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Rechtliche Möglichkeiten von Rettungssanitätern beim Transport eines psychisch Kranken im Spannungsfeld zwischen polizeilichen Kompetenzen und allgemeinen Rechtfertigungsgründen / eingereicht von: Christina Mayr

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Academic year: 2021

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Rechtliche Möglichkeiten von Rettungssanitätern

beim Transport eines psychisch Kranken

im Spannungsfeld zwischen polizeilichen

Kompe-tenzen und allgemeinen Rechtfertigungsgründen

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

der Rechtswissenschaften

Eingereicht von:

Christina Mayr

Angefertigt am:

Institut für Strafrechtswissenschaften

Beurteiler:

Prof. Dr. Alois Birklbauer

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In Liebe und Dankbarkeit

widme ich diese Arbeit

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

(4)

Vorwort

Ich bedanke mich bei Herrn Prof. Dr. Alois Birklbauer für die Betreuung meiner Diplomarbeit und den Anregungen dazu.

Mein Dank gilt Herrn Inspektor Christoph Neuhauser, für die wertvollen Ratschlä-ge zu meiner Diplomarbeit und die anreRatschlä-genden Diskussionen dazu.

Ich bedanke mich bei Frau Birgit Obernberger, für die wundervolle Freundschaft, die uns verbindet, und für die zahlreichen technischen Hilfestellungen.

Mein Dank gilt ebenfalls meiner Schwester Mag.a Susanne Mayr für die Mühen des Korrekturlesens und die vielen hilfreichen Anregungen. Ich bedanke mich ebenfalls bei Mag. Robert Obermair für die Korrektur meiner Diplomarbeit.

Auf diesem Weg möchte ich mich auch bei meinem Freund, Michael Rocken-schaub, für seine schier unendliche Geduld recht herzlich bedanken. Erst durch seine Hilfe wurde vieles möglich und auch das Unmögliche schien plötzlich schaffbar.

Besonderen Dank gilt meinen Eltern, die mir die Möglichkeit gegeben habe, dieses Studium zu absolvieren. Sie haben mich auf meinem bisherigen Lebensweg be-gleitet, unterstützt und mich jedes Mal aufs Neue darin bestärkt, dass ich die mir selbst gesetzten Ziele auch erreichen kann. Ohne euch wäre ich heute nicht da, wo ich jetzt bin! Danke!

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Inhaltsverzeichnis

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ... 3 VORWORT ... 4 INHALTSVERZEICHNIS ... 5 I. EINFÜHRUNG ... 7 A. AUSGANGSSITUATION ... 7 B. PROBLEMDARSTELLUNG ... 8

C. AUFBAU DER DIPLOMARBEIT ... 8

II. GRUNDRECHTSPROBLEMATIK ... 9

A.GRUNDRECHT AUF PERSÖNLICHE FREIHEIT (ART 5EMRK,ART 1BVG ÜBER DEN SCHUTZ DER PERSÖNLICHEN FREIHEIT) ... 9

B.GRUNDRECHT AUF ACHTUNG DES PRIVAT- UND FAMILIENLEBENS (ART 8EMRK) ...10

III. ABSICHERUNG DES GRUNDRECHTS DER FREIHEIT IM STGB ...11

A. STRAFBARE HANDLUNGEN NACH DEM STGB ...11

1. Freiheitsentziehung nach § 99 StGB ...11

2. Nötigung nach § 105 StGB ...14

3. Abgrenzung Freiheitsentziehung zur Nötigung ...17

4. Körperverletzung nach § 83ff StGB als Folge der Freiheitsentziehung ...18

B. RECHTFERTIGUNGSGRÜNDE NACH DEM STRAFRECHT ...20

1. Notwehr nach § 3 StGB ...21

2. Nothilfe ...24

3. Rechtfertigende Pflichtenkollision ...25

4. Anhalterecht § 80 Abs 2 StPO ...26

5. Ausübung von Amts- und Dienstpflichten ...28

C. POLIZEILICHES HANDELN IM ZUSAMMENHANG MIT EINER UNTERBRINGUNG ...29

1. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung ...29

2. Polizeiliches Handeln nach dem UbG ...30

(i) Voraussetzungen der Unterbringung nach § 3 UbG ...31

(ii) Unterbringung ohne Verlangen nach §§ 8 f UbG ...34

3. Polizeiliches Handeln nach dem Sicherheitspolizeigesetz ...35

(i) Eingriffe in die persönliche Freiheit nach § 45 SPG ...36

(ii) Vorführung nach § 46 SPG ...37

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IV. RETTUNGSDIENSTLICHE KOMPETENZEN ...40

A. AUSSCHLUSS DER POLIZEILICHEN WEISUNG ...40

B. RECHTFERTIGUNGSGRUND DES RETTUNGSDIENSTES KRAFT WEISUNGSBEFOLGUNG .40 C. BERUFS- UND ORGANISATIONSGESETZ DES RETTUNGSDIENSTES ...41

1. Sanitätergesetz, OÖ Rettungsgesetz ...41

D. DISZIPLINARRECHTLICHE KONSEQUENZEN FÜR DIE RETTUNGSSANITÄTER ...43

V. ZUSAMMENFASSUNG ...45

VI. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...48

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I.

Einführung

A. Ausgangssituation

Ich bin seit 2008 freiwillige Rettungssanitäterin im Roten Kreuz Oberösterreich und war selbst schon einige Male mit der Unterbringung von Patienten in eine Kran-kenanstalt betraut. Bei diesen Transporten ist mir teilweise die unterschiedliche Transportbegleitung durch die Polizei aufgefallen und hat mich auf die Idee zu dieser Diplomarbeit gebracht.

Ein Beispielfall, wie er mir selbst schon passiert ist, bildet den Ausgangspunkt der Arbeit. In diesem wird folgende Situation dargestellt:

Ein Team von Rettungssanitätern wird an einen Einsatzort zur Unterstützung der Polizei bei einer Unterbringung ohne Verlangen nach § 9 iVm § 3 Z 1 UbG geru-fen. Es bietet sich folgendes Bild:

Aufgrund erheblicher Fremdgefährdung wird die betroffene Person mittels „Pare-re“, also einer Bescheinigung, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung ohne Verlangen vorliegen, von einem Polizeiarzt oder einem im Sanitätsdienst stehenden Arzt in eine Krankenanstalt für Psychiatrie eingewiesen.1 Die Polizei ist während der gesamten Untersuchung des Arztes anwesend. Beim Abtransport des Patienten, welcher von der Rettungsmannschaft auf Anweisung der Polizei durchgeführt wird, verweigert letztere die Begleitung des Transportes, weil sich der Patient während der gesamten Anwesenheit der Polizei unauffällig verhalten hatte. Daher besteht für diese, laut eigenen Angaben, keinerlei Gefährdung für die beteiligten Rettungssanitäter. In Folge dessen sollte das Team der Rettungssani-täter den Transport alleine durchführen. Während des Transportes kommt es zu tätlichen Übergriffen auf die Rettungssanitäterin, die sich im Patientenraum befin-det.

(8)

B. Problemdarstellung

Fraglich ist nun, ob die Sanitäter einen „verlängerten Arm“ der Polizisten darstellen und die polizeilichen Kompetenzen mittels „Weisung“ auf sie übergehen, und so-mit die Rechtfertigungsgründe für ihr Handeln aus dem SPG und UbG abzuleiten sind, oder ob die Sanitäter als Privatpersonen handeln.

Der Auftrag der Polizei für eine Unterbringung ohne Verlangen leitet sich aus § 9 UbG und § 46 SPG ab. § 46 SPG verpflichtet die Organe der öffentlichen Sicher-heitsbehörden Personen, die an einer psychischen Krankheit leiden und im Zu-sammenhang damit ihr eigenes Leben beziehungsweise ihre Gesundheit oder das Leben und die Gesundheit anderer gefährden, einem Polizeiarzt oder Arzt im Sa-nitätsdienst unverzüglich vorzuführen.

Die Ermächtigung der Sicherheitsbehörden erstreckt sich weiters auf die Verbrin-gung solcher Personen in eine Krankenanstalt für Psychiatrie. Im § 46 SPG ist auf den § 9 UbG in solchen Fällen verwiesen, dieser findet iVm § 3 Z 1 UbG Anwen-dung.

C. Aufbau der Diplomarbeit

Die zentrale Fragestellung ist, mit welcher Berechtigung sich Rettungssanitäter gegenüber oben genannten Angriffen zur Wehr setzen dürfen.

Die Arbeit beleuchtet zu allererst die polizeilichen Kompetenzen im Rahmen der Grundrechtsproblematik, dem Handeln der Sicherheitsorgane nach dem UbG und nach dem SPG und wie weit sich diese Kompetenzen durch „Weisung“ auch auf die Rettungssanitäter, die den Transport ausführen, auswirken.

Im Anschluss daran werden die Kompetenzen des Rettungsdienstes, im Speziel-len die Rolle des Rettungsdienstes bei Unterbringungen, erläutert und die Frage beantwortet, ob die Verteidigungshandlung der Sanitäter durch die Weisung der Polizei oder durch eigene rettungsgesetzliche Ermächtigungen gerechtfertigt ist. Des Weiteren wird auf die strafbaren Handlungen, welche aufgrund etwaiger Tä-tigkeiten seitens der Rettungssanitäter begangen werden könnten, eingegangen. Danach werden die einzelnen Rechtfertigungsgründe erläutert, welche das rechtswidrige Handeln der Rettungssanitäter rechtfertigen könnten.

