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it dem 1. Juli 1997 sind höhere Zuzahlungen für Versicherte der Gesetzli- chen Krankenversicherung in Kraft getreten. Die Verärgerung, ja zum Teil Empörung von Betroffenen ist groß. Das rührt auch daher, daß es versäumt worden ist, eine offene und ehrliche Diskussion darüber zu füh- ren, daß die begrenzten Ressourcen der Gesetzlichen Krankenversiche- rung (GKV) nicht ausreichen, um die Nachfrage nach me-dizinischen Dienstlei- stungen – begründet oder unbegründet – zu decken. Doch diese Dis- kussion muß geführt wer- den, da mit weiteren Ein- schnitten in den Lei- stungskatalog der Ge- setzlichen Krankenver- sicherung gerechnet wer- den muß. Dabei muß im- mer wieder darauf hinge- wiesen werden, daß der sozial Schwache sicher auch in Zukunft wie heu-
te einen besonderen Schutz über Här- tefallregelungen genießt. So sind über 20 Millionen Versicherte und damit fast 30 Prozent aller Versicherten von einer Zuzahlung befreit.
Das ist der eine Aspekt der Bela- stung von Versicherten durch Zuzah- lungsregelungen. Der andere Aspekt:
Kann es nicht weiten Kreisen der Be- völkerung und damit auch vielen Ver- sicherten zugemutet werden, über ihren Beitrag zur Gesetzlichen Kran- kenversicherung hinaus eigene finan- zielle Mittel für ihre Gesundheit ein- zusetzen?
Hierzu einige Daten.
Auch nach jüngsten Veröffent- lichungen über Sparleistungen im internationalen Vergleich nimmt Deutschland beim Sparen eine Spit- zenstellung ein, und dies offenbar auf breiter Basis. Daraus erklärt sich, daß sich das Privatvermögen in Deutsch- land 1995 auf 13 Billionen DM belief, 158 500 DM je Einwohner.
Ausdruck des Sparwillens in der Bevölkerung ist auch der Betrag, der über Lebensversicherungen ausge- zahlt wird. Der belief sich 1995 auf rund 60 Milliarden DM, 735 DM je Einwohner. Im selben Jahr wurden 400 Milliarden DM vererbt, 4 878 DM
je Einwohner. Das alles sind die amt- lich veröffentlichten Zahlen. Die Dunkelziffer jedoch dürfte groß und der tatsächliche Betrag höher sein. So werden nach einem Aufsatz in der
„Welt“ vom 12. Juli 1997 künftig jähr- lich 260 Milliarden DM vererbt.
Sicher, die Kriegsgeneration hat mit ihren bitteren Erfahrungen we- sentlich zu dieser Entwicklung beige- tragen. An den Tatsachen an sich än- dert sich damit aber nichts.
Kommen wir zur Ausgabenseite.
Deutschland nimmt eine Spitzen- position bei Auslandsreisen ein. Hier- für wurden 1995 rund 77 Milliarden DM ausgegeben, 939 DM je Einwoh- ner – Tendenz steigend. Im selben Jahr lag der Umsatz für Alkoholika bei 37 Milliarden DM, für Tabakwa- ren bei 36 Milliarden DM, zusammen also bei 73 Milliarden DM. Das ent- spricht einer Pro-Kopf-Ausgabe von
890 DM. Alle diese Angaben bezie- hen sich auf die Gesamtbevölkerung, vom Säugling bis zum Greis.
Und schließlich gab es mit Stand vom 1. Januar 1996 in Deutschland 40,5 Millionen Personenkraftwagen, bei einer Bevölkerungszahl von 82 Millionen demnach ein Pkw auf rund zwei Personen. Nur am Rande sei er- wähnt, daß 1995 rund 20 Millionen Haustiere gehalten wurden, Hunde, Katzen, Ziervögel, Hamster und Meerschweinchen. Für Tierfertignahrung wur- den im selben Jahr 3,2 Milliarden DM ausgege- ben, für Tier-Zubehör 1,2 Milliarden DM.
Warum diese Auf- zählung?
Zunächst einmal muß festgehalten wer- den, daß es sich bei allen Angaben um statistische Angaben handelt, die so auf keinen einzelnen Bürger unseres Landes zutreffen. Der Wohl- stand ist ungleichmäßig verteilt. Dies bedeutet:
c Nicht alles trifft auf den einzel- nen zu,
c aber vieles trifft für viele zu.
Und hier ist anzusetzen.
In der Summe stehen in der Be- völkerung erhebliche Finanzmittel zur Verfügung. Der einzelne entschei- det, wie er diese Finanzmittel einsetzt, für einen wie auch immer gearteten Konsum – oder eben auch für seine Gesundheit.
Gesundheit zählt die Bevölke- rung zu ihren höchsten Gütern. Bei den in Meinungsumfragen ermittel- ten Wünschen zum Jahreswechsel wird fast regelmäßig Gesundheit an erster Stelle genannt. Nun ist Auf- klärung gefragt, Aufklärung darüber, daß es sich lohnt, gezielt etwas für sei- ne Gesundheit zu tun und Geld für seine Gesundheit einzusetzen, auch über den Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung und über die derzeitigen Zuzahlungsregelungen hinaus.
Prof. Dr. med. Fritz Beske Institut für
Gesundheits-System-Forschung Weimarer Straße 8, 24106 Kiel A-3398 (26) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 50, 12. Dezember 1997
P O L I T I K KOMMEMTAR
Mehr Eigenmittel für die Gesundheit –
keine Utopie
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