Verkaufssituation - beispielsweise ein Wechsel der Entscheidungsträger oder eine Neuformulierung der Wettbewerbsstrategie - zwischen den einzelnen Besuchen eintreten können, tut der Verkäufer auch gut daran, bei jedem Besuch die vorherigen Vereinbarungen bestätigen zu lassen oder erneut abzuschließen. Wenn der Verkäufer ständig Antworten auf Fragen sucht wie "Wenn wir Ihnen eine durchschnittliche Jahresrendite von 15 Prozent für das System garantieren könnten, würden Sie es dann kaufen?", weiß er lange vor dem Ende des Verkaufsprozesses, ob er einen Abschluß erzielen wird. Falls er von vielen Entscheidungsträgern negative Antworten erhält, kann er aussteigen, bevor er zuviel Zeit und Geld investiert hat.
8. Pflege der Kundenbeziehung
Einige Marketingexperten glauben, der eigentliche Verkauf fange erst an, wenn der Großauftrag unterzeichnet vorliege. Zum Beispiel erkannte ein Hersteller komplexer Prozeßkontrollsysteme, der eine Rentabilitätsanalyse jedes Kundenkontos vornahm, daß 25 Prozent der Kunden unrentabel waren, weil die Kundenbeziehung nach
Vertragsunterzeichnung vom Verkäufer ungenügend gepflegt worden war. Falls das Produkt eine
Installation, die Einarbeitung des Personals oder langfristige Lieferpläne erforderlich macht, erhöhen sich die Chancen, daß der Verkauf fehlschlägt, falls der Verkäufer die Kundenbeziehung nicht effektiv kontrolliert. Eine Methode der Kontrolle besteht darin,
einen langfristigen Plan für Produkte,
Dienstleistungen und Ressourcen gemeinsam mit dem Kunden zu entwickeln. Der Verkäufer sollte auch seinen eigenen Kundenbetreuungsplan haben, der dem strategischen Verkaufschancenprofil ähnelt.
Er sollte die meisten der oben genannten acht Schritte wieder aufgreifen, indem er bewertet, rechtfertigt und Strategien zur Ausweitung des Umsatzvolumens mit dem Kunden entwickelt (sein Plan ist also eine umfassendere Version des Plans, den er mit den Kunden zusammen entwickelt). Damit dieser Planungsprozeß funktioniert, muß der
Verkäufer den Kunden an der Planung beteiligen.
Außerdem muß er frühzeitig Verbündete im Kundenunternehmen ausfindig machen, die seine Bemühungen verstärken, wenn er selbst nicht anwesend ist. Am allerwichtigsten ist es aber, den Kontaktpersonen ständig die Richtigkeit der
Kaufentscheidung vor Augen zu führen, damit keine Kaufreue aufkommt. Der Verkäufer sollte auch die Verbindung zwischen seinem Unternehmen und dem Kunden über die Auslieferung, die Installation und die Ingebrauchnahme hinaus fortsetzen. Wenn der Verkäufer sein Produkt oder seine Dienstleistung dem Betrieb des Kunden genau anpaßt und dafür sorgt, daß das Produkt bei bestmöglichem Einsatz die versprochenen Resultate erbringt, sorgt er für einen rentablen Betrieb beim Kunden und für Zusatz- und Anschlußaufträge für sein eigenes Unternehmen.
Besondere Dienstleistungen nach Verkaufsabschluß verstärken nicht nur das Vertrauen des Kunden in das Verkäuferunternehmen, sondern halten im allgemeinen auch die Mitbewerber fern, weil die Angestellten des Kunden durch die Zusammenarbeit mit dem Verkäufer zu beschäftigt sind.
Organisatorische Richtlinien
Weil der Prozeß des strategischen Verkaufens bedeutend komplexer als der typische
Verkaufsprozeß ist, erfordert er neue
Organisationsprinzipien. Damit ein Unternehmen die komplizierten Verkaufsprobleme lösen kann, muß es die Zusammensetzung seiner Verkaufsmannschaft entsprechend der von ihm angestrebten Art des Verkaufs neu gestalten; es muß nicht nur Lösungen für Wiederholungsverkäufe und Einmalverkäufe, sondern auch für verschiedene Arten von Wiederholungsverkäufen finden.