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II.

Grundrechtsproblematik

Aus juristischer Sicht betrifft die Bändigung eines Menschen jedenfalls das Grund-recht auf persönliche Freiheit nach Art 5 EMRK und Art 1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit. Das Recht auf persönliche Freiheit schützt die Möglich-keit, sich nach verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten frei, also nach al-len Seiten unbeschränkt und nach dem eigenen Wilal-len, bewegen zu können. Die Achtung auf Privat- und Familienleben nach Art 8 EMRK betrifft insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht der Achtung der körperlichen Integri-tät.2

Die oben genannten Grundrechte enthalten Verpflichtungen des Staates, die be-sonders geschützten Rechtsgüter durch positive Maßnahmen zu gewährleisten und zu sichern. Als besonders geschützte Rechtsgüter zählen hierbei das Leben, die Gesundheit und die Freiheit des Einzelnen. Dies beinhaltet von der Verletzung der Grundrechte abzusehen und auch die Beeinträchtigung von dritter, nicht-staatlicher Seite zu unterbinden. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Schutzpflichten des Staates.3

Meist beinhalten die Grundrechte selbst einen Gesetzesvorbehalt, welche eine Ermächtigung zum Eingriff in das Grundrecht darstellen. Zu einer verfassungswid-rigen Verletzung des Grundrechts kommt es bei einem Eingriff jenseits dieses ge-setzlichen Vorbehaltes.4

A. Grundrecht auf persönliche Freiheit (Art 5 EMRK, Art 1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit)

Nur jener Mensch, der in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden kann, ist Grundrechtsträger des Rechtes auf persönliche Freiheit. Das Grundrecht auf persönliche Freiheit richtet sich vor allem gegen den Entzug der Freiheit durch Festnahme oder Anhaltung.

2Kneihs, Die „tobende Psychose“ und die Rolle des Rettungsdienstes, RdM (2005/02) S. 35. 3Hengstschläger/ Leeb, Grundrechte 2 S. 27ff.

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Da das Grundrecht unter besonderem Gesetzesvorbehalt steht, bedarf es zum Entzug der Freiheit stets einer konkretisierten Ermächtigung im Gesetz. Die frei-heitsentziehende Maßnahme untersteht einem strengen Verhältnismäßigkeitsprin-zip. Art 1 Abs 3 PersFrBVG sieht diese daher nur als ultima ratio an.5 Demnach darf eine Freiheitsentziehung nur dann vollzogen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist.6

Bei einer Selbst- oder Fremdgefährdung aufgrund einer psychischen Erkrankung liegt diese ultima ratio vor und der Entzug der persönlichen Freiheit ist nach Art 5 Abs 1 lit e EMRK gerechtfertigt.7 Die EMRK erlaubt daher eine Unterbringung we-gen bloßer Behandlungsbedürftigkeit einer psychischen Erkrankung. In Österreich werden dieser relativ weiten Regelung Grenzen durch das Verfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit gesetzt. Nach Art 2 Abs 1 Z 5 Per-sFrBVG darf einem Menschen nur dann die persönliche Freiheit entzogen werden, wenn Grund zur Annahme besteht, dass er sich wegen einer psychischen Erkran-kung selbst- oder fremdgefährdet.8

B. Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK)

Das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens schützt die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und seine Privatsphäre. Die Eingriffe in das Privatleben kön-nen auch durch medizinische Zwangsbehandlung erfolgen.

Aufgrund des Eingriffsvorbehaltes ist die Ausübung des Rechtes nur zu gestatten, soweit eine gesetzliche Ermächtigung vorliegt und es dem Schutz der Gesundheit dienlich ist.9

5Hengstschläger/ Leeb, Grundrechte2 S. 81ff.

6Engel in Resch/Wallner (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht VI. Rz.12. 7Hengstschläger/ Leeb, Grundrechte2 S. 89.

8Engel in Resch/Wallner (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht VI. Rz.10f. 9Hengstschläger/ Leeb, Grundrechte2 S. 170ff.

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III.

Absicherung des Grundrechts der Freiheit im StGB

A. Strafbare Handlungen nach dem StGB

Nachstehend werden Straftatbestände behandelt, die aufgrund der Abwehr des tätlichen Angriffes auf die Rettungssanitäter eintreten könnten. Zum Ersten wird auf die freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 99 StGB eingegangen, danach werden etwaige Verletzungstatbestände nach §§ 83ff StGB erläutert, die als Folge der Freiheitsentziehung vorliegen können. Der Großteil der Freiheitsrechte wird auch verfassungsrechtlich geschützt. Dieser verfassungsrechtliche Schutz dient vor allem dem Schutz des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen.10

1. Freiheitsentziehung nach § 99 StGB

Die Freiheit dient dem Einzelnen zur umfassenden Entfaltung der individuellen Persönlichkeit.11 Die Freiheit des Menschen ist in vielen verschiedenen Bereichen geschützt, nachfolgend wird näher auf die Fortbewegungsfreiheit und auf die Wil-lensbildungsfreiheit eingegangen. Nachstehend werden die einzelnen Delikte im Hinblick auf das Strafgesetzbuch beschrieben.

Als oberstes Freiheitsdelikt wird die Freiheitsentziehung nach § 99 StGB geführt, ihr geschütztes Rechtsgut ist die Fortbewegungsfreiheit des Einzelnen.

Die Freiheitsentziehung ist mit Beginn vollendet, aber erst mit Rückerlangung der Freiheit beendet, demnach liegt ein Dauerdelikt vor. Eine Beteiligung am Delikt ist bis zur Beendigung desselben noch möglich.12 Die persönliche Freiheit zählt zu den disponiblen Rechtsgütern, worauf man durch Einwilligung grundsätzlich ver-zichten kann.13

Tatobjekt des § 99 StGB kann jeder Mensch sein, dem die Möglichkeit zur Fort-bewegungsfreiheit genommen wird, dabei ist die potentielle Bewegungsfreiheit

10Schwaighofer in WK2 Vorbem § 99 Rz 2. 11Schwaighofer in WK2 Vorbem § 99 Rz 1.

12Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 99 Rz 1. 13Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 99 Rz 4.

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geschützt. Der Tatbestand kann auch an Betrunkenen, Geisteskranken und Kin-dern, sofern sie bereits selbstständig die Ortsveränderung herbeiführen können, begangen werden. Wer durch Entfernen eines technischen Hilfsmittels dem Be-troffenen die Möglichkeit zur Fortbewegung nimmt, der erfüllt ebenso den Tatbe-stand des § 99 StGB.14

Als alternatives Mischdelikt kann die Tathandlung des § 99 StGB sowohl im Ge-fangenhalten oder im Entzug der Freiheit auf eine andere Weise liegen.15 Wird jemand daran gehindert, ein abgegrenztes Raumgebilde zu verlassen, so liegt das Tatbestandsmerkmal des „Gefangenhaltens“ vor. Das „Gefangenhalten“ kann so-wohl durch physische Gewalt und psychische Mittel erlangt werden.16 Dem Ver-lassen des Raumes muss ein ernstliches und gewichtiges Hindernis entgegenste-hen.

§ 99 StGB enthält keine explizite Zeitangabe, wie lange die Freiheitsentziehung andauern muss, um den Tatbestand zu erfüllen. Nach Fabrizy muss die Ein-schränkung der Bewegungsfreiheit so lange dauern, dass sie sowohl dem Täter als auch dem Betroffenen zum Bewusstsein kommt und auch als Freiheitsentzie-hung empfunden wird.17 Nach einer anderen Meinung herrscht hinsichtlich der Dauer ein bewegliches System vor. Je intensiver die Freiheitsentziehung ist, desto kürzer ist die Mindestdauer.18 Als Mindestdauer ist in der mancher Literatur zu-mindest zehn Minuten angeben. Ob sowohl die Dauer als auch die Begleitum-stände die geforderte Erheblichkeitsschwelle überschreiten, ist nach den Umstän-den des Einzelfalles zu eruieren.19 Das sich der Betroffene über die Freiheitsent-ziehung bewusst wird, reicht nach diesem Teil der Lehre aus.20

Als zweite Tatalternative bietet § 99 Abs 1 StGB als Generalklausel den Entzug der persönlichen Freiheit „auf andere Weise“. Hierfür muss eine Freiheitsentzie-hung vorliegen, die in ihrer Wirkung gleichwertig dem Gefangenhalten in einem abgegrenzten Raum ist. Die Mittel, die dieses Ziel herbeiführen, sind grundsätzlich unbeschränkt und reichen von der Wegnahme eines technischen Hilfsmittels über

14Birklbauer/Keplinger, StGB BT Polizeiausgabe24 § 99 A.1. S. 74. 15Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 99 Rz 6. 16Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 99 Rz 7f. 17Fabrizy, Kurzkommentar StGB10 § 99 Rz 1. 18Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 99 Rz 9. 19Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 99 Rz 10. 20Schwaighofer, WK2 § 99 Rz 10.

