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C. P OLIZEILICHES H ANDELN IM Z USAMMENHANG MIT EINER U NTERBRINGUNG

2. Polizeiliches Handeln nach dem UbG

Das Unterbringungsgesetz (UbG) regelt die Unterbringung einer Person in eine psychiatrische Anstaltspflege. Des Weiteren werden die Aufnahme in eine Kran-kenanstalt, der Aufenthalt in einer geeigneten Anstalt und die Freiheitsbeschrän-kung des Betroffenen im UbG geregelt.95 Das UbG dient einem „polizeirechtlichem Konzept“, welches die Gefahrenabwehr nach § 3 Z 1 UbG beinhaltet. Das vorlie-gende Gesetz soll verhindernd, nicht präventiv wirken.96

Eine „Unterbringung“ nach § 2 UbG liegt dann vor, wenn eine Person in einer psy-chiatrischen Abteilung einer Krankenanstalt in einem geschlossenen Bereich an-gehalten oder sonst in ihrer Freiheit beschränkt wird. Neben der Unterbringung auf einer geschlossenen Station (hier kann der Betroffene unabhängig von seinem Willen, einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bereich nicht verlassen) gibt es auch noch weniger intensive Maßnahmen (beispielsweise offene Stationen). Eine Freiheitsbeschränkung liegt demnach auch vor, wenn der Patient einen unver-sperrten Ort nicht verlässt, weil er weiß, dass er am Verlassen gehindert oder zu-rückgebracht wird.97

94Kneihs, Die „tobende Psychose“ und die Rolle des Rettungsdienstes, RdM (2005/02) S. 36.

95Kopetzki, Grundriss3 Rz 1.

96Kopetzki, Grundriss3 Rz 14.

97Engel in Resch/Wallner (Hrsg.), Handbuch Medizinrecht VI. Rz 2f.

(i) Voraussetzungen der Unterbringung nach § 3 UbG

Die Voraussetzungen für die Unterbringung gelten sowohl für die Verbringung in eine Anstalt, als auch für den dortigen Aufenthalt. Die in § 3 UbG genannten Be-dingungen müssen kumulativ erfüllt werden, entfällt nur eine davon, so ist von ei-ner Unterbringung abzusehen.98

Demnach darf ein Betroffener nur dann in eine psychiatrische Anstalt unterge-bracht werden, wenn alle der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

 Vorliegen einer psychischen Krankheit

 Lebens- oder Gesundheitsgefährdung des Betroffenen oder eines anderen

 Behandlung kann nur innerhalb einer psychiatrischen Abteilung erfolgen99 Die „psychische Krankheit“, welche nach § 3 UbG gefordert wird, ist ein Rechts-begriff und bedarf somit der Auslegung durch das Gericht. Demnach geht es hier nicht um die medizinische Frage wie das subjektive Leiden eines Patienten, die Abweichung vom sozialen Normverhalten oder die Zuordnung zu einer bestimm-ten Diagnose, sondern vielmehr geht es um die Beeinträchtigung der Selbstbe-stimmungsfähigkeit und den Verlust der Handlungsfreiheit, die den massiven Grundrechtseingriff der Unterbringung rechtfertigen.100 § 3 UbG fordert das Vorlie-gen einer psychischen Krankheit, welche in sechs Unterfälle untergliedert ist. Die-se sind die geistige Behinderung, die körperlich begründbare PsychoDie-se, die endo-gene Psychose, die Neurose und Persönlichkeitsstörung, der Alkoholismus und andere Suchtkrankheiten und als letzten Teilbereich der Suizidversuch.

Die wesentlichen Merkmale der geistigen Behinderung sind deutlich unterdurch-schnittliche allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit bei gleichzeitig gestörter oder eingeschränkter sozialer Anpassungsfähigkeit und der Beginn derselben vor dem 18. Lebensjahr. Das alleinige Vorliegen einer geistigen Behinderung reicht nicht aus, um eine Person in eine psychiatrische Anstalt unterzubringen.

98Kopetzki, Grundriss3 Rz 73f.

99Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79) S. 137f.

100Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79) S. 138.

