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Ausgabe 8 August

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Academic year: 2022

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(1)

CME-FORTBILDUNG Arzneimittel- Auswirkungen im Gastrointestinaltrakt Nebenwirkungen an Dünn- und Dickdarm Psychotherapie

Konfliktbewältigung mit Patienten aus fremden Kulturen

Medizin Adipositas

Lifestyle-Massnahmen und medikamentöse Therapie Ischämischer Schlaganfall Neue Leitlinienempfehlungen zur Akuttherapie

Multiple Sklerose Aktualisierte Leitlinie und weitere Updates

Akutes Koronarsyndrom Bei ST-Streckenhebungen im EKG ist sofortige Revaskularisation indiziert!

Typ-2-Diabetes

Metformin frühzeitig mit neuen Substanzklassen kombinieren Psoriasis-Arthritis

Kardiovaskuläre Risikoabschätzung bei PsA

Praxismanagement COVID-19-Impfkampagne Überlastung des Gesundheits- systems vorbeugen

(2)

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KI: Überempfindlichkeit gegen Lavendelöl, SS, Stillzeit, Leberinsuffizienz, Personen unter 18 Jahre und Patienten mit hereditärer Fructose-Intoleranz. UEW: Häufig: Aufstossen, Übelkeit und allergische Haut reaktionen; Selten: Kopfschmerzen; Sehr selten: Müdigkeit. IA: Keine Interaktionen bekannt. P: 14, 28 und 56 Kapseln. VK: C, kassenzulässig (SL) mit Limitatio siehe www.spezialitätenliste.ch ZI: Schwabe Pharma AG, Küssnacht am Rigi. Weitere Informationen siehe www.swissmedicinfo.ch

Referenzen: 1. Woelk H, Schläfke S. A multi-center, double-blind, randomised study of the Lavenderoil preparation Silexan incomparison to Lorazepam for generalized anxiety disorder.

Phytomedicine 2010; 17:94–99. 2. Kasper S et al.: Better tolerability of St. John’s wort extract WS 5570 compared to treatment with SSRIs: a reanalysis of data from controlled clinical trials in acute major depression. International Clinical Psychopharmacology 2010;25: 204–213. 3. www.swissmedicinfo.ch 4. Mueller WE, Schuwald A, Noeldner M, Kasper S, Friedland K.

Pharmacological Bases of the therapeutic use of Silexan (Lasea®). Psychopharmakotherapie 2015; 22: 3–14. 5. Heger-Mahn D1, Pabst G, Dienel A, Schläfke S, Klipping C. No interacting influence of lavender oil preparation silexan on oral contraception using an ethinyl estradiol/levonorgestrel combination. Drugs R D. 2014 Dec;14(4):265–72. 6. Doroshyenko O, Rokitta D, Zadoyan G, Klement S, Schläfke S, Dienel A, Gramatté T, Lück H, Fuhr U. Drug cocktail interaction study on the effect of the orally administered lavender oil preparation Silexan on

cytochrome P450 enzymes in healthy volunteers. Drug Metab Dispos 2013; 41:987–993. 09/2019

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The Local Organizing Committee and the Scientifi c Board of EUMASS cordially invite you to attend the 2021 EUMASS Congress ONLINE, scheduled for 16–17 September 2021. The Congress will host the annual conference of Swiss Insurance Medicine (SIM).

The congress will address – beside traditional issues such as sick leave certifi cation, disability assessment, return to work and disability management – future challenges in the context of demographic changes, personalized medicine and artifi cial intelligen- ce. The congress will share with the annual meeting of Swiss Insurance Medicine and the community of insurance medicine of Switzerland’s neighbours Germany, Austria and France.

Registration under:

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1 Credits auf medizinonline.ch

Einloggen, Fragen beantworten und direkt CME-Zertifkat downloaden.

Die Fortbildungsthemen in dieser Ausgabe:

Arzneimittel-Auswirkungen im Gastrointestinaltrakt ...Seite 6 KonfliktbewältigungmitPatientenausfremdenKulturen ...Seite 12 CME-Fortbildungsfragen ...Seite 17  

■ Die Impfquoten gegen SARS-CoV-2 lassen in der Schweiz nach wie vor zu wünschen übrig. Seit Anfang Juni hat die wöchentliche Zahl der verabreichten Dosen stark abgenommen, wobei zumindest die Erhe- bungen aus Deutschland Anlass zur Hoffnung geben, dass sich dies nach Ende der Schulferien etwas bes- sert. Nichtsdestotrotz: Insgesamt ist noch immer ein zu grosser Anteil der Gesamtbevölkerung nicht geimpft.

Grundsätzlich gilt natürlich, dass es jedem selbst überlassen bleibt, das Angebot zur Vakzinierung wahrzunehmen oder eben nicht. Wer die Möglichkeit dazu hat, aber bewusst darauf verzichtet, geht damit ein gesundheitliches Risiko ein, das er bzw. sie sich selbst gegenüber zu verantworten hat. Diese private Entscheidung hat den Staat nicht zu interessieren.

Wohl aber die möglichen Auswirkungen in Form einer erneuten Überlastung des Gesundheitssystems.

Aus diesem Grund hat die Erhöhung der Anzahl geimpfter Personen weiterhin höchste Priorität für die Behörden, zumal aufgrund der Ausbreitung der ansteckenderen Delta-Variante in Verbindung mit einem weniger strengen Massnahmenkatalogs mit einer neuen Welle gerechnet werden muss. Die Auto- ren der Swiss National Covid-19 Science Taskforce schlagen daher vor, in der Schweiz jene Strategie anzu- wenden, die z.B. in Grossbritannien und Spanien zu einer hohen Impfquote gerade bei über 50-Jährigen geführt hat: nämlich diese Personengruppe direkt und persönlich von den örtlichen Gesundheitsfachkräften kontaktieren und aufklären zu lassen.

Wie sich die Schweiz darüber hinaus auf die kom- menden Monate vorbereiten sollte und welche Optio- nen die Ärzteschaft hierbei besitzt, stellen wir Ihnen in einem Übersichtsartikel zur COVID-19-Impfkam- pagne vor (Seite 4).

Des Weiteren können Sie in dieser Ausgabe der Hausarzt Praxis u.a. Artikel von der medArt basel, den FomF Hausarzt Fortbildungstagen und der World Psoriasis & Psoriasis Arthritis Conference 2021 lesen.

Unsere CME-Fortbildungsbeiträge thematisieren diesmal Arzneimittel-Auswirkungen im Gastrointesti- nal trakt sowie die Konfliktbewältigung mit Patienten aus fremden Kulturen aus psychotherapeutischer Sicht. Wir wünschen Ihnen wie immer viel Vergnügen bei der Lektüre.

Bleiben Sie weiterhin gesund!

Jens Dehn, Redaktion

Stockende Impfquoten

Quo vadis, COVID-Vakzinierung?

(4)

2

EDITORIAL

1 Stockende Impfquoten

Quo vadis, COVID-Vakzinierung?

Jens Dehn, Redaktion

PRAXISMANAGEMENT

4 COVID-19-Impfkampagne

Überlastung des Gesundheitssystems vorbeugen – nach wie vor eine wichtige Devise

CME-FORTBILDUNG

6 Arzneimittel-Auswirkungen

im Gastrointestinaltrakt

Nebenwirkungen an Dünn- und Dickdarm Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerhard Rogler, Zürich 11 Credits auf medizinonline.ch

Anleitung zur Online-Fortbildung 12 Psychotherapie

Konfliktbewältigung mit Patienten aus fremden Kulturen

Dr. phil. Gunther Hübner, Hofheim (D) 17 CME-Fortbildungsfragen

MEDIZIN

18 State-of-the-Art-Adipositastherapie

Lifestyle-Massnahmen mit medikamentöser Behandlung kombinieren

22 Ischämischer Schlaganfall

«Time is brain» – neue Leitlinien empfehlungen zur Akuttherapie

26 Multiple Sklerose

MS-Therapie: Aktualisierte Leitlinie und weitere Updates im Überblick

28 Akutes Koronarsyndrom

Bei ST-Streckenhebungen im EKG ist sofortige Revaskularisation indiziert!