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die Verabreichung von Schlafmitteln bis zur Androhung eines sofort realisierbaren schwerwiegenden Übels.21

Der Tatbestand des § 99 StGB ist nur dann erfüllt, wenn das Opfer nicht in die Handlungen ausdrücklich oder konkludent eingewilligt hat. Das Delikt der Frei-heitsentziehung kann als Erfolgsdelikt auch durch Unterlassen nach § 2 StGB er-füllt werden.22

Fallspezifische Subsumtion:

Das Delikt der Freiheitsentziehung kann als alternatives Mischdelikt, sowohl im Gefangenhalten als auch im Entzug der Freiheit auf andere Weise liegen. In unse-rem Fall können beide Arten relevant sein. Das Tatbestandsmerkmal des Gefan-genhaltens ist dann erfüllt, wenn der Betroffene daran gehindert wird, ein Raum-gebilde zu verlassen. Wenn die Rettungsmannschaft den Patienten aufgrund ei-nes tätlichen Angriffs im Auto bis zum Eintreffen der Polizei einsperrt, so ist das Tatbestandsmerkmal „Gefangenhalten“ erfüllt. Auch durch ein Festhalten der Ret-tungssanitäter kann das Delikt nach § 99 StGB erfüllt werden. Die Rettungssanitä-ter dürfen den Betroffenen jedoch nur dann einschließen oder festhalten, wenn eine Anhaltesituation nach § 80 Abs 2 StPO vorliegt. Das Delikt der Freiheitsent-ziehung kann aber auch durch eine „andere Weise“ erfüllt sein. Wird beispielswei-se dem Betroffenen ein Beruhigungsmittel oder ein Schlafmittel verabreicht, wel-ches ihm keine adäquate Reaktion mehr ermöglicht, so ist auch in diesen Fällen das Delikt erfüllt. Hat der Betroffene in die Handlungen ausdrücklich oder konklu-dent eingewilligt, so ist der Tatbestand nicht erfüllt. Im vorliegenden Fall kann von keiner Einwilligung, weder ausdrücklich noch konkludent ausgegangen werden. Bezüglich der zeitlichen Dauer herrscht ein bewegliches System vor, welches be-sagt, dass je intensiver die Freiheitsentziehung ist, desto kürzer ist die zeitliche Dauer. Wird der Betroffene beispielsweise in das Rettungsauto eingesperrt, wird die zeitliche Schranke sicherlich höher ausfallen, als wenn er durch einen Ret-tungssanitäter fixiert wird.

21Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 99 Rz 7f. 22Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 99 Rz 17, 20.

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2. Nötigung nach § 105 StGB

Das geschützte Rechtsgut der Nötigung ist die Willensfreiheit des Betroffenen, also sowohl die Willensentschließung als auch die Freiheit der Willensbildung.23 Die Tathandlung der Nötigung kann zum einen im Einsatz von Gewalt oder gefähr-licher Drohung liegen, beide sind rechtlich als gleichwertig anzusehen.24

Gewalt definiert sich über die Körperlichkeitstheorie, dies bedeutet den Einsatz von nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines tatsächlichen oder erwarteten Widerstandes. Ein entscheidendes Kriterium ist die Krafteinwir-kung auf den Körper.25 Die Nötigung dient der Willensbeugung, es ist weder eine besonderes qualifizierte Gewalt nötig, noch muss das Opfer die Gewalt als solche empfinden. Nach der Rspr ist beispielsweise das Versetzen eines Stoßes, das Losreißen von zwei den Täter festhaltenden Personen und erst recht das Nieder-drücken des Kopfes eines Genötigten ausreichend, um den Tatbestand der Nöti-gung zu erfüllen.26

Auch der Einsatz eines betäubenden Mittels kann Gewalt iSd § 105 StGB sein. Das betäubende Mittel muss gegen den Willen eines Betroffenen verabreicht wor-den sein, und seine Wirkung muss beim Opfer eine tiefgreifende Bewusstseinsstö-rung hervorrufen, die ihm eine eigenständige Willensentfaltung nicht ermöglicht.27 Der Taterfolg des § 105 StGB liegt in der Willensbeugung des Betroffenen als Fol-ge der Gewalt und Drohung. Charakteristisch dafür ist die Bestimmung zu einem konkreten Verhalten, das der Genötigte nicht herbeiführen will, es nur aufgrund der Einwirkung von Gewalt oder Drohung herbeiführt. Vollendet ist das Delikt der Nötigung mit Beginn der Vornahme der abgenötigten Handlung.28 Durch willens-ausschließender Gewalt, kann nach der Rspr keinen Erfolg nach § 105 StGB her-beigeführt werden.29 In der Lehre ist die Ansicht der Rspr, dass die Anwendung von vis absoluta nicht als Erfolg der Nötigung gilt, umstritten. Nach der Ansicht der

23Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 105 Rz 3. 24Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 105 Rz 9. 25Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 105 Rz 5. 26Mitgutsch/Wessely, Strafrecht BT I § 105 Rz 2. 27Mitgutsch/Wessely, Strafrecht BT I § 105 Rz 4. 28Mitgutsch/Wessely, Strafrecht BT I § 105 Rz 14. 29Mitgutsch/Wessely, Strafrecht BT I § 105 Rz 14, 17.

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Lehre kann vis absoluta gerade wegen seiner massiven Beeinträchtigung der Wil-lensfreiheit ein Tatmittel der Nötigung sein.30

Fallspezifische Subsumtion:

Der Tatbestand der Nötigung ist dann erfüllt, wenn der Wille des Betroffenen auf-grund Gewaltanwendung oder einer Drohung gebeugt ist. Im vorliegenden Fall können die Rettungssanitäter entweder Abwehrhandlungen gegen einen Angriff des Betroffenen tätigen oder den Betroffenen beispielsweise auch durch Verrie-geln der Autotüren im Sanitätseinsatzwagen einschließen. Die dritte schwerwie-gendste Möglichkeit wäre, dass die Rettungssanitäter den Betroffenen festhalten. Fraglich ist, ob der Tatbestand der Nötigung aufgrund einer Abwehrhandlung überhaupt eintreten kann. Geht die Handlung über eine bloße Abwehrhandlung hinausgeht, dann ist der Tatbestand der Nötigung jedenfalls erfüllt. Bei einer blo-ßen Abwehrhandlung muss man sich die Frage stellen, ob die geforderte Erheb-lichkeitsschwelle überhaupt erreicht wird. Denn bloße Bagatellgewalt genügt nicht. Nach der Lehre muss hier ein objektiv-individueller Maßstab angelegt werden, denn was für ein Kind beispielsweise schon als Gewalt gilt, muss für einen Er-wachsenen noch lange nicht der Fall sein.31 Wird der Betroffene beispielsweise durch einen Stoß in das Auto zurückgedrängt, kann auch das Delikt der Nötigung erfüllt sein. Die dritte Möglichkeit wäre das Festhalten des Betroffenen, weil er da-vor einen Sanitäter tätlich angegriffen hat, gerade dann ist der Tatbestand erfüllt. Das Festhalten, erfordert den Einsatz von Körperkraft und muss gleichzeitig den Willen des Betroffenen beugen. Im vorliegenden Fall wird der Taterfolg (gleichgül-tig ob durch eine erhebliche Abwehrhandlung, einen Stoß, oder das Festhalten des Betroffenen) jedenfalls erfüllt sein, denn die Rettungssanitäter nötigen dem Betroffenen ein Verhalten ab, das er selbst nicht setzen wollte und nur aufgrund der Anwendung von Gewalt oder Drohung gesetzt hat.

Nach den obigen Ausführungen ist eine Tat nach § 105 Abs 2 StGB, dann „nicht rechtswidrig“, wenn das sogenannte Sittenwidrigkeitskorrektiv zur Anwendung kommt. Der überwiegende Teil der Lehre, so auch Fuchs/Reindl- Krauskopf,

30Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 105 Rz 8. 31Mitgutsch/Wessely, Strafrecht BT I § 105 Rz 5.

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hen davon aus, dass es sich bei § 105 Abs 2 StGB um einen Rechtfertigungs-grund handelt.32 Anders Birklbauer/Hilf/Tipold, hier wird der Gedanke der Sozial-adäquanz im Rahmen der objektiven Zurechnung betrachtet.33 Unabhängig wel-cher Meinung man folgt, durch § 105 Abs 2 StGB wird die Möglichkeit geschaffen, dass ein bestimmtes Verhalten von der Gesellschaft toleriert und somit letztlich nicht als Unrecht angesehen wird.34

Die Strafbarkeit der Nötigung entfällt dann, wenn die angewendete Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstrei-tet.35 Die Nötigung stellt in 3 Fällen strafrechtliches Unrecht dar. Zum einen, wenn das eingesetzte Mittel sittenwidrig ist, der angestrebte Zweck sittenwidrig ist, oder ein Verstoß gegen die Zweck- Mittel- Relation vorliegt.36

Der erste Fall schildert die Rechtswidrigkeit des Mittels. Wird ein verbotenes Mittel zur Erreichung eines Zwecks eingesetzt, so ist die Nötigung strafbar. Ist das Mittel neutral oder gar erlaubt, so kann der Einsatz gerechtfertigt sein. Der zweite Fall betrifft die Rechtswidrigkeit des Zwecks. Denn wird ein erlaubtes Mittel für einen rechtswidrigen Zweck eingesetzt, so bleibt das Unrecht der Nötigung aufrecht. Der dritte Fall spiegelt die Rechtswidrigkeit der Zweck-Mittel-Relation wider. Wichtig ist dabei die Beziehung zwischen dem eingesetzten Mittel und dem damit erreichten Zweck. Selbst wenn das Mittel, für sich betrachtet, erlaubt ist und auch der zu er-reichende Zweck für sich genommen nicht sittenwidrig ist, so kann doch die dar-aus resultierende Kombination sittenwidrig sein. Eine so eine Rechtswidrigkeit der Zweck- Mittel- Relation liegt speziell dann vor, wenn es zwischen dem eingesetz-ten Mittel und dem angestrebeingesetz-ten Zweck keinen sachlichen Zusammenhang gibt.37 Der Einsatz von Gewalt kann immer nur in sehr engen Grenzen als sozialadäquat angesehen werden, ein gefährliches Verhalten schnell unverhältnismäßig werden und somit sozial-inadäquat werden kann. Im Bezug auf die gefährliche Drohung,

32Fuchs/Reindl-Krauskopf, Strafrecht BT I § 105 StGB S.90. 33Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 105 Rz 27. 34Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 105 Rz 27. 35Fuchs/Reindl-Krauskopf, Strafrecht BT I § 105 StGB S.90. 36Birklbauer/Keplinger, StGB BT Polizeiausgabe24 § 105 C.1. 37 Fuchs/Reindl-Krauskopf, Strafrecht BT I § 105 StGB S.90f.