Erst bei Hinzutreten einer psychischen Krankheit darf eine Unterbringung erfol-gen.101 Als körperlich begründbare Psychosen werden jene seelischen Störungen genannt, bei denen das Gehirn durch äußere Störeinflüsse geschädigt wurde.102 Als endogene Psychosen werden Schizophrenien und affektive Psychosen be-zeichnet.103 Bei den Schizophrenien unterteilt man in die paranoid-halluzinatorische, die hebephrene und die katatone Form.104

Die paranoide Schizophrenie stellt die häufigste Form dieser Erkrankung dar. Sie manifestiert sich vor allem durch Wahnsymptomatik. Die hebephrene Form der Schizophrenie beginnt meist im Jugendalter und zeichnet sich durch Antriebsstö-rungen, Stimmungsschwankungen, inadäquatem Affekt und Denkstörungen aus.

Die katatone Form der Schizophrenie prägen psychomotorische Erscheinungen.

Dabei kommen beispielsweise Haltungsstereotypen (eigenartige Haltungen wer-den vom Betroffenen in wer-den einzelnen Stadien der Psychose eingenommen und über längerem Zeitraum gehalten [Bsp.: katatoner Stupor: Patient verharrt re-gungslos und ohne zu sprechen, jedoch bei vollem Bewusstsein]) besonders häu-fig vor.105 Als affektive Psychosen werden seelische Störungen bezeichnet, wel-che als Depression oder Manie auftreten können.106

Neurotische Störungen müssen in ihrer Qualität und Schwere den psychischen Krankheiten gleichwertig sein, dann fallen sie unter das Tatbestandsmerkmal

„psychische Krankheit“. Persönlichkeitsstörungen werden nach überwiegender Meinung nicht unter diesen Tatbestand subsumiert.107

Weder der Suchtmittelmissbrauch noch die Suchtmittelabhängigkeit zählen zu den psychischen Krankheiten des UbG. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nur bei psy-chischen Folgeerkrankungen aufgrund des Missbrauches erfüllt.108 Der Suizidver-such als letzter Unterfall zählt nicht zwingend zu den psychischen Krankheiten, vielmehr muss eruiert werden, ob der Todeswunsch Ausdruck einer psychischen Erkrankung ist. Die Unterbringung nach dem UbG ist zulässig, wenn eine

101Kopetzki, Grundriss3 Rz 80f, JBl 1992,106: OGH 1992/05/27 6Ob546/92.

102Haller, Das psychiatrisches Gutachten2 S. 86.

103Kopetzki,Grundriss3 Rz 85.

104Haller, Das psychiatrisches Gutachten2 S. 97.

105De Gruyter, Pschyrembel- Klinisches Wörterbuch264 „Schizophrenie“.

106Haller, Das psychiatrisches Gutachten2 S. 107.

107Kopetzki,Grundriss3 Rz 87f.

108Kopetzki, Grundriss3 Rz 89f.

sche Krankheit vorliegt, aufgrund derer sich der Suizidgedanke herauskristallisiert hat und die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Versuches nahe liegt.109

Als eine Gefährdung nach dem UbG wird eine Herbeiführung eines Zustandes gewertet, welcher den Eintritt eines Nachteils mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hat. Diese Folge ist eine Prognose und muss aufgrund objektiver und kon-kreter Anhaltspunkte möglich sein.110

Das gefährdete Rechtsgut ist das Leben oder die körperliche Gesundheit des Be-troffenen selbst oder eines anderen.111 Nach § 3 Z 1 UbG muss die Schadensin-tensität eine „ernstlich und erhebliche“ sein, somit fallen geringfügige Störungen aus dem Tatbestand heraus.112 Die Unterscheidung, ob eine bloße Behandlungs-bedürftigkeit oder eine Selbstgefährdung vorliegt, ist nach der Art des Schadens zu treffen. Der Gesundheitsschaden, der in der vorliegenden psychischen Erkran-kung liegt, gilt noch nicht als Voraussetzung für eine Unterbringung nach dem UbG. Der bestehende unbehandelte Zustand ist also kein Schaden, zu dessen Abwehr das UbG berechtigt. Der Schaden, der durch die unterlassene Behand-lung eintritt, ist noch nicht als Selbstgefährdung iSd § 3 UbG zu verstehen.113 Auch eine zu erwartende Verschlechterung stellt keine Gefährdung nach dem UbG dar. Das Unterbringungsgesetz ziehlt lediglich auf eine Schadensfolge ab, die über die Grunderkrankung und ihre typischen Symptome hinausgeht.114

Nach § 3 Abs 1 UbG muss die Gefahr im Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung stehen, sie hat direkt aus der Krankheit zu drohen.115 Daher ermög-licht nicht jede Lebens- oder Gesundheitsgefährdung die von einem psychisch Kranken ausgeht eine Unterbringung. Für eine Unterbringung nach dem UbG muss die Gefahrenquelle aus der psychischen Erkrankung entspringen.116 In die Gefahrenbeurteilung dürfen Umstände, die erst durch die zwangsweise Einliefe-rung entstehen, nicht eingerechnet werden.117

109Kopetzki,Grundriss3 Rz 91.