Variationen eines Themas Ein Unternehmen kann große
Wiederholungsverkäufe auf verschiedene Arten in Angriff nehmen. Wenn innerhalb der gesamten Verkaufsorganisation strategisches Verkaufen erforderlich ist (zum Beispiel beim Verkauf von Computern, umfangreichen Industrieausrüstungen oder Lebensmittel-Eigenmarken), braucht sich das Management lediglich auf die Entwicklung einer Strategie zu konzentrieren. Viele Unternehmen
setzen jedoch nicht nur das strategische Verkaufen ein. Wenn das der Fall ist, ist es für das Management nützlich, strategisches Verkaufen von anderen Arten des Verkaufens abzutrennen und eines der
folgenden Modelle einzusetzen.
Spezielle Verkaufsteams
Wenn ein Unternehmen viele Großkunden (aktuelle und potentielle) hat, was in der Lebensmittelbranche und beim Verkauf von abgepackten Waren üblich ist, kann es zu deren Betreuung ein spezielles
Verkaufsteam, das aus erfahrenen Verkäufern besteht, einsetzen. Die meisten
Lebensmittelhersteller und die bedeutenderen
Großhändler setzen zur Betreuung der Einkaufsbüros großer Lebensmittelketten und Großhändler ihre erfahrensten Verkäufer ein, während die jüngeren Verkäufer für die Einzelhandelsgeschäfte und die unabhängigen Kunden vorgesehen sind.
Regionales Verkaufsmanagement
Wenn das verkaufende Unternehmen wenige, aber über das Land verstreute Großkunden hat, besteht die beste Methode oft darin, jedem Gebietsleiter ein oder zwei Großkunden zuzuweisen - was in der Möbel- und Konfektionsbranche gelegentlich getan wird. (Bei dieser Methode besteht aber die Gefahr, daß der Gebietsleiter das Management zugunsten des Verkaufs vernachlässigt.)
Zentrale Großkundenbetreuung
Noch weniger Großkunden können üblicherweise von einer kleinen zentralen Gruppe von Spezialisten betreut werden. Zum Beispiel setzt ein großer Farbenhersteller mehrere erfahrene und sehr fähige Verkäufer für den Besuch von Verlagen und
Druckereien ein, die viele Fabriken haben; dagegen werden die normalen Außendienstler zur Betreuung der einzelnen Fabriken eingesetzt. Zu diesen allgemein üblichen Methoden gibt es viele
Variationen. In einigen Unternehmen, vor allem bei Herstellern von Investitionsgütern, betreuen Markt- und/oder Produktspezialisten die Großkunden.
Beispielsweise hat ein Hersteller von komplexen, spezialisierten Industriematerialien drei
Vertriebsorganisationen: 1. Die normale Außendienst -Vertriebsorganisation, die geographisch gegliedert ist. 2. Produktmanager, die für jede größere Produktkategorie verantwortlich sind; sie sind technisch ausgebildet und stehen ständig zur Verfügung, um den Außendienstmitarbeitern bei technischen Problemen und Anwendungsfragen zu helfen, die im Zusammenhang mit Großkunden auftauchen. 3. Marketingmanager, die für die Entwicklung von Marketingprogrammen für größere Industriebranchen (zum Beispiel Elektronik und Industrieanlagen) verantwortlich, bei den
Verhandlungen über Großabschlüsse behilflich sind
und an Messen und ähnlichen branchenbezogenen Ausstellungen teilnehmen.
Sonderdivision
Andere Unternehmen richten eine besondere, voll integrierte Division für Großkunden ein, damit diesen Großkunden die besondere Aufmerksamkeit einer Spezialdivision (mit eigener Produktion und eigenem Marketing) zuteil wird. Dieses Vorgehen ist zwar teuer und nicht leicht zu realisieren, sorgt aber dafür, daß Großverkäufe den normalen Betriebsablauf nicht durcheinanderbringen. Es ist eine typische Methode für Unternehmen, die Eigenmarken für große Handelsketten produzieren. Diese Unternehmen erzielen oft dadurch besondere Einsparungen bei der Produktion, daß sie große Mengen und ein
begrenztes Sortiment in verschiedenen, besonders konstruierten Betriebsstätten produzieren.