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ist der Anwendungsbereich größer, da sie jedenfalls dann sozial-inadäquat ist, wenn auf die Verwirklichung des angedrohten Übels kein Recht besteht.38

Fallspezifische Subsumtion:

Die Rettungssanitäter können sich auf das, in § 105 Abs 2 StGB verankerte, Sit-tenwidrigkeitskorrektiv berufen. Denn das adäquate Abwehrverhalten der Ret-tungssanitäter könnte von der Gesellschaft toleriert werden und das Unrecht der Nötigung entfallen lassen. Wird der Angriff des Patienten von den Sanitätern nur abgewehrt, so mag auch dann der Tatbestand der Nötigung erfüllt sein, jedoch wird dieser durch den Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 3 StGB) aufgehoben. Nähere Ausführungen zur Notwehr finden sich im Kapitel der Rechtfertigungs-gründe. Das Festhalten des Betroffenen kann durch den Rechtfertigungsgrund des Anhalterechtes (§ 80 Abs 2 StPO) gerechtfertigt sein.

3. Abgrenzung Freiheitsentziehung zur Nötigung

Ob eine Freiheitsentziehung mit anderen Tatbeständen echt oder nur scheinbar konkurriert, bedarf zu allererst der Klärung ob die Freiheitsentziehung bloß als Mit-tel oder Nebenerscheinung zur Erreichung einer anderen Straftat dient oder ob gerade mit der Handlung des Täters eine Freiheitsentziehung bezweckt werden soll.39 Die hier angeführte Abgrenzung zwischen Nötigung und Freiheitsentziehung behandelt vor allem die Fälle, in denen der Täter Gewalt oder eine Drohung an-wendet um die Freiheitsentziehung des Betroffen herbeizuführen bzw. aufrechtzu-halten. Nötigungen, die die Freiheitsentziehung aufrechterhalten, werden von § 99 StGB mitumfasst und sind dem Täter nicht gesondert zuzurechnen.40

Die Nötigung, die mit der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung verbunden ist, wird entgegen der herrschenden Rechtsprechung konsumiert.41 Die Nötigung tritt dann unter Wertegesichtspunkten hinter die Freiheitsentziehung zurück.42

38Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 105 Rz 28. 39Schwaighofer in WK2 StGB § 99 Rz 43.

40Schwaighofer in WK2 StGB § 99 Rz 49. 41Schwaighofer in WK2 StGB § 99 Rz 98.

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In unserem Fall wird eine Konsumtion der Nötigung durch die Freiheitsentziehung vorliegen, da die Gewalt oder Drohung nur dem Aufrechterhalten der Freiheitsent-ziehung dient. Das Festhalten des Betroffen oder das Einschließen im Auto wird in § 99 StGB tatbildlich und nicht mehr zusätzlich durch § 105 StGB bestraft. Wird dem Betroffenen ein Beruhigungsmittel verabreicht, dann tritt die Strafbarkeit des § 105 StGB in Vordergrund.

4. Körperverletzung nach § 83ff StGB als Folge der Freiheitsentzie-hung

Das geschützte Rechtsgut nach den §§ 83-88 StGB ist die körperliche Integrität unter Einschluss des gesundheitlichen Wohlbefindens.43 Als Verletzung der kör-perlichen Integrität gelten alle Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit, welche über das bloße Maß der Misshandlung hinaus reichen.44 Als leichte Körperverlet-zung iSd § 83 Abs 1 StGB gelten nicht ganz unerhebliche Eingriffe. Als Beispiele nennt die Literatur Wunden, Schwellungen, Verstauchungen, Verrenkungen, sons-tige Läsionen oder Lockerung der Zähne.45 Als Gesundheitsschädigung gelten Schäden, welche körperliche oder seelische Funktionsstörungen hervorrufen, wel-che Krankheitswert im mediziniswel-chen Sinn besitzen.46 Die beiden Tatbestands-merkmale der Körperverletzung und Gesundheitsschädigung müssen eine Baga-tellschwelle überschreiten, um strafbar nach § 83 Abs 1 bzw. Abs 2 StGB zu sein. Minimale Hautabschürfungen reichen beispielsweise nicht aus, um den Tatbe-stand der Körperverletzung zu erfüllen.47 Schmerzen stellen nach neuerer Judika-tur nur mehr ein Indiz für das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung dar, ent-scheidend ist es demnach, ob es aufgrund der Schmerzen zu einer Verschlechte-rung des Gesundheitszustandes kommt.48

42Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 105 Rz 33. 43Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 Vorbem zu § 83 Rz 1. 44Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 83 Rz 6.

45Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 83 Rz 6. 46Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 83 Rz 8. 47Kienapfel/Schroll, Strafrecht BT I3 § 83 Rz 9. 48Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 83 Rz 9.

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§ 83 StGB erfordert für seine gänzliche Erfüllung ein vorsätzliches Handeln. Fehlt dieser Vorsatz, so kann den Rettungskräften eventuell eine fahrlässige Körperver-letzung, welche im Zuge der Abwehrhandlung geschieht, vorgeworfen werden. § 88 StGB ist ein reines Fahrlässigkeitsdelikt. In Abgrenzung zu Vorsatzdelikten, handelt jemand fahrlässig, wenn er es zwar möglich hält, dass er einen Sachver-halt verwirklicht, diesen aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs 2 StGB). Bei Erfül-lung des § 88 StGB reicht unbewusste Fahrlässigkeit aus. Demnach handelt je-mand unbewusst fahrlässig, wenn er nicht erkennt, dass ein Sachverhalt verwirk-licht werden kann, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht.49 Der Erfolg des De-liktes der fahrlässigen Körperverletzung ist gleich wie bei § 83 StGB. Jede Hand-lung die geeignet ist, die körperliche Integrität zu schädigen, ist eine geeignete Tathandlung iSd § 88 StGB.50

Fallspezifische Subsumtion:

Da die Körperverletzung nur als Folge der Freiheitsentziehung entsteht, weil sich beispielsweise der Betroffene bei der Fixierung durch die Rettungssanitäter ver-letzt, muss sich auch hier die Frage etwaiger Konkurrenzen gestellt werden. Leich-te Körperverletzungen gemäß § 83 StGB, die dem Betroffenen im Zuge von Fixie-rungsmaßnahmen zugefügt werden, sind von § 99 StGB mitumfasst. Echte Kon-kurrenz kann nur dann angenommen werden, wenn die Körperverletzung nicht als typische Begleittat zur Freiheitsentziehung angenommen werden kann. Bei einer schweren Körperverletzung nach § 84 StGB, die zum Zwecke der Freiheitsentzie-hung zugefügt werden, ist echte Konkurrenz zu § 99 Abs 1 StGB anzunehmen.51

49Kienapfel/Höpfel/Kert, Strafrecht AT14 Z 27 Rz 19. 50Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht BT I2 § 88 Rz 5f.

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B. Rechtfertigungsgründe nach dem Strafrecht

Ein Verstoß gegen einen Straftatbestand indiziert ein rechtswidriges Verhalten. Dieses kann durch das Eingreifen eines speziellen Erlaubnistatbestandes gerecht-fertigt sein. Durch diesen Erlaubnistatbestand wird die Rechtswidrigkeit, durch das Vorhandensein von Rechtfertigungsgründen aufgehoben.52 Handelt ein Täter ge-gen ein rechtliches Ge- oder Verbot zuwider, so liegt Rechtswidrigkeit vor.53 Die nachstehenden Rechtfertigungsgründe werden aus der gesamten Rechtsordnung abgeleitet und haben allesamt die Wirkung, dass ein tatbestandsmäßiges Handeln durch sie gerechtfertigt wird.54

Alle Rechtfertigungsgründe des StGB haben als Grundstruktur die Rechtferti-gungssituation, die Rechtfertigungshandlung und das subjektive Rechtfertigungs-element. Bestehen mehrere sachlich einschlägige Rechtfertigungsgründe, so sind dieses nebeneinander anwendbar.55

Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung besagt, dass ein Verhalten, das in einem Rechtsbereich erlaubt ist, nicht in einem anderen Bereich rechtswidrig sein kann.56

Die oben näher ausgeführten Straftatbestände könnten durch die Rettungssanitä-ter bei der Abwehr der Eingriffe erfüllt werden. Im nächsten Abschnitt wird speziell behandelt, wie ein eventuell rechtswidriges Verhalten durch die Rechtsordnung gebilligt wird. Die nachstehenden Rechtfertigungsgründe sind nach Relevanz für den vorliegenden Fall gegliedert.