110OGH 27.5.1992, 2 Ob 542/92; Kopetzki, Grundriss3 Rz 94f.

111Kopetzki,Grundriss3 Rz 101.

112Kopetzki,Grundriss3 Rz 103.

113Kopetzki, Grundriss3 Rz 108.

114Kopetzki, Grundriss3 Rz 109.

115Kopetzki, Grundriss3 Rz 119.

116Kopetzki, Grundriss3 Rz 120.

117Kopetzki, Grundriss3 Rz 123.

§ 3 Z 2 UbG enthält ein Subsidiaritätsprinzip, demnach soll nur derjenige in eine psychiatrische Anstalt untergebracht werden, dem außerhalb davon keine gleich-wertige Behandlung geboten werden kann. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrund-satz muss die Behandlung in der Anstalt geeignet und angemessen sein, um das vorgegebene Ziel erreichen zu können.118 Die Alternative zur Behandlung in einer Anstalt bieten ambulante psychosoziale Einrichtungen. Diese erfordern jedoch die Bereitschaft des Patienten, sich der Behandlung freiwillig zu unterziehen.119

(ii) Unterbringung ohne Verlangen nach §§ 8 f UbG

Die Verbringung des Betroffenen in eine psychiatrische Anstalt ist ein Akt der un-mittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt, welche ihre Grundlage in §§ 8 ff UbG und

§§ 46 f SPG findet.120 In den §§ 8-11 UbG ist die unfreiwillige Unterbringung gere-gelt. Für die Thematik der Diplomarbeit wird näher auf die Verbringung ohne Ver-langen nach dem § 8 UbG eingegangen. Die Verbringung in eine Anstalt wird durch die Organe des Sicherheitsdienstes entweder mit ärztlicher Bescheinigung oder im Notfall, also bei Gefahr im Verzug, ohne Bescheinigung getätigt. Diese Bescheinigung hat Gründe zu enthalten, aus denen der Arzt die Unterbringung als gegeben erachtet.121 Nach § 9 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheits-dienstes dazu angehalten, Personen, die die Voraussetzungen des § 3 UbG erfül-len, zu einem Polizeiarzt oder im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zu bringen, diesen beizuziehen oder bei Gefahr im Verzug den Kliniktransfer ohne Bescheinigung, also polizeiautonom durchzuführen.122 Erforderlichenfalls ist nach

§ 9 Abs 3 UbG der öffentliche Rettungsdienst für den Transport in eine oben ge-nannte Anstalt beizuziehen.123

Grundsätzlich sollte die Unterbringung erst nach einer fachlichen Beurteilung ge-schehen und nach der höchstmöglichen Schonung des Patienten.

118Kopetzki,Grundriss3 Rz 128.

119Kopetzki,Grundriss3 Rz 129, 131.

120Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79) S. 138.

121Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79) S. 138.

122Halmich, Rechtsfragen im präklinischen Umgang mit psychiatrischen Patienten, RdM (2013/79) S. 138.

123Kopetzki, Grundriss3 Rz 144.

Sämtliche Zwangsmaßnahmen sind nur unter Einhaltung des Verhältnismäßig-keitsgrundsatzes und nur bei absoluter Notwendigkeit zulässig.124

Bei Gefahr im Verzug können die Sicherheitsbehörden von der Bescheinigung absehen. Diese Gefahr liegt vor, wenn aufgrund der Zeitverzögerung, die eine Vorführung vor einem Arzt bewirkt, die Abwehr der ernstlichen und erheblichen Gefährdung nicht mehr möglich ist.125

Bei der Einschätzung durch die Polizei handelt es sich um eine (ex ante) Abschät-zung eines durchschnittlich verständigen medizinischen Laien. Sind Sanitäter oder ein Notarzt vor Ort, so ist deren Beiziehung aufgrund ihres Fachwissens ratsam.

Nach geltender Rechtslage liegt die Letztentscheidung jedoch in allen Punkten bei der Polizei oder beim Amtsarzt.126

Die Vorführung ist als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren. Dies eröffnet dem Betroffenen eine Rechtsschutz-möglichkeit beim Landesverwaltungsgericht mit der Maßnahmenbeschwerde nach Art 132 Abs 2 B-VG.127