34 Moderne Behandlung des Typ-2-Diabetes Metformin frühzeitig mit neuen Substanz- klassen kombinieren

40 Psoriasis-Arthritis (PsoA)

Kardiovaskuläre Risikoabschätzung bei PsoA – eine aktuelle «Top Priority»

44 «Mild Cognitive Impairment» (MCI) Ginkgo biloba zur Verbesserung neurokognitiver Symptome 45 Spinale Muskelatrophie

Klinische Erfahrungen sprechen für individuelles Therapiemanagement 47 Die Parkinson-Therapie beim Hochbetagten

Das Alter macht es nicht besser

SONDERREPORT

24 Funktionelle gastrointestinale Störungen Multifaktorielles Erklärungsmodell – Phytotherapie als bewährte Therapiesäule 36 Nephrologie

Einfluss einer COVID-19-Infektion auf die Niere

IMAGES

32 Vom Symptom zur Diagnose

Gelenkdiagnostik: dorsaler Fersenschmerz – Läsionen der Achillessehne

Dr. med. Hans-Joachim Thiel, Birenbach (D)

WEITERE RUBRIKEN

21, 39, 46 News

23, 30, 42 Publireportage 35 Board

39 Impressum

Titelbild: JuNikaCartoons, iStock

(5)

DIE MISSION GEHT

WEITER.

NO55726/06.21

1. Swissmedicinfo. ENTRESTO® Fachinformation. April 2018; Available from: http://www.swissmedicinfo.ch/. 2. Docherty, K.F., et al., Sacubitril/Valsartan: Neprilysin Inhibition 5 Years After PARADIGM-HF.

JACC Heart Fail, 2020. 8(10):p. 800–810. 3. Ponikowski, P., et al., 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J, 2016. 37(27): p.

2129-2200. 4. McMurray, J.J., et al., Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med, 2014. 371(11): p. 993-1004.

HFrEF: Heart Failure with reduced Ejection Fraction

Entresto® Z: Filmtabletten zu 50 mg, 100 mg und 200 mg Sacubitril/Valsartan Salzkomplex. I: Entresto ist indiziert zur Reduktion des Risikos der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität bei erwachsenen Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz (NYHA-Klasse II–IV, LVEF ≤40%). Entresto wird in geeigneter Kombination mit anderen Therapien für Herzinsuffizienz (z. B. Betablocker, Diuretika und Mineralkortikoidantagonisten) anstelle eines ACE-Hemmers oder eines ARBs verabreicht. D: Initialdosis – 100 mg 2 × täglich oder 50 mg 2 × täglich: bei Patienten die derzeit nicht oder mit einer niedrigen Dosis von einem ACE-Hemmer oder ARB behandelt werden, Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung (eGFR <30 ml/min/1,73 m2) oder mittelschwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klassifikation B). Dosis alle 2–4 Wochen auf eine Zieldosis von täglich 2 × 200 mg verdoppeln. Behandlung frühestens 36 Stunden nach Absetzen eines ACE-Hemmers. Nicht zusammen mit einem ARB anwenden. Bei Verträglichkeitsproblemen wird Anpassung von gleichzeitig angewendeter Medikation, vorübergehende Dosissenkung oder Absetzen von Entresto empfohlen. Anwendung nicht untersucht bei systolischem Blutdruck <100 mmHg; schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klassifikation C); Kindern und Jugendlichen. KI: Überempfindlichkeit gegenüber einem der Wirkstoffe oder einem der Hilfsstoffe. Gleichzeitige Anwendung eines ACE-Hemmers. Bekanntes Angioödem in der Vorgeschichte im Zusammenhang mit einer ACE-Hemmer oder ARB Behandlung.

Hereditäres Angioödem. Gleichzeitige Anwendung mit Aliskiren-haltigen Arzneimitteln bei Patienten mit Diabetes mellitus oder Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (GFR <60 ml/min/1,73m2).

Schwere Nierenfunktionsstörung mit eGFR <10 ml/min/1,73m2. Schwangerschaft. VM: Duale Blockade des RAAS. Arterielle Hypotonie – bei Therapiebeginn oder während Dosisanpassung Blutdruck überwachen. Bei Auftreten von Hypotonie vorübergehende Dosissenkung oder vorübergehendes Absetzen von Entresto sowie eine Dosisanpassung von Diuretika, Blutdrucksenkern und eine Behandlung anderer Ursachen für die Hypotonie empfohlen. Eine Natrium- und/oder Volumendepletion vor Behandlung korrigieren. Eingeschränkte Nierenfunktion. Hyperkaliämie – die Kaliumspiegel-erhöhenden Arzneimittel mit Vorsicht anwenden. Eine Überwachung des Serumkaliumspiegels empfohlen. Angioödeme – bei Auftreten eines Angioödems Entresto unverzüglich absetzen, eine angemessene Therapie und Überwachung einleiten. Ein mit einem Rachenödem einhergehendes Angioödem kann zum Tode führen. Bei einer Beteiligung von Zunge, Glottis oder Rachen, unverzüglich geeignete Behandlung, z. B. mit Epinephrin-/Adrenalinlösung subkutan und/oder Massnahmen zur Gewährleistung offener Atemwege einleiten. Patienten mit Nierenarterienstenose – Überwachung Nierenfunktion empfohlen.

Biomarker – Bei mit Entresto behandelten Patienten ist BNP kein geeigneter Biomarker. IA: ACE-Hemmer; Aliskiren; ARBs; OATP1B1 und OATP1B3 Transporter; Sildenafil; kaliumsparenden Diuretika, Mineralokortikoid-Antagonisten, Kaliumergänzungen oder einer kaliumhaltigen Salzsubstitution; nicht-steroidale anti-inflammatorische Arzneimittel (NSAIDs) einschliesslich selektiver Cyclooxygenase- 2-Hemmer (COX-2-Hemmer); Lithium; Inhibitoren von OATP1B1, OATP1B3, und OAT3, OAT1 oder MRP2. UW: Sehr häufig: Hyperkaliämie, Hypotonie, eingeschränkte Nierenfunktion. Häufig: Anämie, Hypokaliämie, Hypoglykämie, Schwindel, Kopfschmerz, Vertigo, Synkope, Hypotonie orthostatisch, Husten, Durchfall, Übelkeit, Nierenversagen (Niereninsuffizienz, akutes Nierenversagen), Ermüdung, Asthenie. Gelegentlich: Schwindel orthostatisch, Angioödeme, Pruritus, Hautauschlag, Überempfindlichkeit (inkl. Anaphylaxie). P: Entresto 50 mg: Packungen à 28 und 56 Filmtabletten. Entresto 100 mg und 200 mg: Packungen à 56 und 168 Filmtabletten. Verkaufskategorie: B. Weitere Informationen finden Sie unter www.swissmedicinfo.ch. Novartis Pharma Schweiz AG, Risch; Suurstoffi 14, 6343

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4  

(mp) Entscheidend für die potenzielle Krank- heitslast in der Bevölkerung und die mögliche Belastung des Gesundheitswesens sei die Zahl der Menschen in den verschiedenen Altersklas- sen, die keine Immunität gegen SARS-CoV-2 haben, dies gilt insbesondere für die Gruppe der über 50-Jährigen [1]. Zwar wurden bis 01.08.2021 bereits rund 50% der Schweizer Bevölkerung vollständig geimpft (Abb. 1), aber es bleibt eine grosse Gruppe nicht immuner Per- sonen, so dass es erneut zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommen kann [2]. Im Drei-Phasen-Modell des Bundesrates (Schutz-, Stabilisierungs-, Normalisierungsphase) erfolgt der Übergang in Phase 3 zum Zeitpunkt, wenn alle impfwilligen erwachsenen Personen voll- ständig geimpft sind. Im Moment gibt es in der Schweiz in jeder Altersklasse noch mindestens gleich viele Menschen ohne Immunität wie bereitsInfizierte[1].IndenAltersklassenbis50 Jahren haben 2–3 mal mehr Menschen keine Immunitätalsbislanginfiziertwurden.Inden Altersklassen ab 50 Jahren haben etwa gleich viele Menschen keine Immunität wie bislang infiziertwurden.

Erhöhung der Durchimpfungsrate weiterhin Priorität

«Wenn ein grosser Teil der momentan nicht im- munen Menschen infiziert würde, dann wäre die erwartete kumulative Krankheitslast ähn- lich gross oder grösser als die gesamte Krank- heitslast im bisherigen Pandemieverlauf», so eine Prognose der Swiss National Covid-19 Sci- ence vom 03.08.21 [1]. Die Erhöhung der An- zahl geimpfter Personen habe deshalb weiterhin höchste Priorität, weil aufgrund der anstecken- deren Delta-Variante und des deutlich weniger strengen Massnahmendispositivs mit einem weiteren Anstieg der Fallzahlen gerechnet wer- den müsse (BAG, 28.07.21) [2]. Im Vergleich zu anderen Ländern in West- und Südwesteuropa ist sowohl die Impfgeschwindigkeit wie auch die Impfabdeckung in der Schweiz tiefer. So beträgt in Grossbritannien und Spanien der Prozentsatz der über 70-Jährigen, die nicht doppelt geimpft sind, nur etwa 2% [3] bzw. 3% [4], in der Schweiz hingegen rund 17% [5]. Bei den über 50-Jähri- gen – also der Altersklasse, die für die Hospitali-

sationen besonders relevant ist – liegt in Gross- britannien der Anteil der nicht doppelt Geimpften bei unter 5%, in der Schweiz sind es um ein Viel- faches mehr [1,3]. Im Gegensatz dazu ist bei an- deren Infektionskrankheiten in der Schweiz die Impfabdeckung hoch im europäischen Vergleich [6]. Daraus schliessen die Autoren der Science Taskforce, dass die beobachtete Differenz in der Covid-19-Impfgeschwindigkeit und -Impf- abdeckung zwischen der Schweiz und anderen westeuropäischen Ländern nicht einem grund- sätzlichen kulturellen oder organisatorischen Unterschied entspringt, sondern durch verstärk- te Anstrengungen verkleinert werden kann [1].