52Lewisch, WK2 Nachbem zu § 3 StGB Rz 1f. 53Fabrizy, Kurzkommentar StGB10 § 3 StGB Rz 1. 54Lewisch, WK 2 Nachbem zu § 3 StGB, Rz 5. 55Lewisch, WK 2 Nachbem zu § 3 StGB, Rz 13. 56Fuchs, AT I8 Kap. 15 Rz 6.

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1. Notwehr nach § 3 StGB

Die Notwehrsituation fragt nach dem „Ob“ der Notwehr, also danach, ob ein ge-genwärtiger oder unmittelbar drohender rechtswidriger Angriff auf ein notwehrfähi-ges Rechtsgut vorliegt. Der Angriff definiert sich als jedes menschliche Verhalten, das die Beeinträchtigung von Rechtsgütern befürchten lässt.57

Als notwehrfähige Rechtsgüter sind Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrt-heit, Freiheit (darunter wird auch die Sexualsphäre subsumiert) und Vermögen genannt. Nicht unter die notwehrfähigen Rechtsgüter fallen Ehre und ideelle staat-liche Güter.58

Die Notwehrhandlung begründet das „Wie“ der Verteidigung. Gerechtfertigt ist nur die notwendige Verteidigung, das heißt nur jenes Maß an Verteidigung, das not-wendig ist, um den Angriff sofort und endgültig abzuwehren. Unter dem Verhält-nismäßigkeitsgrundsatz ist das schonendste Mittel zu wählen.59

Maßgebendes Kriterium ist die Situation des Angreifers, die aus der Sicht des Ein-zelfalles sowie aus der Sicht ex-ante zu beurteilen ist.60 Nach Fabrizy sind die Forderungen nicht zu „überspitzt“ anzusehen, vielmehr ist auf die Art, Wucht und Intensität des Angriffes abzustellen. Ausschlaggebend sind auch die körperliche Überlegenheit, die Aggressivität und die Gefährlichkeit des Täters.61

Bezüglich den Einschränkungen des Notwehrrechtes zugunsten schutzbedürftiger Personengruppen gibt es die sogenannte „sozialethische Schranke“ im Notwehr-recht, wonach man Angriffe von Unmündigen oder Schuldunfähigen tunlichst aus-weichen sollte. Offensive Gegenwehr ist nur zulässig, sobald sich der Angriff nicht anderwärtig abwehren lässt. Nach heutiger herrschender Meinung wird eine Aus-weichpflicht gegenüber Betrunkenen oder Personen unter Drogeneinfluss abge-lehnt.62 57Kienapfel/Höpfel/Kert, AT14 Z13 Rz 4f. 58Fabrizy, Kurzkommentar StGB11 § 3 StGB Rz 3. 59Kienapfel/Höpfel/Kert, AT14 Z13 Rz 12f. 60Kienapfel/Höpfel/Kert, AT14 Z13 Rz 14. 61Fabrizy, Kurzkommentar StGB11 § 3 StGB Rz 4. 62Kienapfel/Höpfel/Kert AT14 Z13 Rz 19.

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Auf die Fallgruppe von psychisch Kranken ist näher einzugehen, da sie den Kern für diese Diplomarbeit bilden. Aus § 3 Abs 1 StGB ist iVm § 21 ABGB eine beson-dere Pflicht zur Rücksichtnahme abzuleiten, die zum Ausweichen nötigen kann.63 Grundsätzlich besteht keine Ausweichpflicht, außer in extremen Ausnahmesituati-onen wie etwa bei Angriffen von Strafunmündigen.64 Nach einer Mindermeinung sind die Beschränkungen des Notwehrrechtes nicht berechtigt, da die Einschrän-kungen des § 3 StGB durch die Entstehungsgeschichte nicht gedeckt sind.65 Die-se Ausweichpflicht verschließt jedoch nicht die Möglichkeit, Angriffe mittels Not-wehr beispielsweise abzuwenden.

In unserem Fall dürfen sich die Rettungssanitäter mittels Notwehr vor dem eintre-tenden Angriff schützen, denn auch in der Literatur wurde die Möglichkeit zur Flucht beispielsweise auch schon früher nicht als Hindernis für die Annahme einer gerechten Notwehr angesehen.66 Die dritte und letzte Voraussetzung begründet das subjektive Rechtfertigungselement. Mindestanforderung ist demnach das Wissen um die Notwehrsituation, denn nur wer ausreichend Kenntnis über die Notwehrsituation erlangt hat, kann auch die notwendigen Abwehrhandlungen täti-gen. Mangelt es an der ausreichenden Kenntnis, so befindet sich der Verteidiger nach überwiegender Meinung in der Vollendungsstrafbarkeit, da eine Vorausset-zung für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes fehlt.67

Notwehrüberschreitung liegt vor, wenn die Verteidigung nicht notwendig und un-angemessen war. Eine privilegierte Regelung kommt demjenigen zu Gute, wel-cher aufgrund Bestürzung, Furcht oder Schrecken (sogenannter astheniswel-cher Af-fekt) gehandelt hat. Der Täter ist nach § 3 Abs 2 StGB nach dem Vorsatzdelikt entschuldigt und hat für die fahrlässige Deliktsbegehung einzustehen, wenn die Überschreitung auf einer Fahrlässigkeit beruht und ein entsprechendes Fahrläs-sigkeitsdelikt vorhanden ist. Begeht der Verteidiger seine Handlung aus einem

63Lewisch, in WK2 § 3 StGB Rz 107ff. 64Fabrizy, Kurzkommentar StGB11 § 3 StGB Rz 5. 65Lewisch, in WK2 § 3 StGB Rz 113f. 66Fabrizy, Kurzkommentar StGB11 § 3 StGB Rz 5. 67Steininger in SbgK § 3 Rz 83ff.

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sthenischen Affekt heraus (insbesondere aus Zorn, Hass, Empörung), dann hat er sich nach dem Vorsatzdelikt zu verantworten.68

Fallspezifische Subsumtion:

In unserem Fall liegt ein tätlicher Angriff gegenüber den Rettungssanitätern vor. Als Angriff nach § 3 StGB definiert sich wie oben näher erklärt jedes menschliche Verhalten, welches geeignet ist, einen Eingriff in das Leben oder die Gesundheit der Sanitäter darzustellen. Wird die Mannschaft durch Schläge, Tritte oder andere Handgreiflichkeiten attackiert, so liegt ein geeigneter Angriff nach § 3 StGB vor. Gerechtfertigt ist nur jene Abwehrhandlung, welche notwendig ist, um den Angriff abzuwehren. Die Sanitäter dürften sich beispielsweise durch Gegenangriffe weh-ren bis das Rettungsauto still steht und der sich im hinteweh-ren Teil des Sanitätsein-satzwagens befindliche Sanitäter eine Möglichkeit zur Flucht hat. Ausschlagge-bend für die Art und Intensität der Verteidigung sind die Überlegenheit, die Ag-gression und die Gefährlichkeit des Täters. Tätigt der Unterzubringende den An-griff zum Beispiel mit einem Messer, einer Schusswaffe oder einem anderen ge-fährlichen Gegenstand, so wird die Abwehrhandlung sicherlich intensiver ausfallen und eine andere Art der Abwehr gerechtfertigt sein. Sanitäter haben jedoch auch nur jene Notwehrmöglichkeiten, die ebenso unbewaffneten Bürgern zustehen. Ein Waffengebrauchsrecht ist nur den Exekutivbeamten vorenthalten.

Verhältnis zur Pflicht nach dem UbG:

Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr kann von jedem geltend gemacht werden, der von einem Angriff betroffen ist. Die Rechtfertigung nach dem UbG ist für die Rettungssanitäter fraglich, da sie nur dann davon Gebrauch machen können, wenn sie eine rechtmäßige Weisung der Exekutivbeamten erhalten.

68Kienapfel/Höpfel/Kert, AT14 Z13 Rz 22a; Fabrizy, Kurzkommentar StGB11 § 3 StGB Rz 8; Lewisch, in WK2 § 3 StGB Rz 159.

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2. Nothilfe

Aus § 3 Abs 1 S 1 StGB ergibt sich eine gesetzliche Ermächtigung, die besagt, dass nicht nur der Angegriffene selbst, sondern auch ein Dritter zu Gunsten des Angegriffenen das Notwehrrecht ausüben darf. Die Nothilfe ist ein Unterfall des Notwehrrechtes, wird jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit separat angeführt. Die Voraussetzungen zur Ausübung der Nothilfe sind ident mit jenen der Notwehr. Somit muss ein unmittelbar drohender menschlicher Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut vorliegen. Aus einer besonderen rechtlichen Hilfspflicht kann sich auch eine Verpflichtung zur Leistung einer Nothilfe gegeben sein (Bsp.: Eltern bei Kin-dern).

