4 granatapfel9 ∙ 2018
Mechanismen der Informationsverarbeitung aus, die zu den verschiedenen Leistungen des Hirns führen.
Allerdings haben Ärzte in Südkorea, dem Vorzeigeland der Informations- und Kommu- nikationstechnologien, Gedächtnis-, Auf- merksamkeits- und Konzentrationsstörungen sowie emotionale Verflachung und allgemeine Abstumpfung bei Jugendlichen festgestellt.
Ebenso eine Veränderung der Gehirnleistung – auch bei Erwachsenen. Denn: Mittlerweile ist das Auffinden von Informationen wichtiger als das Merken. Das führt dazu, dass die für das Suchen verantwortlichen Gehirnteile stärker entwickelt sind, jene für das Merken verkümmern. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass jemand, der sich immer auf sein Navi- gationssystem verlässt, sich grundsätzlich schwerer orientieren kann.
Krankheit Computerspielen
Süchtig machen kann der Computer auf jeden Fall. Nach der neuen Krankheits klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde die „Gaming Disorder", das exzessive Bisher können Forscher dem Gehirn nur
oberflächlich bei der Arbeit zuschauen. Bild- gebende Verfahren wie die Magnetresonanz- tomografie können zwar zeigen, welche Hirn- region gerade aktiv ist, zum Beispiel wenn der Proband eine Bewegung ausführt oder Neues lernt, doch einen tieferen Einblick ge- währen sie nicht. „Ein Neuron ist so klein, das wäre, als ob man vom Mond aus versuchen würde, einen Menschen zu sehen“, beschreibt Primarius Univ.-Doz. Dr. Christian Eggers von der Abteilung für Neurologie bei den Barm- herzigen Brüdern Linz das Problem der Über- prüfbarkeit, ob und inwieweit sich Neuronen oder das Gehirnvolumen tatsächlich durch die Nutzung digitaler Medien verändern.
Jede Tätigkeit verändert das Gehirn Fest steht, dass jegliche Tätigkeit den inneren Aufbau unseres Gehirns verändert, da die Verarbeitung von Informationen zu neuen oder veränderten Kontakten zwischen den Nervenzellen führt. „In Würzburg gab es
eine Studie, bei der einer Gruppe das Jonglieren mit Keulen beigebracht wurde.
Im Vergleich zur Kontroll- gruppe hat sich deren Ge- hirn an einer bestimmten Stelle vergrößert“, erklärt der Neurologe. Veränderungen können also grundsätzlich belegt werden, allerdings lässt sich nicht zuordnen, ob ein Gehirn einem Jongleur oder einem starken Internet- nutzer gehört. Denn der Energieverbrauch im Gehirn sagt nichts über die Prinzipien und
Digitale Demenz
Barmherzige Brüder Linz Digitale Medien machen süchtig und schaden dem Geist. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen wird dadurch die Lernfähigkeit vermindert.
Jedenfalls den Büchern des Mediziners, Philosophen und Psychologen Manfred Spitzers zufolge, der vor „digitaler Demenz“ warnt. Wir haben hinterfragt, ob das stimmt.
V O N E L K E B E R G E R
Fest steht, dass jegliche Tätigkeit den inneren Aufbau unseres Gehirns verändert.
Primarius Univ.
Doz. Dr. Christian Eggers ist Vorstand der Abteilung für Neurologie bei den Barmherzigen Brüdern Linz.
Gesundheit
&Lebenshilfe Gehirn
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Mittlerweile ist das Auffinden von
Informationen wichtiger als das Merken. Das führt
dazu, dass die für das Merken verantwortlichen
Gehirnteile verkümmern.
Computer- oder Videospielen, im Juni als Krankheit eingestuft, die auch von Kranken- kassen anerkannt werden soll. Dabei ist nicht die Dauer ausschlaggebend. Zu den Diagnose- kriterien zählen unter anderem die Weiter- führung des Spielens trotz negativer Konse- quenzen sowie der Vorrang des Spiels vor sozialen Kontakten. Studien zeigen, dass bei abhängigen Spielern Spiele einen ähnlichen neurobiologischen Effekt haben wie Drogen.
Das Belohnungssystem im Gehirn wird an- gesprochen, und es gibt Gewöhnungs effekte, wodurch Betroffene immer mehr zocken müssen, um die gewünschten Glücksgefühle zu erzeugen.
Eine Gefahr vor allem für Kinder, die auch insgesamt mit Informationen aus digitalen Medien schlechter umgehen als Erwachsene.
Vermutlich, weil verschiedene Teilsysteme des Gehirns noch nicht ausgereift und voll funktionsfähig sind. Primar Eggers empfiehlt daher, Kinder unter acht von Computer und Co. fernzuhalten und für Jugendliche einen Zeitrahmen von rund eineinhalb Stunden am Tag: „Die Wirkung auf kleine Kinder
Gehirn
ist einfach eine andere als auf Erwachsene.
Unter suchungen zeigen etwa, dass Kinder in der Phase der Sprachentwicklung nicht profitieren, wenn sie Menschen im Fern sehen sprechen sehen, schon gar nicht, wenn diese synchronisiert werden. Dazu braucht es ein echtes Gegenüber, und auch die Lippen- bewegungen müssen stimmen.“
Ältere Menschen könnten allerdings von den neuen Medien profitieren. Neuesten Studien zufolge beugt Surfen im Internet Alz- heimer vor. Allerdings relativiert da Eggers:
„ Menschen, die sich mit anspruchsvollen Aufgaben beschäftigen, die denkerische Aktivität erfordert, haben weniger Demenz.
Das hat aber weniger mit dem Internet zu tun, als damit, dass man selbst gefordert ist.“
Richtiger Umgang
Demenz ist eine Krankheit, die mit einem fortschreitenden Verlust der geistigen Leis- tungsfähigkeit einhergeht. Insofern hat Manfred Spitzer mit seinen Warnungen zur digitalen Demenz recht: Wenn wir es erlau- ben, dass Computer, Smartphones, Organizer und Navigationssysteme uns abnehmen, was wir früher im Kopf haben mussten, lagern wir unsere Hirnarbeit aus, wodurch das Gedächtnis nachlässt. Nervenzellen sterben ab, und nachwachsende Zellen überleben nicht, weil sie nicht gebraucht werden.
Doch die digitalen Medien sind nicht per se schlecht. Wichtig ist der richtige Umgang damit, und den kann man lernen.
Fotos: Barmherzige Brüder Linz, ClipDealer
Wenn wir „Hirnarbeit“ auf Computer, Smartphones, Navigationssysteme usw. auslagern, lässt das Gedächtnis nach, Nervenzellen sterben ab.