Wie kann Impfskepsis entgegnet werden?

Eine auf der vor einigen Monaten durchgeführ- ten FORS COVID-19 MOSAiCH Erhebung basie- rende Datenauswertung zeigt, dass mit unge- fähr 22% ein beträchtlicher Anteil der 1245 befragten Personen* zum damaligen Zeitpunk-

* An der dritten Befragungsrunde der COVID-19-Zu- satzbefragung, welche im Rahmen der jährlich statt- findendensozialwissenschaftlichenMOSAiCH-Erhe- bung im Zeitraum Mitte März bis Mitte April 2021 durchgeführt wurde, beteiligten sich 1245 Perso- nen. Die Resultate wurden statistisch gewichtet, um eine bessere Repräsentativität für die Schweizer Bevölkerung zu erreichen [15,16].

Aus einem Anfang August erschienenen Wissenschaftlichen Update der Swiss National Covid-19 Science Taskforce geht hervor, dass die wöchentliche Zahl der verabreichten Impfdosen in der Schweiz seit Anfang Juni stark abgenom- men hat. Falls die Impfgeschwindigkeit nicht wieder erhöht werden kann, werden erst Ende September 60% der Gesamtpopulation eine erste Impfung erhalten haben, so aktuelle Prognosen der Experten. Impfkampagne quo vadis?

COVID-19-Impfkampagne

Überlastung des Gesundheitssystems

vorbeugen – nach wie vor eine wichtige Devise

Abb. 1 Schweiz und Liechtenstein:

Impfquote insgesamt**

Vollständig geimpft:

4 227 720 48,90%

Teilweise geimpft:

502 624 5,81%

Personen mit mind. 1 Impfdosis: 54,72%

** Stand 01.08.2021

modifiziertnach[5]

Abb. 2 Schweiz und Liechtenstein: Impfquote nach Altersklassen**

0 20 40 60 80 100

0–9 10–19 20–29 30–39 40–49 50–59 60–69 70–79 80+

0,01%

13,30%7,76%

39,18% 8,68%

44,89% 8,11%

53,37% 7,76%

60,94% 7,05%

72,37% 5,31%

82,73% 2,89%

1,94%

80,79%

** Stand 01.08.2021

modifiziertnach[5]

(7)

5 te der Impfung kritisch gegenüberstand [15,16].

In Grossbritannien und Spanien – beides Län- der, in welchen wie erwähnt die Covid-19-Durch- impfungsrate bei Menschen über 50 Jahre sehr hoch ist – werden Menschen ab einem bestimm- ten Alter direkt und persönlich von den örtlichen Gesundheitsfachkräften kontaktiert oder es wird ihnen von der nationalen Gesundheitsbehör- de eine Einladung zur Impfung zugestellt. Die Autoren der Swiss National Covid-19 Science Taskforce schlagen vor, diese Strategie auch in der Schweiz anzuwenden. Um die Bedeutung der Impfung zu kommunizieren, können folgen- de Argumente hilfreich sein [1]:

– Die beiden in der Schweiz angebotenen Impf- stoffe bieten einen ausgezeichneten Schutz vor schweren Erkrankungen und Todesfällen.

– Die meisten Krankheitsfälle und Kranken- hausaufenthalte mit Covid-19 in der Schweiz und im Ausland ereignen sich bei Ungeimpf- ten.

– Ungeimpfte haben ein höheres Risiko, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken und das Virus auf andere zu übertragen.

– Eine Impfung ist die wirksamste Massnahme, sich selbst und andere, einschliesslich das Gesundheitspersonal zu schützen und damit auch Arbeitsplätze und die Wirtschaft insge- samt.

– Zwar kann es zu Durchbruchsinfektionen kommen, diese machen jedoch nur einen geringen Prozentsatz der neuen Fälle aus und grossmehrheitlich sind die Verläufe mild.

Die allermeisten Geimpften sind somit im Gegensatz zu den Ungeimpften vor schwerer Krankheit und Tod geschützt.

Erfahrungswerte zeigen, dass für eine wirkungs- volle Impfkampagne verschiedene Massnah- men kombiniert werden müssen [7]. Unter an- derem werden in verschiedenen Ländern zur Erhöhung der Impfabdeckung auch direkte An- reize und Belohnungen eingesetzt.

Wie gefährlich ist die Deltavariante?

Seit Kalenderwoche 26 ist Delta (B.1.617.2) die dominante Variante in der Schweiz. Diese ursprünglich in Indien beschriebene Variante hatteinderKalenderwoche19eineHäufigkeit von1%,inderKalenderwoche24eineHäufig- keit von 24% und in der Kalenderwoche 29 eine Häufigkeitvon98%unterdensequenziertenFäl-

len [8]. Aufgrund von Verzögerungen, mit denen die Sequenzen erfasst werden, können sich die- seHäufigkeit,voralleminKalenderwoche29, noch ändern. Aus diesem Anstieg der Häufig- keit von Delta kann man einen Transmissions- vorteil gegenüber Alpha von 67–75% berechnen [8]. Delta scheint schwerere Verläufe zu verur- sachen als die zuvor in der Schweiz dominie- renden Stämme. Die Daten aus Schottland [9]

deuten darauf hin, dass eine Infektion mit Delta runddoppeltsohäufigzurHospitalisierungführt wie eine Infektion mit Alpha (hazard ratio 1,39–

2,47). Daten aus Kanada zeigen einen Anstieg des Hospitalisierungsrisikos um 120% (93–

153%) gegenüber den in 2020 zirkulierenden Stämmen [1,10]. Der Impfschutz gegen Infek- tion und symptomatischer Erkrankung scheint bei Delta reduziert zu sein. Ein neuer Bericht des CDC zeigt auf, dass Delta vollständig geimpfte Menschen mit relevanter Häufigkeit infizieren kann [17]. Studien welche die Wirksamkeit von mRNA Impfstoffen gegen eine Infektion quanti- fizierensindamLaufen.DieWirksamkeitgegen InfektiondesImpfstoffsvonPfizer/BioNtechist laut Daten aus Israel bei 39% (9–59%) [11] und laut Daten aus Schottland bei 79% (75–82%) [9]. Die Daten aus Israel deuten zudem darauf hin, dass die Wirksamkeit von Impfungen gegen symptomatische Infektionen bei 40,5% (8,7–

61,2%) [11] liegen. Daten aus England deuten auf 79% (78–80%) [12] und Daten aus Kanada auf 85% (78–89%) [13] (Pfizer/BioNtech und Moderna). Bisher ist unklar, warum die Wirksam- keit in Israel tiefer zu sein scheint als in anderen Ländern: Nachlassende Impfwirkung bei früh geimpften Personen in Israel, unterschiedliche Impfstoffe (in Kanada neben Pfizer/BioNtech auch Moderna) oder das prolongierte Zeitinter- vall zwischen den beiden Impfungen (insbeson- dere in UK) könnte eine Rolle spielen. Wichtig ist

Delta-Variante ist dominierend

«In den letzten Monaten sind in der Schweiz verschiedene Stämme von SARS-CoV-2 im Umlauf.

Die früher in der Schweiz beobachteten SARS-CoV-2-Varianten (Alpha-, Beta- und Gamma- Varianten)sindheutesehrselten,miteinerGesamthäufigkeitvon<2%indenletztenWochen.