Topmanagement
Schließlich werden Großverkäufe in einigen Unternehmen auch ausschließlich vom Topmanagement getätigt. Ein großer
Gebäudereiniger hat zum Beispiel keine Verkäufer im eigentlichen Sinne. Statt dessen arbeiten
Kundenbetreuer mit den vorhandenen Kunden. Die eigentlichen Abschlüsse werden jedoch von den Topmanagern getätigt, die mit den Eigentümern und Managern großer Gebäude verhandeln. Dieses Arrangement garantiert die Aufmerksamkeit
gegenüber Großkunden, aber es kann manchmal zur Vernachlässigung der eigentlichen
Managementaufgaben führen, denn die Großkunden beanspruchen mehr Aufmerksamkeit und Zeit, als dem Management zur Verfügung steht.
Totales Engagement
Einmalige Großverkäufe werden nie von einer etablierten Verkaufsorganisation bearbeitet; ein besonderes Verkaufsteam muß ins Leben gerufen werden. Das Verkäuferunternehmen hat zwei Möglichkeiten: Es kann eine Task Force bilden, um den Verkaufsprozeß intern zu bearbeiten, oder es kann sich vertraglich an eine Art Verkaufsagentur binden, zum Beispiel an eine Anlagebank, einen Grundstücks- oder Handelsmakler oder an einen privaten Anlageberater. Falls es sich um einen Riesenverkauf (zum Beispiel den Verkauf eines ganzen Unternehmens) handelt, muß die Task Force aus Leuten bestehen, die von ihren anderen
Aufgaben im Unternehmen weitgehend entbunden sind. Sie muß sorgfältig aufgebaut werden und sollte Verkaufstalente, die Erfahrung mit dem strategischen Verkaufen haben, und - wegen des komplexen Charakters und der finanziellen Folgen derartiger Verkäufe - auch einen Finanzexperten enthalten.
Außerdem werden Mitarbeiter, die mit dem
potentiellen Kunden vertraut sind, dem Team durch
ihr Wissen und ihre möglichen persönlichen Kontakte von Nutzen sein. Die Situation des Einmalverkaufs bringt ein Ausbildungsproblem besonderer Art mit sich. Die meisten Erfahrungen müssen sich aus der sorgfältigen Planung und der Manöverkritik im Laufe des Verkaufsprozesses ergeben. Verkäufer können jedoch auch dadurch lernen, daß sie mit Leuten zusammenarbeiten, die über besondere Erfahrungen in derartigen Verkaufssituationen verfügen (wie Banker). Einmalverkäufe, die von einer Art
beauftragter Verkaufsorganisation bearbeitet werden, sind zwar teuer, ziehen aber weniger Fachkräfte aus dem Unternehmen ab. Aber auch wenn Außenseiter einen großen Teil der Verantwortung für den
tatsächlichen Verkauf übernehmen, müssen
Unternehmensangehörige beteiligt sein. Topmanager verwenden für diese Art von Verkauf nicht immer dieselbe Mühe und dieselben Ressourcen, die sie bei anderen Verkäufen einsetzen. Sie müssen den richtigen Agenten auswählen - ein schwieriger Prozeß, der viel Zeit in Anspruch nimmt. Sie müssen auch den Verkaufsprozeß überwachen und dafür sorgen, daß die Unternehmensziele mit möglichst geringem Aufwand erreicht werden. Und schließlich sind sie für die Unterstützung des Verkaufs selbst verantwortlich, weil ihre Macht und ihr Wissen oft unentbehrlich sind. Copyright: © 1983 President and Fellows of Harvard College; ursprünglich
veröffentlicht in "Harvard Business Review" unter dem Titel "Making the major sale"
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