Strittig ist, ob die Nothilfe auch ohne Zustimmung des Angegriffenen von einem Dritten ausgeübt werden kann. Ein Teil der Lehre vertritt die Meinung, dass das Recht auf Nothilfe nicht direkt vom Recht auf Notwehr abgeleitet wird, weswegen die Berechtigung auch gegen den Willen des Angreifers aufrecht bleibt.69 Andere schließen die Nothilfe aus, wenn dem Nothelfer der Verzicht auf die Notwehr durch den Angegriffenen bekannt ist.70

Fallspezifische Subsumtion:

In unserem Fall ist die Nothilfe vor allem in jenen Fällen interessant, in denen viel-leicht der betroffene Rettungssanitäter nicht zu einer Gegenwehr im Stande ist und stattdessen beispielsweise der Lenker des Rettungswagens anstelle des An-gegriffenen die Verteidigung unternimmt. Da die Voraussetzungen ident sind mit jenen der Notwehr, sind die Ausführungen dazu von der oben genannten Erläute-rung zu übernehmen. In unserem Fall ist nichts bekannt, dass der betroffene Ret-tungssanitäter auf die Notwehr verzichtet hätte und somit auch das daraus abge-leitet Recht des zweiten Sanitäters erloschen wäre.

Wäre aufgrund der zugefügten Verletzungen, der betroffene Sanitäter nicht zur Verteidigung im Stande, würde der zweite Sanitäter die Verteidigungsmaßnahmen setzen dürfen.

69Lewisch in WK2 § 3 StGB Rz 131ff. 70Steininger in SbgK § 3 StGB Rz 101.

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3. Rechtfertigende Pflichtenkollision

Wenn jemanden in einer konkreten Situation mehrere Handlungs- bzw. Unterlas-sungspflichten treffen und nur einer Pflicht gefolgt werden kann, liegt eine soge-nannte rechtfertigende Pflichtenkollision vor. Bei dieser Kollision handelt es sich um einen Unterfall des rechtfertigenden Notstandes.71 Zwangsläufig kann die eine Pflicht nur unter Verletzung der anderen Pflicht erfüllt werden.72

Kollidieren eine Handlungs- und eine Unterlassungspflicht miteinander, so geht die Unterlassungspflicht (also das Verbot) vor, außer der Eingriff in das geschützte Rechtsgut wäre nach den Regeln des rechtfertigenden Notstandes oder der Ein-willigung erlaubt.73 Fallen zwei Handlungspflichten zusammen so geht die stärkere Pflicht vor. Welche die stärkere Pflicht ist, bedarf der Auslegung. Hierbei sind fol-gende Gesichtspunkte maßgeblich: Man unterscheidet zwischen gleichwertigen und ungleichwertigen Handlungspflichten. Bei ungleichwertigen Handlungspflich-ten geht das höherrangige Handlungsgebot vor.

Die Höherrangigkeit wird im Wege der Auslegung herausgefunden. Primär stellt man auf die Wertigkeit der Rechtsgüter ab, sekundär auf die „strafrechtlich be-gründende Intensität der Inpflichtnahme“ des Einzelnen.74 Bei gleichwertiger Pflichtenkollision besteht eine echte Konkurrenz. Handelt der Betroffene nach kei-ner der beiden Pflichten, so handelt er rechtswidrig. Erfüllt der Täter eine der bei-den Pflichten, egal welche, handelt er nicht rechtswidrig und die Kollision ist ge-löst.75 Bei der Kollision eines Handlungsgebotes mit einem entgegenstehenden Handlungsverbot, also einer Verpflichtung aktiv tätig zu werden, und gleichzeitig einem Handlungsverbot, kann die Auflösung dieses Konflikts nur über die Recht-fertigungsebene des rechtfertigenden Notstands ermöglicht werden.76

Somit gelten in diesem Fall die Regeln des Rechtfertigungsgrundes des rechtferti-genden Notstands, genau genommen der rechtfertirechtferti-genden Notstandshilfe. Denn nur in diesem Fall tritt die Handlungspflicht des Handelnden gegenüber den Rechtsgütern eines Anderen ein. Die Verletzung des Handlungsverbotes ist sohin 71Steininger in SbgK, Nachbem § 3 StGB Rz 78ff. 72Fuchs, AT8 Kap. 18 Rz 1. 73Fuchs, AT8 Kap. 18 Rz 4. 74Lewisch in WK2, Nachbem § 3 StGB Rz 142f. 75Lewisch in WK2, Nachbem § 3 StGB Rz 146, 149. 76Lewisch in WK2, Nachbem § 3 StGB Rz 135, 138.

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dann gerechtfertigt, wenn sie zur Bewahrung eines höherrangigen rechtlichen In-teresses erfolgt. In der Literatur wird beispielsweise das Aufbrechen einer Berg-hütte genannt, um den Sohn zu retten.77

4. Anhalterecht § 80 Abs 2 StPO

Ausnahmsweise sind nach § 80 Abs 2 StPO Privatpersonen zu einer Anhaltung eines Tatverdächtigen ermächtigt. Prinzipiell ist die Strafverfolgung, darunter fallen auch Zwangsmaßnahmen, Angelegenheit des Staates.78

Als Voraussetzung verlangt das Gesetz das Vorliegen einer Anhaltesituation. Die-se ergibt sich aus dem Tatverdacht, dass eine Person eine strafbare Handlung ausführt, unmittelbar zuvor eine ausgeführt hat oder dass eine Fahndung gegen diese Person ausgeschrieben ist. Bei einer strafbaren Handlung setzt das Gesetz eine gerichtlich strafbare Handlung voraus, eine schlichte Verwaltungsübertretung reicht nicht aus.79 Die gerichtliche Strafbarkeit muss im Zeitpunkt der Anhaltung noch bestehen. Fällt die Strafbarkeit aufgrund einer tätigen Reue oder durch einen Rücktritt vom Versuch weg, so liegt keine Voraussetzung mehr für eine Anhaltung vor. Dem Laien wird jedoch ein Irrtum nach § 8 StGB zugutekommen, da er die Tat für (noch) strafbar hält.80 Es wird eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat gefordert; auf die Schuldhaftigkeit des Täters kommt es nicht an.81

Somit können auch Personen, die schuldunfähig sind, angehalten werden. Sie können zwar für ihr Handeln nicht bestraft werden, jedoch sieht das Gesetz zu-mindest behördliche Reaktionen (Bsp.: die Festnahme von Jugendlichen und Übergabe an die Eltern) vor.82 Die Anhaltung durch Private hat in angemessener Weise zu erfolgen. Der Umgang mit der angehaltenen Person soll, gerade im Hin-blick auf deren eventuelle Unschuld, auf möglichst schonende Art und Weise ge-schehen.83 Gerade im Hinblick auf die Anhaltung von schuldunfähigen Personen,

77Lewisch in WK2, Nachbem § 3 StGB Rz 138. 78Schwaighofer in WK- StPO § 80 Abs 2 Rz 23. 79Schwaighofer in WK StPO § 80 Rz 25ff. 80Schwaighofer in WK StPO § 80 Rz 32. 81Lewisch in WK2 Nachbem § 3 Rz 182. 82Schwaighofer in WK StPO § 80 Rz 31. 83Schwaighofer in WK StPO § 80 Rz 23.

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ist die Verhältnismäßigkeit zu wahren.84 Gerechtfertigt sind nach der Literatur Maßnahmen, die den Tatbestand der Freiheitsentziehung erfüllen, dies kann auch durch verbundene Drohungen (Tatbestand der Nötigung) untermauert werden. Erlaubt sind auch Handlungen, die eine leichte Körperverletzung begründen, bei-spielsweise blaue Flecken, die beim Festhalten herbeigeführt werden. Keinesfalls gerechtfertigt sind schwere Körperverletzungen, die ex ante als eine „wahrschein-liche Folge“ zu erwarten waren.85

Weiters ist die Handlung des Anhaltenden nur dann gerechtfertigt, wenn sie un-verzüglich bei den Sicherheitsbehörden angezeigt wird.86 Die Freiheitsentziehung wird bei Verzögerung der Meldung an die Polizei rechtswidrig. Erweist sich der Verdacht schon vor der Verständigung der Sicherheitsbehörden als rechtswidrig, so ist die Anhaltung sofort zu unterlassen.87 Durch das Anhalterecht von Privat-personen wird eine staatliche Strafverfolgung ermöglicht und erleichtert.88

Fallspezifische Subsumtion:

Etwaige freiheitsentziehende Maßnahmen können mit dem Anhalterecht durch Private gerechtfertigt werden. Wird der Patient nach einem tätlichen Angriff im Sa-nitätseinsatzwagen durch Verriegelung der Türen eingesperrt, so kann zwar das Delikt der Freiheitsbeschränkung erfüllt sein. Jedoch kann das Einsperren von Seiten der Rettungssanitäter dadurch gerechtfertigt werden, dass Personen die eine strafbare Handlung begangen haben, solange angehalten werden dürfen bis die Exekutive vor Ort ist.