Die Delta-Variante (B.1.617.2) dominiert inzwischen bei weitem (>95% der Fälle in den letzten 3 Wochen). Die allgemeinen epidemiologischen Parameter – Zahl der Fälle, Krankenhaus- aufenthalte, Belegung von Intensivstationen, Todesfälle – geben einen Überblick, ohne dass zwischen den verschiedenen Stämmen unterschieden wird. Bis Ende Juni 2021 war bei all diesen Indikatoren ein kontinuierlicher Rückgang der Epidemie zu verzeichnen. Seit Juli 2021 ist ein stetiger Anstieg zu verzeichnen.», Swiss National Covid-19 Science Taskforce, 3.8.21

nach [1,8]

Wie sich die Schweiz auf die Herbst- und Wintermonate 2021/22 und einen möglichen Wie- deranstieg der Fallzahlen vorbereiten soll, war das Thema einer Sitzung des Bundesrates Ende Juni. Verschiedene Szenarien sowie Überlegungen zum weiteren Vorgehen wurden in einem Bericht festgehalten. Im Zentrum stehen neben dem raschen Entdecken besorgniserregender Virusvarianten, die Weiterführung der Impfkampagne sowie die Gewährleistung ausreichender Kapazitäten für Testung und Contact Tracing in den Kantonen. Weitere Informationen dazu in dem «Konzeptpapier Mittelfristplanung» unter:

f www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/

aktuelle-ausbrueche-epidemien/novel-cov/situation-schweiz-und-international.html

nach [14]

jedoch, dass eine Wirksamkeit von 40% gegen Infektion immer noch bedeutet, dass 4 in 10 In- fektionen verhindert werden können und damit auch die Übertragungsdynamik nach wie vor ver- langsamt wird durch die Impfung [1].

Literatur:

1. Swiss National Covid-19 Science Taskforce, 3.8.21, https://sciencetaskforce.ch/wissenschaftliches- update-3-august-2021 (letzter Abruf 06.08.21) 2. BAG: Information an die Kantone und die Sozialpart-

ner bzgl. der geplanten Konsultation Ende Juli 2021 Dokument vom 28. Juli 2021 zur Information an die KantoneunddieSozialpartner,www.bag.admin.ch/

bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien- pandemien (letzter Abruf 06.08.21)

3. OfficeforNationalStatistics:Coronavirus(COVID-19) Infection Survey, antibody and vaccination data, UK:

21July2021.www.ons.gov.uk/

peoplepopulationandcommunity/healthandsocial care/conditionsanddiseases/bulletins/(letzterAbruf 06.08.21)

4. GobiernodeEspana,www.mscbs.gob.es/

profesionales/saludPublica/ccayes/alertasActual/

nCov/documentos/Informe_GIV_comunicacion_

20210630.pdf, (letzter Abruf 06.08.21) 5. BAG:www.covid19.admin.ch/en/vaccination

(letzter Abruf 06.08.21)

6. Swiss National Covid-19 Science Taskforce, 20.7.21, https://sciencetaskforce.ch/en/scientific-update-of- 20-july-2021 (letzter Abruf 06.08.21)

7. Wood S, Schulman K: N Engl J Med 2021; 384: e23 8. covSPECTRUM,https://cov-spectrum.ethz.ch

(letzter Abruf 06.08.21)

9. Sheikh A, et al.: The Lancet 2021; 397(10293):

2461–2462.

10. Fisman DN, Tuite AR : Progressive Increase in Virulence of Novel SARS-CoV-2 Variants in Ontario, Canada,www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.0 7.05.21260050v2 (letzter Abruf 06.08.21 11.gov.il,www.gov.il/BlobFolder/reports/vaccine-efficacy-

safety-follow-up-committee/he/files_publications_

corona_two-dose-vaccination-data.pdf (letzter Abruf 06.08.21)

12.PublicHealthEngland,https://assets.publishing.

service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/

attachment_data/file/1007376/Vaccine_

surveillance_report_-_week_30.pdf (letzter Abruf 06.08.21)

13.COVID-19Albertastatistics,www.alberta.ca/stats/

covid-19-alberta-statistics.htm#vaccine-outcomes, 14. BAG: Konzeptpapier Mittelfristplanung», 30.06.2021,

www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/

ausbrueche-epidemien-pandemien/aktuelle- ausbrueche-epidemien/novel-cov/situation-schweiz- und-international.html, (letzter Abruf 06.08.21) 15. Monsch G-A, Nisple K, Steinmetz S: Die Impfbereit-

schaft in der Schweiz: Wer will, wer nicht will, und aus welchenGründen.www.defacto.expert/2021/07/08/

die-impfbereitschaft-in-der-schweiz-wer-will-wer-nicht- will-und-aus-welchen-gruenden

(letzter Abruf 06.08.2021)

16.FORS,https://forscenter.ch/projekte/fors-covid- 19-erhebungen/?lang=de(letzterAbruf06.08.2021) 17. CDC, Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR),

www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7031e2.

htm?s_cid=mm7031e2_w,(letzterAbruf06.08.2021)

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Prof. Dr. med. Dr. phil.

Gerhard Rogler Klinikdirektor, Klinik für

Gastro enterologie und Hepatologie UniversitätsSpital Zürich

Rämistrasse 100, 8091 Zürich gerhard.rogler@usz.ch  

■ Eine Vielzahl von Medikamenten kann zu Arznei- mittelnebenwirkungen an Dünn- und Dickdarm füh- ren. Im Folgenden soll der Fokus auf die wichtigsten gastrointestinalen Arzneimittelnebenwirkungen und deren wichtigste Auslöser gelegt werden. Die fünf wesentlichen gastrointestinalen Symptome, die in die- sem Manuskript diskutiert werden, sind Diarrhö, Obs- tipation, Nausea, gastrointestinale Blutungen sowie abdominelle Schmerzen. Als auslösende Medikamen- tengruppen werden im Wesentlichen Antibiotika, nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Chemothe- rapeutika, Psychopharmaka und Opiate besprochen.

Darüber hinaus werden einzelne besondere Aspekte von gastrointestinalen Arzneimittelnebenwirkungen diskutiert.

Als gastrointestinale Arzneimittelnebenwirkungen gelten Symptome am Gastrointestinal(GI)-Trakt, die sich durch Weglassen einer Medikamenten-Therapie signifikant bessern bzw. die daraufhin verschwinden.

Als Beweis der GI-Nebenwirkung gilt das Wiederauf- treten bei Re-Exposition. Da jedoch häufig therapeu- tische Alternativen bestehen und die Beeinträchtigung durch die Nebenwirkungen signifikant sein kann, sollte auf die Re-Exposition nur zurückgegriffen werden, wenn keine sinnvollen therapeutischen Alternativen bestehen.

Essenziell zur Identifikation von Arzneimittelne- benwirkungen am GI-Trakt ist eine sorgfältige (Me- dikamenten-)Anamnese. Ohne diese führen Versu- che, eine Ursache für GI-Symptome zu identifizieren, häufig zu wiederholten Endoskopien mit und ohne Mukosa-Biopsien, die letztlich ein (geringes) Risiko für die Patienten darstellen, signifikante Gesundheits- kosten verursachen und im Allgemeinen frustrierend für Arzt und Patient sind, da sie keine Erklärung für die Symptome liefern. Die Anamnese ist häufig durch die Polypharmazie und auch durch potenzielle Medi- kamenten-Interaktionen erschwert. Bevor eine Thera- pie von nicht weiter erklärten gastrointestinalen Sym- ptomen durch weitere Medikamentenverschreibungen erfolgt, sollte in jedem Fall an Arzneimittelnebenwir- kungen gedacht werden.

In den letzten Jahren haben sich neue Erkennt- nisse ergeben, die im klinischen Alltag berücksichtigt werden sollten. Hierdurch lassen sich Medikamen- tennebenwirkungen häufig frühzeitig erkennen und eindeutig identifizieren. Es wurden aber auch neue Möglichkeiten der Therapie solcher Medikamenten- nebenwirkungen beschrieben. Da im klinischen All- tag häufig multimorbide Patienten mit einer Reihe von Medikamenten gesehen werden, ist die Kenntnis von gastrointestinalen Nebenwirkungen und möglichen Medikamenten-Interaktionen zunehmend wichtig.

Arzneimittel-induzierte Diarrhö (Drug induced Diarrhea, DID)

Die Diarrhö ist eine der häufigsten Medikamenten- neben wirkungen überhaupt. Sie macht mehr als 7%

aller Arzneimittelnebenwirkungen aus [1]. Es sind über 700 Wirkstoffe bekannt, die Durchfall auslösen können [1]. Im Grunde kann man festhalten, dass nahezu alle Medikamente im Einzelfall eine Diarrhö auslösen können. Selbst Opiate, für die als gastroin- testinale Nebenwirkung vor allem die Obstipation im Vordergrund steht, können in Einzelfällen Ursache für eine Diarrhö sein. Hierauf wird noch einzugehen sein.

