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Archiv "Trendforschung Gesundheit: Umbruch als Chance begreifen" (19.02.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 7

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19. Februar 2010 A 265 TRENDFORSCHUNG GESUNDHEIT

Umbruch als Chance begreifen

Das Gesundheitssystem steht vor einer Reform.

Politik, Ärztevertreter und Kassen streiten um Lösungen. Gleichzeitig ist das Thema Gesundheit öffentlich präsent wie selten. Der Patient wird aktiv – und ist bereit, in sein Wohlbefinden zu investieren.

D

ie Gesundheit ist neben der Familie der Deutschen höchs- tes Gut. Übereinstimmend geben Menschen bei Erhebungen „Ge- sundheit“ an, wenn sie nach den wichtigsten Dingen im Leben be- fragt werden. Nie mehr krank zu sein, bezeichneten 27 Prozent in ei- ner Emnid-Umfrage im vergange- nen Jahr gar als einen „paradiesi- schen Zustand“. Gleichzeitig ist den Bürgern jedoch bewusst gewor- den, dass sie für ihre Gesundheit selbst etwas tun müssen: „Die Pa-

tienten haben verstanden, dass die Kassen leer sind, und sie sind be- reit, Verantwortung zu überneh- men“, sagt Trendforscherin Corinna Langwieser. Wie Gesundheit ausse- hen soll, weiß der Patient von heute auch genau: Der Deutsche definiert gesund als persönliches Wohlge- fühl, Abwesenheit von Krankheit, Fitness und Schönheit. Dazu ist er informiert wie nie: Gerade das In- ternet gewinnt in Gesundheitsfra- gen immer mehr an Bedeutung. Pa- tienten informieren sich vor dem Arztbesuch über ihre Symptome – und befassen sich danach intensiv mit der Diagnose des Arztes.

Die Trendforschung beschreibt den Bewusstseinswandel im Ge- sundheitssektor bereits seit einigen Jahren. Doch noch nie sei dieser so deutlich gewesen wie heute, meint die auf die Gesundheitsbranche spe- zialisierte Diplom-Kommunikations-

wirtin Langwieser. Es sei „die Idee durchgesickert, dass es Spaß ma- chen kann, sich um seinen Körper zu kümmern“. Bei einer Fachta- gung des Bundesverbandes Managed Care in Berlin riet sie den Akteuren im Gesundheitswesen deshalb, die

„Aufbruchstimmung im Gesund- heitswesen zu nutzen“ – unabhän- gig davon, wie sie einzelne Ent- wicklungen, wie etwa die steigende Neigung zur Schönheitschirurgie, bewerteten. Denn: Die Patienten seien nicht nur aufgeklärter und

williger, sich mit ihrer Gesundheit zu befassen, sie seien auch bereit, in ihre Gesundheit zu investieren.

Auch der MLP-Gesundheitsre- port 2009 bestätigt den Trend, dass immer mehr Menschen gewillt sind, für ihre Gesundheit zusätzlich etwa zu zahlen: Der vom Mei- nungsforschungsinstitut Allensbach erhobenen Daten zufolge wünschen sich 58 Prozent der Befragten einen möglichst umfassenden gesetzli- chen Versicherungsschutz – auch wenn dafür die Beiträge steigen.

Ebenso hat das Interesse an priva- ten Zusatzversicherungen weiter zugenommen: 46 Prozent erwägen den Abschluss einer Police. 1997 waren es lediglich 23 Prozent.

„Zwei Drittel der Deutschen mei- nen, dass es 2020 normal sein wird, für Leistungen außerhalb der Grund- versorgung zu zahlen“, erklärt Langwieser. Schon heute wären 52

Prozent der Deutschen IGeL-Leis- tungen angeboten worden, oder sie hätten selbst danach gefragt.

Ein Blick über die Landesgren- zen zeigt: Die Deutschen zahlen mehr für private Gesundheitsleis- tungen als Bürger anderer europä - ischer Länder: Einer Zusammen- stellung des Internetportals Imedo zufolge geben sie vier Prozent ihres Einkommens für ihre Gesundheit aus. Der europäische Durchschnitt liegt bei 3,6 Prozent.

Die deutsche Gesundheitswirt- schaft ist in den vergangenen Jah- ren zu einer Schlüsselbranche ge- worden. Sie verzeichnete 2008 ei- nen Umsatz von 260 Milliarden Eu- ro und ist damit einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland.

Nach Angaben des Bundesministe- riums für Wirtschaft und Technolo- gie arbeiten in der Branche 4,4 Mil- lionen Menschen. Einer vom Mi- nisterium in Auftrag gegebenen Studie zufolge könne der Anteil der Gesundheitswirtschaft am Brutto- inlandsprodukt bis 2020 von heute etwa zehn auf fast 13 Prozent wachsen. Das stetig zunehmende Gesundheitsbewusstsein der Bevöl- kerung wird dabei als ein treibender Faktor dieser Dynamik genannt.

Sorgen, der Arztberuf könne auf- grund dieser Entwicklungen an Wertigkeit verlieren, teilt Langwie- ser nicht. Im Gegenteil: Der Arzt nehme weiterhin eine herausragen- de Stellung ein. „Er bleibt für die Patienten der Fachmann für das persönliche Wohlgefühl. An seiner Kompetenz wird nicht gezweifelt.“

Dem Behandler falle heute viel mehr eine noch größere Verantwor- tung zu, die Patienten aufzuklären und ihnen Orientierung zu geben.

Langwieser rät, die Augen vor den Veränderungen nicht zu ver- schließen: „Man kann das Rad nicht zurückdrehen und muss sich mit den Bedürfnissen der Patienten aus- einandersetzen.“ Wenn der erste und der zweite Gesundheitsmarkt (etwa freiwillige ärztliche Leistun- gen, freiverkäufliche Arzneimittel, Wellness, Biolebensmittel) ihre Po- tenziale besser verschmelzen wür- den, könne der Pessimismus einem neuen Optimismus weichen. ■

Nora Schmitt-Sausen

Die Patienten sind bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Trendforscherin Corinna Langwieser

P O L I T I K

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