Beispielsweise kommt hier ein Verletzungsdelikt nach §§ 83ff StGB bei einer Ver-letzung der Rettungssanitäter in Betracht. Wenn der Patient im Rettungsauto ran-daliert und dabei Gegenstände beschädigt werden, kann auch das Delikt der Sachbeschädigung erfüllt sein, und dadurch die Anhaltung gerechtfertigt sein. Die Rettungsmannschaft muss die Anhaltung auf möglichst schonendste Art und Wei-se durchführen, in der Literatur wird ein Festhalten oder Einsperren in einem

84Schwaighofer in WK StPO § 80 Rz 31. 85Fuchs, AT8 Kap. 18 Rz 26a.

86Schwaighofer in WK StPO § 80 Rz 23. 87Fuchs, AT8 Kap. 18. Rz 27.

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Raum geduldet. Das Schonungsprinzip wird durch das Einsperren in einem Ret-tungsauto nicht verletzt. Auch die Fixierung durch die Rettungssanitäter wäre ge-rechtfertigt, jedoch sind alle ergriffenen Maßnahmen nur dann von der Rechtsord-nung toleriert, wenn unverzüglich die Sicherheitsbehörden verständigt wurden, und beispielsweise das Einsperren nicht möglich war.

In unserem Fall ist das Verhalten, welches die Rettungssanitäter im Zuge der An-haltung setzen, den Exekutivbeamten zuzurechnen, da diese den Transport fälschlicherweise nicht begleitet haben.

5. Ausübung von Amts- und Dienstpflichten

Die gesetzliche Ermächtigung rechtfertigt die Vornahme von bestimmten Hand-lungen seitens des Beamten. Die Rechtfertigungswirkungen treten jedoch nur dann ein, wenn alle Voraussetzungen, also sowohl materielle als auch formelle vorliegen.89 Die wichtigsten Eingriffsbefugnisse der Polizei finden sich im Strafpro-zessrecht, im Verwaltungsstrafgesetz und im Sicherheitspolizeigesetz.

Nach § 33 SPG dürfen Polizisten beispielsweise gefährliche Angriffe durch unmit-telbare Befehls- und Zwangsgewalt beenden.90 Hinsichtlich der anzuwenden Mit-teln ist für die Organe der Bundespolizei das Waffengebrauchsrecht einschlägig. Generell gilt, dass Waffen nur subsidiär (§ 4 SPG) und nur im unbedingt erforderli-chen Ausmaß (§ 5 SPG) eingesetzt werden dürfen und nur unter dem Gesichts-punkt der Verhältnismäßigkeit (§§ 6, 29 SPG) gehandelt werden darf.91

Hinzuzufügen ist, dass dieser Rechtfertigungsgrund der Ausübung von Amts- und Dienstpflichten nur den Organen der Bundespolizei zukommt. Es beinhaltet kei-nerlei Anwendung auf die Rettungssanitäter, da es nicht zu einer Weisungsüber-tragung aufgrund der Verweigerung der Transportbegleitung seitens der Polizei gekommen ist.

89Fuchs, AT8 Kap. 18 Rz 8f. 90Fuchs, AT8 Kap. 18 Rz 11. 91Fuchs, AT8 Kap. 18 Rz 13.

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Eine Unterbringung des Betroffenen ohne dessen Einwilligung ist möglich. Vorge-gangen wird nach §§ 8ff UbG sowie nach §§ 46f SPG, wobei vorab die materiellen Unterbringungsvoraussetzungen nach § 3 UbG geprüft werden müssen.92 Nähere Erläuterungen zu den Voraussetzungen finden sich unter dem Punkt „polizeiliches Handeln nach dem UbG“.

Verhältnis zur Pflicht nach dem UbG:

Körperliche Zwangsmaßnahmen nach Maßgabe des Unterbringungsgesetzes sind nur dann zulässig, wenn und solange sie zur Gefahrenabwehr „notwendig“ ist. Die konkrete Maßnahme muss also immer im Bezug auf den Verhältnismäßigkeits-grundsatz geprüft werden ob sie geeignet und unbedingt notwendig gewesen ist, und den Betroffen angriffsunfähig zu machen. Das Vorliegen sowie der Fortbe-stand sind laufend zu überprüfen. Überschießende Zwangsmaßnahmen sind im-mer rechtswidrig und verletzen den Art 3 EMRK.93

Nähere Ausführungen finden sich in den nächsten Punkten. Das gesamte polizei-liche Handeln trifft immer auf die Ausübung von Amts- und Dienstpflichten und steht im Zusammenhang mit dem UbG.

C. Polizeiliches Handeln im Zusammenhang mit einer Unterbringung

1. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung

Maßnahmen, die gegen den Willen des Betroffenen geschehen, insbesondere die Fixierung der Person, bedürfen nicht nur bei staatlichem, sondern auch bei pri-vatem Handeln einer gesetzlichen Ermächtigung. Die Anwendung von unmittelba-rem Zwang, sei es durch Private oder durch den Staat, benötigt eine explizite Er-mächtigung, besonders dann, wenn die Grundrechte dies mittels Schutzpflichten abverlangen. Ohne jegliche Ermächtigung stellt solch ein Handeln ansonsten

92Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

S. 137f.

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recht dar, welches strafbar und schadenersatzpflichtig macht und gegebenenfalls auch verfassungsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.

Zuallererst bedarf es der Klärung, ob und in welcher Situation die Fixierung über-haupt zulässig war und erst im nächsten Schritt kann über die Art und Weise der Fixierung nachgedacht werden.94

2. Polizeiliches Handeln nach dem UbG

Das Unterbringungsgesetz (UbG) regelt die Unterbringung einer Person in eine psychiatrische Anstaltspflege. Des Weiteren werden die Aufnahme in eine Kran-kenanstalt, der Aufenthalt in einer geeigneten Anstalt und die Freiheitsbeschrän-kung des Betroffenen im UbG geregelt.95 Das UbG dient einem „polizeirechtlichem Konzept“, welches die Gefahrenabwehr nach § 3 Z 1 UbG beinhaltet. Das vorlie-gende Gesetz soll verhindernd, nicht präventiv wirken.96

Eine „Unterbringung“ nach § 2 UbG liegt dann vor, wenn eine Person in einer psy-chiatrischen Abteilung einer Krankenanstalt in einem geschlossenen Bereich an-gehalten oder sonst in ihrer Freiheit beschränkt wird. Neben der Unterbringung auf einer geschlossenen Station (hier kann der Betroffene unabhängig von seinem Willen, einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bereich nicht verlassen) gibt es auch noch weniger intensive Maßnahmen (beispielsweise offene Stationen). Eine Freiheitsbeschränkung liegt demnach auch vor, wenn der Patient einen unver-sperrten Ort nicht verlässt, weil er weiß, dass er am Verlassen gehindert oder zu-rückgebracht wird.97

94Kneihs, Die „tobende Psychose“ und die Rolle des Rettungsdienstes, RdM (2005/02) S. 36. 95Kopetzki, Grundriss3 Rz 1.

96Kopetzki, Grundriss3 Rz 14.

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(i) Voraussetzungen der Unterbringung nach § 3 UbG

Die Voraussetzungen für die Unterbringung gelten sowohl für die Verbringung in eine Anstalt, als auch für den dortigen Aufenthalt. Die in § 3 UbG genannten Be-dingungen müssen kumulativ erfüllt werden, entfällt nur eine davon, so ist von ei-ner Unterbringung abzusehen.98

Demnach darf ein Betroffener nur dann in eine psychiatrische Anstalt unterge-bracht werden, wenn alle der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

 Vorliegen einer psychischen Krankheit

 Lebens- oder Gesundheitsgefährdung des Betroffenen oder eines anderen

 Behandlung kann nur innerhalb einer psychiatrischen Abteilung erfolgen99 Die „psychische Krankheit“, welche nach § 3 UbG gefordert wird, ist ein Rechts-begriff und bedarf somit der Auslegung durch das Gericht. Demnach geht es hier nicht um die medizinische Frage wie das subjektive Leiden eines Patienten, die Abweichung vom sozialen Normverhalten oder die Zuordnung zu einer bestimm-ten Diagnose, sondern vielmehr geht es um die Beeinträchtigung der Selbstbe-stimmungsfähigkeit und den Verlust der Handlungsfreiheit, die den massiven Grundrechtseingriff der Unterbringung rechtfertigen.100 § 3 UbG fordert das Vorlie-gen einer psychischen Krankheit, welche in sechs Unterfälle untergliedert ist. Die-se sind die geistige Behinderung, die körperlich begründbare PsychoDie-se, die endo-gene Psychose, die Neurose und Persönlichkeitsstörung, der Alkoholismus und andere Suchtkrankheiten und als letzten Teilbereich der Suizidversuch.

Die wesentlichen Merkmale der geistigen Behinderung sind deutlich unterdurch-schnittliche allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig gestörter oder eingeschränkter sozialer Anpassungsfähigkeit und der Beginn derselben vor dem 18. Lebensjahr. Das alleinige Vorliegen einer geistigen Behinderung reicht nicht aus, um eine Person in eine psychiatrische Anstalt unterzubringen.

98Kopetzki, Grundriss3 Rz 73f.

99Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

S. 137f.

100Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

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Erst bei Hinzutreten einer psychischen Krankheit darf eine Unterbringung erfol-gen.101 Als körperlich begründbare Psychosen werden jene seelischen Störungen genannt, bei denen das Gehirn durch äußere Störeinflüsse geschädigt wurde.102 Als endogene Psychosen werden Schizophrenien und affektive Psychosen be-zeichnet.103 Bei den Schizophrenien unterteilt man in die paranoid-halluzinatorische, die hebephrene und die katatone Form.104

Die paranoide Schizophrenie stellt die häufigste Form dieser Erkrankung dar. Sie manifestiert sich vor allem durch Wahnsymptomatik. Die hebephrene Form der Schizophrenie beginnt meist im Jugendalter und zeichnet sich durch Antriebsstö-rungen, Stimmungsschwankungen, inadäquatem Affekt und Denkstörungen aus. Die katatone Form der Schizophrenie prägen psychomotorische Erscheinungen. Dabei kommen beispielsweise Haltungsstereotypen (eigenartige Haltungen wer-den vom Betroffenen in wer-den einzelnen Stadien der Psychose eingenommen und über längerem Zeitraum gehalten [Bsp.: katatoner Stupor: Patient verharrt re-gungslos und ohne zu sprechen, jedoch bei vollem Bewusstsein]) besonders häu-fig vor.105 Als affektive Psychosen werden seelische Störungen bezeichnet, wel-che als Depression oder Manie auftreten können.106

Neurotische Störungen müssen in ihrer Qualität und Schwere den psychischen Krankheiten gleichwertig sein, dann fallen sie unter das Tatbestandsmerkmal „psychische Krankheit“. Persönlichkeitsstörungen werden nach überwiegender Meinung nicht unter diesen Tatbestand subsumiert.107

Weder der Suchtmittelmissbrauch noch die Suchtmittelabhängigkeit zählen zu den psychischen Krankheiten des UbG. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nur bei psy-chischen Folgeerkrankungen aufgrund des Missbrauches erfüllt.108 Der Suizidver-such als letzter Unterfall zählt nicht zwingend zu den psychischen Krankheiten, vielmehr muss eruiert werden, ob der Todeswunsch Ausdruck einer psychischen Erkrankung ist. Die Unterbringung nach dem UbG ist zulässig, wenn eine

101Kopetzki, Grundriss3 Rz 80f, JBl 1992,106: OGH 1992/05/27 6Ob546/92. 102Haller, Das psychiatrisches Gutachten2 S. 86.

103Kopetzki,Grundriss3 Rz 85.

104Haller, Das psychiatrisches Gutachten2 S. 97.

105De Gruyter, Pschyrembel- Klinisches Wörterbuch264 „Schizophrenie“. 106Haller, Das psychiatrisches Gutachten2 S. 107.

107Kopetzki,Grundriss3 Rz 87f. 108Kopetzki, Grundriss3 Rz 89f.

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sche Krankheit vorliegt, aufgrund derer sich der Suizidgedanke herauskristallisiert hat und die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Versuches nahe liegt.109

Als eine Gefährdung nach dem UbG wird eine Herbeiführung eines Zustandes gewertet, welcher den Eintritt eines Nachteils mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hat. Diese Folge ist eine Prognose und muss aufgrund objektiver und kon-kreter Anhaltspunkte möglich sein.110

Das gefährdete Rechtsgut ist das Leben oder die körperliche Gesundheit des Be-troffenen selbst oder eines anderen.111 Nach § 3 Z 1 UbG muss die Schadensin-tensität eine „ernstlich und erhebliche“ sein, somit fallen geringfügige Störungen aus dem Tatbestand heraus.112 Die Unterscheidung, ob eine bloße Behandlungs-bedürftigkeit oder eine Selbstgefährdung vorliegt, ist nach der Art des Schadens zu treffen. Der Gesundheitsschaden, der in der vorliegenden psychischen Erkran-kung liegt, gilt noch nicht als Voraussetzung für eine Unterbringung nach dem UbG. Der bestehende unbehandelte Zustand ist also kein Schaden, zu dessen Abwehr das UbG berechtigt. Der Schaden, der durch die unterlassene Behand-lung eintritt, ist noch nicht als Selbstgefährdung iSd § 3 UbG zu verstehen.113 Auch eine zu erwartende Verschlechterung stellt keine Gefährdung nach dem UbG dar. Das Unterbringungsgesetz ziehlt lediglich auf eine Schadensfolge ab, die über die Grunderkrankung und ihre typischen Symptome hinausgeht.114

Nach § 3 Abs 1 UbG muss die Gefahr im Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung stehen, sie hat direkt aus der Krankheit zu drohen.115 Daher ermög-licht nicht jede Lebens- oder Gesundheitsgefährdung die von einem psychisch Kranken ausgeht eine Unterbringung. Für eine Unterbringung nach dem UbG muss die Gefahrenquelle aus der psychischen Erkrankung entspringen.116 In die Gefahrenbeurteilung dürfen Umstände, die erst durch die zwangsweise Einliefe-rung entstehen, nicht eingerechnet werden.117

109Kopetzki,Grundriss3 Rz 91.

110OGH 27.5.1992, 2 Ob 542/92; Kopetzki, Grundriss3 Rz 94f. 111Kopetzki,Grundriss3 Rz 101. 112Kopetzki,Grundriss3 Rz 103. 113Kopetzki, Grundriss3 Rz 108. 114Kopetzki, Grundriss3 Rz 109. 115Kopetzki, Grundriss3 Rz 119. 116Kopetzki, Grundriss3 Rz 120. 117Kopetzki, Grundriss3 Rz 123.

(34)

§ 3 Z 2 UbG enthält ein Subsidiaritätsprinzip, demnach soll nur derjenige in eine psychiatrische Anstalt untergebracht werden, dem außerhalb davon keine gleich-wertige Behandlung geboten werden kann. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrund-satz muss die Behandlung in der Anstalt geeignet und angemessen sein, um das vorgegebene Ziel erreichen zu können.118 Die Alternative zur Behandlung in einer Anstalt bieten ambulante psychosoziale Einrichtungen. Diese erfordern jedoch die Bereitschaft des Patienten, sich der Behandlung freiwillig zu unterziehen.119

(ii) Unterbringung ohne Verlangen nach §§ 8 f UbG

Die Verbringung des Betroffenen in eine psychiatrische Anstalt ist ein Akt der un-mittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt, welche ihre Grundlage in §§ 8 ff UbG und §§ 46 f SPG findet.120 In den §§ 8-11 UbG ist die unfreiwillige Unterbringung gere-gelt. Für die Thematik der Diplomarbeit wird näher auf die Verbringung ohne Ver-langen nach dem § 8 UbG eingegangen. Die Verbringung in eine Anstalt wird durch die Organe des Sicherheitsdienstes entweder mit ärztlicher Bescheinigung oder im Notfall, also bei Gefahr im Verzug, ohne Bescheinigung getätigt. Diese Bescheinigung hat Gründe zu enthalten, aus denen der Arzt die Unterbringung als gegeben erachtet.121 Nach § 9 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheits-dienstes dazu angehalten, Personen, die die Voraussetzungen des § 3 UbG erfül-len, zu einem Polizeiarzt oder im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zu bringen, diesen beizuziehen oder bei Gefahr im Verzug den Kliniktransfer ohne Bescheinigung, also polizeiautonom durchzuführen.122 Erforderlichenfalls ist nach § 9 Abs 3 UbG der öffentliche Rettungsdienst für den Transport in eine oben ge-nannte Anstalt beizuziehen.123

Grundsätzlich sollte die Unterbringung erst nach einer fachlichen Beurteilung ge-schehen und nach der höchstmöglichen Schonung des Patienten.

118Kopetzki,Grundriss3 Rz 128. 119Kopetzki,Grundriss3 Rz 129, 131.

120Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

S. 138.

121Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

S. 138.

122Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

S. 138.

(35)

Sämtliche Zwangsmaßnahmen sind nur unter Einhaltung des Verhältnismäßig-keitsgrundsatzes und nur bei absoluter Notwendigkeit zulässig.124

Bei Gefahr im Verzug können die Sicherheitsbehörden von der Bescheinigung absehen. Diese Gefahr liegt vor, wenn aufgrund der Zeitverzögerung, die eine Vorführung vor einem Arzt bewirkt, die Abwehr der ernstlichen und erheblichen Gefährdung nicht mehr möglich ist.125

Bei der Einschätzung durch die Polizei handelt es sich um eine (ex ante) Abschät-zung eines durchschnittlich verständigen medizinischen Laien. Sind Sanitäter oder ein Notarzt vor Ort, so ist deren Beiziehung aufgrund ihres Fachwissens ratsam. Nach geltender Rechtslage liegt die Letztentscheidung jedoch in allen Punkten bei der Polizei oder beim Amtsarzt.126

Die Vorführung ist als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren. Dies eröffnet dem Betroffenen eine Rechtsschutz-möglichkeit beim Landesverwaltungsgericht mit der Maßnahmenbeschwerde nach Art 132 Abs 2 B-VG.127

3. Polizeiliches Handeln nach dem Sicherheitspolizeigesetz

Aufgrund der Schwere des Eingriffsrechtes sind Handlungen, die nach den §§ 45 f SPG vorgenommen werden, immer an die Grundrechtsvorgaben des Art 5 EMRK und an das BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit gebunden. Die Maß-nahmen nach den §§ 45 f SPG sind somit immer in Verbindung mit Art 2 B-VG zu lesen.128

124Kopetzki, Grundriss3 Rz 150. 125Kopetzki, Grundriss3 Rz 173.

126Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79)

S. 139.

127Kopetzki, Grundriss3 Rz 153, 176.

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