Die Mechanismen, die die Diarrhö auslösen, sind für die einzelnen Medikamentengruppen unterschied- lich. So kommen sowohl eine sekretorische oder eine osmotische Diarrhö oder eine Mischform als Medi- kamentennebenwirkung vor. Darüber hinaus können Arzneimittel die Motilität beeinflussen oder in Einzel- fällen eine Entzündung der Darmmukosa auslösen.

Nur im letztgenannten Fall wird man ein histologisches Korrelat zur Symptomatik finden, in den allermeisten Fällen ist dies nicht der Fall (Tab. 1).

Besonders häufig ist das Symptom der medika- menteninduzierten Diarrhö als Nebenwirkung bei der Gabe von Antibiotika (z.B. 2–3% mit Azithromycin aber bis zu 19% mit Amoxicillin/Clavulansäure) zu finden [2]. Daneben tritt eine Diarrhö besonders häu- fig bei Protonenpumpeninhibitoren (PPI), Antihyper- tensiva und bei Metformin auf. Es ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass Magnesium eine Ursache für eine Diarrhö sein kann. So tritt eine Diarrhö bei 11–37% aller wegen Muskelkrämpfen behandelter Pa- tienten auf [3]. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch selbstverständlich die Einnahme von Laxan- tien zur Diarrhö führt. Nicht immer werden Laxan- tien als solche wahrgenommen oder eine chronische Diarrhö auf die Einnahme von Laxantien vom Patien- ten zurückgeführt. Eine sorgfältige Anamnese sollte daher auch dezidiert beim Auftreten von Diarrhöen

Arzneimittel-Auswirkungen im Gastrointestinaltrakt

Nebenwirkungen an Dünn- und Dickdarm

Gerhard Rogler, Zürich

Gastrointestinaltrakt | Diarrhö | Nausea

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7 Wie erwähnt ist die häufigste Nebenwirkung von

Opiaten die Obstipation. Hierauf wird im weiteren Verlauf noch einzugehen sein. Sehr selten können je- doch Opiate auch eine Diarrhö verursachen. Dabei ist zu bedenken, dass Opiattabletten bisweilen als Füll- stoff Laktose enthalten können, die bei einer Laktose- intoleranz selbstverständlich Diarrhöen auslösen kön- die Frage nach der Einnahme von Laxantien beinhal-

ten. Ihre häufige Verschreibung und einfache Verfüg- barkeit als «over the counter»-Medikamente führen dazu, dass sie eine der Hauptursachen für Durchfall als Medikamentennebenwirkung darstellen [4,5]. Nicht selten werden Laxantien auch bewusst zur Gewichts- reduktion eingesetzt.

Tab. 1 Arzneimittel, die eine Diarrhö auslösen können, geordnet nach den pathophysiologischen Mechanismen

Mechanismus Häufige Medikamente

Osmotische Diarrhö –Süssstoffe(Mannitol/Sorbitol/Xylitol;auchalsZusatzstoffeinMedikamentenpräparationen) –alphaGlucosidaseInhibitoren(Acarbose/Miglitol)

–Ampicillin, Clindamycin

–Enterale Ernährungslösungen (hochkalorisch) –Magnesium Präparationen (Mg-Sulfat, Mg-hydroxid) –Phosphat

–Polyethylen-Glykol

–Zucker/schlechtabsorbierbareKohlenhydrate(Fructose) –Methyldopa

–Chinidin –Propanolol –Hydralazin –ACE Inhibitoren –Procainamid

Sekretorische Diarrhö –Anti-arrhythmika (Chinidin, Digoxin) –Amoxicillin-Clavulansäure –Caffeine

–Calcitonin –Carbamazepin

–Chemotherapeutika (u.a. Idarubicin, Epirubicin, Pentostatin) –Cholinesterase Inhibitoren

–Cimetidin –Colchicin –Laxativa –Misoprostol –Metformin –NSAR –Statine –Theophyllin

Motilitäts-Beeinflussung –Acetylcholinesterase Inhibitoren –Cholinergika

–Cisaprid/Metoclopramid/Tegaserod –Colchicin

–Irinotecan

–Makrolide (Erythromycin) –Thyroxin

Entzündung –Antibiotika (Clindamycin, Amoxicillin, Ampicillin, Cephalosporine) Carbamazepin –Checkpoint-Inhibitoren

–Chemotherapeutika (5-Flurouracil, Methotrexat, Irinotecan, Cisplatin, Doxorubicin) –Etanercept

–Statine (Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin) –Mycophenolat Mofetil

–NSAR –Olmesartan –Orale Kontrazeptiva –D-Penicillamin

–Protonenpumpen-Inhibitoren (Pantoprazol, Lansoprazol, Omeprazol Esomeprazol) –Rituximab

–Selektive Serotoninrezeptor Inhibitoren (SSRIs, Paroxetin, Sertralin) Ticlopidin –Tyrosinkinase Inhibitoren

nach[1];Abbildungen:iStock,Irina_Strelnikova

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nen. So gibt es z.B. Morphintabletten die insbesondere in niedriger Dosierung mit 10 mg 90 mg Laktose ent- halten [6]. Oxycontin, das in den USA und Kanada weit verbreitet ist, enthält in der 10 mg Dosierung 69 mg Laktose. Auch in der 80-mg-Dosierung trägt es immerhin noch 78 mg Laktose [6]. Im Zweifelsfall ist es also auch wichtig, die Zusammensetzung der Medi- kamentenpräparationen zu betrachten. Laktose wird immer noch häufig als Zusatzstoff verwendet. Gele- gentlich ist es also nicht der eigentliche Inhaltsstoff der Medikation, sondern einer der Zusatzstoffe, die eine Diarrhö auslösen.

Nicht immer führt der Inhaltsstoff von Medika- mentenpräparationen über direkte Mechanismen, wie in Tabelle 1 dargestellt, zur Auslösung einer Diarrhö.

Kürzlich wurde beschrieben, dass 24% aller Medika- mente das intestinale Mikrobiom verändern können

und so indirekt zu einer Diarrhö führen können [7].

Maier und Mitarbeiter untersuchten mehr als 1000 vermarktete Arzneimittel hinsichtlich des Wachstums von 40 repräsentativen Darmbakterienstämmen. 24%

der getesteten Medikamente aus allen therapeutischen Klassen hemmten das Wachstum von mindestens ei- nem Bakterienstamm und veränderten so zumindest theoretisch die Zusammensetzung des Darmmikrobi- oms [7]. Bei den als Mikrobiom-verändernd identifi- zierten Medikamenten waren bestimmte Klassen wie z.B. Antipsychotika überrepräsentiert. Die Autoren sprechen hier von «antibiotikaähnlichen Nebenwir- kungen», die eine Reihe von Substanzen aufwiesen [7].

Eine wichtige Medikamentengruppe, die Diar- rhöen auslöst, sind selbstverständlich die Antibiotika.

Das Risiko einer Antibiotika-verursachten Diarrhö ist bei einer Kombinationsbehandlung höher als bei einer Monotherapie [8]. Eine antibiotikaassoziierte Diarrhö tritt etwa bei 5–25% der Patientinnen auf, die mit An- tibiotika behandelt werden [9–11]. Sie entwickeln eine Diarrhö innerhalb von 2–20 Tagen. Auch die Entwick- lung einer Diarrhö mit Latenzzeit ist also möglich. Die meisten antibiotikaassoziierten Durchfälle sind mit einer Veränderung des Darm-Mikrobioms assoziiert, sie sind lästig, aber nicht von klinischer Bedeutung.

Sie zeigen auch eine spontane Regredienz, wenn die Antibiotikatherapie beendet wird. Allerdings kann es wiederum bis zu 3 oder 4 Wochen dauern, bis sich der Stuhlgang normalisiert hat.

In 10–20% aller antibiotikaassoziierten Durch- fälle, also in 0,5–5% aller Antibiotikaeinnahmen, kann jedoch eine Clostridioides-assoziierte Diarrhö vorliegen [12]. Clostridioides difficile verursacht eine Colitis durch die Produktion zweier typischer Toxine A und B. Diese verursachen eine Diarrhö durch unter- schiedliche Mechanismen, zum einen über eine direkte Epithelzellschädigung, zum anderen über einen sekre- torischen Mechanismus. Clindamycin, Breitspektrum- Cephalosporine und Fluorchinolone sind am häu- figsten mit einer Clostridioides-difficile-assoziierten Colitis vergesellschaftet [12]. Jedes Antibiotikum kann jedoch zu diesem Krankheitsbild führen. Als auslösen- der Mechanismus wird vermutet, dass Antibiotika zu einem Absterben von Bakterien führen, die einen für Clostridioides difficile toxischen Gallensäuren-Me- taboliten produzieren. Dadurch können sich Clostri- dioides-difficile-Sporen, die sich im Darm von vielen Menschen befinden, zu vermehrungsfähigen Bakterien entwickeln. Der Schweregrad der Diarrhö ist sehr un- terschiedlich. Schwere Verläufe bis zur Ausbildung eines Megakolons kommen vor, sind jedoch aus unbe- kannten Gründen sehr selten geworden. Nicht jeder Nachweis einer Toxin-A- oder -B-Positivität muss be- handelt werden. Das klinische Bild und der klinische Schweregrad sind entscheidend.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es Hin- weise darauf gibt, dass eine solche Clostridioides-dif- ficile-bedingte Colitis durch bestimmte Probiotika ver- hindert werden kann. Das zeigte sich kürzlich wieder in einer grossen Kohorten-Studie, in der die Inzidenz der CDI 0,66% betrug, dass die gleichzeitige Gabe von Saccharomyces boulardii zusammen mit Antibio- tika die CDI-Inzidenz senken konnte [12].Sie betrug

TAKE-HOME-MESSAGES

― Diarrhö, Nausea und Obstipation zählen zu den häu figsten Arzneimittel- nebenwirkungen in der Gastroen terologie. Eine Medikamenten-Anamnese sollte bei Neu-Auftreten dieser Symptome immer durchgeführt werden.

― Eine The rapieumstellung sollte immer als Möglichkeit bedacht werden.

Diese ist besser und sinnvoller als eine symptomatische Therapie der Nebenwirkungen.

― Antibiotika und Magnesium sowie PPI und Metformin sind häufige Aus löser von DID.

― Begleit- oder Füllstoffe wie Laktose und nicht das eigentliche Pharmakon können ebenfalls Nebenwirkungen verursachen.

― Die Dünn- und Dickdarm-schädigende Wirkung von NSAR wird in Zeiten der PPI-Ko-Medikation häufig unterschätzt.

― Obstipation als Medikamenten Nebenwirkung kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen und sollte immer ernst genommen werden.

― Saccharomyces boulardii kann in etwa der Hälfte der Fälle eine Antibiotika assoziierte Clostridien Colitis verhindern und sollte bei Risiko-Patient(inn) en eingesetzt werden.

iStock, Rasi Bhadramani

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9 0,56% bei Patienten, denen Saccharomyces boulardii

zusammen mit den Antibiotika gegeben wurden, und 0,82% bei Patienten die Antibiotika allein ohne das Probiotikum erhielten. Das bedeutet, dass das Risiko für Patienten, eine Colitis zu erleiden, unter der Gabe von Saccharomyces boulardii signifikant verringert wurde, die Odds Ratio lag bei 0,57 [12].

Es ist jedoch festzuhalten, dass Metaanalysen zur Wirkung von Probiotika als Prävention einer Clostri- dioides-difficile-Infektion uneinheitlich sind. Nicht alle Probiotika scheinen denselben Effekt zu haben. Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2018 legt zwar grundsätz- lich einen Effekt von Probiotika nahe, kommt jedoch zu dem Schluss, dass spezifische Probiotika unter- schiedliche Effekte aufweisen [13].

Am Ende der Betrachtungen zur Diarrhö als Me- dikamentennebenwirkung soll noch erwähnt werden, dass auch scheinbar unbedenkliche Nahrungszusätze durchaus negative Effekte haben können. Daher ge- hört auch die Frage zu komplementärmedizinischen Medikamenten unbedingt zur Abklärung einer neu aufgetretenen Diarrhö. Zackular und Mitarbeiter zeigten 2016, dass diätetisches Zink die intestinale Mi- krobiota in einer Weise verändert, dass Clostridioides- difficile-Infektionen leichter auftreten können [14]. In einem Tiermodell erhöhte diätetisches Zink das Risiko einer Clostridioides-difficile-Infektion und führte zu schweren Entzündungen [14]. Ob diese Daten direkt auf den Menschen übertragbar sind, ist fraglich. Wich- tig ist jedoch, hier festzuhalten, dass im Einzelfall auch scheinbar unbedenkliche Nahrungsmittelzusätze in die Überlegungen mit einbezogen werden sollten.

Nausea und Erbrechen

Nausea und Erbrechen sind sehr häufige gastrointesti- nale Nebenwirkungen einer Medikamenten-Therapie [15,16]. Eine Liste von Medikamenten, die häufig mit Nausea und Erbrechen assoziiert sind, ist in Tabelle 2 zusammengestellt. Selbstverständlich können jegliche Überdosierung und jeglicher Entzug eines Medika- ments akut zu Nausea und Erbrechen führen. Darüber hinaus sind es neben Medikamenten eine ganze Reihe von Toxinen aus der Umwelt, die diese Symptome auslösen können. Überlagerungen sind möglich. Auch Begleitstoffe von Medikamenten sind in der Lage, eine Nausea auszulösen [17].

Am häufigsten wird eine Nausea natürlich nach Chemotherapie beschrieben. Die zugrunde liegen- den Mechanismen sind jedoch schlecht verstanden.

In einer kürzlich publizierten Studie, bei der 241 Pa- tienten betrachtet wurden, berichteten mehr als 20%

von chronischer Übelkeit und darüber hinaus mehr als 30% von anhaltendem Durchfall [18]. Interessanter- weise wurde bei 54% der symptomatischen Patienten ein Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO) ge-

funden [18]. Darüber hinaus fand sich bei 43% der Pa- tienten eine Gallensäuremalabsorption [18]. Wir wis- sen heute, dass SIBO und Gallensäuremalabsorption häufig gemeinsam auftreten.

Sicherlich muss nicht immer bei Übelkeit nach Durchführung einer Chemotherapie nach SIBO ge- sucht werden. Hält die Nausea jedoch länger an, scheint diese Untersuchung durchaus Sinn zu machen.

Gastrointestinale Blutungen und Schmerzen Bekanntlich trägt die Hemmung der Cyclooxigenase 1 und 2 durch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) zur Entstehung von Magenulzera bei [19]. Nicht sel- ten wird daher bei Risikopatienten von vornherein ein Protonenpumpeninhibitor parallel zum NSAR verabreicht [19]. Es muss jedoch berücksichtigt wer- den, dass PPI nur die Ausbildung von Ulzera im Ma- gen verhindern. Durch die COX-Hemmung bedingte Ulzerationen im Dünn- oder Dickdarm werden da- durch nicht verhindert:

Meiden und Mitarbeiter verabreichten 2005 40 freiwilligen Probanden 75 mg Diclofenac 2× täglich über 14 Tage und gaben zusätzlich 20 mg Omeprazol 2× täglich. Eine Kapselendoskopie und Calprotectin Messung wurde vor und 2 Wochen nach Diclofenac- Einnahme durchgeführt. Bei 75% der Probanden zeigte sich ein erhöhtes Calprotectin [20]. Bei 68% der Probanden war die Kapselendoskopie pathologisch, es zeigten sich Blutungen, Ulzerationen oder Erytheme [20]. Die in der Kapselendoskopie gesehenen Läsio- nen konnten nicht von Morbus-Crohn-Läsionen diffe- renziert werden [20].

Eine ähnliche Studie wurde 2010 von Fujimori und Mitarbeitern publiziert. 55 gesunde Männer erhielten über 2 Wochen 75 mg Diclofenac pro Tag zusammen mit 20 mg Omeprazol als Magenschutz. Wiederum wurde eine Kapselendoskopie vor und nach NSAR- Behandlung durchgeführt. Vor der NSAR-Behand- lung zeigten sich 6 Mukosa-Läsionen bei 6 von 55 Pro-

> Fortbildungsfragen auf Seite 17

Tab. 2 Arzneimittel,diehäufigNausea auslösen können

Häufige Medikamente –Acetylsalicylsäure –Alkohol

–Antiarrhythmika –Antiasthmatika –Antibiotika –Antihypertensiva –Antikonvulsiva

–Anti-Parkinson Medikamente

–Azathioprin; 6-Marcaptopurin Betablocker –Chemotherapeutika

–Digoxin –Kalium –Nikotin –NSAR –Opiate –Kontrazeptiva –Sulfasalazin

–Jegliche Überdosierung

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banden (11%). [21,22]. Nach einer NSAR-Behandlung zeigten sich 636 Läsionen bei 32 von 53 Probanden (60%) [21,22]. Bei 16 Probanden fanden sich 115 de- epithelialisierte Bereiche, bei 22 Probanden fanden sich 498 Erosionen und bei 8 Probanden fanden sich 23 Ulcera [21,22]. Die Erosionen zeigten sich vor allen Dingen im oberen Dünndarm, Ulzerationen vor allem im distalen Dünndarm. Diese Läsionen traten wie er- wähnt unter Magenschutz mit einem PPI auf [21,22].

Auch Dickdarmläsionen sind unter NSAR be- schrieben. Shibuya und Mitarbeiter zeigten 2010, dass die Einnahme von NASR das Risiko von Dickdarm- schleimhautläsionen deutlich erhöht [23]. Sowohl bei der Kurzzeit- wie auch bei der Langzeiteinnahme von NSAR fanden die Autoren Ulzerationen in bis zu 65%

aller Patienten. Allerdings fanden sich gewisse Ulze- rationen auch bei über einem Drittel derjenigen, die keine NSAR einnahmen [23].

Besonders wichtig wird der Aspekt der Darm- schleimhautschädigung durch NSAR bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Takeuchi und Mitarbeiter zeigten 2006, dass Napro- xen, Diclofenac und Indometacin bei 10 –25% der Pa- tien ten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung in Remission einen klinischen Relaps innerhalb von 4 Wochen nach Start der NSAR-Einnahme auslösen können [24]. Darüber hinaus verschlechtern sie den Verlauf von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa in der

aktiven Phase [24]. Gelegentlich findet sich schon bei der Einnahme von wenigen Tabletten NSAR die Aus- lösung eines Schubes, z.B. nach Zahnextraktion oder zur Behandlung von Muskelschmerzen nach Sportver- letzung. Daher sind ausser Paracetamol und Novalgin alle NSAR bei Patienten mit chronisch-entzündlicher Darmerkrankung relativ kontraindiziert und sollten vermieden werden. Die Selbsthilfeorganisation Crohn und Colitis Schweiz stellt auf ihrer Homepage eine Liste der Medikamente zur Verfügung, die bei chro- nisch-entzündlichen Darmerkrankungen als Schubaus- löser gelten können und vermieden werden sollten [25]. Selektive COX-2 Hemmer scheinen hingegen si- cher zu sein. Zumindest für Celecoxib wurde das in ei- ner randomisierten, doppelblinden Studie gezeigt [26].

Obstipation

Wie erwähnt ist die Obstipation ebenfalls eine sehr häufige Medikamentennebenwirkung. Allerdings sind etwa 15% insbesondere der älteren Allgemein- bevölkerung in Europa davon betroffen. Oft ist eine konstitutionelle Obstipation von einer medikamentös induzierten Obstipation schlecht zu unterscheiden [27]. Dennoch ist das Krankheitsbild wichtig, den Pa- tienten mit Obstipation haben eine deutlich schlech- tere Lebensqualität und verursachen auch signifikante Gesundheitskosten im Vergleich zu Personen ohne Obstipation.

Eine Liste von Medikamenten, die eine Obstipa- tion auslösen können, ist in Tabelle 3 zu finden. Diese umfasst nur die Substanzen, die häufig bis sehr häufig (1% bis >10%) eine Obstipation auslösen. Prinzipiell kann eine Obstipation ebenfalls vergleichbar zur Diar- rhö durch nahezu jedes Medikament ausgelöst werden.

Als stärkster Auslöser einer Obstipation gelten Opiate und trizyklische Antidepressiva sowie Anti- cholinergika [27]. Die optimierte Wirkung von Opia- ten macht in der Klinik insbesondere bei Tumorpati- enten häufig Probleme. In den USA ist das sogenannte

«Narcotic Bowel Syndrome» inzwischen eine Entität, für die es eigene Spezialisten gibt [28 –32].

Zusammenfassung

Diarrhö, Nausea und Obstipation zählen zu den häu- figsten Arzneimittelnebenwirkungen in der Gastroen- terologie. Eine Medikamenten-Anamnese ist daher bei den genannten Symptomen essenziell. Einer The- rapieumstellung ist der Vorzug vor einer symptoma- tischen Behandlung der Nebenwirkungen zu geben.

Antibiotika und Magnesium sind sehr häufige Aus- löser von Diarrhöen, aber auch PPI oder Metformin.

Die darmschädigende Wirkung von NSAR wird in Zeiten der PPI-Ko-Medikation häufig unterschätzt.

PPI schützen jedoch nur den Magen vor Ulzerationen.

24% aller nicht-antibiotischen Medikamente verän- dern das Mikrobiom und können so zu Veränderun- gen der Motilität und des Stuhlverhaltens beitragen.

Nicht immer sind die eigentlichen Medikamente das Problem: Zusatz- oder Begleitstoffe (Laktose) sind bei der Anamnese zu berücksichtigen. SIBO ist mögli- cherweise häufiger als gedacht, durch Probiotika-Gabe lässt sich vermutlich das Risiko nach einer Clostridio- ides-difficile-Infektion reduzieren.

iStock, damedeeso

Tab. 3 Arzneimittel,diehäufigObstipation auslösen können

Häufige Medikamente –Opiate

–Trizyklische Antidepressiva

–Neuroleptika (Anticholinergika, Dopaminergika, Chlorpromazin)

–Antihypertensiva (Kalziumkanalantagonisten) –Antihistaminika

–Sympathomimetika (Terbutalin, Ephedrin) –Antidiarrhoika (Loperamid)

–NSAR (Ibuprofen) –Orale Eisenpräparate –Kalzium

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Dr. phil. Gunther Hübner

Psychotherapeut, KJP-Psychothera- peut, Paar- und Familientherapeut, Coach und Managementtrainer Poststrasse 2, D-65719 Hofheim gunther.huebner@

positive-konfliktberatung.de Konflikte in der Arzt-Patient-Beziehung

unter dem transkulturellen Verständnis  

■ Die Weisheit, ohne Beziehung gibt es keine Erzie- hung, lässt sich auf die Arzt-Patient-Beziehung über- tragen, ohne Beziehung zum Patienten kein Ver- ständnis und Heilung. Diese Arbeitshypothese gilt besonders für orientalische Patienten*, die ihr Selbst- verständnis aus einer Kollektivkultur (Wir-Stärke) entlehnen. Im Gegensatz dazu die mitteleuropäische Kultur, die mit ihrer Individualkultur (Ich-Stärke) andere Persönlichkeitsanteile favorisiert.

Ein transkulturelles Verständnis des Arztes über seine Patienten aus anderen Kulturen kann ihm/ihr helfen, u.a. Probleme transkultureller Ehen, Vorur- teile und ihre Bewältigung, Krankheit und Symptome zu verstehen, die aus einem anderen kulturellen Rah- men entstammen. In diesem Zusammenhang können auch politische Probleme besser verstanden werden, die sich aus der transkulturellen Situation ergeben [3].

Für die Arzt-Patient-Beziehung bedeutet dies, der Arzt drückt mit seiner Verbundenheit (Beziehung) sein Verständnis über die individuelle Lebenssituation des Patienten aus, der sich über das Verständnis dem Arzt bereitwillig öffnet und ihm die Autoritätsrolle und die Rolle des Wissenden überträgt (Erwartung, geholfen und geheilt zu werden). Kann der Arzt die Beziehung zu seinem Patienten aus dem orientalischen Kulturraum positiv gestalten, lernt er u.a. auch viel über die unterschiedliche emotionale Stressverarbei-

* Mit der Bezugnahme «Orientalischer Patient» ist eine stereo typi- sche Verallgemeinerung gemeint, sowie auch wenn von «Westli- chen Patienten» gesprochen wird. In dieser Vereinfachung wer- den eher Mehrheitsverhältnisse gemeint, doch ist immer zu bedenken, dass jede Kultur in sich selbst heterogen ist.

tung, die in Abhängig der kulturellen-sozialen Bezüge selbstverständlich abgeleitet sind, die dem Arzt schliesslich Auskunft über die unterschiedliche Wahl des Organs gibt. Kulturelle Syndrome: oft werden kul- turell bedingt verschiedene Organe als Ort der Stö- rung wegen der äusseren Faktoren beim Arzt erwähnt, so z.B. brennende Leber in der Türkei, im Iran und Frankreich bei Verlust, Trennung und Trauer [4,5].

Ebenso das gebrochene Herz, ähnlich wie bei Angina pectoris bei Liebesverlust und Einsamkeit schmerzt den Schweizer oder Deutschen das Herz, weshalb die Deutschen 4–6 Mal häufiger im Vergleich zu Briten und Amerikanern mit Herztabletten behandelt wer- den [4]. Auch andere Organe wie Bauch, Nabel und der Kopf werden als körperbezogene Signale «organ- chiffriert» und für das Leiden benutzt.

Grundlage dafür ist ein psychosomatisches Ver- ständnis, das sich transkulturellen Wissens bedient, wie sich durch emotionales Stresserleben, kulturab- hängige Konzepte auf den Körper auswirken und darüber Auskunft über das individuelle emotionale Konflikterleben gibt. Da individuelle Wirklichkeits- konzepte eng mit Sozialisationsnormen und Sinnzu- sammenhängen verknüpft sind, steht das individuelle emotionale Konflikterleben in einem engen kulturel- len und sozialen Kontext.

Gelingt dieses Verständnis (auch in Form von Verständnis-Deutungen und -Fragen), werden die bis dahin selbstverständlichen Massstäbe, mit denen Sachverhalte und Verhaltensweisen beurteilt wurden (in der Regel geschieht dies unbewusst), durchläs- sig, sodass eine bewusste Distanzierung zu den eige- nen Konzepten und Verhaltensgewohnheiten erfol- gen kann. Mit einem verstehenden Versprachlichen der dahinter liegenden unbewussten Bedürfnisse (Bewusstwerdung), werden dem Patienten Selbsthil- femöglichkeiten eröffnet, in denen er/sie diese Zusam- menhänge erst erkennen kann, wie er/sie seine Bedürf- nisse zusammen mit seinem Arzt in Einklang bringen kann [3].

Psychotherapie

Konfliktbewältigung mit Patienten aus fremden Kulturen

Gunther Hübner, Hofheim a.Ts. (D)

Psychotherapie | Konfliktbewältigung | Arzt-Patient-Beziehung

Geschichte: Der Elefant und die Schaulustigen

Ein Elefant war zur Ausstellung bei Nacht in einen dunklen Raum gebracht worden. Die Menschen strömten in Scharen herbei. Da es dunkel war, konnten die Besucher den Elefanten nicht sehen, und so versuchten sie, seine Gestalt durch Betasten zu erfassen. Der Elefant war gross, und so konnte jeder Besucher nur einen Teil des Tieres berühren und es nach seinem Tastbefund beschreiben. Einer der Besucher, der ein Bein des Elefanten erwischt hatte, erklärte, dass der Elefant wie eine starke Säule sei, ein zweiter, der die Stosszähne berührte, beschrieb den Elefanten als spitzen Gegenstand, ein dritter, der das Ohr des Tieres ergriff, meinte, er sei einem Fächer ähnlich, der vierte, der über den Rücken des Elefanten strich, behauptete, dass derElefantsogeradeundflachseiwieeineLiege.

nach [2]

(15)

13 Die bis dahin selbstverständlichen Massstäbe, mit

denen Sachverhalte und Verhaltensweisen beurteilt wurden, werden durchlässig, sodass eine Distanzierung zu diesen Konzepten und Verhaltensgewohnheiten erfolgen kann. Peseschkian bezeichnet diesen Vor- gang als «metatheoretische Umdeutung». Mit dem transkulturellen Verständnis kann die Bereitschaft des Patienten erhöht werden, alternative Lösungsmöglich- keiten in Betracht zu ziehen, indem ihm die Relativi- tät des Krankheitsbegriffes und seine Abhängigkeit von dem dazugehörigen kulturellen Bezugsrahmen bewusst gemacht werden [6,7].

Beispiel Einsamkeit

«Einsamkeit hat im deutschen Sprachgebrauch einen positiven Beigeschmack.» Gemäss Wilhelm Tells Motto

«Der Starke ist am mächtigsten alleine» gilt vielen die Fähigkeit, selbständig, unabhängig und allein zu sein, als Inbegriff von Stärke. In Deutschland fällt es nicht weiter auf, wenn jemand allein spazieren geht und sei- nen Gedanken nachhängt. Im Orient erweckt ein sol- ches Verhalten meist Misstrauen: «Ist er beleidigt? Ist er depressiv oder gar melancholisch? Er kann es sich und uns doch nicht antun, dass er sich ausschliesst. Wenn er Kummer hat, können wir ihm doch helfen!» Der Ver- such, Einsamkeit zu erleben und sich aus dem aktuellen sozialen Geschehen zurückzuziehen, wird als Störung des gegenseitigen Vertrauens verstanden [6].

Am Beispiel der transkulturellen Bedeutung von Einsamkeit wird deutlich, wie Verhaltensweisen und deren Bedeutungen, die bis dato ausserhalb der kul- turell geprägten subjektiven Vorstellungen und Wirk- lichkeitskonzepte standen, den selbstverständlichen Massstab für die Beurteilung eigener und fremder Identität bilden.

Dabei ist aber zu beachten, dass transkulturelles Denken auch innerhalb einer Kultur stattfindet, weil auch jede Kultur wiederum nicht einheitlich und homogen ist. Innerhalb der Bundesrepublik bestehen regionale kulturelle Identitäten (was sich für jeder andere Land auch gedacht werden kann), die unterei- nander erheblichere Unterschiede aufweisen können als zu anderen Nationen. Auch wäre z.B. die Proble- matik «Frau»–«Mann» (auch wenn beide aus der glei- chen Kultur stammen) mit dem transkulturellen Den- ken zu relativieren, da die Rolle als «Frau»/«Mann»

sozial, kulturell und biographisch mitgestaltet wird.

Mit dem Verständnis von transkulturellen Bezü- gen wird die bis dahin als einzig und allein rechtmässig geltende Vorstellung einer Wirklichkeit, eines Ver- haltens, einer Wert- und Normvorstellung durchläs- sig, kann an Elastizität gewinnen und ermöglicht eine Distanzierung gegenüber den eigenen Konzepten und Verhaltensgewohnheiten [8] (Abb. 1).

Nachfolgend möchte ich an ein paar Beispielen aufführen, was damit alltagspraktisch gemeint ist und was durch die Gegenüberstellung von Ost- West- Konzepten verdeutlicht werden soll. Diese Beispiele

Das transkulturelle Denken versucht die individuellen und kollek tiven Denkmuster aus anderen Kulturen als andere indi- viduelle Vorstellungen von Alltagswirklichkeit einzuführen, die einen Perspektivwechsel und neue Sinnzusammenhänge asso- ziieren helfen.

sind als kulturelle Typisierung zu verstehen und sollen damit zur Verständigung genutzt werden.

Das Balancemodell [3] –

Lebensschwerpunkte in Ost und West

Mit dem Balancemodell ist eine Vorstellung von einer umfassenden Gesundheit implizit gemeint. Wenn die vier Bereiche in einer relativen Balance im täglichen Leben besetzt und gelebt werden, wenn eine Balance innerhalb dieser Bezugnahmen möglich ist, dann kann von Lebensqualität im Sinne von Gesundheit als Ganzheit gesprochen werden. Damit sind folgende Punkte gemeint:

Körper: Gesundheit, Sexualität, Ästhetik, Hygiene, Schlaf- Wachrhythmus, Sport/Bewegung, Ernäh- rung und Schmerz; mögliche Symptome: psycho- pathologische, psychomotorische, vegetative Sym- ptome und Angst um den Körper;

Leistung: produktiver Bereich des Menschen, besonders der Beruf; mögliche Symptome: Stress- reaktionen, Selbstwertprobleme, Versagensängste, Entlastungsdepression etc.;

Kontakt: Gesellschaft, Familie, Freunde, Bekannte, andere Kulturen; mögliche Symptome: Hemmung, soziale Ängste, Objektangst, Zwangshandlungen, Ablösungsproblematik etc.;

Phantasie/Zukunft: Religion, Sinn, Weltanschau- ung, Menschenbild, Philosophie; mögliche Symp- to me: Zwangsdenken, Angstpsychose, Ratlosigkeit, Resignation, Suizidalität etc.

Wenn das Balancemodell als Symbol für Ganzheit steht, dann ist Gesund- heit ein Idealzustand, in dem die Ener- gieverteilung in allen Bereichen konti- nuierlich ausbalanciert wird.

Mit dem Balancemodell nach Peseschkian [9] (Abb. 2) lassen sich kulturelle Unterschiede aufzeigen, wie in den verschiedenen Kulturen die Schwerpunkte unterschiedlich betont werden und darüber ist auch ein

unterschiedliches Gesundheits- und Krankheitskon- zept (Symptome) zu erschliessen. In den sogenannten

«westlichen» Kulturen werden die Schwerpunkte auf den Bereichen Körper und Leistung favorisiert (pas- sende Beschreibungen dazu: Ich-Stärke und Leistungs- gesellschaft), während in den «östlichen» Kulturen die Schwerpunkte auf den Bereichen Kontakt und Phan-

Abb. 1 Transkulturalität als Vernetzung und Durchdrungensein

modifziert nach [8]

Deutsche Kultur

Französische Kultur

«... So wird die Erde als ein Land und eine Heimat betrachtet. Die herrlichste Frucht vom Baum der Erkenntnis ist dieses erhabene Wort: Ihr seid alle die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zwei-

ges. Es rühme sich keiner, dass er sein Land liebt, weit eher, dass er das Menschengeschlecht liebt.» [1]

Referenzen

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